„Sicher könnten Sie sofort anfangen, Fachkräfte brauchen wir überall. Sprachkenntnisse setzen wir voraus, und Sie müssten natürlich Ihren Bildungsabschluss nachweisen. Können wir Ihnen die Formulare zufaxen?
Wir bevorzugen eben zuverlässige Technik in Deutschland, daran sollten Sie sich gewöhnen. Die funktioniert nicht? das müssen Sie mir nicht sagen, aber sie funktioniert eben zuverlässig nicht. Es ist keine große Überraschung, wenn so ein Gerät nicht sendet oder nicht empfängt, es ist Leitkultur. Das wird Ihnen hier öfter begegnen, und ich kann Ihnen nur den guten Rat geben, machen Sie sich nicht darüber lustig. Wir sind mit diesen Mitteln zu einer erfolgreichen Industrienation geworden, also kann ja nicht alles verkehrt sein daran.
Es gibt durchaus Digitalisierung in Deutschland, wir haben sehr gutes Internet. Kommt immer darauf an, wo Sie gerade wohnen. Deshalb sollten Sie sich auch gut überlegen, ob Sie mit Ihrer Pauschalkritik so weit kommen. Sie wollen ja schließlich hier bei uns arbeiten, dann sollten Sie sich mit dem Land vertraut machen, bevor Sie zu meckern anfangen. Es mag ja anderswo auch ganz schön sein, da kann man ein Gewerbe anmelden und Steuern bezahlen und solche Sachen, aber dann frage ich Sie: warum wollen Sie nicht dahin? Weil es da schon zu viele gibt, die sich mit Computern auskennen und Sie gar nicht mehr gebraucht werden?
Jetzt beruhigen Sie sich, so schlimm ist es hier auch wieder nicht. Wir haben ja auf Sie gewartet. Die letzte Bundeskanzlerin hat dieses Land gute 16 Jahre lang kaputtregiert, damit wir einen Grund haben, mit technischen Innovationen anzufangen. Klingt komisch, ist aber so. Man muss mit solchen Projekten sehr vorsichtig sein. Diese Kanzlerin hat vor ein paar Jahren bei einer plötzlichen Welle von Zuwanderern einfach gesagt, dass wir die alle gut integrieren könnten – das war nicht falsch, aber das Land war damals einfach noch nicht kaputt genug. Jetzt würde es sich lohnen. Schauen Sie sich nur die Infrastruktur an, Brücken, Bahnen, das haben wir in den Jahren sauber runtergerockt. Wenn Sie jetzt mit dem notwendigen Know-how kommen, dann ist das eine Aufgabe für mindestens drei Generationen, die sich sehr gut integrieren können.
Vielleicht bringen Sie auch Erfahrungen für die Verkehrswende mit? Sie selbst werden da nicht viel ändern können, hier einen verkehrsberuhigten Bereich, da eine Fußgängerampel, aber auch das ist eine Aufgabe für mehrere Generationen. Ihre Enkel könnten irgendwann gefahrlos zur Schule radeln, das ist doch auch schon etwas. Außerdem werden die Deutschen sich sowieso beschweren, dass da ein Ausländer kommt, der ihre Autos aus der Innenstadt verbannt, nur weil er das studiert hat. Uns ist es nicht gelungen, vielleicht haben Sie mehr Glück.
Was meinen Sie, wie lange wir gebraucht haben, bis wir die Energiewende so richtig versaut hatten. Das war eine konzertierte Aktion, bei der wir ganze Branchen vernichten mussten. Bei der Fotovoltaik ist uns das überraschend schnell gelungen, bei der Windkraft sind wir immer noch dran. Jetzt müssen wir abwarten, ob wir den Abbau fortsetzen oder ob wir sofort auf Wiederaufbau umschwenken. Danach würde sich dann auch richten, in welcher Branche wir Sie beschäftigen können. Vielleicht machen Sie auch einen kleinen Zwischenstopp bei der Kohle, oder wir warten einfach ab, dass irgendjemand eine Technologie erfindet, die ohne Naturgesetze geht.
Das Problem sind nicht die finanziellen Mittel, das können Sie mir glauben. Geld haben wir genug, Deutschland ist stark. Wir haben diese Kanzlerin 16 Jahre lang überlebt, das müssen uns andere erst mal nachmachen. Das Problem ist, dass wir zu viele dysfunktionale Großprojekte gleichzeitig haben. Die sind teil dysfunktional, weil sie zu groß sind, teilweise sind sie aber auch stark angewachsen, da sie schon am Anfang dysfunktional waren. In China hauen die ein Krankenhaus in ein paar Tagen aus Containern zusammen, hier brauchen Sie die ersten drei Jahre, um die Baugenehmigung zu kriegen. Von Flughäfen oder Bahnhöfen will ich gar nicht erst anfangen. Das ist der Reformstau, und das ist wenigstens mal ein positiver Aspekt. Den haben wir über Jahrzehnte perfektioniert, den gibt es so in keinem anderen Land auf der Welt. Dazu kommt der Fachkräftemangel, ohne den wir Sie überhaupt nicht eingeladen hätten, und das sind die besten Voraussetzungen, dass Sie sich als Arbeitnehmer in Deutschland sehr willkommen fühlen werden. Sie werden gebraucht.
Wenn Sie sich erst orientieren wollen, weil wir Ihren Ausbildungsabschluss ja wie gesagt nur sehr zögerlich ernst nehmen werden, dann kann ich den Pflegenotstand empfehlen. Das ist eine Branche, in der geradezu landestypisch gearbeitet wird. Und der Einstieg wird Ihnen sehr leicht gemacht, da wir traditionell der Ansicht sind, dass jeder Idiot für die Pflege geeignet ist. Wir sagen das auch genau so, damit die Beschäftigten im Pflegenotstand gleich von Anfang an eine realistische Sicht auf ihren Job haben. Deshalb eignet sich dieses Berufsfeld auch so gut für alle, die nicht ins Pandemiemanagement gehen wollen. Da macht man nicht viel, man sieht eigentlich nur zu, wie die anderen auch nichts dafür können, aber einer muss es ja machen. Jede Menge freie Stellen. Man muss eigentlich nur ein Faxgerät bedienen können, und selbst das nur werktags. Ist das Ihre Kragenweite? Könnten Sie sich das bis zur Grundsicherung vorstellen?
Was wollen Sie hier machen? Klimaschutz? Können Sie vergessen.“
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