Gernulf Olzheimer kommentiert (DL): Symbolpolitik

5 02 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Rrt hatte ein feines Näschen für die Motivation seiner Krieger. Wann immer ein gutes Dutzend der jugendlichen Heißsporne ins östliche Jagdgebiet der benachbarten Sippe eingedrungen und als zwei bis drei Mann starke Trümmertruppe zurückgekehrt war, ereilte ihn im Trancezustand eine Botschaft der Fruchtbarkeitsgöttin – seltener auch eines für Tiere und Gemütszustände verantwortlichen Gottes ohne festen Status in der Vorstellung der damaligen Gläubigen – mit dem Auftrag, die Schmähung über eine vermeintlich heilige Pflanze am Wegesrand zu rächen und dazu Kräuter auf den nächsten Feldzug mitzunehmen und sie mit den gefallenen Gegnern zu bestatten. Rrts Wildererkollektiv bekam nach wie vor gewaltig eins auf die Kalotte, nebenbei kam auch das Bouquet garni als Grabbeigabe in Mode und blieb es in der lokalen Küchentradition bis auf die heutigen Tage, aber das war’s dann auch schon. Mehr als eine holprige Umsemantisierung kam nie zustande. Immerhin, die Symbolpolitik wurde als eigenständiges Genre öffentlichen Handelns ins Leben gerufen, und das mit weit reichenden Folgen.

In einer postmodernen Demokratie – meist ist es eine moderne Postdemokratie – erledigt das die regierende Klasse mit Kasperletheater anstelle der Gesetzgebung. Ändern Gesetze und Verordnungen nichts an der Wirklichkeit, weil beispielsweise die kostspieligen medizinischen Masken machtlos sind, wenn man in einer Pandemie fröhlich Schulen und Betriebe offen lässt, dem degenerierten Kopfschrott beim Demonstrieren zuguckt und ansonsten die Durchseuchung der Massen erwartet, dann schiebt man den bösen Wissenschaftlern die Schuld zu, da sie zu früh, zu spät, zu laut, zu leise oder überhaupt zu warnen gewagt haben. Wer plötzlich mit der Realität ankommt, glaubt nicht an den Endsieg.

Es geht um den brüllenden Führer, der nicht an der Effektivität seiner Maßnahmen gemessen wird, sondern an der Lautstärke seines aus erratischen Wortspenden zusammengeschwiemelten Geblöks. Wie in diesen Zeiten der unterste Dreckrand aus der Jauche nach oben blubbert und gegen den Rest anstinkt, wird nichts besser, und das ist gut so.

Wer dieser Leerlaufhandlung vorwirft, nichts an den drängenden Problemen zu ändern, der hat ihren taktischen Vorteil klar erkannt. Denn nichts fürchtet der Bekloppte mehr als auch nur die geringste Verschiebung irgendwelcher Koordinaten, die Ahnung einer durchbrochenen Kontinuität, die aus welchem Grund auch immer geplante Abweichung vom Zustand seit dem Urknall. Im Mittelalter und zur Kreidezeit hatte es auch Gegenwart gegeben, warum also muss man die im neuen Jahrtausend denn als Differenz vom Durchschnitt betrachten? Die Angst geht so weit, dass selbst die Kaste der Abgehängten, die noch nie über nennenswerte Vermögen verfügt haben und mit legalen Mitteln auch nie in deren Nähe kommen werden, eine moderate Anhebung der Spitzensteuersätze für ihre Ausbeuter kategorisch ablehnt, denn wer vor den Großkopferten nicht dienert, der wird den Armen gegenüber sicher erst recht gierig werden.

Denn für das kognitiv suboptimierte Gefolge ist es allemal leichter, wenn Politik lediglich hübschen Sichtschutz aufstellt vor den Problemen. Guck an, Vorratsdatenspeicherung! Hui, Elektromobilität! Jucheirassa, geschlechtergerechte Sprache, mit der es uns viel leichter reißpiepenegal sein kann, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt so scheiße behandelt werden, wie sie es wahrscheinlich verdienen, weil das ja der Markt regelt! Da werkelt man doch nicht auch noch erst mühsam an der Realität herum, mit der die meisten Deppen intellektuell eh überfordert und der Wähler an sich nicht befasst ist.

Gibt es diese Wirklichkeit denn? Entsteht sie nicht sowieso erst als Konstrukt aus Erkenntnis und Interesse, und das auch erst lange nach der Wahl – wenn alle, die es hinterher schon vorher besser gewusst haben, nicht mehr gehört werden – und auch lange vor der folgenden, bei der sich für die Zusammenhänge aus Symbol und Realität schon wieder keine Sau interessiert? Wir alle hätten es bei genauem Nachdenken wissen können, was auch gut erklärt, warum keiner irgendetwas weiß. Oder hätte wissen können wollen. Wir vertrauen dem Symbol.

Am Ende sind wir dankbar, wenn uns der große Führer auffordert, die Fensterscheiben aller Friseure aus Lippe-Lummerland einzuschmeißen, weil nur die schuld sind an der Ausbreitung der Pest. Es gibt keinen besseren Ausweg nach amtierender Logik. Wem diese Argumentation bekannt vorkommt und wer sie als festen Bestandteil der historischen wie zeitgenössischen Politik erkennt: so ist es. Wenn eine alternative Wirklichkeit reicht, um logische Widersprüche im eigenen Handeln zu verwischen, dann geht der effiziente Leader den einfachen Weg. Er baut eine Mauer an der mexikanischen Grenze, verbietet Killerspiele und stellt Kükenschreddern ab Irgendwanninderzukunft unter lächerliche Strafe, es sei denn, man hat eine Ausnahmegenehmigung, wie sie kostenfrei und unbegründet jedem ausgestellt wird, der keine Lust hat, sich mit einer kariösen Beistellblondine abzugeben. Schön, dass es nun endlich Schokoladenkuss heißt. Da weiß der Nafri, hier kriegt jeder sein politisches Korrektschnitzel.