Kreislaufwirtschaft

27 10 2021

„Halb automatische Gewehre sind toll, die nehmen wir gerne. Dreihundert? Vierhundert? Fragen Sie mal beim Wachbataillon nach, vielleicht haben die auch noch was im Keller. Den Rest regelt dann der Innenminister, damit wir nicht so viel Papierkram haben.

Wir sind momentan nur zwei Mann, da drüben sitzt der Herr Stabsfeldwebel, der war aber früher Polizeihauptkommissar, und ich bin Polizeimeister, vorher Oberleutnant. Wie das Leben so spielt. Was uns verbindet, ist der Gedanke einer kollegialen Zusammenarbeit, weil wir hier ja nur ein Büro mit einer Kaffeemaschine haben. Da muss man schon ein bisschen zusammenrücken. Dann ergeben sich die Synergieeffekte irgendwann von selbst: nur noch ein Hefter, nur ein Locher, ein gemeinsames Feindbild entwickelt man früher oder später auch, wenn man es nicht schon hatte, und dann geht alles seinen Gang.

Jetzt hatten wir ausnahmsweise mal nur aus der Truppe ein paar Fehlermeldungen – die letzten Chats um die Weitergabe von Adressen missliebiger Bürger aus dem Polizeicomputer war auch schon wieder ein paar Wochen her – und zuletzt hatten wir Probleme, die Waffendepots auseinanderzuhalten, die die Kollegen angelegt haben. Natürlich nur für den Fall der Fälle, Tag X. Man muss ja nachhaltig wirtschaften, das wird zum Beispiel bei der neuen Bundesregierung immer so betont, aber hier in der Polizei und in der Bundeswehr scheint das gar nicht im Fokus zu stehen. Lassen Sie mich ehrlich sein, das ist auch ein bisschen schmerzhaft – wir sind ein modernes Sicherheitsunternehmen, das sich für die Belange von Wirtschaft, Volk und Staat einsetzt, da kann man auch mal ein bisschen Wertschätzung verlangen.

Ach, Sie sind’s noch mal. 120 Millimeter, das ist das Kaliber für die Rheinmetall-Glattrohrkanone, die als unterkalibriges Wuchtgeschoss für schwere pfeilartige Penetratoren kinetisch wirkt. Auch mit abgereichertem Uran erhältlich, wenn Sie mal einen Auslandsaufenthalt planen. Wollen Sie die Dinger verkaufen? Gute Wahl, die sind im Golfkrieg gerne auf die Gastgeber geschossen worden. Mit etwas Glück ließe sich damit vielleicht heute der Ölpreis ein bisschen senken. Lieferung frei Haus.

Es gibt ja dieses traditionelle Verbot, Polizei und Bundeswehr zu vermischen, aber wir befinden uns gerade vor einem enormen Linksrutsch, der alles in der Verteidigungs-, Innen- und Sicherheitspolitik verändern wird, weil es eine enorme Entwicklung ist, und der umgehend einen Rechtsrutsch in der Verteidigungs-, Innen- und Sicherheitspolitik erfordert, weil es ja ein Linksrutsch ist, und deshalb dachten wir, dass man zu einer Kooperation findet und beide Positionen verbindet. Wir dachten an eine Verbindung von Polizei und Bundeswehr, ganz einfach deshalb, weil man damit vor allem einen sehr deutlichen Rechtsrutsch wieder herstellt, der für die notwendige Kontinuität sorgt, sowohl bei der Polizei als auch in der Bundeswehr. Wir hatten uns das so vorgestellt, dass wir ab sofort nach dem Modell der Kreislaufwirtschaft arbeiten und die Versorgung der einzelnen Einheiten koordinieren.

Stellen Sie sich mal vor, bei der Polizei fehlt Munition, ständig die Adresse von Helene Fischer suchen ist auch nicht mehr aufregend, also buddeln Sie zehntausend Schuss im Wald ein. Jetzt meldet sich turnusmäßig die Bundeswehr, irgendwo hat ein Sprengstoffoffizier versehentlich einen Zentner von dem Zeug deponiert und im Suff die Markierung auf der Karte verpeilt – Kommando Eichhörnchen, Sie verstehen? – und was machen Sie da? Es muss natürlich Ersatz geben, aber Sie werden bestimmt nicht die Schuldigen gefunden, dann können Sie es auch nicht aufklären, und dann liegt das Zeug in der Asservatenkammer herum und nützt keinem mehr. Das muss ja nicht sein, also haben wir uns für eine ganz neue Lösung entschieden: Kreislaufwirtschaft.

Solange die Schutzpolizei nicht mit dem Panzer auf die Kreuzung rollt, kann man natürlich nicht einfach Streubomben an die Polizei ausgeben, aber es gibt für alles einen Markt, der dann alles regelt. Wir bieten beispielsweise Mehrzweckgeschosse für den Endverbraucher an, da gibt es ja eine Menge Interessenten im Bereich Reichsbürger, Querdenker, national gesonnene Freiheitskämpfer, und das Geld, das wir da einnehmen, können wir auch wieder in die Ausstattung der Polizei stecken. Jetzt werden Sie sicher sagen: das geht doch nicht, man kann es den Leuten nicht den Nazis aus der Tasche ziehen und sie beim nächsten Sturm auf den Reichstag mit diesen Waffen bekämpfen, und da haben Sie auch recht. Die deutsche Polizei ist da loyal. Und dass wir die Bundeswehr nicht gegen unsere Kunden einsetzen, das gebietet ja schon das Grundgesetz.

Vor allem bei unpolitischen Fällen können wir die Weitergabe von Rüstungsgütern quasi gar nicht vermeiden. Wenn wir nicht nachvollziehen können, ob es sich da um extremistische Zusammenhänge handelt, sind uns die Hände gebunden. Wir hatten zum Beispiel Schalldämpfer für Maschinengewehre aus dem Zweiten Weltkrieg, da kann man nicht so einfach politische Zusammenhänge herstellen, da die Parteien von damals nicht mehr existieren. Das sind verbotene Kriegswaffen, da müsste man auch nachfragen, ob eventuell ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorliegt, aber da wir gerade keinen Kriegszustand haben, ist das sicher nicht… – Ich muss eben ran, wir haben eine Anfrage. Heil Hitler, Herr Höcke! Splitterbomben? Ja, darf ich fragen, wie viele?“