Gernulf Olzheimer kommentiert (DCIV): Die Overton-Spirale

4 03 2022
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die Kriegsvorbereitungen der antiken Epoche waren dem heutigen Vorgehen nicht unähnlich. In der Propaganda wurden dieselben hohlen Phrasen gedroschen, die Gegner als moralisch minderwertig und schwach, aber immer noch aggressiv genug zur Vernichtung des eigenen Gemeinwesens bezeichnet und mit allerlei Schimpf beschmiert: Langnasen, Schwarzfüße, Stotterer, Weiberknechte, Anbeter der zwar vor einigen Jahrzehnten auch im eigenen Staat verehrten Gottheit, die jetzt aber durch dynastische Verschiebungen nicht mehr statthaft ist. Schritt für Schritt wiegelte man das eigene Volk auf, heizte die Stimmung an, bis der präventive Schlag gegen die verhassten Feinde alternativlos schien. Man kennt diese Maschinerie aus der Fortsetzung der PR mit anderen Mitteln, und wie das Overton-Fenster dient sie zunächst der schleichenden Veränderung des Diskurses. Hat man zunächst das Brudervolk, das als eigene Nation lebte, schlechter Nachbarschaft geziehen, galt es irgendwann als normal, ihnen die Aushöhlung der eigenen staatlichen Souveränität durch pure Existenz vorzuwerfen. Eines Tages wird der Machthaber verkünden, jenseits der Grenze würde die durchschnittliche Bevölkerung Kinder zum Frühstück verspeisen. Die Brüllaffen fühlen sich bestätigt, der Krieg bricht los. Was aber jüngst in vermeintlich diktatorischen Zeiten, fernab von militärischem Vorgehen und Diktatur, in denen nur ein paar billige Dinger vom Aufmerksamkeitsstrich den Bürgerkrieg herbeijodeln wollen, weil sich ihre überflüssige Restexistenz gerade im Selbstmitleid ertränkt hat, die Erkenntnis deformieren soll, ist so subjektiv lächerlich wie objektiv infam.

Die Philosophie des Geistes setzt dummerweise Geist voraus. Das hatte sich in den Niederungen des Kommentariats eh nie herumgesprochen, weshalb die Pyromantiker sich nun am eigenen Feuer die Klöten verkokeln. Kaum noch ein Kolumnist, der in Erwartung des kommenden Rechtsrucks – der aller Paradoxie nach ja im herrschenden linksextremen Mainstream löckt – heiter den Holocaust relativiert, Hakenkreuze als deutsches Volksgut verteidigt oder sich solidarisch mit Hirnschadensympathisanten zeigt, die die Regierung vor den Internationalen Strafgerichtshof zerren wollen, ohne dass einer von den anderen angestachelt die Schraube immer noch weiter dreht, damit noch der letzte Idiot merkt, dass hier der Nachtfrost bleibenden Spuren hinterlassen hat. Natürlich haben sie das alles nicht so gewollt und nicht so gemeint, geben den anderen die Schuld an der notwendigen Selbstviktimisierung, ohne die sie in Stumpfstullenkreisen gar nicht mehr als die Speerspitze der degenerierten Arschgeigen gelten, und nässen sich die Alte-weiße-Männer-Windel ein, ohne die sie ihre tägliche Absonderung nicht für die Nachwelt erhalten würden.

Im Gegensatz zu den hysterischen Knalltüten, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit plärren, dies und das dürfe man ja nicht mehr sagen – was sie dann im Regelfall sagen und dabei sich selbst Lügen strafen – bereitet die Spirale des Schreiens zielgerichtet die Ausweitung der Kampfzone vor, zunächst nur verbal, aber wer die Mentalität rechter Intensivtäter kennt, der weiß, dass das nur eine Art präventiver Feuerschutz ist, sobald die Brandsätze auch real fliegen. Beachtung um jeden Preis ist die Währung, für die diese Blödföhne die zu Wortkotze geronnene Denkschwächelei in Fachperiodika für soziokulturelle Exklusion schwiemeln, damit ihre schenkelklopfenden Schnackbratzen schnell etwas zum Verdauen haben. Wo die Reizüberflutung eh schon die gängigen Einfallstore der Beklopptheit verstopft, müssen die Einschläge härter werden, und schon befinden wir uns in einem Rattenrennen um die absurdeste Stellungnahme zur eigenen Komplettverdeppung. Wir nehmen derlei Schmutz noch ernst, indem wie das Gejammer nach dem Rauswurf aus der Redaktion tatsächlich als Cancel Culture aufwerten, statt den Wunsch nach brauner Nestwärme im Lager der Kackbratzen zu erkennen.

Zur Verteidigung werden Wassersuppenkasper wie die Gewohnheitsskribenten anführen, sie seien ja nur Sprachrohre der Faschisten und würde mit ein paar provokanten Thesen für frischen Wind in der öffentlichen Debatte sorgen. Wonach die Abluft aber stinkt, merkt man schnell, sobald die üblichen Verdächtigen die Verteidigung übernehmen, wenn sich Opfergruppen ohne Erlaubnis des gesunden Volksempfindens angegriffen fühlen. Natürlich, so dröhnt’s aus dem Fußraum traditionsverbundener Blattmachereien, ist es unschön, wenn man diesen Juden immer wieder vorwerfen muss, zu laut gegen den Antisemitismus zu protestieren. Wenn sie jetzt ein bisschen konzilianter sind, hängen wir erst mal nur den Bundeskanzler auf oder die Impfmafia, die Jugendlichen, die die Todesstrafe für Besitz und Fahren eines SUV durchdrücken, und lassen diesen Typen genug Zeit, nach Israel auszuwandern. Bis dahin halten wir Hitler für einen Sozialisten, damit wir alle, die dagegen einschreiten, zu Kommunisten erklären können. Man muss schon ein degoutanter Schmock sein, um sich sein Publikum in diesem Faulschlamm zu erwinseln. Oder ein alternder Alki in der Privatinsolvenz. Natürlich ist das schlimm, aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen.