„Erlauben Sie mal, ich verbitte mir diesen Tonfall, Sie dummes Arschloch! Überhaupt, ich werde Sie verklagen, wenn Sie nicht auf der Stelle zahlen, das wollen wir doch mal… – Schetelig! Wird’s bald!
Sie haben mir doch schon wieder die Rechnung von der Mistbude nicht auf den Tisch gelegt, dabei habe ich Ihnen hunderttausend Mal gesagt, jawohl, da mache ich keinen Spaß, ach: da ist sie ja. In einem ordentlichen Kontor kommt eben nichts weg, das schreiben Sie sich mal hinter die Ohren. Das ist die Aufstellung vom ganzen vierten Quartal? Ich werde hier noch verrückt, Schetelig – man macht doch keine Aufstellung vom Quartal, wir laufen den Zinsen hinterher! Monatliche Rechnungsstellung, sonst kann ich hier bald zusperren, oder wollen Sie etwa Ihr Gehalt auch an Sankt Nimmerlein? noch nicht angekommen? Ja, da hat Puschke wieder die Listen verlegt, das kennt man ja schon.
Gehen Sie mir mit langjährigen geschäftlichen Verbindungen, davon kann ich mir nichts kaufen. Die Firma ist marode, Hagen & Co. sind ja damals nur von meinem Großvater, und das waren noch ganz andere Zeiten, die hatten Geld wie Heu, wir haben den Kredit bekommen, und seitdem sind wir quasi ein Herz und eine Seele. Aber dass die nicht zahlen, ist ein Skandal! Als erstes setzen Sie sich mal mit dem alten Hagen ins Benehmen, wenn die nicht zahlen können, dann lassen wir eben ab sofort nur noch von Rott & Plauer liefern. Gute Adresse, die haben zweimal die Insolvenz abgewendet, ich kenne die noch von der Zwangsversteigerung, als die alte Gießerei von meinem Onkel pleite ging.
Ich will jetzt nicht gestört werden, wer ist denn da am Apparat? Nein, ich will jetzt nicht reden. Sie können ja gerne mit dem reden, ich habe jetzt keine Zeit. Ist das überhaupt korrekt aufgestellt? Nicht, dass wir hier eine Rechnung verschicken, und dann sind die Zahlen nicht… – Schetelig, Sie haben doch Prokura, da muss man sich um alles kümmern! Ich habe das damals noch so gelernt: wer ein Geschäft ordentlich führen will, muss immer und überall für Kundschaft erreichbar sein. Es gibt keine kleinen Kunden, es gibt nur kleine Geschäfte, merken Sie sich das! So, und jetzt geben Sie das mal Puschke, der soll sich um den Kinderkram kümmern. Es ist ja nicht zum Aushalten hier!
Übrigens großartig, dass wir demnächst wieder eine richtige Regierung haben. Die vier Jahre, die sind schnell vorbei, Hauptsache: wir kriegen keine Inflation. Dann steigen die Löhne, und die Leute geben ihr Geld für alles mögliche aus, aber nicht mehr für unsere Rechnungen. Sie brauchen mir das nicht zu erklären, Schetelig, ich habe das gelernt. In meinem Alter macht mir niemand mehr so leicht etwas vor. Sonst wäre ich nicht hier.
Gut, gehen Sie ans Telefon, dann mache ich das selbst. Zweihundert, vierhundert, sechzehnhundert und die Umsatzsteuer, das sind ja schon wieder jede Menge Unkosten, das wird der Alte sich nicht mehr leisten können, wahrscheinlich ist er auch kurz vor dem Konkurs. Aber ich kann doch deshalb meine Preise nicht senken, und überhaupt, er hat doch den Lieferschein unterschrieben, soll ich jetzt in den Schornstein gucken!? Schetelig, wo Sie schon mal dabei sind, prüfen Sie gleich die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung. Die Brüder sind mit etwas Glück schon klamm, dann so eine Rechnung, und wir springen als nächste über die Klinge. Aber nicht mit mir! Das wäre ja unglaublich, warten auf den Sozialismus, und dann lassen sie die Gläubiger im Regen stehen! Schweinerei, so etwas!
Was ist das hier überhaupt für eine komische Rechnungsnummer, wie kommt man dazu? drei auf einmal? Nicht bezahlt im Oktober und November, und jetzt alles auf einmal? Schetelig, Sie sind der Nagel zu meinem Sarg! Wir sind doch nicht die öffentliche Kreditanstalt, das kann man doch nicht machen! Wenn das jeder versuchen würde, wir wären umgehend bankrott! Mit solchen Schulden kann ich mich bald als Finanzminister bewerben, ach was: Sie sollten das machen! Die Leute fressen mir die letzten Haare vom Kopf, und ich schaue seelenruhig zu, wie man mir das Haus wegpfändet! Manchmal glaube ich, ich bin überhaupt nur von Idioten umgeben! Von Idioten, Schetelig!
Sehr gut übrigens, dass die Steuern jetzt doch gesenkt werden. Wissen Sie, wenn die Leute wieder mehr Geld haben, steigt nicht nur der Konsum, es ist auch gut für die Zahlungsmoral. Wir müssen mal an den Juniorchef von Robofix ran, der hat letztens eine nette Summe in die Gießerei gesteckt – kein großer Erfolg, aber investieren muss man immer. Mit etwas mehr Kapital könnten wir auch Kunden wie diese hier halten, die nie pünktlich sind. Da schaut man eben mal durch die Finger, großzügig muss man sein, dann hat man solche Malessen nicht und auch keine Scherereien mit der Bank. Sie gehen da nächste Woche mal vorbei, ich kann mich bei denen nicht mehr blicken lassen.
Jetzt gehen Sie halt dran, Puschke! Das ewige Geklingel macht einen ja ganz nervös, wir haben unsere Zeit ja nicht gestohlen. Die Leute auch nicht, da haben Sie ganz recht. Zehnmal? seit halb elf? Ich habe gesagt, jetzt übertrieben Sie nicht immer so. Zehnmal? Die haben nichts Besseres zu tun? Läuft wohl nicht, der Laden. Hähähä! Ja, geben Sie her, das ist die letzte Aufstellung? Wem? Oktober und November nicht drin? weil ich selbst unterschreiben wollte? Ich unterschreibe natürlich selbst, ist doch mein Geschäft! Wie, Hagen & Co. – das heißt, nicht die schulden uns sechzehnhundert, Gebühren für die Mahnung kommen noch drauf? Kinder, wir wären längst abgesoffen, wenn ich mich hier nicht um alles selbst kümmern würde!“
Satzspiegel