„Sehr schön, und jetzt noch einmal im ganzen Satz: ‚Scholz muss weg!‘ Und gleich nochmal: ‚Scholz muss weg!‘ Das war noch nicht so rund, das muss besser werden, aber das kriegen wir schon hin.
Zu wenig Nachfrage haben wir ja nicht, die Idioten von Pegida sind komplett zu Querdenkern geworden, und wer noch nicht in der geschlossenen Anstalt hockt, ist jetzt bei uns. Das erklärt auch die etwas lange Reaktionszeit, die die an den Tag legen, wenn sie immer noch Merkel weghaben wollen – naja, sind halt Reaktionäre, das muss wohl so.
Laschet wäre denen vermutlich lieber gewesen, da müssen sie sich nicht erst an eine neue Partei gewöhnen, aber der wollte zuletzt offiziell jede regierungskritische Demonstration von der Polizei auflösen lassen. Für die Demonstranten wäre das vermutlich besser gewesen, die hätten wenigstens mal mit Fug und Recht behaupten können, dass wir in einer Art Diktaturvorstufe leben, in der man nicht mehr seine Meinung sagen darf. Das wollten sie die ganze Zeit, jetzt haben sie es herdemonstriert, dann werden sie auch damit zurechtkommen müssen. Leider spricht sich das nicht gut. ‚Laschet‘, das klingt ja schon so, als käme einem im nächsten Moment der ganze Mageninhalt entgegen.
Atemtechnisch könnten Sie das noch etwas offensiver angehen, finden Sie nicht? Das ‚Scholz‘ ist noch nicht deutlich genug, wir wollen ja den Namen betonen, oder? Natürlich, oder wollen Sie bei der nächsten Demo etwa wieder ‚Merkel‘ rufen? Meine Güte, das war ja peinlich neulich in Sachsen, wollen Sie das nach der Wahl auch noch machen, wenn die Kanzlerin nur noch kommissarisch im Amt ist? Die ganze Welt blickt auf Sie, und Ihnen fällt der Name nicht ein! Meine Güte, Sie sind ja echt zu blöd für echten Patriotismus!
Wobei die Leute für Patriotismus gar nicht doof genug sein können, das sichert uns ja den Beruf. Als Populismus-Coach kriegt man nur selten die richtig dicken Aufträge rein, bei denen man einen Nachwuchspolitiker mit rechtslastigen Sprüchen fürs Wahlvieh auf Parteilinie bringen kann. Meist ist der Weg umgekehrt. Deshalb haben wir jetzt die patriotische Offensive des Pegida-Proletariats gestartet, das unter den Querdenkern nicht mehr so beliebt war. Wir haben da eine schwierige Situation, in der wir die nationale Opposition in einen großen internationalen Kontext aus Faschisten und rechten Sektenangehörigen integrieren müssen. Da kann man die nationalsozialistischen Knalltüten nicht als Brüllmüll mitlaufen lassen, die müssen schon auch die demokratiefeindliche Haltung unterstützen und gleichzeitig gegen die eigene Identität beibehalten. Für die meisten wäre der Gang in die geschlossene Abteilung die schmerzfreiere Wahl gewesen.
Sicher können Sie einfach weiter die Ablösung der Bundeskanzlerin fordern, es ist nur die Frage, ob Sie auf legalem Weg ein Kriegsgericht finden, das Ihrer Auffassung folgt, die in den Bundeländern erlassenen Vorschriften zum Tragen von FFP2-Masken seien ein versuchter Völkermord an der deutschen Rasse. Wenn Sie die Klageschrift an den Internationalen Reichsgerichtshof senden und die BRD GmbH verklagen wollen, sehe ich allerdings schwarz. Natürlich ist es auch nicht logisch, die Maskenpflicht als Argument für ein Verbot des Kampfrufs ‚Merkel muss weg‘ anzuführen, da der nicht verboten ist, auch dann nicht, wenn Sie dazu überall verlauten lassen, Sie könnten deshalb Ihre Meinung nicht mehr äußern.
Der Witz daran ist ja, dass sie den Witz nicht verstehen. Meinetwegen können sie auch gegen den Weihnachtsmann demonstrieren, dann kommt eben der Osterhase. Konsenquenterweise sollten sie sich schon mal aufwärmen, damit sie ihre eigenen Leute von der Spitze runterschießen, das wäre eigentlich nur konsequent. Die eine oder andere Partei haben sie schon gegründet, die wird für ihre politischen Führer die eine oder andere Annehmlichkeit von dem Geld besorgen, das sie ihnen aus der Tasche zieht, aber sonst wird nicht viel passieren. Was ihnen nicht in den Kram passt, wird eh als Lügenpresse diffamiert, auch die Bilder von ihrem öffentlichen Geplärr.
Sie wollen sich also weiterhin als patriotischer Widerstand aufführen, aber wenn dann wirklich mal mehr kommt als ein kleines Bußgeld, dann sind Sie im Untergrund und warten auf den Reichskanzler, oder wie soll ich das verstehen? Haben Sie von ganz oben erfahren, dass die nächste Regierung auch nur von den Reptiloiden gesteuert wird und Merkel im Hintergrund weiter die Strippen zieht, wie sie das schon seit 1914 tut? Ich werde Ihnen da nicht unbedingt im Weg stehen, das dürfen Sie gern so behaupten, wenn Ihnen das Spaß macht. Damit haben Sie sicher auch viel Erfolg, ebenso mit Ihrem Markenrechtsschutz für den Club, für Aufkleber und Bustouren und den ganzen Rest. Mir ist das im Prinzip ziemlich egal, und wenn Sie das nächste Mal den Reichstag stürmen wollen, ich habe nichts dagegen. Vielleicht überlegen Sie es sich noch mal. ‚Scholz muss weg!‘ Ist das denn so schwer? Jetzt geben Sie sich mal ein bisschen Mühe, das sollten Sie als Patriot doch hinkriegen, oder haben Sie außer Ihrer Jammerlappentour nichts drauf?
Also mittlerweile ist es mir echt egal. Die haben im Voraus bezahlt, Geld war anscheinend genug vorhanden, und was sie daraus machen, muss mich nicht mehr interessieren. Nur eins werden sie bei ihrem Theater mit Sicherheit früh genug merken: Olaf Scholz ist halt Olaf Scholz.“
Satzspiegel