
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Die Prohibition war ein großer Erfolg. Keiner hatte mehr Zugang zu alkoholhaltigen Getränken, nur noch die, die es wirklich wollten. Während sich das Verbrechertum in den Metropolen allmählich zu professionalisieren begann und sein Business mit Gewalt durchsetzte, starben immer mehr harmlose Säufer an Billigfusel, vergälltem Sprit und Hinterhofplempe. Besser scheiterte nur der Krieg gegen Drogen.
Wüste Geschichten kursierten damals in den Gepeinigten Staaten: Afroamerikaner, Latinos und Mexikaner würden im berauschten Zustand über die weiße Frau herfallen, ein Muster, das noch heute von dementen Drecksäcken in Führungsposition für alles benutzt wird, was man sich auf Adderall aus der Hirnrinde rotzt. Weiße, so das Märchen, würden durch Hanfrauchen wahnsinnig und suizidal. Nach einem Zwischenspiel, in dem ein paar Millionen Soldaten auf Panzerschokolade die halbe Welt in Schutt und Asche legten, waren den die Schuldigen schnell gefunden. Linke Pazifisten und Schwarze, die sich kein Meth reinpfeifen wollten, um Vietnam in die Steinzeit zu ballern, mussten so schnell wie möglich diskreditiert werden. Dass von Adenauer bis Kennedy das politische Establishment weiter fleißig Speed schmiss – geschenkt.
Die Auswirkungen auf die Gesellschaft der großen Wirtschaftsnationen waren nie wirklich ein Geheimnis, mehr noch: die Gesetze des Marktes funktionieren geradezu vorbildhaft da, wo sie gar nicht funktionieren sollen. Die Nachfrage bleibt, da man den Drogenkonsum nicht einfach durch eine rationale Verbraucheransprache wegsteuern kann, denn Sucht (falls man partout pathologisieren will) ist eben kein unabhängig von anderen Stellgrößen kontrollierbares Phänomen; sogenannte legale Drogen wie Alkohol oder Nikotin fördern lediglich die kognitive Dissonanz, dass Missbrauch nur da vorliegt, wo eine Regierung sich im Kopfschrott der Ideologie verrennt. Weicht der Kunde auf potentere Produkte aus, steigt auch bei sinkendem Angebot der Preis, Herstellung und Vertrieb von allerhand Betäubungsmitteln wird ein attraktives Geschäft, und wie in der Prohibition weniger Wein und Bier, dafür aber mehr Schnaps erzeugt wurde, da mit raumsparend lager- und transportfähigem Alkohol die Marge optimiert werden kann, so füllen auch Designerdrogen aus dem Baukasten schnell und einfach die Kassen der Kartelle. Volkswirtschaft ist kein Hexenwerk. Wer hätte das ahnen können?
Die Erkenntnis, dass Korruption nicht nur auf Entwicklungsländer beschränkt ist, in denen Mohn und Coca kultiviert werden, ist ebenso neu. Keiner hätte für möglich gehalten, dass sie eine lukrativere Einnahmequelle als Sweatshops wäre oder als der Polizeidienst. Exakt so bekommt Gewaltherrschaft ein stabiles Fundament, allerdings nur da, wo die Industrienationen sie dulden. Die Gewalt in der eigenen Nachbarschaft übernehmen die Gangs, die Kriminalisierung und soziale Ächtung formten, da die Minderheiten eh zum Abschuss freigegeben worden waren. Natürlich schwiemelt sich das auch hier noch eine scheinbar wasserfeste Welterklärung zurecht, dass die ausgegrenzte Unterschicht ja mit dem Drogenkonsum schon angefangen hatte, als der rechtschaffene Herrschaftsapparat seinen Krieg noch nicht erklären wollte. Mit der Stigmatisierung und Kriminalisierung der verhassten Segmente wird der Prozess zum Perpetuum mobile und zum Ideal eines jeden Krieges, der sich selbst und damit die ernährt, die keinen Sinn in ihrem Leben sehen, als andere zu unterdrücken und zu vernichten.
Der angenehme Nebeneffekt, der ökonomisch vor allem der Oberschicht zugutekommt, ist die Gefängnisindustrie, die absurd hohe Haftstrafen für Bagatelldelikte und den sicheren Nachschub an Delinquenten als gute Grundlage für den Reibach feiern. Was die Wirtschaft doppelt schädigt, die Stilllegung hunderttausender Arbeitskräfte bei hirnverbrannten Kosten, unterfüttert dann auch die rassistischen Vorurteile einer Politik, die Schwarze wegen ihrer Haftkarriere deklassiert, während der Drogenkonsum unter Weißen weiter verbreitet ist und von ihnen gesteuert wird. Das wird die Law-and-Order-Bullen in den Entwicklungsländern nicht kratzen, sie kopieren ungeniert die Gewalt der weißen Anführer, nur noch gewaltsamer. Da die Knäste in Kuala Lumpur nicht ganz so sauber sind wie eine JVA in Japan, gleitet das Verfahren oft in Menschenrechtsverletzungen ab, in Säuberungen, Hinrichtungsorgien und Schutzgelderpressung, um das nackte Leben zu retten. Der Mensch ist schlecht und verdient nichts Gutes. Wenigstens das kann man den Militärdiktaturen sofort glauben.
Natürlich könnte man den Markt austrocknen, indem man die Verbote aufhebt, die Konsumenten sozial betreut, den Stoff einer Qualitätskontrolle unterwirft, ihn hoheitlich abgibt und besteuert. So, wie man in einer ohnehin fragilen Wirtschaft auch die Existenz der Bevölkerung durch die Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens sichern könnte. Aber der schöne Krieg an allen Fronten, um die verdammten Minderheiten, die in der Summe eine Mehrheit sind, um sie alle zu knechten – denkt denn keiner an den schönen Krieg?
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