Berufsbildungsgesetz

15 04 2020

„Zwanzig Teilnehmer haben wir schon, das heißt, wir können mit dem Kurs ab nächste Woche regulär starten. Das rechnet sich für uns als Anbieter von E-Learning. Wobei wir ein kleines Problem haben, die Inhalte sind bisher völlig offen. Ich meine, was soll man jemandem beibringen, der bisher sein Geld mit Wohnungseinbrüchen verdient hat?

Ja, so habe ich auch geguckt. Aber da in der EU inzwischen illegale Einnahmen wie Schutzgeld oder Erlöse aus dem Drogenhandel zum BIP zählen, sind Einkünfte von Einbrechern eine relevante Größe, und das Berufsbild ist damit quasi legal. Kurzarbeit geht nicht, aber es ist eine systemrelevante Branche, nicht nur für die Sicherheitstechnik und Wachschutz und so Sachen. Auch für Innenpolitiker, die dreimal am Tag irgendwas kaputt hauen müssen, weil sie das verdammte Grundgesetz nicht wegkriegen. Die brauchen Einbruchdiebstähle, sonst können sie keine Bundeswehreinsätze im Innern mehr fordern oder Totalüberwachung des ganzen Internets oder Deutschland den Deutschen, oder was denen sonst so einfällt. Einmal kann man sich hinstellen und verkünden, dass man die Kriminalität mit Stumpf und Stiel ausgerottet hat. Genau einmal. Danach hat man für immer das Problem, dass man den ganzen Schwachsinn, den man vom Stapel lässt, beweisen muss. Und das machen Sie mal.

Geld ist ja genug da. Das muss noch nicht mal nachgedruckt werden, so weit sind wir noch nicht – erst dann, wenn die Autokonzerne ihren Vorständen nicht wie versprochen die Boni um dreißig Prozent erhöhen kann. So eine Umschulung ist ja auch im Berufsbildungsgesetz vorgesehen, daher wird das auch ausreichend gefördert. Wir können uns in der aktuellen Wirtschaftslage keine Erwerbslosen mehr erlauben, als es unbedingt notwendig ist, um die Drohkulisse mit den Hartz-Gesetzen aufrecht zu erhalten. Und jetzt müssen wir nur noch irgendwas finden, was wir den Einbrechern beibringen.

Einbruch auf Distanz geht ja nicht, das können Sie vergessen. Die Bundesagentur hatte uns zuerst vorgeschlagen, Taschendiebe auszubilden, aber Sie kennen ja die Vorschläge aus dem Laden. Erstens finden Sie momentan keinen, den man bestehlen könnte, weil die Straßen und die Läden leer sind, und wenn Sie sich tatsächlich mal an jemanden anpirschen, dann fällt das natürlich auch überhaupt nicht auf. Also alles ein Unfug, wie zu erwarten. Die Arbeitsvermittler müssen ja auch ihre Quoten erfüllen, aber mehr als Erntehelfer hatten sie nicht zu bieten. Ein gut gemachter Bruch mit ordentlich Familienschmuck und Bargeld kann schon mal ein paar Tausender einbringen, und wie lange soll man dafür Spargel stechen? Das können Sie knicken.

Erpressung könnte man jetzt noch machen, aber das wird auch schnell langweilig. Wir hatten mal einen Testlauf, um zu sehen, ob das Lehrmaterial praxistauglich ist, aber da sind wir zu zweit im Stadtpark mit dem Geldkoffer direkt in die Polizei reingerauscht. Totaler Flop. Unsere IT-Abteilung ist dran und erarbeitet Online-Zahlungsmodelle, aber kaum einer kennt sich damit aus, bis auf die, die sowieso viel im Internet einkaufen. Die fallen aber leider nicht auf unsere Erpressungsversuche rein. Es ist ein Kreuz!

Das Problem am Enkeltrick ist, dass die Rentner im Augenblick oft mit ihren Kindern telefonieren, und das fällt natürlich auf, wenn sich die Stimme plötzlich anders anhört. Oder wenn man von einem Enkel angerufen wird, den man bisher gar nicht kannte. Sie sagen jetzt, das ist die unsichtbare Hand des Marktes, die dieses Geschäftsmodell reguliert, aber damit kann man sich doch nicht abfinden! Wenn es nicht so klappt, wie man es sich vorstellt, dann ist eben der Staat schuld. Das sind Momente, in denen wünscht man sich ein Grundeinkommen, damit man Einbrecher einfach weiterbeschäftigen kann. Nach der Krise sind sie dann alle sofort wieder einsatzbereit, die Innenpolitik kann nach mobilen Erschießungskommandos rufen, wenn sich einer mit einem Buch auf die Parkbank setzt, und wir haben unsere Statistik im Griff.

Was uns jetzt noch aus der Patsche helfen könnte, das wäre ein Investmentbänker, den wir als Dozent gewinnen. Der bringt den Umschülern dann die richtig lukrativen Sachen bei. Cum-Ex, Subventionsbetrug, Steuerhinterziehung, das sind ja auch Straftaten aus einem ganz anderen sozialen Milieu, das könnte sich langfristig sehr positiv auf den Wirtschaftsstandort Deutschland auswirken, denn überlegen Sie mal, was bei solchen Taten rumkommt. Das kriegen Sie ja höchstens hin, wenn sie alle paar Tage einen Juwelier ausrauben oder eine Großbank. Und im Gegensatz zum Raub ist das nicht mit der Gefährdung von Menschenleben verbunden, daher dürfte die Strafandrohung viel niedrige ausfallen, wenn es denn tatsächlich mal schief geht. Mittelfristig hätten wir dann natürlich das Problem, dass Deutschland auch eine Menge Steuern verloren gehen, weil man als Politiker die Einhaltung von Gesetzen in diesem Bereich nur sehr schwer fordern kann, ohne seine eigenen Kumpels ans Messer zu liefern – man weiß ja nie so genau, wer da noch mit im Sumpf steckt, nicht wahr? Aber irgendeine Abkürzung zu ‚Deutschland den Deutschen‘ kriegen die sicher hin, da bin ich mir ziemlich sicher, und damit sind wir aus dem Schneider. Hauptsache, der Laden läuft weiter wie bisher. Wie, das interessiert einen doch nicht wirklich, oder?“