Zeitzünder

31 10 2021

Heute ist es wieder so weit: die Zeit in der EU wird auf die Mitteleuropäische Normalzeit umgestellt. Nachgewiesen sind statt Energieeinsparungen ein enormer Mehrverbrauch, gesundheitliche Schäden bei Menschen, Nachteile für Nutztiere und damit verbundene Probleme für die Landwirtschaft wie auch für andere Wirtschaftszweige. 2018 hatte Jean-Claude Juncker, seinerzeit Kommissionschef, die Abschaffung der Sommerzeit erklärt, passiert ist seither: nichts. Die einzig gute Nachricht ist, dass seitdem auch niemand in der Europäischen Union sich für das Thema interessiert hat, denn so wurden uns viele sinnlose Diskussionen erspart. Erst jetzt, mit Zeitzünder, erinnert Litauens Verkehrsminister Marius Skuodis daran, dass der Staatenclub eine gewisse Funktion hat, die er neben dem Verteilen von Funktionärsgehältern ausüben könnte. Zum Beispiel, sich endlich auf eine Zeitzone in der MEZ zu einigen. Erstmal wollen die Länder noch fünf Jahre hin und her wechseln, bevor die Sache auf Eis gelegt wird. Für unbestimmte Zeit. Alle weiteren Anzeichen, dass wir diese EU nur brauchen, damit sich die europäischen Regierungen gegenseitig auf den Zeiger gehen können, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • ampel ende: Einmal falsch abgebogen, schon Geisterfahrer.
  • fdp legalisierung: Dabei dürfte die Gesundheitsschädlichkeit außer Frage stehen.
  • corona wellen: Deutscher Exportschlager: die Dauerwelle.
  • reichelt hiv: Das wäre das einzig Positive an ihm.
  • querdenker töten: Aktiv? Passiv?
  • bundeswehr sozialistisch: Eher nationalsozialistisch.
  • klimaschutz cdu: Eins geht nur.
  • suv tempolimit: Man könnte die Dinger am Boden festnieten.
  • digitale politik: Demnächst auf Diskette erhältlich.
  • zynaesthesie passwort: Schon wieder Sie, Herr Laschet?




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (DLXVII)

30 10 2021

Cornelius, der trug stets in Nuth
Krawatte und Anzug und Hut.
Die Feuerwehr dachte,
das Auftreten machte
sich trefflich bei Qualm und bei Glut.

Riccardo, Türsteher in Kiens,
der mochte Touristen, so schien’s.
Wie sie sich auch mühten
und an der Tür wüten
und drückten, er sprach einfach: „Ziehn’s.“

Jan Willem, dem ist meist in Ool
im Küchenbereich nicht recht wohl.
So wird er mit Flüchen
bei allen Gerüchen
nun lüften – es liegt ja am Kohl.

Es will Alessandra in Kaltern
sich niemals erinnern ans Altern.
Sie will sogar meiden
aus Sorge ums Leiden
vergängliche Schönheit von Faltern.

Es knöpft Joost sich in Nieuwenhagen
mit Todesverachtung den Kragen.
Man sieht seine Nöte
an der Gesichtsröte,
doch hat er kaum Luft, um zu klagen.

Als Kaufmann ist Pietro in Laag
vor allem scharf auf den Ertrag.
„Ich habe nun Kunden
vor allem gefunden,
die dumm sind, wie ich es so mag.“

Man kennt Robbert, da er in Steyl
als Schütze mit Bogen und Pfeil
stets zielte auf Scheiben.
Er lässt es nun bleiben,
er traf dabei ein Hinterteil.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLXXXVIII): Der abschreckende Sozialstaat

29 10 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wer immer in diesem Land mit dem Konzept des aktivierenden Sozialstaates konfrontiert ist, der weiß um den Zauber, der dem Ermessensspielraum einer Behörde innewohnt. Ausgedient hat Hilfe zur Selbsthilfe, an ihre Stelle tritt autoritäre Fürsorge, die mit intensiver Arglist dem Kunden – Bürger ist man nur, wenn man seine Rechte nicht in Anspruch nimmt – klarmacht, dass er als Schadenfall gilt. Die Hauptaufgabe der Gesellschaft ist so auch nicht mehr Integration und Qualifikation, sonder nur noch Aufdecken mutmaßlichen Missbrauchs, wie er in der Schicht der Herrschenden offensichtlich normal ist, sonst würde man ihn nicht in jeder Situation wie selbstverständlich mitdenken. Du kriegt keine Chance, sagt die Steuerungsmacht, also nutze sie. Der neue Regelfall ist der abschreckende Sozialstaat.

Haben sich gerade in jüngerer Zeit Brüche in Konjunktur und Arbeitswelt ereignet, die Menschen den Boden unter den Füßen wegrissen, so trafen die angeblichen Modernisierungen am Arbeitsmarkt sie als institutionalisierte Abwertung von Bedürftigkeit, wie sie der neoliberale Grundriss erfordert, um aus Opfern Täter zu machen, während man dennoch auf ihren herumregiert. Wer in dieser Gesellschaft nicht die Verwertbarkeitskriterien erfüllt, gilt bereits als verdächtig, sie nicht erfüllen zu wollen. Dabei wird mutwillig unterschlagen, dass einerseits das System nur funktionieren kann, wenn es genug disponible Arbeitskräfte als Druckmittel gibt, dass es aber andererseits durch fehlerhafte Voraussetzungen von Anfang an aussiebt, wer für die Rolle als Dropout vorgesehen ist; Armut und Bildungsmangel schon im Jugendalter reproduzieren die Verhältnisse, die sich verfestigen und die Abhängigkeit von einem als Last bezeichneten Sozialstaat nie durchbrechen.

Dazu kommt überbordende Bürokratie, die den ohnehin schon verschwiemelten Prozess durch eine Papierflut biblischer Dimension aufbläht, so dass am Ende weder Verwaltungsapparat noch Opfer die Auswirkungen ihres Verzögerungsgewürges im Auge behalten können – jeder Antrag auf Erteilung der Bewilligung des Darlehens zur Reparatur einer Waschmaschine, die nicht einmal in reiner Existenz dem Antragsteller bewilligt würde, degeneriert zur Farce, wenn in der Zwischenzeit unter zehn Pfund Briefpost der Zweck beerdigt wird. Wer je diese Gummibaumgärtner bei der Förderung sinnfremden Belegtourismus durch die Etagen eines Amtszirkus beobachten musste, wird von der Entdeckung der Langsamkeit überrollt in raumübergreifende Trauer sinken und freiwillig verseifen, bevor er durch ein ohne Unterschrift gültiges Schreiben aufgefordert wird, selbiges eigenverantwortlich im Rahmen der Mitwirkungspflicht zu tun. All das verhüllt dürftig, dass Erzeugen, Vergrößern und Fortsetzen von unüberblickbarem Unfug die einzige planbare Tätigkeit der Administrationsorgane ist, die sich zudem zuverlässig als größte Kostenfalle entpuppt. Würde man nicht drei Sachbearbeiter einen halben Tag lang mit der Berechnung einer Rückzahlung in Höhe von zehn Cent beschäftigen, die hernach in drei Stufen schriftlich bis zur Pfändung betrieben wird, diese Welt versänke deutlich seltener in den Schlaglöchern ihres eigenen Niveaus.

Zwischen vertreibender Hilfe, die Überlastung als Kriegswaffe gegen Formen der Armut einsetzt, und Verfolgungsbetreuung, die eine ganze prekäre Schicht kriminalisiert, weil die sich für die falsche Herkunft entschieden hat, vollzieht sich planvoll eine Enthumanisierung, die den Bürger nur noch als Kostenfaktor sieht, als angebliches Gegenbild zum Leistungsträger, dem man allerdings mit Zumutungen wie Steuern und Abgaben nicht auf die Plomben gehen darf, da er sonst sein Kapital auswandern lässt. Das Kapital, das ist die frohe Botschaft, besitzt immerhin noch Freizügigkeit. Die Politik wird weder Kosten noch Mühen scheuen, ihm Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Nur selten gerät das ohnehin windschiefe Werteraster ins Kippen, beispielsweise bei nicht Sesshaften, bei denen sich die Frage stellt, ob man sie durch den Zwang zur Arbeitsaufnahme besser demütigt oder durch die Pflicht, zunächst einmal eine Bleibe zu organisieren – hier funktioniert Eigenverantwortung noch bestens, wenn man davon ausgehen kann, dass sie keine Folgen zeitigt.

Bestimmt brauchen wir auch ein Diktat des Gesundheitswesens, uns anständig zu ernähren, da sonst das Rollkommando den Kühlschrank leert. Die bürgerliche Freiheit zur produktiven Gestaltung der eigenen Existenz greift ja immer erst oberhalb der Grenze, ab der auch Ordnungswidrigkeiten als Witz gelten. Sind sie doch dafür verantwortlich, dass wir nach der Lektüre der Zeitung erfahren, wie dieses Land durchschnittlich im Wohlstand lebt, noch nie so reich war und sich gleichzeitig vor den ärgsten Prüfungen durch Grundrechtsmissbrauch in Acht nehmen muss. Offensichtlich liegt die höhere Gesellschaft entspannt am Abgrund und schlürft Champagner aus den Briefumschlägen, in denen die Ablehnungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit versandt werden. Terra incognita: Arbeit. Mit dem Leistungsmissbrauch kennt sich diese Schicht ja bestens aus.





Liberale Werte

28 10 2021

„… für die Entwicklung des Sozialstaates große Pläne habe, die Scholz mit den Koalitionspartnern auch umsetzen wolle. Ob und wie sich diese Pläne umsetzen ließen, werde man allerdings erst in…“

„… dass das Rentenniveau nicht unter 48% sinken werde. Es sei dafür einfacher für Bezieher von Grundsicherung, nebenbei die Einkünfte bis auf das Niveau der Sozialhilfe aufzustocken, so dass die sinnstiftende Kraft der Arbeit auch für die ältere Generation einen wesentlichen…“

„… werde Scholz die Balance zwischen einer Entlastung einkommensferner Schichten und dem endgültigen Zusammenbruch der Wirtschaft sehr sorgfältig moderieren. Ein Mindestlohn von zwölf Euro könne sich also innerhalb der Amtszeit eines sozialdemokratischen Kanzlers materialisieren, auch wenn noch niemand wisse, wo und in welcher Höhe sich eine…“

„… bleibe für die SPD die Abkehr von den Hartz-Gesetzen ein wichtiger Diskussionspunkt auf dem Weg in eine gerechte, respektvolle Zukunft der Arbeit in einem modernen Sozialstaat. Um mehr Demokratie zu wagen, werde die Partei daher diese Diskussion allein den Bürgern überlassen, die sich ohne Einschränkungen durch die Politik eine freie Meinung zu allen…“

„… geeignet sei, den Niedriglohnsektor in der Bundesrepublik noch zu vergrößern. Angesichts der sich vertiefenden Bildungsmängel, die die Arbeit in qualifizierten Berufen stark erschwere, sehe der Bundeskanzler hier eine Möglichkeit, die hohe Sockelarbeitslosigkeit auch ohne die Zahlung von Transferleistungen in den kommenden…“

„… werde nach den Jahren der Ampel dieses Land sich wesentlich verändert haben. Lindner sei der festen Überzeugung, dass eine Wirtschaft, in der viele Menschen von morgens bis abends arbeiten würden, vielen Menschen erlauben werde, sich Immobilien zu kaufen. Solange dies nicht dieselben seien, blicke er mit großer Zuversicht in die…“

„… nicht automatisch heiße, dass die Renten sich inflationsbedingt erhöhen würden. Es sei nur nicht auszuschließen, dass die Besteuerung der Rentenzahlungen haushaltsbedingt eine höhere…“

„… könne die Entwicklung durchaus dazu führen, dass mehr geringfügige Beschäftigungen als zuvor entstehen würden. Dies sei für Scholz aber kein Hinderungsgrund, da die meisten Arbeitslosen mit nur einem Minijob bisher auch nicht ihren…“

„… die Arbeitszeit auf dreizehn Stunden am Tag ausweiten wolle. Bei einer gesetzlichen Ruhezeit von elf Stunden ergebe sich für Lindner der Vorteil, dass auf die Lohneinkünfte angewiesene Bürger sich nicht mehr mit Politik beschäftigen würden, was für den Fortbestand der FDP erheblich…“

„… nach guter SPD-Tradition den Mindestlohn zunächst in 25-Cent-Stufen auf die angekündigten zwölf Euro brutto anheben wolle. In Ansprache mit den Arbeitgeberverbänden wolle man aber auch eine Verringerung auf Zehn-Cent-Stufen und eine Aussetzung der Anhebung für den Zeitraum von…“

„… habe Scholz nicht vor, durch einen neuen Namen die als Hartz IV bekannte Lohnersatzleistung zu verändern. Er setze vielmehr auf Kontinuität und werde durch eine Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten dafür sorgen, dass noch mehr Menschen in diesem Einkommensmodell verbleiben würden, um dem Niedriglohnsektor auch weiterhin als preisgünstige Arbeitskräfte zu…“

„… die Finanztransaktionssteuer als Schritt zum Sozialismus sehe, der die Vermögensbildung der Leistungsträger bremse. Lindner fürchte ein Klima, in dem es hoch verschuldeten Schulabbrechern nicht mehr als erstrebenswert erscheine, die erste Milliarde durch Erbe und Börsenspekulation an…“

„… die Umbenennung des Arbeitslosengeldes den von Scholz’ Wahlkampfteam eingeforderten Respekt umzusetzen. Zunächst gehe es der SPD aber eher um die Anerkennung, dass die Politik eine große Anzahl an erwerbslosen Bürgern erkennbar schlechter, aber nicht schlechter als überhaupt vom Bundesverfassungsgericht erlaubt behandeln werde, da die vor allem auf liberale Werte ausgelegte…“

„… dass zunehmend vollzeit arbeitende Bürger in Obdachlosenunterkünften wohnen würden. Die freidemokratische Baupolitik wolle dem Rechnung tragen und schon ab einem Haushaltsnetto von tausend Euro den Erwerb eines Eigenheims in den Ballungsgebieten der westlichen…“

„… könne die SPD das üblicherweise in jedem Wahlkampf erwähnte Bildungsversprechen nicht mehr erneuern. Durch das Anrecht auf Bildung und einen formalen Abschuss ginge Deutschland ein zu großes Potenzial an unqualifizierten Arbeitskräften verloren, die man aus Rücksicht auf die Ansicht der Wähler nicht durch Migranten oder…“

„… es für Scholz volkswirtschaftlicher Konsens sei, dass die an Erwerbslose, Rentner und andere Arme gezahlten Gelder stets über Mieten, Energie und Konsum bei den Vermögenden landen würden. Um diese Art der Umverteilung zu stoppen, würden Transferleistungen ab sofort erheblich…“

„… die FDP die Neiddebatte in Deutschland beenden wolle. Um die Missgunst gegenüber Hartz-IV-Empfängern zu stoppen, die ihren dekadenten Lebensunterhalt für Alkohol erhielten, werde die Koalition zu Zwangsmaßnahmen greifen, die das gesellschaftliche Gleichgewicht wieder in…“

„… würden die Arbeitgeberverbände den mit Scholz geschlossenen Kompromiss begrüßen, den angehobenen Mindestlohn zu nutzen, um das allgemeine Lohnniveau auf zwölf Euro zu senken. Die Vollbeschäftigung sei damit verhindert, was sich nachhaltig auf die Vermögenssituation der…“





Kreislaufwirtschaft

27 10 2021

„Halb automatische Gewehre sind toll, die nehmen wir gerne. Dreihundert? Vierhundert? Fragen Sie mal beim Wachbataillon nach, vielleicht haben die auch noch was im Keller. Den Rest regelt dann der Innenminister, damit wir nicht so viel Papierkram haben.

Wir sind momentan nur zwei Mann, da drüben sitzt der Herr Stabsfeldwebel, der war aber früher Polizeihauptkommissar, und ich bin Polizeimeister, vorher Oberleutnant. Wie das Leben so spielt. Was uns verbindet, ist der Gedanke einer kollegialen Zusammenarbeit, weil wir hier ja nur ein Büro mit einer Kaffeemaschine haben. Da muss man schon ein bisschen zusammenrücken. Dann ergeben sich die Synergieeffekte irgendwann von selbst: nur noch ein Hefter, nur ein Locher, ein gemeinsames Feindbild entwickelt man früher oder später auch, wenn man es nicht schon hatte, und dann geht alles seinen Gang.

Jetzt hatten wir ausnahmsweise mal nur aus der Truppe ein paar Fehlermeldungen – die letzten Chats um die Weitergabe von Adressen missliebiger Bürger aus dem Polizeicomputer war auch schon wieder ein paar Wochen her – und zuletzt hatten wir Probleme, die Waffendepots auseinanderzuhalten, die die Kollegen angelegt haben. Natürlich nur für den Fall der Fälle, Tag X. Man muss ja nachhaltig wirtschaften, das wird zum Beispiel bei der neuen Bundesregierung immer so betont, aber hier in der Polizei und in der Bundeswehr scheint das gar nicht im Fokus zu stehen. Lassen Sie mich ehrlich sein, das ist auch ein bisschen schmerzhaft – wir sind ein modernes Sicherheitsunternehmen, das sich für die Belange von Wirtschaft, Volk und Staat einsetzt, da kann man auch mal ein bisschen Wertschätzung verlangen.

Ach, Sie sind’s noch mal. 120 Millimeter, das ist das Kaliber für die Rheinmetall-Glattrohrkanone, die als unterkalibriges Wuchtgeschoss für schwere pfeilartige Penetratoren kinetisch wirkt. Auch mit abgereichertem Uran erhältlich, wenn Sie mal einen Auslandsaufenthalt planen. Wollen Sie die Dinger verkaufen? Gute Wahl, die sind im Golfkrieg gerne auf die Gastgeber geschossen worden. Mit etwas Glück ließe sich damit vielleicht heute der Ölpreis ein bisschen senken. Lieferung frei Haus.

Es gibt ja dieses traditionelle Verbot, Polizei und Bundeswehr zu vermischen, aber wir befinden uns gerade vor einem enormen Linksrutsch, der alles in der Verteidigungs-, Innen- und Sicherheitspolitik verändern wird, weil es eine enorme Entwicklung ist, und der umgehend einen Rechtsrutsch in der Verteidigungs-, Innen- und Sicherheitspolitik erfordert, weil es ja ein Linksrutsch ist, und deshalb dachten wir, dass man zu einer Kooperation findet und beide Positionen verbindet. Wir dachten an eine Verbindung von Polizei und Bundeswehr, ganz einfach deshalb, weil man damit vor allem einen sehr deutlichen Rechtsrutsch wieder herstellt, der für die notwendige Kontinuität sorgt, sowohl bei der Polizei als auch in der Bundeswehr. Wir hatten uns das so vorgestellt, dass wir ab sofort nach dem Modell der Kreislaufwirtschaft arbeiten und die Versorgung der einzelnen Einheiten koordinieren.

Stellen Sie sich mal vor, bei der Polizei fehlt Munition, ständig die Adresse von Helene Fischer suchen ist auch nicht mehr aufregend, also buddeln Sie zehntausend Schuss im Wald ein. Jetzt meldet sich turnusmäßig die Bundeswehr, irgendwo hat ein Sprengstoffoffizier versehentlich einen Zentner von dem Zeug deponiert und im Suff die Markierung auf der Karte verpeilt – Kommando Eichhörnchen, Sie verstehen? – und was machen Sie da? Es muss natürlich Ersatz geben, aber Sie werden bestimmt nicht die Schuldigen gefunden, dann können Sie es auch nicht aufklären, und dann liegt das Zeug in der Asservatenkammer herum und nützt keinem mehr. Das muss ja nicht sein, also haben wir uns für eine ganz neue Lösung entschieden: Kreislaufwirtschaft.

Solange die Schutzpolizei nicht mit dem Panzer auf die Kreuzung rollt, kann man natürlich nicht einfach Streubomben an die Polizei ausgeben, aber es gibt für alles einen Markt, der dann alles regelt. Wir bieten beispielsweise Mehrzweckgeschosse für den Endverbraucher an, da gibt es ja eine Menge Interessenten im Bereich Reichsbürger, Querdenker, national gesonnene Freiheitskämpfer, und das Geld, das wir da einnehmen, können wir auch wieder in die Ausstattung der Polizei stecken. Jetzt werden Sie sicher sagen: das geht doch nicht, man kann es den Leuten nicht den Nazis aus der Tasche ziehen und sie beim nächsten Sturm auf den Reichstag mit diesen Waffen bekämpfen, und da haben Sie auch recht. Die deutsche Polizei ist da loyal. Und dass wir die Bundeswehr nicht gegen unsere Kunden einsetzen, das gebietet ja schon das Grundgesetz.

Vor allem bei unpolitischen Fällen können wir die Weitergabe von Rüstungsgütern quasi gar nicht vermeiden. Wenn wir nicht nachvollziehen können, ob es sich da um extremistische Zusammenhänge handelt, sind uns die Hände gebunden. Wir hatten zum Beispiel Schalldämpfer für Maschinengewehre aus dem Zweiten Weltkrieg, da kann man nicht so einfach politische Zusammenhänge herstellen, da die Parteien von damals nicht mehr existieren. Das sind verbotene Kriegswaffen, da müsste man auch nachfragen, ob eventuell ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorliegt, aber da wir gerade keinen Kriegszustand haben, ist das sicher nicht… – Ich muss eben ran, wir haben eine Anfrage. Heil Hitler, Herr Höcke! Splitterbomben? Ja, darf ich fragen, wie viele?“





Atlantis 21

26 10 2021

„… einen Anstieg von etwa zwei Millimetern pro Jahr messe. Damit sei Sylt noch nicht akut durch den Klimawandel gefährdet, eine Überflutung der Nordseeinsel sei jedoch so gut wie…“

„… fordere Lindner, dass die Regierung ein nationales Notprogramm zur Rettung der Insel beschließe. Angesichts der Immobilienpreise sei der drohende Verlust eine nicht hinnehmbare…“

„… dass der Meeresspiegel vor Helgoland seit 1954 bereits um fünfzehn Zentimeter gestiegen sei, während der Anstieg vor dem Festland viel geringer ausfalle. Merz mache ein von linksradikalen Geologen manipuliertes Messergebnis für regional unterschiedliche Strömungen verantwortlich, die er als Bundeskanzler durch echte deutsche…“

„… das Arbeitslosengeld abschaffen oder wenigstens halbieren werde, sobald er als Finanzminister dazu in der Lage sei. Lindner sehe keine andere Möglichkeit, die Rettung der Insel ohne eine unsolidarische Steuererhöhung oder neue Schulden zu bewerkstelligen, wenn nicht die…“

„… seien die Bewohner der Insel nicht davon zu überzeugen, dass nur eine zeitnahe Umsiedlung auf das deutsche Festland für sie in Frage komme. Es gebe bereits eine Bürgerinitiative, die die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in einen…“

„… der Meeresspiegel nicht gleichmäßig steige, sondern durch eine Anhebung des Meeresbodens an einigen Stellen auch erhöht werde. Merz werde eine demnächst in Deutschland erfundene Technologie dazu nutzen, den nicht von Menschen ausgelösten Anstieg des Meeresbodens durch den Anstieg des Meeresbodens, der den angeblichen Klimawandel nebensächlich erscheinen lasse, mit einem in…“

„… auch der Tourismus als wichtiger Zweig der schleswig-holsteinischen Wirtschaft betroffen sei. Die Landesregierung benötige für ein Projekt zur kompletten Eindeichung allerdings Bundesmittel, die nur durch Steuererhöhungen oder ein Aussetzen der Schuldenbremse für mehrere…“

„… nicht möglich sei, da der Freistaat Bayern durch die Alpen und unzählige Naturschutzgebiete einen akuten Mangel an bebaubarem Wohnraum aufweise. Söder habe als erster Ministerpräsident die Aufnahme von Klimaflüchtlingen auch aus Deutschland strikt zurückgewiesen, um nicht durch vorschnelles Handeln einen Präzedenzfall zu…“

„… nur sehr schwierig zu bauen sei. Mehrere ostdeutsche Firmen hätten sich zwar bereit erklärt, zur Schaffung neuer Jobs in der Baubranche eine zehn Meter hohe Mauer rund um die gesamte Insel zu errichten, diese könne dann aber nur noch aus der Luft versorgt oder durch eine unterseeische…“

„… seien deutsche Ingenieure in der Lage, ein Rückhaltebecken in der Größe des Saarlandes vot der Nordseeküste auszuheben. Merz plane ein etwa hundert Kilometer tiefes Loch, das er als Kanzler persönlich einweihen werde, um Deutschland als den wichtigsten Industriestandort in der ganzen…“

„… sehe das Projekt Atlantis 21 in der Schutzmauer keine Öffnungen vor, da diese in absehbarer Zeit von der Nordsee unter Wasser gesetzt werde. Damit sei auch der Badetourismus vorbei, falls nicht ein mit Meerwasser gespeistes Hallenbad auf Sylt die Möglichkeit für einen…“

„… auch in Sachsen nicht willkommen seien. Der AfD-Landesverband drohe im Falle einer Umsiedlung von Syltern mit massiven Ausbrüchen des völkischen Selbstbestimmungsrechts, der auch durch Schusswaffen oder…“

„… dass die Bautätigkeiten nun von erheblichen Protesten begleitet würden. Es sei vorerst nicht mit einer Fortsetzung der Ausschachtungsarbeiten zu rechnen, da sich zahlreiche Bewohner Westerlands an die Maschinen gekettet hätten, um die…“

„… die Insel als Reservat für Geflüchtete nutzen wolle. Höcke halte die Ansiedlung rassefremder Elemente vor der Abschiebung für geboten, um die Durchseuchung der Volksgemeinschaft mit fremden Infektionskrankheiten nicht zu…“

„… eine kostenneutrale Lösung gesucht werden müsse, die Steuersenkungen für die Mittelschicht mit einem Jahreseinkommen bis dreißig Millionen Euro erlaube. Merz schlage vor, dass jeder Sylter zehn Erwerbslose zugeteilt bekomme, die das Wasser in die Nordsee zurück schippen sollten, damit der Tourismus sich nicht in der…“

„… die Baggermaßnahmen gestoppt werden müssten, da das Ausbreitungsgebiet der auf Sylt heimischen Kartoffel-Rose gefährdet sei. Bis zur gerichtlichen Klärung werde daher auf eine weitere Aufspülung vor dem Hörnumer…“

„… habe Merz im Falle eines Wahlsieges vor, den von linksfaschistischen Ökoterroristen gegen die Wirtschaft geplanten Umweltschutz praktisch umzusetzen. Jeder Sylter erhalte hundert Hartz-IV-Empfänger, die als Eindeichung vor der…“

„… sei die Zunahme von Sturmfluten an der Nordsee sehr wahrscheinlich. Für Lindner bedeute dies, dass Leistungsträger ab sofort durch eine steuerfinanzierte Steuersenkung für Investitionen in eine steuersubventionierte…“

„… das Projekt nicht ausreiche, auch wenn die gesamte Insel eingedeicht werde. Grundstücke und Gebäude seien nicht mehr versicherbar, wenn die Wahrscheinlichkeit für Elementarschäden bei 100% liege. Eine Gefährdungsklasse, die eine dauerhafte Zerstörung der Landschaft einkalkuliere, sei nicht mehr mit einer herkömmlichen…“

„… ausländische Investoren sich zufrieden über den Deal mit der Bundesregierung zeigten. Laschet habe mit seiner Anwerbung einer neuen Autofabrik Erfolg gehabt, da das Wassermanagement in der als Industriepark ausgewiesenen Fläche erhebliche…“





Meine Mitte, Deine Mitte

25 10 2021

„Nein!“ „Meine Güte, man kann sich aber auch anstellen!“ „Wir wollen aber nicht!“ „Vor ein paar Wochen haben Sie noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit herausposaunt, dass eine Regierung nur mit Ihrer Partei…“ „Wir wollen aber nicht!“ „Gut, dann eben nicht.“ „Und eine Regierung unter Ihrer Partei wird das Land in eine sozialistische Diktatur verwandeln, in der jeder islamistische Einwanderer ein bedingungsloses Einkommen für den Drogenkonsum kriegt!“ „Sind Sie schizophren oder einfach nur ein dummes Arschloch?“ „Wir sind die Christlich-Demokratische…“ „Das liegt ja ungefähr dazwischen.“

„Deutschland wird vor die Hunde gehen!“ „Dann regieren Sie halt mit.“ „Dieses Land hat uns gar nicht verdient!“ „So ähnlich hat sich Hitler im Führerbunker auch geäußert.“ „Frechheit!“ „Wir machen Ihnen ein letztes Angebot: diese Lackaffen um den Hilfsschulversager Lindner haben sich mit den Grünen in die Haare gekriegt, die Grünen haben weder Lust auf FDP noch auf Ihren Laden, uns bleibt nur noch die nächste Große Koalition.“ „Wir werden den Kanzler stellen!“ „Das klingt nach Arschloch.“ „Sie nutzen es doch nur aus, dass wir gar keinen Kanzler haben!“ „Also doch nur ganz normale Schizophrenie.“ „Was sollen wir denn jetzt machen, wir haben nicht einmal einen Vorsitzenden, den man ernst nehmen kann.“ „Wir haben unsere ja von der Basis wählen lassen.“ „Aber wir sind die CDU!“ „Dann lassen Sie doch Ihre Basis den Wunschkandidaten wählen, Sie wissen ja schon, wer es unbedingt werden will.“ „Das wird unser Untergang.“ „Er wird Ihnen eine Menge Spenden in die Parteikasse spülen.“ „Dieser Drecksack kennt nur zwei Sorten Mensch: sich selbst und den Rest.“ „Mehr Profil braucht die CDU auch nicht.“

„Solange wir das mit den Vorsitzenden und den Kanzlerkandidaten und den Posten nicht geklärt haben, können wir einfach nicht in die Regierung.“ „Wir haben ja seinerzeit der Öffentlichkeit etwas von staatspolitischer Verantwortung erzählt, dann ging’s schon irgendwie.“ „Aber die Leute haben Aufbruch gewählt, Veränderung, wir können uns da nicht einfach in die Regierung setzen und etwas machen, was die Wähler nicht wollen!“ „Wieso, wir machen das doch auch.“ „Aber in der SPD ist das Tradition, und die Partei ist schon ziemlich alt.“ „Wir sind bisher ganz gut gefahren damit, ja.“ „Sie sind in der Regierung immer so konservativ.“ „Sie nicht, die CDU wird ziemlich schnell reaktionär.“ „Eben, und deshalb brauchen wir jetzt erst mal ein paar Jahre, damit wir die Wähler von dem Kurs überzeugen können.“ „Also einen Kurs haben Sie bisher noch nicht entwickelt?“ „Wie denn, ‚Weiter so‘ hat uns Ihr Scholz doch geklaut!“

„Wir könnten es mit dem alten Versuchsaufbau weitermachen.“ „Wie stellen Sie sich das vor?“ „Sie reißen die Klappe auf, die SPD macht die politische Arbeit.“ „Das hat allerdings ganz gut geklappt.“ „Für die CDU.“ „Das heißt doch nicht, dass wir es jetzt nicht noch mal so versuchen könnten.“ „Wenn Sie einen von Ihren Hampelmännern als Kanzler in die Manege stellen wollen, würfeln Sie einen aus.“ „Frechheit!“ „Ihr Vorsitzender soll ja Fachmann für solche Entscheidungsprozesse sein.“ „Das ist eine infame Unterstellung!“ „Und durch eine Kündigung seines Dienstherrn bestätigt.“ „Mit Ihnen teilt die CDU nicht die Regierung!“ „Dann gibt es eben Neuwahlen, und Sie hocken noch tiefer in der Scheiße.“ „Mit Ihnen nicht!“ „Vielleicht sind dann auch die Linken klug geworden und es reicht für Rot-Grün-Rot?“

„Hören Sie mal, man kann doch über alles mit uns reden…“ „Also nehmen Sie jetzt doch langsam mal Vernunft an?“ „… solange wir als Partei der Mitte die linken Kräfte in der SPD…“ „Tut mir leid, das war vermutlich eine optische Täuschung.“ „Aber die Mitte sind doch wir?“ „Ihr Laden kippt nach schräg rechts, vielleicht hält sich da jemand an der Mitte fest, aber das war’s dann auch schon.“ „Es ist unsere Mitte!“ „Nö.“ „Die Mitte sind wir!“ „Dann wird es Ihnen ja nicht schwer fallen, eine bürgerliche Koalition mit politischen Freunden zu organisieren!“ „Wir sind das, nicht die SPD!“ „Also viel Vergnügen noch, und wir werden jetzt mal auf einzelne Abgeordnete zugehen, um die rot-grün-rote Minderheitenregierung für politische Vorhaben der Zukunft parlamentarisch zu…“ „Wir haben es gleich gesagt, Sie wollen den Linksruck!“ „Meine Güte, nehmen Sie endlich Ihre Medikamente.“ „Das wird die Wirtschaft ruinieren!“ „Bestimmt.“ „Wer nicht gendert und nicht Lastenrad fährt, wird von der linksgrünen Stasi verfolgt!“ „Und wer als CDU-Abgeordneter oder Bundesminister an überteuerten Schutzmasken kräftig mitverdient hat, darf die Hacken vor dem Staatsanwalt zusammenhauen.“ „Das ist nicht Ihr Ernst?“ „Mit der linken Mehrheit bekommt man so ein Transparenzgesetz und ein Lobbyregister bestimmt schnell durchs Parlament.“ „Das ist unser Untergang!“ „Dann müssten wir auch mit dem Klimaschutz ernst machen.“ „Nein!“ „So ein Tempolimit wäre Formsache.“ „Hören Sie auf!“ „Und wenn ich mir vorstelle, dass wir die Braunkohle innerhalb von…“ „Aufhören!“ „Wären Sie jetzt eventuell zu Sondierungsgesprächen mit der SPD als der stärksten Fraktion im Deutschen Bundestag bereit?“ „Egal, legen Sie uns einen Koalitionsvertrag hin – wir unterschrieben alles!“ „Sehen Sie, wir wussten immer, dass es Ihnen in Wahrheit nur um die Demokratie geht.“





Die Bauernhochzeit

24 10 2021

Da hocken sie in endlos langer Reihe,
die Männer und die Weiber eng beim Wein.
Die Knechte bringen abermals vom Breie,
und wie zu Kana schenkt man ihnen ein.

Zwei Musikanten pfeifen durch die Scheune.
Vor ihnen wird recht munter aufgetischt.
Es hängen an Wand als Schmuck alleine
zwei Ähren und ein Flegel, dass man drischt.

Die Braut sitzt in der Mitte. Eine Krone
zeigt an, dass sie zu keinem Gast mehr spricht.
Wiewohl die Ehe sie dafür belohne,
man sieht es doch an ihrem Schweigen nicht.

Ein Pfaff, ein Edelmann, doch ihrem Gaumen
wird diese karge Kost wohl nicht gerecht –
am andern Ende saugt an seinem Daumen
ein Kindlein, dessen Mutter selig zecht.

Dort an der Tür, da drängen sich die Armen,
und herrscht auch große Not: es ist ein Fest.
Mit ihnen hat der Herr wohl sein Erbarmen,
die er an seine Tafel kommen lässt.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (DLXVI)

23 10 2021

Florent stellt sich in La Brionne
ein Schirmchen auf. „Wenn ich mich sonn,
muss ich mich bedecken,
schon wegen der Flecken
von Vögeln. Das hat man davon.“

Es stellte sich Alfhild in Hult
im Schreibzimmer gerne ans Pult
und schrieb dort von Herzem,
bis die Füße schmerzen.
Das Arbeitsaufkommen war schuld.

Yvonnes Messer in Podensac
ruht selten. „Da ich nachher back,
muss ich doch die Mandeln
in Stifte verwandeln,
dafür brauch ich den ganzen Sack.“

Am Morgen zieht Gustaf in Nye
den Vorhang schon auf in der Frühe.
Er kann’s nicht erwarten
und blickt in den Garten
hinaus, was um die Zeit schon blühe.

Chantal machte sich in Le Gicq
zum Einkaufen gerne mal schick.
Im Smoking, im Brautkleid
kauft sie nicht, sie klaut heut.
Das macht, sie fängt so jeden Blick.

Louise, die führte in Äng
die Kunstgalerie ernst und streng.
„Geschmacklich und fachlich
bin ich gerne sachlich,
das sieht man auch, wie ich hier häng.“

Als Bläser kam Jean in La Clotte
vom Waldhorn neulich aufs Fagott.
Er macht eine Fron draus,
doch kriegt keinen Ton raus.
Zum Schaden gesellt sich der Spott.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLXXXVII): Fresserziehung

22 10 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die ästhetischen Ideale mögen sich im Lauf der Geschichte verändert haben, doch Nggr lebte weit davor. Noch im vorgerückten Alter von 27 war er sportlich schlank, aß Buntbeeren, Nüsse, oft auch Fisch aus dem kleinen Fluss neben der westlichen Felswand. Mühelos kletterte er auf Bäume, jagte die Säbelzahnziege und frischte den Genpool nach Bedarf auf. Seine jüngeren Brüder standen eher auf tierische Fette. Man sah es ihnen an. In der Folge gedieh nicht nur die Raubtierpopulation in jener Gegend, auch wertvolles Wissen ging verloren, zum Beispiel, wie man sich von Buntbeeren und Nüssen ernährt. Keine sozialpädagogische Maßnahme hat seitdem in unseren Breitengraden dafür gesorgt, die Kalorienversorgung des Volkes etwas gesünder zu gestalten. Wir bräuchten Fresserziehung.

Zwar jubelt eine ganze Fitnessbranche uns das Diktat sportlicher Dauerbewegung in die Hirnrinde, während die Mode alles, was sich bei der Drehung nicht als Strich vor dem Hintergrund ausmacht, als zu dick abkanzelt, aber den Size-Zero-Befehl muss jeder eigenverantwortlich umsetzen. Das wäre nicht so wild, würden nicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen grassieren, die den Medizinbetrieb belasten und die Lebenserwartung wieder auf prähistorisches Maß stutzen. Volkswirtschaftlich sollten wir es billigend in Kauf nehmen; netto lohnt es sich durchaus fürs Sozialsystem, wenn der Bürger frühzeitig die Rente verlässt, statt sich kostenintensiven Alterskrebs zu leisten. Aber hier geht es ja um die Werktätigen, die adipös und diabetisch Fußgängerzonen verstopfen auf der Suche nach der Frittenfettembolie. Muss der Staat hier nicht herzhaft und kräftig eingreifen?

Allein er tut’s nicht, weil ihm das Wohlergehen der Massen wumpe ist. Die Lobbyhörigkeit für Fett, Salz, Zucker und künstliche Zusätze steigert sich in absurde Höhen, wenn die amtierende Grützbirne in ministerieller Mission den Kalorienkonzernen nach dem Mund redet, um deren Umsätze aufzublasen. Halbherzige Einhegungsversuche mit Ämpelchen und Buchstaben machen die Talentdetonation nicht glaubwürdiger, am Ende bleiben die von der EU befohlenen Werbeverbote für Tabak und Alkohol, nicht aber für Chemieplempe aus dem Baukasten der sich blähenden Shareholder Values. Die Medien tun das Ihre. Warenkunde und Zubereitung werden mit Kochshows weggeschwiemelt, in denen sich große Teile der Bevölkerung nicht wiederfinden, da ihnen das Biobarock finanziell kaum möglich ist, wenn die Lebenshaltungskosten anschwellen. So viel Freiheit ist ungesund.

Der Staat entzieht sich folgerichtig aus seiner Verantwortung für die Volksgesundheit und stellt die Ernährungspolitik ein. Positive und negative Anreize sind so gut wie obsolet, wenn der Handel Schlachtabfälle aus Niedriglohnfertigung in die Kunden drückt, als gäbe es kein Morgen ohne das Menschenrecht auf Schnitzel. Wolkige Erklärungen umwabern die Aluhütchenspieler, die Tierwohl und mehr Nachhaltigkeit versprechen, auf dass der Deutsche nicht mehr mit dem SUV zum Discounter brettert, während sein französischer Nachbar in der Altente zum Sterneladen töfft. Gute Absichten, da macht uns keiner etwas nach. Und Nudging hat ja schon in der Impfkampagne prima funktioniert.

Alles, was der Politik einfällt, ist die reflexartig hochgepopelte Zuckersteuer, als könne man seinen Kohlenhydrathaushalt nicht auch mit Obst in die Nähe der Hyperglykämie treiben. Währenddessen hält eine ganze Gesellschaft es für den Normalfall, dass Singles im Jobmodell feststecken, das für den Alleinverdiener mit Vollzeithausfrau konstruiert wurde – mehr als Aluschalenfutter kann sich der Werktätige nicht leisten, wenn er nebenbei auch noch systemkonform konsumieren und die Freizeitindustrie bei Laune halten soll. Was wir an Cholesterin in die Arterien quetschen, ist die Folge der kapitalistischen Funktionalität, die uns Rädchen im Getriebe die notwendigen Nährstoffe zumisst. Ob und wie lange man das überlebt, ist nur eine statistische Größe. Oder ein Unfall.

Die klassische Haushaltsführung ist aus dem Kanon der Alltagsbildung verschwunden. Längst bräche ein durchschnittlicher Passant in Tränen aus, befragte man ihn vor laufender Kamera, was eine Mehlschwitze sei und zu welchem Ende man sie verfertige. Fertigfressalien, gewachsen im Regal der Einkaufszentren, pflastern unsere Wege. Während wir uns Analogkäse und künstliche Aromastoffe hinters Zäpfchen schmirgeln, ahnt kaum noch ein Standardverbraucher, wie das Zeug in echt röche. In Kitas und Schulen wächst gerade eine Generation neu heran, die kostenoptimierte Kost reinpfeift, wo die bürgerliche Brotdose ausgedient hat. Ab und an sieht man geradezu herzige Versuche, den Kindern mit einer rohen Karotte die Feldfrucht an sich zu demonstrieren – meist ist ein TV-Koch dabei, ein Promi nicht weit, ein Politikdarsteller sondert seins ab, und alle sagen: wir müssten viel mehr tun für die gesunde Ernährung. Warte nur, balde gibt’s die Grünzeugschnipsel in Dino-Form, TK-Ware, extra kleine Portionsgröße, damit man die Abzocke auch so richtig rafft, und dann hagelt es Vitamine. Nur noch kurze Zeit. Wir suchen gerade die Knalltüte, die dafür Reklame machen könnte. Alles wird gut.