„Hauptsache, der Papst ist katholisch, über den Rest kann man ja mal reden. Und das machen Sie am besten mit dem Papst, weil der weiß, was in seiner Kirche wie passiert. Weil er ja katholisch ist.
Wir könnten es uns leicht machen, weil das eine Einmischung in innere Angelegenheiten ist, und da verstehen wir keinen Spaß. Wir haben schließlich Macht, über Sünde und Erlösung zu entscheiden, da uns diese Macht ja verliehen wurde, und Sie sollten nicht leichtfertig damit umgehen. Aber wir sind natürlich auch verantwortungsvoll, deshalb sehen wir Fehler ein, manchmal nicht alle und auch nicht sofort, manchmal dauert ein bisschen länger, aber wir haben dann auch immer eine ganz klare Schuldzuweisung. Bevor man über andere Dinge auch nur nachdenkt, Vergebung oder was einem da sonst so einfällt, da muss man immer eine klare Schuldzuweisung liefern. Bei uns zum Beispiel ist es gerade der Zölibat, beziehungsweise die Art, wie die Außenstehenden damit umgehen.
Der Zölibat wurde nicht einfach so erfunden, der gründet sich schon auf eine lange Tradition. Wir können uns jetzt seit fast tausend Jahren auf ein kirchliches Dekret berufen, das die Ehelosigkeit in der biblischen Tradition als Vorbild nennt, und das ist für uns als Kirche auch sehr wichtig, weil wir uns schließlich von der Weltlichkeit unterscheiden müssen. Man kann ja als Priester, der einen direkten Draht nach oben hat, nicht einfach so leben wie ein Klempner oder ein Busfahrer, schließlich muss man da ganz in seinem Beruf aufgehen. Bis zu einem gewissen Grad zumindest. Das christliche Gebot der Armut zum Beispiel sehen wir jetzt auch eher dialektisch, da müssen wir der Gesellschaft als Vorbild dienen. Schließlich sollen die Menschen sehen, dass man mit der Wahl des Arbeitgebers eine Menge richtig machen kann.
Sie dürfen jetzt nicht denken, der Zölibat sei nur eine Strategie gewesen, den materiellen Besitz der Priester unter zu vielen Erben aufzuteilen. Das ist mit der Überführung sämtlicher Besitztümer in eine internationale Konzernstruktur sowieso egal, da vererben Sie höchstens noch ihr Privateigentum, aber nicht mal so einen Protzpalast wie der Typ aus Limburg. Alles paletti soweit. Aber dann denken Sie mal an die Sozialversicherungen – wenn wir als Kirche nicht nur die Altersbezüge der Haushälterin, sondern das Witwengeld der Kardinalsgattin zahlen müssen, dann können wir bald eine Hypothek auf den Petersdom aufnehmen, und dann haben wir die nächste Reformation am Arsch, das können Sie mir glauben.
Wir sind doch in Wahrheit die Garanten eines modernen Rechtsstaates. Die katholische Kirche ist eine perfekt organisierte Parallelgesellschaft, die sich mit der Verfassung so weit arrangiert hat, dass sie nicht mehr der Verfolgung ausgesetzt ist, und im Gegenzug regeln wir etwaige Verfehlungen in den eigenen Reihen durch interne Verfahren, ohne der Justiz damit zur Last zu fallen. Die hätte sonst auch alle Hände zu tun. Finden Sie nicht, dass so ein Arrangement ein bisschen mehr Anerkennung von der Öffentlichkeit verdient und nicht diese ganze Hetze, der wir seit Jahrhunderten ausgesetzt sind?
Und wir haben nichts gegen Frauen. Es muss ja in der Kirche auch mal einer feucht durchwischen, da sind die Prioritäten ganz eindeutig gesetzt – die Arbeitskleidung von so einem Kardinal ist für diese Tätigkeiten gar nicht geeignet, und wenn Sie das Chorhemd einmal schmutzig machen, das kriegen Sie nie mehr raus. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit rhetorischen Tricks, dann müssen die Priester eben in der Zeit die Kleider wechseln, das würde ja bedeuten, dass Frauen eine Soutane tragen. Das ist abartig. Die Frauen, die bei uns in der Gemeinde herumlaufen, tragen alle Hosen, und das ist auch gut so. Man muss doch die Geschlechter auch unterscheiden können.
Da sind wir viel näher an der Gesellschaft, als manche glauben wollen. Es gibt ja heute in der Provinz noch manche, da sind Sie als geschiedener und wieder verheirateter Katholik ein Paria. Es gibt da kleine Familienunternehmen, teilweise auch ein paar größere, nehmen Sie zum Beispiel Kliniken oder Kindergärten, da können Sie als Katholik eine zweite Ehe gar nicht ins Berufsleben integrieren. Das ist ja nicht nur sehr volksnah, wenn wir als katholische Kirche diese Wertvorstellungen direkt übernehmen, das ist auch eine soziale Einstellung. In einer zweiten Ehe ohne päpstliche Erlaubnis ist dann der Weg in eine sehr viel bessere Work-Life-Balance offen, weil Sie sich um Work ja gar nicht mehr kümmern müssen, und die Leute, mit denen Sie eh nichts mehr zu tun haben wollen, lassen Sie auch freiwillig in Ruhe, und wo das nicht klappt, da hilft die Seelsorge vor Ort tatkräftig mit. Wir sind eine durch und durch bodenständige Kirche, die sich immer mit Sorgen und Nöten der Menschen befasst, und wir sind da ganz nah dran.
Verstehen Sie mich richtig, es gilt da natürlich auch eine klare Unschuldsvermutung. Man muss sich nicht selbst beschuldigen, das tun wir als die Organisation, die die Ermittlungen gegen sich selbst sehr ernst nimmt, selbstverständlich auch nie, denn das sind wir unseren Priestern schuldig. Und eine Kirche, die so mitten im Leben steht und immer ganz eng bei den Menschen ist, von Kindesbeinen an, der kann man doch vertrauen, oder? Menschlich sein, das ist es, was Kirche auszeichnet, in allen Facetten und gerade in den Situationen, in denen diese Menschlichkeit zum Markenkern wird, auf den Sie sich verlassen können, weil er authentisch ist. Und dass Menschen Arschlöcher sein können, hat sich bis zu Ihnen herumgesprochen, oder?
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