„Natürlich gibt es in Deutschland Terror, und es gibt auch Terrornetzwerke. Das steht ja gar nicht außer Frage. Aber mal davon abgesehen, dass es auch nicht immer rechtsextremistische Terroristen sind, die sind ja nicht alle bei der Polizei. So viel Polizisten gibt’s auch wieder nicht.
Schauen Sie sich mal unsere gesellschaftliche Realität an, da hat sich in den letzten Jahren sehr viel verändert, und nicht eben nur zum Guten. Die Bundeswehr ist so gut wie weg vom Fenster, die Wehrsportgruppen wurden vom Verfassungsschutz zugemacht – vielleicht sind die jetzt auch bei der Bundeswehr, so genau weiß ich das auch nicht – und wenn man sich kritisch mit der Geschichte des Vaterlands auseinandersetzen will, gilt man gleich als Reichsbürger oder Verschwörungsideologe. Da wird so viel über einen Kamm geschoren, das ist wirklich eine Schande. Und wir leben wirklich in einer schwierigen Zeit. Wer heutzutage noch ein gewisses politisches Engagement aufbringen will, der muss sich ja zwangsläufig radikalisieren.
Jetzt können Sie natürlich sagen: das geht heute schnell, einfach mal ins Internet, es gibt auch noch die Schützenvereine, aber das sind doch keine Alternativen. Sicher hat man da auch ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, im Schützenverein sowieso, im Internet weiß man, dass man teilweise mit Bots zu tun hat, teilweise mit Russen, teilweise auch beides gleichzeitig, aber so als Deutscher mit der typischen Sozialisation braucht man immer eine klare Gruppenzugehörigkeit. Wir und die anderen. So läuft da nun mal, das ist ein bewährtes Muster.
Was liegt da näher, als diese problematischen Personen in einer geschützten Umgebung zu verwahren, in der ihr Verhalten nicht so auffällt? Für uns bietet sich da die Polizei an, weil das die Kriminalstatistik nicht verzerrt. Sie wissen ja, falls es doch zu irgendeiner Fehlleistung kommen sollte, als Gesetzesverstoß wird das nur untersucht oder in die Kriminalstatistik aufgenommen, wenn es von der Polizei als Straftat gewertet wird, und wenn es als Straftat gewertet werden sollte, dann kann die Polizei das vermeintliche Opfer immer noch als Täter behandeln und selbst verfolgen. Das macht die Straftat nicht ungeschehen, erhöht aber das Vertrauen der Bürger in die Ausgeglichenheit der Kriminalstatistik.
Es handelt sich ja im Grunde nur um das, was auch außerhalb der Polizei an Alltagsstraftaten zu finden ist. Sie haben doch auch schon mal den Computer Ihrer Frau benutzt, ohne sich mit dem eigenen Passwort einzuloggen. Oder umgekehrt. Oder Sie gucken mal in den Briefkasten der Nachbarin, wie die eigentlich mit Vornamen heißt. Das ist uns allen schon passiert. Obwohl das streng genommen schon ein Verstoß gegen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte ist, zum Beispiel dann, wenn sie dadurch ihre Telefonnummer rausfinden und sie mit unterdrückter Nummer nachts anrufen. Alles nicht schön, aber alles durchaus alltäglich.
Die Alternative wäre ja, sich in linksextremen Kreisen zu bewegen. Da haben Sie noch Anschluss an die Gruppe, weil die alle im Untergrund leben und ständig Terroranschläge planen, und da gibt es auch noch Wehrsportgruppen. Wir haben uns lange mit der Frage beschäftigt, ob ein gut organisierter Linksterrorismus eine Möglichkeit wäre, labile Menschen unter Kontrolle zu kriegen. Dafür spricht, dass wir langjährige Erfahrung mit linkem Terrorismus haben, einschließlich Abbau sämtlicher Bürgerrechte für unbeteiligte Bürger, und im Ergebnis war das auch eine ganz gute Zeit. Gut, nicht für die Opfer, aber das ist halt der Preis. Im Endeffekt haben wir uns aber dagegen entscheiden, weil wir es nicht verantworten konnten.
Sie müssen sich auch mal in die Betroffenen hineinversetzen. Das sind ja zum Teil schon sehr arme Menschen, denen lange keiner zugehört hat, und dann haben die auch nicht wirklich etwas in ihrem Leben realisieren können. Der NSU hat zehn Fremde erschossen, eine davon immerhin deutsch, andere haben Flüchtlingsheime in Brand gesetzt, und so ein Mensch, der täglich mit Frustrationen zu kämpfen hat, weil er die öffentliche Ordnung im Amt vertreten muss, der kann nicht nach eigenen Vorstellungen leben. Wenn man Berufsverbot hat, das ist eine Zwangshandlung von linken Spinnern, die überall das Grundgesetz dabei haben, dann darf man wegen seiner Gesinnung seinen Beruf nicht mehr ausüben. Hier ist das andersherum, und das ist noch viel schlimmer. Da nehmen Sie Menschen die Lebensgrundlage. Systematisch. Das ist wie Folter, da müssen Sie sich nicht wundern, wenn so ein Mensch irgendwann explodiert wie eine Zeitbombe. Wir sehen uns da als Katastrophenschutz, weil wir das Schlimmste verhindern.
Also lassen Sie uns das hier zu Ende führen, es ist ja bisher gut gegangen. Lübcke, Halle, Hanau, das waren insofern gar nicht oder nur sehr schwer kalkulierbare Risiken, weil es sich bei den Tätern ja nicht um Polizisten gehandelt hat. Das hätte man mit der anlasslosen Vollüberwachung aller Bürger eventuell verhindern können, aber ich glaube kaum, dass die Bundesregierung dafür die Personalstärke bewilligen würde. Und ich höre jetzt schon die Kritik, dass man damit genau die Rechtsextremisten in die Schnittstellen der Überwachungsbehörden locken würde, die man eigentlich am anderen Ende der Fahnenstange haben möchte. Lassen Sie uns das beobachten, dann sehen wir schon, was rauskommt. Und wenn wirklich mal etwas schief laufen sollte, ist das auch nicht so schlimm. Dann war’s halt ein Einzelfall.“
Satzspiegel