Solid arisch

1 06 2020

„Kinderfreibetrag. Nettes Antragsformular, aber für die Landsmannschaft Preußens Gloria GmbH & Co. KG sind wir nicht zuständig. Können Sie gleich wieder mitnehmen.

Die Auszubildenden sind immer ein bisschen naiv, die glauben ja noch, dass jeder, der hier mit einer Hakenkreuzarmbinde aufschlägt, auch einen Rentenanspruch hat. Aber die Bundesregierung hat das jetzt ja endlich mal geregelt: wenn man sich mit seinen Rechtsansprüchen an die BRD GmbH wendet, dann kommt halt nix. Ich meine, das wäre ja wohl auch noch schöner, auf der einen Seite die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen und auf der anderen Seite Kohle von ihr abgreifen. Damit erheitern Sie vielleicht Ihren Arzt, aber nicht mich.

Wir bündeln das jetzt zur Vereinfachung der Ablehnungsbescheide. Im Grunde müssen wir auf alles nur einen Stempel draufhauen, dass es die für ihn zuständige Behörde in der BRD GmbH oder im Königreich Deutschland oder wo auch immer gar nicht gibt. Umschlag, fertig. Damit unterlaufen wir die Zielsetzung dieser Verschwörungsideologen: durch ständige Eingaben die Verwaltung in ihrer ganzen Bandbreite lähmen und für die Anliegen der Bürger quasi nicht mehr verfügbar machen. Ein gut trainierter Reichsbürger schafft an einem Tag zwei Kommunalbehörden, eine Arbeitsagentur und ein Landgericht. Spitzenkräfte machen an einem Vormittag eine ganze Stadtverwaltung platt. Das können wir besser.

Oder hier, ein Amtsrat besteht auf die Zahlung seiner Pension. Wir müssten ungefähr herausfinden, wann das bei ihm angefangen hat, weil wir dann nämlich einen Teil seiner Beamtenbezüge wieder zurückfordern könnten, weil er nachweislich nicht für die BRD GmbH gearbeitet haben kann – oder er hat für einen Staat gearbeitet, den es nach seiner Ansicht nicht gibt, den er jetzt aber auf Zahlung seiner Altersruhegelder verklagt. Vermutlich hat er in der Zwischenzeit seine Reichsmark-Ersparnisse aufgebraucht, dann kann er bei dem Staat, den es nicht gibt, Prozesskostenhilfe beantragen.

Am Anfang hatten wir den Plan, von den Antragstellern ein paar Dokumente zu verlangen, mit denen sie ihre Ansprüche begründen. Wer einen Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich stellen wollte, musste schon seine kompletten Einkünfte seit 1848 nachweisen, sonst wurde das leider nichts. Wir haben fallweise auch Nachzahlungen gefordert, aber das wurde dann schwierig, wenn wir von Anwälten zur Stundung aufgefordert wurden. Die Schriftsätze waren dann teilweise vollkommen korrekt und mussten wieder an die ursprünglichen Ämter zurückverwiesen werden, die aber mit den Eingaben an die Reichssteuerbehörde der BRD GmbH nichts anfangen konnten. Ebenso ist es dann kompliziert, wenn die Berechnungen auf Grund der Reichsversicherungsordnung erfolgen, dann sind zum Teil wir zuständig und zum Teil geht das Zeug an die Anwaltskammer. Es ist ein bisschen schwer zu übersehen.

Krankenversicherungen haben wir auch in letzter Zeit immer mal wieder. Das Problem ist, wenn Sie Mitglied in einer Krankenkasse des Deutschen Reichs sind und die Beiträge in ihrer eigenen Währung auf das Privatkonto eines der fünf amtierenden Reichspräsidenten einzahlen, dann sind Sie nicht nur nicht versichert, Sie bekommen auch von richtigen Krankenkassen keine Beiträge zurückerstattet. Warum auch, das ist nun mal ein Solidarsystem. Solidarisch, nicht solid arisch. Und da ist es dann auch völlig wumpe, ob Sie bei der Kommissarischen Reichsregierung, im Freistaat Preußen oder bei der Deutschen Gesundheitskasse versichert waren, wir sind nicht zuständig. Nicht mal für die Germaniten der Linie Tothschild.

Die meisten berufen sich dabei auf die Haager Landkriegsordnung. Die hinterziehen Steuern, verklagen ganz normale Bürger, weil die ihrer Ansicht nach mit ungültigen Pässen herumlaufen oder Grundstücke besitzen, die in angeblich nicht zuständigen Ämtern registriert sind. Manche sind mittlerweile dazu übergegangen, selbst Bescheide zu verschicken und Steuern für irgendeine Reichsregierung einzufordern. Mich wundert, dass es noch keine Kaffeefahrten gibt, auf denen das Komplettpaket aus Heizdecke, Reichsausweis und Nahrungsergänzungsmittel an wehrlose Rentner verkloppt wird. Reichen Sie mir mal den Brief da. Der hat jetzt extra seinen Führerschein in der Republik Freies Deutschland gemacht, damit er keine Punkte in Flensburg kriegt. Logisch, die sind ja nur für echte Führerscheininhaber zuständig. Allerdings hilft das auch nicht wirklich weiter, weil er damit ohne eine gültige Fahrerlaubnis fährt. Das ist ähnlich intelligent, als wenn man den Führerschein in den Gully schmeißt, damit er einem nicht von der Polizei abgenommen werden kann.

Wir haben es versucht mit Lagerungsgebühren für Personalausweise, wenn die Entlassung aus der deutschen Staatsbürgerschaft gefordert wurde. Fünf Euro am Tag, plus fünftausend Euro für ein Vergehen gegen das Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis. Dann haben Sie theoretisch Staatenlose, da aber die deutsche Staatsbürgerschaft nur dann abgelegt werden kann, wenn eine andere erworben wird, kann man die Leute auch nicht einfach abschieben. Inzwischen klagen die Reichsbürger sogar von dem Bundesverwaltungsgericht, das sie gar nicht anerkennen, gegen ihre Staatsangehörigkeit. Aber wir haben inzwischen eine gute Lösung gefunden, die teilweise sehr befriedigende Ergebnisse für alle zeitigt, zumindest vorübergehend. Wir schicken sie alle zur Polizei. Wenn sie überall auffallen, da jedenfalls nicht.


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