Industrieller Maßstab

9 09 2020

„Und wenn wir die Preise anpassen?“ „In welche Richtung, darauf kommt es doch an.“ „Dann würde auch die Qualität steigen.“ „Es geht schließlich um unsere Zukunft.“ „Dann werden die Preise wohl steigen.“ „Das wäre vernünftig.“ „Dann können wir’s ja gleich vergessen.“

„Die Ministerin wünscht sich eine wirtschaftlich erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft.“ „Können Sie mal nachfragen, was sie unter ‚akzeptiert‘ meint?“ „Wenn Sie schon da sind, dann fragen Sie doch auch gleich, von welcher Gesellschaft sie da gerade spricht.“ „Das werden die Handelsgesellschaften sein.“ „Oder meint sie die Produktion?“ „Der Verbraucher hat mit den Erzeugern aber gar nichts mehr zu tun.“ „Eben.“ „Vermutlich schwebt ihr der wirtschaftliche Erfolg der Gesellschaft vor.“ „Also alles doch billiger.“ „Das hieße doch aber, wenn wir die Schnitzel nicht teurer machen, dann haben die Bauern gar keinen Gewinn mehr.“ „Irgendwas stand da noch drin mit Verantwortung.“ „Das finde ich jetzt aber sehr mutig.“ „Wieso?“ „Was meinen Sie, was passiert, wenn jemand Klöckner zur Verantwortung zieht.“

„Ist denn diese Tierwohlabgabe noch aktuell?“ „Das wäre dann ja eine Preissteigerung.“ „Die aber nur dem Tierwohl dienen sollte.“ „Das heißt, dass die Zucht- und Schlachtbetriebe immer noch die Schweine durch die Gegend karren und dann im Leiharbeitergulag weghauen?“ „Mit dieser Abgabe werden dann aber bestimmt die Ställe ein bisschen größer.“ „Das wird sicher teuer.“ „Aber es geht halt um unsere Zukunft.“ „Diese ausländischen Arbeiter, die kann man nicht einfach aussperren?“ „Mit welchem Recht?“ „Dann hätten wir auch keinen Spargel mehr.“ „Dann kann ich aufs Schnitzel auch verzichten.“ „Man könnte das machen, aber dann setzen die Osteuropäer ihre EU-Standards noch weiter runter.“ „Gibt es denn eine Möglichkeit, diese wirtschaftliche Abhängigkeit zu stoppen?“ „Brexit sagt Ihnen etwas?“

„Was würde denn passieren, wenn wir diese Option ziehen würden?“ „Wenn Polen oder die anderen Billiglohnländer…“ „Sie meinen das im Vergleich zur Bundesrepublik, nehme ich an.“ „… die Erzeugerpreise senken würden, könnte der Handel weiter sein Niveau halten.“ „Und das kann man nicht in der nationalen Gesetzgebung regeln?“ „Dann würde es sich aber auch anbieten, die…“ „Wenn er jetzt vom Mindestlohn anfängt, schreie ich!“ „Wieso das denn?“ „Wenn die Verbraucherpreise steigen, können wir irgendwann auch Hartz IV erhöhen.“ „Das ist doch unsere Zukunft!“ „Es ist schrecklich.“ „Und mehr können Sie nicht zu den…“ „Wir müssen doch zugeben, dass es sich um eine schreckliche Entwicklung handelt“ „Richtig, aber in unsere Berechnung wurde der schlimmste Faktor noch nicht integriert.“ „Klöckner?“ „Klöckner.“

„Die macht doch einen sehr guten Job.“ „Sagt die Bundesregierung auch.“ „Merkel leistet sich in letzter Zeit auch mehr fachexterne Berater, wenn sie mal was zum Rausschmeißen braucht?“ „Immerhin hat sie die richtigen Denkansätze.“ „Weil sie die steigenden Kosten kritisiert, die da auf die vielen kleinen Familienbetriebe in der Landwirtschaft zukommen.“ „Dann müsste man Fleischproduktion vielleicht eher im industriellen Maßstab denken.“ „Das kann sie ja.“ „Sie meinen, weil sie eh nur für die Industrie denkt?“ „Die Industrie meint, dass sie denkt.“ „Meint sie das nicht auch?“ „Naja, nur halt nicht maßstabsgerecht.“

„Haben wir wenigstens einen Kompromiss in Aussicht?“ „Die SPD muss wieder querschießen.“ „Was wollen die denn diesmal?“ „Dass geltendes Recht durchgesetzt wird.“ „So kommen wir ja auch nicht weiter.“ „Schlimm!“ „Dabei ist das unsere Zukunft!“ „Es wird dann ja sowieso erst nach der nächsten Wahl umgesetzt.“ „Also ohne die SPD.“ „Hoffentlich ohne Klöckner.“ „Wir haben zweimal Weltkrieg, die Wiedervereinigung, die Eurokrise und Corona ausgehalten, da werden wir doch…“ „Fällt Ihnen auf, dass die Einschläge langsam näher kommen?“ „Dann können wir es ja nur noch vom Markt regeln lassen.“ „Das wäre effektiver als ein Krieg.“ „Nein, durch genossenschaftliche Modelle zum Beispiel.“ „Das geht aber auch nicht von heute auf morgen.“ „Wenn die Regierung so arbeitet wie bisher, fangen die auch erst übermorgen an.“ „Und dann könnte man das alles rechtlich durchsetzen?“ „Dafür wäre dann wieder die EU zuständig.“ „Also niemand?“ „Wir machen nur die Finanzierung.“ „In dem Fall die Gegenfinanzierung.“ „Das sind dann aber natürlich Centbeträge.“ „Um die man auch jahrelang diskutieren kann.“ „Das darf aber nicht an den Verbrauchern hängen bleiben!“ „Regelt das nicht der Markt?“ „Grundsätzlich ja.“ „Wir könnten natürlich auch Subventionen an Umweltauflagen koppeln.“ „Das wäre schon unfair denen gegenüber, die sich nicht daran halten.“ „Also die Mehrheit.“ „Und der Klimaschutz?“ „Regelt den nicht auch der Markt?“ „Wir könnten ja die Preise durch mehr und nicht kontrollierte Subventionen…“ „Dann wird auch das Fleisch wieder billiger.“ „Und wird mehr gekauft.“ „So dass wir im Grunde den Markt damit geregelt kriegen.“ „Genial!“ „Vielleicht haben wir damit eine neue Exportquelle eröffnet.“ „Das ist ein guter Schachzug!“ „Aber die Zukunft!?“ „Welche Zukunft meinen Sie denn?“ „Vermutlich die, die Klöckner schon hinter sich hat.“