Schutzmannschaft

7 10 2020

„Also erlauben Sie mal, das ist doch wieder der reinste Selbstbedienungsladen! Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen, aber wir können doch nicht immer, wenn diese, naja, Mitbürger ihren Ramadan abziehen, dann kann man da doch nicht immer eine Hundertschaft hinstellen! Man muss doch mal die Synagoge im Dorf lassen!

Das ist jetzt aber schon ziemlich unverschämt, dass man sich diese ganzen Feiertag auch noch merken soll. Dann müssten wir ja eigentlich auch noch einen Unterschied machen, wann wir die nur beobachten und wann wir sie beschützen sollen. So viel Geld, wie die haben, meinen Sie nicht, dass die sich auch selbst zur Wehr setzen können?

Natürlich ist das ein Angriff auf uns alle, das muss ich mir von denen doch jetzt nicht auch noch vorschreiben lassen, wo mein staatsbürgerlich klar verankertes Grundrechtsbewusstsein lebt, dass eine religiöse Minderheit das gesunde Volksempfinden vor sich hertreibt! Da fängt das nämlich an: erst hat einer von denen mit einem normalen deutschen Passangehörigen Stress, plötzlich eskaliert die Situation, und dann ist das auch noch ein Feiertag? Glauben Sie etwa, dass wir als deutsche Polizei in Deutschland uns die Hose mit der Kneifzange hochziehen?

Das ist ja das Problem. Hier werden bei der strafrechtlichen Ermittlung so viele Spuren einfach ignoriert, dass es nie objektive Ergebnisse gibt. Zum Beispiel der Täter, bei dem weiß man ja auch nicht: war das ein Russe oder ein Deutscher? Die einen sagen, das war ein Aussiedler, aber wenn wir den ausländischen Antisemitismus auch noch als staatliches Problem auffassen, dann werden wir ja nie fertig! Wenn Russen sich hier als Deutsche verstehen, dann müssen wir die doch auch als deutsche Staatsbürger behandeln – es sei denn, sie sind nicht so deutsch, wie wir uns das vorstellen. Das mag ja in andere Fällen auch so sein, aber hier sollten wir sensibel reagieren. Das waren damals die Flüchtlinge, die keiner aufnehmen wollte, und nur wegen der besonderen Beziehung zur deutschen Rasse haben sie hier Zuflucht gefunden. Da kann man denen gegenüber auch mal Dankbarkeit zeigen, oder liege ich da so falsch?

Und diese ständigen Schuldzuschreibungen. Auf der einen Seite diese ganzen Linken, die einem in den Ohren liegen, man müsse die Verfassung respektieren – was meinen Sie eigentlich, wozu wir diese Polizeigesetze gerade hochziehen!? – auf der anderen Seite plärren alle, wir müssten sofort mit aller Gewalt, wenn einer in Bundeswehruniform auf Juden einprügelt – was haben Sie eigentlich für eine Einstellung gegenüber dem Polizeistaat? Das ist einem anständigen Deutschen, erst recht einem Polizisten, der ist immer ein anständiger Deutscher, der respektiert eine deutsche Uniform, auch wenn sie falsch ist, und wenn der einem Juden eine reinhaut, dann ist das ein jüdisches Problem, oder? Glauben Sie, dass wir als Schutztruppe für diese Leute auch noch Lust haben, ungefragt in deutsch-israelitische Konflikte einzusteigen?

Verstehen Sie mich nicht falsch, das ist jetzt auch nicht antiisraelisch gemeint. Aber wenn diese Schutzmannschaft vor der Moschee, oder wie man das bei denen nennt, wenn die schneller reagiert haben als die Polizei, dann ist das doch erstmal eine gute Sache. Grundsätzlich verurteilen wir als die Hüter des Gewaltmonopols in Deutschland erstmal jede Gegengewalt, weil wir uns da historisch nie so ganz sicher fühlen, wo man besser noch mehr hätte zuschlagen können, aber organisatorisch ist das gut gelaufen. Wir müssen uns jetzt natürlich die Frage gefallen lassen, warum wir nicht schneller zugeschlagen haben. Für Außenstehende ist das plausibel. Aber es muss ja auch verhältnismäßig sein, und dann ist da die Frage nach dem Befehl. Der Deutsche, besonders in Uniform oder anderen kulturell bedeutsamen Rollen, haut ja immer nur dann staatstragend einem aufs Maul, wenn er perspektivisch weiß, dass Befehlsnotstand wird vorgelegen haben. Wir sind historisch geübt. Und der Zukunft zugewandt.

Da wurde neulich einer verhaftet, der wollte möglichst viele Muslime ermorden. Jetzt steht er in Celle vor Gericht. Der hatte gesagt, er habe einen besonderen Hass gegen Juden, Muslime, Schwarze und Frauen entwickelt – wie man das jetzt richtig aufteilt, das ist ja bei jedem anders, aber für mich hört bei Frauen ja auch der Spaß auf. Die können nun wirklich nichts dafür. Den haben wir wegen psychischer Probleme im Gewahrsam genommen und in eine Fachklinik eingewiesen. Sehen Sie das Muster? Darum sollten Sie mit Schuldzuweisungen jetzt auch sehr vorsichtig sein, verstehen Sie? Das war am Ende ein psychisch sehr gekränkter Mann von russisch-deutscher Herkunft, der sich wegen des rassischen Herkunftsverlustes an einer der zahlreichen Minderheiten rächen musste, die sich schon länger hier ausgebreitet hatten.

Natürlich sind diese Leute verwirrt – wenn Sie als Kasache in einer fremden Kultur plötzlich eine von jüdischer Übermacht dominierte Gesellschaft sehen würden, und das auch noch an einem Feiertag, dann wüsste ich auch gerne mal, wie Sie reagieren! Und wenn man in Ihrer Hose ein Hakenkreuz findet, ist das nicht eher ein Anzeichen gelungener Integration? Wollen Sie einen deutschen Staatsbürger, abgesehen von der staatsrechtlichen Unmöglichkeit, jetzt deswegen abschieben!? Seien Sie doch froh, dass der Mann nicht zu uns gehört. Den echten deutschen Antisemitismus, den kriegen wir nämlich auch ohne Ausländer hin!“