Führungsstärke

20 07 2021

„Da hat er sich bestimmt nur versprochen. Vor der Wahl kann das in den besten Parteien passieren, nicht wahr, das nennt sich Wahlversprechen. Nein, Sie müssen jetzt nicht lachen. In der SPD lachen wir auch schon lange nicht mehr über ihn.

Das kommt daher, dass in allen anderen Parteien der Vorsitzende gleichzeitig auch Spitzenkandidat ist. Nur bei den Grünen halt nicht, da ist es dann ja eine Spitzenkandidatin geworden, weshalb unser Vorsitzender, der ja auch eine Vorsitzende neben sich hat, nicht wahr, weshalb er dann meint, dass es nicht geht, wenn man mit einer Frau, vielmehr unter einer Frau regiert wird. Das haben wir jetzt in den letzten 16 Jahren dreimal gemacht, zuletzt haben wir es auch erfolgreich abgelehnt, weil es absolut nicht den Vorstellungen der Basis entsprach, und da hat dann die Führung der Partei ihre Führungsstärke gezeigt, und dann haben wir es doch gemacht, weil die Vorsitzende der anderen Partei, die damals auch Spitzenkandidatin war, es sonst gar nicht geschafft hätte mit der Regierung. Aber das passiert uns nicht noch einmal, darauf können Sie Gift nehmen.

Das mit der Basis war übrigens auch schon bei der Wahl des Spitzenkandidaten schwierig. Wenn es nach denen gegangen wäre, wäre er ja schon nicht der Spitzenkandidat geworden, weil er schon nicht Vorsitzender werden sollte – da hat die Basis dann sehr deutlich Führungsstärke gezeigt, nicht wahr, aber halt von unten. Und das sollte uns auch nicht noch einmal passieren, deshalb haben wir dann den Spitzenkandidaten einfach mal machen lassen, das heißt, Spitzenkandidat war er da ja noch gar nicht, aber er wurde dann Spitzenkandidat wegen seiner Führungsstärke. Das war auch kein leichter Prozess, ein kurzer vielleicht, und was jetzt aus der Partei wird, das müssen wir dann mal sehen. Jedenfalls ist immer noch alles drin, und deshalb wollen wir auch unbedingt regieren, sonst beteiligen wir uns gar nicht mehr an einer Regierung.

Mein Gott, Walter-Borjans – also ich würde das jetzt nicht direkt als Führungsstärke bezeichnen, weder das eine noch das andere, aber er ist eben der Vorsitzende, einer der Vorsitzenden, und das ist so geplant, dass er auf keinen Fall mit den Grünen in eine Regierungskoalition eintreten würde, weil er weiß, die Wähler wollen einfach keine Frau mehr, darum liegen die Grünen mit der Spitzenkandidatin ja auch so weit vor uns. Oder vielleicht liegen die auch bald wieder hinter uns, das weiß man ja alles nicht, jedenfalls ist der Vorsitzende da ganz klar, dass er sagt, die Grünen werden ja sowieso alle von enttäuschten Sozialdemokraten gewählt, da können wir die Stimmen auch gleich für uns beanspruchen. Grün-Rot wird mit uns nicht gehen, das ist schon mal abgehakt. Wer so viel Führungsstärke hat wie der Vorsitzende, der braucht sich gar nicht mehr als Spitzenkandidat in den Vordergrund zu spielen, der kann so einen Koalitionswunsch von den Grünen ganz entschieden ablehnen, und das erzeugt dann letztlich den Eindruck von Führungsstärke.

Ich sagte: den Eindruck von Führungsstärke, nicht: Führungsstärke. Sie müssen schon auch noch mal zuhören, sonst verstehen Sie das alles nicht so richtig und wählen am Ende noch das Falsche.

Deshalb haben wir auch eine Koalition mit den Linken kategorisch ausgeschlossen, nicht wahr, das ist für uns absolut unmöglich. Mit denen kann man einfach nicht koalieren, was man auch schon daran sieht, dass es auf Bundesebene noch niemals eine Partei gegeben hat, die mit denen koaliert hat. Wir sind ja gewarnt, das ist noch nicht so lang her, da haben die in Thüringen den Ministerpräsidenten gestellt, und wer bestimmt da plötzlich den Sieger?Nazis. Also das können wir als Nachfahren einer sozialistischen Partei nicht mehr tolerieren, und darum tolerieren wir auch keine Linken mehr auf Bundesebene. Nicht einmal dann, wenn wir sie als Minderheit in einer Minderheitenregierung oder als Minderheit in einer Mehrheitsregierung tolerieren müssten – das würde unsere Führungsstärke glatt in Frage stellen. Wir können uns doch nicht unter den linken Mainstream unterordnen, das haben wir in unter dieser Vorsitzenden schon genug getan.

Nein, ich rede nicht von der Vorsitzenden der SPD, auch nicht von der ehemaligen, die hätten wir ja nicht mal zur Spitzenkandidatin machen können. Man muss ja auch mal realistisch bleiben.

Natürlich kann das am Wahlabend wieder ganz anders aussehen, da sind wir dann sicher total gegen eine Regierung mit der Union, wenn wir als Juniorpartner mitmachen müssten, eventuell hinter einer erstarkten FDP. Unser Vorsitzender würde das nie machen, freiwillig schon gar nicht, eventuell aber unter Zwang, weil es für uns immer nur um Deutschland ging – beim Spitzenkandidaten kann man sich da nicht sicher sein. Wenn man eine Sache nicht für die Partei tun kann und sie dann doch tut, aber für Deutschland, das ist wahre Führungsstärke!Und ich möchte nicht wissen, ob es in den anderen Parteien Spitzenkandidaten gibt, die letztlich zu allem bereit wären, wenn sie sehen würden, dass es bei dieser Wahl eben nicht um die Partei geht.

Selbstverständlich würden wir unter diesem Spitzenkandidaten in einer Großen Koalition als Juniorpartner den Kanzler der Union mitwählen, aber der braucht das ja auch. Sehen Sie sich den Mann doch mal an: ganz knapp zum Vorsitzenden gewählt, er hat nicht einmal eine andere Vorsitzende neben sich, und Sie wollen doch dieses Gehampel nicht ernsthaft als Führungsstärke bezeichnen? Der, der sich mit Müh und Not gegen einen viel besseren Kontrahenten durchgesetzt hat? Führen oder nichts, damit waren wir schon immer erfolgreich. Und mal ehrlich, dafür braucht man die SPD, nicht wahr?“