„Das mit der Transsubstantiation haben Sie kapiert? Ich frage nur, manchen ökumenischen Teilnehmern ist ja die Unterscheidung sinnlich wahrnehmbarer Akzidentien von einer Substanz im aristotelischen Verständnis gar nicht klar, weshalb wir auch mit Kannibalismusvorwürfen konfrontiert werden. Wer bei uns steuerpflichtiges Mitglied wird, sollte diese intellektuellen Feinheiten schon kennen.
Früher haben sich die Menschen ja größtenteils mit Glaubensinhalten beschäftigt, wenn sie aus der Kirche austreten wollten. Deshalb haben wir ihnen auch unsere Bodentruppen auf den Hals gehetzt, damit wir sie wieder einfangen können. Aber wenn man eben in dieses System hineingeboren wurde, nie etwas hinterfragt hat und seine Zugehörigkeit nur am Lohnzettel merkt, geht das auch leicht. Seit wir jetzt so eine Art aktivierendes Pflichtbekenntnis mit Kompetenzprüfung haben – erinnert ein wenig an die linksreformatorische Täuferbewegung – ist die Sache natürlich schwieriger geworden. Früher mussten man nur mal auf der Straße fragen, was Pfingsten bedeutet, mit den Antworten hätte man ein Zirkusprogramm bestreiten können. Jetzt haben wir einen qualitätsgesicherten Prozess, der nur die aufgeklärten und religionsgeeigneten Personen in die Kirche reinlässt. Das ist schon ein Fortschritt.
Haben Sie das Faltblatt zur Dogmatik gelesen? Das wird abgefragt. Besonders das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit, das müssen Sie kennen. Das hat der Papst übrigens zuletzt beim Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel in Gebrauch genommen. Praktisch, oder? Das ist so ein echter Boss Move, Sie können sich als Papst einfach nicht irren, und wenn Ihnen eine tolle neue Idee für einen Feiertag einfällt, für den es keinen biblischen Beweis gibt, zack! Unfehlbarkeit. Also das müssen Sie neben der Eucharistie drauf haben, sonst können Sie sich so eine Messe schenken.
Natürlich ist da jede Menge Murks dahinter, der schlicht auswendig gelernt wird. Das betet man nach, das sind die Spielregeln bei Kulthandlungen, wann der Priester die Mütze aufsetzt und mit der Spardose die Kirche vollqualmt. Als Protestant ist die Vorbereitung auf die Kirchenzugehörigkeit eher Gedächtnistraining, da sagen Sie sämtliche Gebote und das Glaubensbekenntnis auswendig und die Erklärungen im Katechismus, die dann gleichzeitig als Ersatz für theologische Grundsatzdiskussionen gelten. Man muss ja nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht, und was es bedeutet, ist ja nicht ganz so wichtig. Wenn Sie Ihren Pastor mit ontologischen Fragestellungen nerven, halten Sie nur den Betrieb auf.
Bei den Katholiken ist das schon anders, da wird auf moralische Fragen besonders geachtet. Vor der Firmung beispielsweise werden Sie gefragt, ob Sie denn auch rein sind – also im kultischen Sinn, was natürlich ein gewisses Alter voraussetzt, aber ab sieben sollte man schon wissen, was falsch und was richtig ist, und ab dann kann man so einem Kind schon mit Schuldgefühlen die Restexistenz in die Tone treten. Hat der Firmling noch kein eigenes Sündenbewusstsein entwickelt – Glück gehabt, man weiß ja nie, wo der Pfarrer da seine Finger drin gehabt hat. Und fühlt sich das Kind sündig, dann ist es für die Idee einer psychischen Unterdrückung gewonnen. Professionelle Katholiken entledigen sich regelmäßig durch die Beichte vom Druck und sündigen dann fröhlich weiter, aber das wird ja so gut wie nie öffentlich empfohlen. Verboten hat es die Kirche aber bisher nicht, zumindest nicht bei ihrem hauptamtlichen Personal.
Ja, da sind Sie überrascht, aber das ist halt der übliche Weg. Erst werden Sie umfassend über die Inhalte aufgeklärt, dann können Sie entscheiden, ob Ihnen der Spaß die monatlichen Gebühren wert ist. Gemäß Bundesgesetz ist ein Kind schon ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr zu hören, wenn in der religiösen Erziehung eine Veränderung eintritt. Was da vorher stattgefunden hat, wurde zum Glück für die Kirchen bisher gar nicht berücksichtigt. Da wurden Sie in die Konfession Ihrer Eltern geboren, ab dann gilt: mitgegangen, mitgefangen. Ausnahme war auch hier, wenn Sie wegen einer Behinderung als nicht vernünftig genug erschienen, um wider die Vernunft die Eucharistie zu empfangen. Sie sind ja erst beim Verstehen der Transsubstantiation in der Lage, diesen Ritus intellektuell zu erfassen. Aber das hat die Kirche schon vor Jahren abgeschafft, auch erst nach der Vorhölle, weil Sie durch den Tod vor der Taufe irgendwie doch sündig sind – in dem Fall war das Ableben vor der Firmung der Grund für die mangelnde Reinheit, sonst ist das andersrum oder hängt vom Sündenbewusstsein ab, aber so eine Fundamentaltheologie macht ja nur Spaß, wenn man sie machen kann, wie’s halt in den Kram passt.
In der Hinsicht ist Religion tatsächlich so etwas wie eine limitierte Gesellschaft. Natürlich nur für die, die das hauptberuflich betreiben. Sie müssen für die Aufnahme in den Club erst mal Prüfungen ablegen, hier und da werden Gebühren fällig, und wenn Sie erst mal drin sind, können Sie machen, was Sie wollen. Ob Sie jetzt Fußpfleger sind oder Priester, ganz egal. Falls Sie doch einmal Stress kriegen, hetzt der Verein die besten Anwälte auf das Rechtssystem außerhalb der eigenen Mauern, und ob das wirklich strafbar ist, wenn Sie vor einem Firmling die Hosen herunterlassen, das entscheiden dann im Zweifel Sie selbst.
Sie müssen sich nicht jetzt entscheiden, Sie haben Zeit, und wenn Sie gar nicht wollen, lassen Sie es einfach. Nur noch ein gut gemeinter Rat, weil hier ja noch andere Prospekte herumliegen: die andere Esoterik ist auch nicht kostenlos.“
Satzspiegel