Gernulf Olzheimer kommentiert (DXXII): Der angebliche Widerstand

10 07 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann hatte die vierte Höhle links, in der ein durchgeknallter Schwippschwager von Rrt mit zwei Frauen, zwei Ziegen – die Unterscheidung fiel nur bei gutem Wetter leicht – und jeder Menge Nachkommenschaft hauste, ein unschönes Erlebnis mit der Erschütterung durch die Macht. Wer den Häuptling nervte, wurde je nach Vergehen und Anzahl der Wiederholungen abgestraft, und wie es der historische Entwicklungsstand wollte, hatte man mit schnell nachweisbaren Eigentumsdelikten keine guten Chancen. Rrt fand Gnade; für die leihweise Aneignung eines Kriegsbeils ballerte man ihm eine rein, nach dem Entwenden einer für die ganze Sippe bestimmten Säbelzahnziege zum Eigenverbrauch ließ dann der ganze Hofstaat die Fäuste fliegen. In gerade noch vernehmungsfähigem Zustand sprach Rrt von politischer Justiz, die nur auf die jeweils herrschenden Machtverhältnisse gegründet sei, und schwiemelte sich ordentlich Schmodder um das Widerstandsrecht zusammen, das allen Feinden der demokratisch gewählten Regierung zustehe, weil das nun mal so sei. Mehr ist über seinen Hinschied nicht bekannt. Warum auch.

Ganz davon abgesehen, dass die kognitive Grundausstattung des Hominiden sich seitdem nicht unbedingt verbessert hat, mangelt es der breiten Masse nach wie vor an Einsicht in die Gesellschaft, in der sie lebt, auch und vor allem bei den Formen, die sie durch politische Partizipation mitbestimmen kann, eigentlich auch mitbestimmen soll, dies aus Mangel an Interesse, vulgo: reiner Doofheit auch besser gleich lässt, wenn sie dafür nur einen prima Grund serviert bekommt, immer und überall die Klappe aufzureißen und herumzuplärren, weil sie sich nicht genügend im Mittelpunkt sieht. Bei den geringsten Einschränkungen im täglichen Verkehr sieht diese völlig verseifte Dummklumpenrotte das, was sie für ihre bürgerliche Freiheit hält, und das ist durch neoliberale Erziehung, Aufwuchs in der Umlaufbahn des Sozialentzugs sowie profunde Kenntnis alkoholischer Sättigungsbeilagen nicht die Vorstellung des Gesetzgebers.

Freiheit hält die Ichlingspest zuvörderst für die Freiheit derer, die anders denken, falls man ihnen Letzteres nicht klinisch absprechen kann. Rein aus pragmatischen Gesichtspunkten heraus ist also das Überqueren einer Straße bei rotem Licht ein Akt der Freiheit, weil sie sich nicht um sozial etablierte Regeln schert, und wird zum Widerstand, wenn der böse Bulle die Straßenverkehrsordnung durchsetzt. Selten schert sich der Hohlrabi um die Verfassung, nur hier sieht er Rechte, wo geistig Gesunde eher die Abwehr gegen den hochmütigen Staat meinen. Befiehlt die Staatsgewalt ergo durch Bundesgesetz den Schwachmaten, sich auf der Autobahn zügig zu trollen, statt beim Auffahrunfall Erinnerungsfotos zu schießen, reagiert das blasierte Gammelpack mit Kampfgekreisch, meist national berauscht und nie von Fakten beeindruckt.

Im Ammenmärchenbuch des Staatsrechts sind zahlreiche Geschichten, die viel Schrott im Schädel fordern, um einer narkosefreien Hirnverödung zu entfliehen. Für Zensur hält der gemeine Grützkopf, wenn er Mitglieder der Bundesregierung in der Kommentarabteilung eines privatwirtschaftlich betriebenen TV-Senders nicht mit Fäkalvokabular beleidigen darf, ohne dass seine linguistische Ausfallerscheinung im Kehricht verklappt wird. Als Meinungsfreiheit gilt ihm, dass er jeden Dreck in die Außenwelt absondert, ohne Widerspruch für die geistige Minderleistung abzukriegen. Brechreiz erzeugt seine Kasperade, wenn er sich die in die Tradition des Ungehorsams gegen die Hitlerei stellt und ohne Frontzahnkorrektur anprangern will, dass er seine degenerierte Dreckfresse für zehn Minuten am Tag mit einem Keuchlappen verdecken darf, um dem Restsouverän nicht ins Gesicht zu spucken. In bemerkenswerter Beklopptheit heult sich der ewige Knalldepp in die Opferrolle, um hernach nur vor den Bedrohungen des scheinbaren Rechtsstaates – Scharia, Frauenquote, Mülltrennung – zu beweisen, dass man ihnen den Schulabschluss aus Unlust ins Kreuz geschmissen hat.

Getreu des rechtsdelirierenden Mantras, jeder Behauptung zu widersprechen, die nie aufgestellt wurde, erfindet das eskalationsaffine Dummvolk je nach Bedarf neue Lügen, gerne auch als alternative Fakten in den Handel gebracht, und marschiert als Brüllmüll unter den Fahnen rechter Kirmespisser, die jedes noch so bescheuerte Schimmelhirn unter der Hetzparole nach Wahl aufstellen könnte: Doofe gegen Leitungswasser, Honks protestieren für mehr Cholera in den Grundschulen, Stumpfstullen im Namen der Herrchenrasse. Widerstand gegen den Konsens einer Gesellschaft, die sich oft auch in den strittigen Fällen durch Verfassungsgerichtsbarkeit selbst prüft, statt weimernden Fußhupen zuzuhören. Lustig nur, dass sie verkünden, in einer Diktatur zu leben, um dann unbehelligt nach Hause zu gehen, ohne dass die Geheimpolizei ihnen das Nasenbein in den Darmausgang massiert. Sie sollte Sophie Scholl mitschicken, ausgerüstet mit einem in Beton gegossenen Grundgesetz. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Schläge auf den Hinterkopf für Ruhe sorgen, wo sonst nichts hilft.