Stellvertreterkrieg

23 02 2021

„Das ist nicht Ihr Ernst!?“ „Doch.“ „Das ist doch aber verfassungsrechtlich gar nicht möglich!“ „Hat das die Union je interessiert?“ „Das wird doch nie im Leben funktionieren!“ „Ein Grund mehr, es zu versuchen, oder?“ „Söder und Laschet, das wäre…“ „Endlich mal eine echte Doppelspitze.“

„Das wäre die vorweggenommene Spaltung der Bundesrepublik.“ „Ich will Ihnen nicht unbedingt widersprechen.“ „Die Leute wissen doch jetzt schon nicht, wen sie wählen sollen!“ „Die Leute wissen eher nicht, wen sie nicht wählen sollen, und dieses Modell löst das Problem sofort.“ „Das heißt, wenn ich Söder nicht abkann, wähle ich Laschet?“ „So ähnlich.“ „Das heißt doch letztlich nur: wenn ich den wähle, kriege ich auch die ganze Scheiße, die ich nicht will.“ „Das dürfte im politischen Geschäft schon länger bekannt sein, und meines Wissen ist das nicht unbedingt auf die Union beschränkt.“ „Und wie stellen Sie sich die Regierung vor, sollen die beiden Kanzler dann immer Streichhölzchen ziehen, wer da etwas entscheiden darf?“ „Nun, sie müssen sich schon ein bisschen kompromissbereit zeigen.“ „Was ja zu den Kernkompetenzen von Söder und Laschet zählt.“

„Schauen Sie, wenn es wirklich zur Koalition mit den Grünen kommen sollte, muss der Kanzler auch eine Menge Zugeständnisse machen.“ „Aber das können Sie doch gar nicht vergleichen!“ „Ja, es wird natürlich dann keine inhaltlichen Rivalitäten mehr geben.“ „Weil die Grünen sich der Union unterordnen?“ „Auch, aber die Kanzler werden sich weniger wegen inhaltlicher Konflikte streiten.“ „Mit den Grünen würde Söder vermutlich schnell seinen Frieden machen.“ „Mit Laschet auch, immer vorausgesetzt, der hält seine Klappe.“ „Also nie.“ „Aber das wäre mal ein realpolitischer Vorschlag, der die Interessen der ganzen Bevölkerung so weit wie möglich berücksichtigt.“ „Naja, wer auf einen Macher steht, der pragmatische Entscheidungen trifft und sich als Krisenmanager volksnah in Szene setzt, kriegt halt Söder.“ „Der Rest kriegt Laschet.“

„Und wer wäre bei den beiden Vizekanzler?“ „Das ist doch kein politisches Amt.“ „Das heißt, sie vertreten sich gegenseitig?“ „Das wäre denkbar.“ „Als gegenseitige Stellvertreter?“ „Ja.“ „Und wenn die sich zanken, haben wir Stellvertreterkrieg?“ „Jetzt sehen Sie mal nicht gleich so viele Probleme, es hat doch auch seine guten Seiten.“ „Nämlich?“ „Der Unterhaltungswert ist doch viel größer.“ „Und was ist mit den großen Herausforderungen für die hart arbeitenden Menschen da draußen im Land?“ „Glauben Sie ernsthaft, irgendein anderer Kanzler würde in vier Jahren auch nur ein einziges Problem in Angriff nehmen?“ „Stimmt auch wieder.“

„Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, die CDU…“ „Das müsste man dann natürlich ändern, weil die beiden Parteien nicht getrennt voneinander in den Wahlkampf gehen.“ „Also nicht CDU und CSU nach Ländern getrennt?“ „Eine Union, die dann im gesamten Bundesgebiet antritt.“ „Aber stellen Sie sich trotzdem mal vor, diese Union würde nicht die absolute Mehrheit bekommen und müsste mit den Grünen koalieren.“ „Das ist ausgeschlossen.“ „Dass die Union die absolute Mehrheit verfehlt?“ „Dass diese Union mit den Grünen regiert.“ „Wie soll denn sonst die Regierung zustande kommen?“ „Wie immer. Die SPD macht das wie vor vier Jahren, wenn die Union es nicht gerissen kriegt, wedeln die mit dem Schwanz.“ „Aber das wäre ja ein ewiger Krisenherd, in dem keine vernünftige Entscheidung getroffen werden kann.“ „Also ungefähr das, was wir jetzt schon haben.“

„Wirft Söder dann nicht irgendwann hin, wenn er nicht mehr alleine regieren kann?“ „Denken Sie daran, Laschet war immer für eine Teamlösung.“ „Naja, aber erstens für die CDU, zweitens mit Spahn, und drittens so, dass andere arbeiten und er seine Rübe in die Kameras hält.“ „Ich glaube kaum, dass das anders gekommen wäre als jetzt.“ „Sie meinen, Laschet hätte auch da nur die zweite Geige gespielt.“ „Höchstens.“ „Dann hätte er vermutlich irgendwann das Handtuchgeworfen.“ „Das sind doch erst mal keine schlechten Aussichten, oder?“

„Und wer vertritt dann die Bundesrepublik im Außenverhältnis?“ „Wer gerade dran ist.“ „Das heißt, die müssen dann doch knobeln?“ „Das würde vermutlich Söder übernehmen, der arbeitet ja quasi schon im Ausland.“ „Und Laschet wäre als Kanzler auch etwas sehr peinlich.“ „Für Staatsbesuche kann man den schon nehmen.“ „Können Sie sich den im Élysée vorstellen?“ „Also nur für Staatsbesuche bei uns.“ „Ach so.“ „Wenn wir ausländischen Gästen diese Knalltüte vor die Nase stellen, dann denken die sofort, Deutschland ist ein bisschen doof, aber harmlos.“ „Und für Amerikaner?“ „Die haben den Unterschied zwischen Bayern und Deutschland eh noch nicht kapiert, da würde ich jetzt nicht mehr dran rühren.“

„Und wer wäre da die Frau?“ „Wieso die Frau?“ „Einer muss doch die Frau sein, das ist doch immer so in einer Doppelspitze.“ „Wer hat Ihnen denn den Bären aufgebunden?“ „Die Grünen machen das, die Linke, mittlerweile auch die SPD, da kann die CDU doch auch mal eine Frau mit in die Doppelspitze nehmen.“ „Das würde nie funktionieren.“ „Weil es in der Union nicht genug Frauen gibt?“ „Das nun nicht gerade.“ „Ich weiß es nicht, vermutlich wird von der Leyen als Bundespräsidentin entsorgt.“

„Also ich bin jetzt überzeugt, wir brauchen eine Teamlösung für Deutschland.“ „Sehr gut.“ „Und das klappt auch tatsächlich?“ „Aber sicher doch!“ „Gut, ich verlasse mich darauf!“ „Hallo, Berlin? Ich bin’s, ich wollte nur sagen: es hat etwas gedauert, aber einen Wähler haben wir schon mal.“