Wasserzeichen

30 06 2022

„Zwanzig, noch mal dreißig, also insgesamt einhundertzehn.“ Herr Breschke schloss den Karton und schob ihn zurück unter den Küchentisch. Es duftete, vielmehr: roch nach einer Mischung aus Maiglöckchen und Pfefferminzbonbons. Und noch hatte er keins der Erfrischungstücher benutzt.

„Es geht ja nicht um die Kosten“, betonte der Hausherr, „obwohl sie schon recht preiswert sind, wenn man eine größere Menge davon abnimmt.“ Hauptsächlich dürfte wohl es an der Herkunft dieser Hygieneartikel gelegen haben, die seine Tochter aus einem kambodschanischen Warenlager in Peru mit amtlichen Siegeln in drei ausgestorbenen Sprachen besorgt hatte. Immerhin waren bisher noch keinerlei Hautreizungen aufgetreten, noch benutzte der Alte zweimal am Tag die Brause. „Wenn man Wasser sparen kann, sollte man es auch tun.“ Ich nickte. Allerdings gab ich zu bedenken, dass es für Umwelt und Energiesicherheit auch schmerzfreiere Wege geben würde. „Sich zum Beispiel am Morgen mit dem guten alten Seiftuch zu reinigen, wäre einer davon.“ „Nun ja“, lächelte er, „ich bin nun nicht mehr so gelenkig. Duschen ist ein wenig bequemer, das muss ich schon zugeben.“ „Und wie erreichen Sie dann, sagen wir mal: die Zehen mit diesen Dufttüchern?“

Die Wasserrechnung vom vergangenen Jahr wies einen ganz hübschen Verbrauch auf, jedenfalls für ein kleines Häuschen mit Garten. Letzterer war mit Rasen und Rosen Großverbraucher, vor allem in regenarmen Zeiten. „Ich kann meine Pflanzen nicht einfach vernachlässigen“, betonte der pensionierte Finanzbeamte. „Sie müssen wissen, wir sind als Anwohner verpflichtet, diese Flächen zu begrünen.“ Ich sah mich um. Die große blaue Tonne, die seit Jahrzehnten im Keller stand, würde hervorragend unter den Abfluss der Dachrinne passen; ein kleiner Schnitt ins Fallrohr, ein Regensammler, schon liefe der Niederschlag nicht mehr in die Kanalisation. Er kratzte sich am Kopf. „Das würde sicherlich eine Menge weniger verbrauchen.“ Er blickte sich im Garten um. „Auf der anderen Seite liest man gerade überall, dass Sparen auch schädlich sein kann, wenn man die Leitungen nicht regelmäßig spült.“ „Ihre fünf Minuten Duschen am Tag reichen da vollkommen aus“, beruhigte ich ihn. „Keiner wird Sie zu einem Wannenbad nötigen.“

Das Bad, seit Jahrzehnten in einem funktional wirkenden Rostbraun eingerichtet, war die nächste Etappe. „Diesen Brausekopf haben Sie vor dem Dreißigjährigen Krieg installiert“, mutmaßte ich, was Breschke mit Stirnrunzeln quittierte. „Das Ding wird nicht richtig sauber“, nörgelte er. „Man kann Essig dazu verwenden“, riet ich trotz Skepsis beim Anblick der Gummidichtungen, „manche schwören auf Gebissreiniger.“ Aus dem Schränkchen unter dem Waschbecken kramte er eine vergilbte Dose mit Briefchen heraus, die ein blassblaues Pulver enthielten. „Sagen Sie nichts“, stöhnte ich. „Ja, aber sie hat mit die schon vor zehn Jahren mitgebracht, ich wollte sie erst aufbrauchen.“ Auch der Schlauch hielt einer genaueren Inspektion nicht stand; er war an mehreren Stellen porös und drohte zu brechen, so dass ein Leck bei der täglichen Körperpflege nur noch eine Frage der Zeit war. „Wir werden sicher im Baumarkt etwas Schönes finden, damit drehen Sie dann auch die Wasserzufuhr ab, wenn Sie sich gerade den Kopf shampoonieren.“ Er nickte. „Ich wollte ja die ganze Zeit etwas machen“, sagte er kleinlaut, „aber die Kosten!“ „Herr Breschke“, mahnte ich, „wenn Sie ab sofort auf zu viel warmes Wasser verzichten, hat sich diese Investition im Nu amortisiert.“ Es sah aus, als würde er mit mehreren Unbekannten rechnen. Schließlich nickte er wieder.

„Selbstverständlich können Sie auch in der Küche eine Menge Wasser sparen.“ Ich zog das Besteckfach des Geschirrspülers heraus. Zwei Gabeln, zwei Messer und zwei Suppenlöffel lagen im Auszug. „Ich müsste sonst den ganzen Kasten in den Küchenschrank räumen, wir haben ja so selten Besuch.“ „Sie spülen das Besteck also nach den Mahlzeiten von Hand ab“, konstatierte ich. Horst Breschke schüttelte energisch den Kopf. „Vor den Mahlzeiten, sonst macht es ja gar keinen Sinn.“

Das Minzmaiglöckenaroma der Küchenluft war noch immer dominant, da nahm Breschke eins der Tücher aus der Packung. Die Folie ließ sich leicht aufreißen, und sofort breitete sich das penetrante Bukett im ganzen Raum aus. Der Hausherr rieb sich die Hände mit dem Geruchsträger ein, und es trieb nicht nur mir beinah die Tränen in die Augen. „Das ist fürchterlich“, krächzte ich. „Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie sich ab sofort zweimal täglich mit diesem Zeug imprägnieren werden, um Wasser zu sparen?“ Seine Nase zuckte. „Glauben Sie, dass der Gestank mit Wasser und Seife wieder abgeht?“ „Sparen Sie“, ächzte ich. „Aber bitte nicht an Seife und nicht an Wasser, und nehmen Sie bloß warmes dazu!“ Er krempelte sich die Hemdsärmel hoch und verschwand im Bad.

Zehn Minuten später kam er mit rot geschrubbten Fingern wieder aus dem Waschraum. Freudig begrüßte Bismarck, der dümmste Dackel im weiten Umkreis, seinen Herrn, vielmehr: er hatte es wohl vor. Als er aber die Reste der fürchterlichen Aromenverirrung an seinen Händen roch, lief er jaulend ins Wohnzimmer, wo er sich verstört hinter dem Fernsehsessel verbarg. „Sie sehen“, schloss ich, „auch Ihr treuer Gefährte kann dem nichts abgewinnen.“ Er seufzte. „Kann man denn da gar nichts machen, um im Alltag das Wasser effektiver einzusetzen?“ Ich griff zur Blumenspritze auf der Fensterbank. „Nun“, sprach ich und drückte auf den Hebel, „es gibt da manche Möglichkeit.“





Zukunftsbranchen

29 06 2022

„… sich nicht ohne Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt lösen lassen werde. Die Verbände der deutschen Arbeitgeber seien sich sicher, dass die Position der Bundesrepublik in der EU maßgeblich von der Geschwindigkeit und Professionalität der Personalgewinnung aus den…“

„… mahne das SPD-Strategiepapier eine rasche Umsetzung der noch nicht vollzogenen Punkte der Agenda 2010 an. Um ein Hochtechnologieland zu sein, müsse zunächst die gesellschaftlich relevante Basis gefestigt werden, da auch Ingenieure mit den Waren des täglichen Bedarfs versorgt sein müssten. Heil halte einen Anteil des Niedriglohnsektor von zwanzig Prozent daher für noch nicht…“

„… Flugtaxis zu Robotern umbauen wolle, die Roboter bauen könnten, die Flugtaxis bauen, die noch nicht erfundene Kraftstoffe nutzen würden. Söder werde noch vor seiner erneuten Kandidatur zum Bundeskanzler ein Programm für den…“

„… sei es für Chirurgen und Kernphysiker aus kulturell benachteiligten Kulturkreisen von Vorteil, wenn sie den Aufenthalt mit einigen freiwilligen Pflichtjahren begönnen. Demut sei eine der wichtigsten Tugenden, so Merz, solange sie nicht ständig von Deutschen verlangt würde, die als Gastgeber auch die Regeln des Aufenthalts im…“

„… halte CDU-Landwirtschaftsexperte Spahn die dauerhaft Zuwanderung von Erntehelfern nur dann für möglich, wenn diese mindestens dreißig Jahre lang einen eigenen Betrieb profitabel geführt hätten, so dass man ausschließen könne, dass sie nur wegen der Arbeitsplätze nach…“

„… den Mindestlohn auf einen Euro absenken wolle, damit der Markt mehr Entfaltungspotenziale nach oben wahrnehme. Zeitgleich erwarte Lindner die Streichung jeglichen Kündigungsschutzes, da nur so den Arbeitgebern die notwendige Flexibilität einer nachhaltigen, sozial atmenden Planung der…“

„… nach erforderlichen Berufsbildern geordnete Quoten für die Zuwanderung festsetzen müsse. In der CSU wolle man zunächst Bodenpersonal für die Flughäfen sowie ausreichend Bademeister mit drei bis fünf Jahren Erfahrung einstellen, später sei auch eine Umschulung möglich. Söder setze dabei große Hoffnungen in die Bundesregierung, die durch eine Qualifizierungsinitiative ausreichend Arbeitskräfte für die Laufzeitverlängerung der Reaktoren im…“

„… für den CDU-Staatsrechtsexperten Spahn nur die Möglichkeit infrage komme, dass man den Einwanderern eine deutsche Staatsbürgerschaft verleihe, die allerdings jederzeit ohne Angabe von Gründen wieder entzogen werden könne, falls sich beispielsweise im Wahlkampf eine…“

„… die ersten Berufsjahre beispielsweise in der Pflege, ohne Bezahlung oder ohne Bezahlung in der Pflege verbringen könnten, bevor sie sich für einen dauerhaften Aufenthalt qualifizieren dürften. Für die Bundesregierung sei dies ein guter Weg, um in einer der Zukunftsbranchen eine erfolgreiche Rolle innerhalb der EU zu…“

„… sehe Söder einen Mangel an Pfarrern in den abgelegenen Ortschaften des Freistaates. Er lehne eine Aufnahme von Quereinsteigern nicht generell ab, wolle aber durch eine vorherige Prüfung bei der Einreise feststellen lassen, dass die Zuwanderer keiner islamistischen…“

„… dürfe es keine übereilte Anerkennung von fremden Berufsabschlüssen auf dem deutschen Arbeitsmarkt geben. Merz warne davor, dass jeder Medizinmann, der sich in einer praktischen Prüfung vor der Handwerkskammer als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik ausgebe, sofort wie ein in Deutschland ausgebildeter Geselle auf die…“

„… die Bundesregierung den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine so weit entgegenkomme, dass diese bis 2030 einen mittleren Schulabschluss sowie eine duale Berufsausbildung erreicht haben sollten. Erst dann wolle man eine Entscheidung treffen, ob die Zuwanderung aus Afrika, anderen Kriegsgebieten oder den EU-Beitrittskandidaten sich positiv auf…“

„… sehe CDU-Sozialexperte Spahn hier die Notwendigkeit, das Asylbewerberleistungsgesetz einer schnellen Neuregelung zu unterziehen. Nach seinen Plänen müssten Angehörige wirtschaftlicher Feindstaaten das Dreifache ihrer Leistungen an den Staat abführen, damit sich ihr Aufenthalt für die deutschen Sozialsysteme lohne und nicht zu einem finanziellen Desaster für die…“

„… die Bundesregierung bei der Anwerbung neuer Arbeitskräfte auf die Digitalisierung setze. In Zukunft könne jeder Einwanderungswillige seinen Aufnahmeantrag per E-Mail einreichen, wobei die Formulare in dreifacher Ausfertigung als Anlage im Postfach bis zum dritten Werktag nach dem…“

„… Lücken im Niedriglohnsektor nicht simultan mit den Personalanforderungen in qualifizierten Berufen abgearbeitet werden könnten. Heil sehe hier die Möglichkeit, in einem Zehn-Punkte-Plan die schrittweise erfolgende Höherqualifizierung der ungelernten Arbeiter bis zum akademischen Grad mit einer danach einsetzenden Anwerbung von Hilfskräften aus dem…“

„… nach wenigen Generationen bereits mehr als acht Milliarden Kinder in Deutschland geboren würden. CDU-Rassenexperte Spahn wolle der Vernichtung durch übermächtige Parasitenvölker nicht tatenlos zusehen fordere daher eine sofortige Sterilisation, die alle Invasoren in den ersten…“

„… der rechte SPD-Flügel vor einer zu schnell und ungeregelt einsetzenden Einwanderung warne, da dies die Abwanderung deutsch-nationaler Kräfte ins Ausland nach sich zöge, was zu weiteren…“





Zerfallsprodukte

28 06 2022

„Nein, es gibt hier keinen Knopf zum Einschalten, Lindner. Und jetzt nehmen Sie die Wurstfinger vom Steuerpult, sonst macht die nächsten Überstunden zur Rettung der Wirtschaft Ihr Gesichtschirurg.

Erst Abschnitt A, dann Abschnitt B und dann Abschnitt C. In drei Monaten ist das alles entkernt und kann von der nächsten Kolonne niedergerissen werden. Den Innenbereich können wir wegen der Strahlung noch nicht demontieren, das machen die Spezialisten in den kommenden Jahren. Nein, das kann man nicht weiterlaufen lassen. Um in einem Kernkraftwerk Strom zu erzeugen, braucht man spaltbares Material, und wenn das aufgebraucht ist, kann man es nicht mehr einsetzen. Auch nicht für ein paar Jahre, Spahn. Und wenn Sie jetzt nicht die Sicherheitshandschuhe anziehen, stopfe ich Ihnen die Dinger da rein, wo sonst die Immobilienmakler raushängen.

Wie oft müssen wir diese Diskussion denn noch führen? Natürlich gibt es noch Uran. Aber so, wie es in absehbarer Zeit keine Braunkohle mehr geben wird und kein Erdöl, wird es irgendwann auch kein Uran mehr geben. Dann nehmen Sie Uranerz, Wissing? Gut aufgepasst, leider nicht in der Schule. Sonst wüssten Sie, dass wir das Uranerz bisher aus Russland bezogen haben. Und selbst wenn wir auf den Gedanken kämen, weiterhin Uranerz von den Russen kaufen zu wollen, wer garantiert uns, dass die uns auch weiterhin Uranerz verkaufen? Der Markt? Weil die ja ein Interesse an der deutschen Wirtschaft haben? Sagen Sie mal, haben Sie vorhin ein paar Mikrosievert zu viel abgekriegt?

Die Kabel lassen sich noch verwenden, sonst wird das Kupfer wiederverwertet, und die restlichen Baustoffe kommen gleich in den Container. Unsere Sondermülleinheit holt dann Asbestverkleidungen und Mineralwolle aus den Wänden, die dann nach gesetzlichen Vorgaben auf die Deponie kommen. Lindner, ich hatte gesagt, dass ich mit Ihnen nicht diskutiere, schon gar nicht ergebnisoffen. Man kann einen Kernreaktor nicht weiterbetreiben, wenn man oben Uran reinsteckt und unten einen Knopf drückt. Dazu braucht man das entsprechende Fachpersonal, und das ist gekündigt und teilweise schon aus dem Betrieb. Nein, das kann man nicht mit Überstunden lösen. Wenn Sie zwanzig Ärzte brauchen, die nicht im Krankenhaus beschäftigt sind, nützt es Ihnen auch nichts, wenn dafür hundert Hausmeister zehn Überstunden in der Woche schieben. Und wenn Sie jetzt nicht sofort aufhören, an der Steueranlage herumzuspielen, wird es gleich ganz kurz ganz laut.

Wir arbeiten hier nach strikten gesetzlichen Vorgaben, man kann Bauschutt nicht einfach auf die Hausmülldeponie kippen. Sämtliche Anlagen sind erhöhter Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen, wir müssen jedes Objekt beim Rückbau freimessen und dürfen es erst dann entsorgen. Raten Sie mal, warum der ganze Vorgang etwa fünfzehn Jahre in Anspruch nimmt. Nein, man kann das hier nicht einfach zu Sozialwohnungen umbauen. Tun Sie mir einen Gefallen, Spahn, sobald Sie ein neues Fachgebiet gefunden haben, wovon Sie auch keinen blassen Schimmer haben, labern Sie damit eine Parkuhr voll. Und nicht mich.

Ja, Wissing, gut aufgepasst. Es gibt auch in Kanada Uran und in den USA. Das verbrauchen zum Beispiel die Amerikaner und die Kanadier. Und in Kasachstan und Usbekistan gibt’s welches. Sogar in Sachsen. Nur ist da der Abbau derart teuer, dass die Sache längst eingestellt wurde. Auch wegen der Umweltschäden durch Zerfallsprodukte, die sich unkontrolliert ausbreiten. Das haben Gase so an sich. Sie müssten das doch kennen, so viel Heißluft, wie Sie produzieren.

Nein, man kann hier nicht einfach oben Uran in den Reaktor kippen. Ich tanze es Ihnen auch gerne noch mal vor, Lindner. Man braucht angereichertes Uran, um Brennstäbe herzustellen. Sobald Sie eine entsprechende Menge an hochangereichertem Uran haben, das zur Produktion von spaltbarem Material taugt, können wir damit Brennstäbe fabrizieren, die sich für den individuellen Reaktortyp eignen. Wir gehen mal von anderthalb bis zwei Jahren aus, dann dürfte das klappen. Dann dauert es noch ein wenig, bis der Reaktor wieder hochgefahren ist, Personal haben Sie dann ja schon besorgt, und dann kann der Spaß auch schon losgehen. Das Problem mit der Betriebsgenehmigung und den übrigens EU-weit vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen, die nur deshalb nicht durchgeführt wurden, weil die CDU-geführte Bundesregierung sie unmittelbar vor einer Stilllegung als zu teuer ansah, das haben Sie ja sicher im Blick. Kleiner Tipp: suchen Sie sich jemanden, der was von Finanzen versteht.

Sie wollen Uran aus Kernwaffen aufbereiten, Spahn. Das ist lustig, weil das theoretisch ginge, aber nicht schneller ist. Falls Sie irgendwann Ihren Fetischismus zum Hauptberuf machen sollten, bitte. Aber wir haben hier eine Situation, die schnelles Eingreifen erfordert, weil wir nicht wissen, wie sich die Energiedeckung in näherer Zukunft entwickelt. Wem das Haus abbrennt, dem empfehlen Sie auch keinen Baukredit, damit er in fünfzig Jahren endlich wieder ein Dach über dem Kopf hat, obwohl: doch, Sie täten das.

Und jetzt stellen Sie freundlicherweise Ihre eher destruktive Herangehensweise mal ein und machen Sie sich an die Arbeit. Sämtliche Betreiber von Kernkraftwerken in Deutschland halten Ihr Gefasel für rückständig, und selbst das ist ja nicht neu. Es sei denn, Sie wollen sich mal wieder profilieren als populistische Clowns, die physikalisch unmögliche Dinge fordern. Und jetzt nehmen Sie gefälligst die Hände aus den Hosentaschen!“





42/7

27 06 2022

„… schlage BDI-Präsident Russwurm vor, eine Erhöhung des wöchentlichen Vollzeitäquivalents von 40 auf 42 Stunden bei einem Renteeintrittsalter von 70 Jahren zu vollziehen, um den aktuellen Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch effektiver als bisher zu…“

„… lasse sich die Lebensarbeitszeit auf die durchschnittliche Lebenserwartung umlegen, so dass ein Arbeitnehmer bei frühzeitig festgestellten Risikofaktoren auch mit 45 und mehr Stunden pro Woche zur Grundsicherung gelange und die…“

„… es sich um ein Missverständnis gehandelt habe. Der BDI erwarte von den Arbeitnehmern ein gewisses Entgegenkommen, was sich einerseits in einer Arbeitsstundenspende, andererseits in einer Kürzung der Stundenlöhne in den…“

„… in zahlreichen Berufen nicht möglich sei, bis zum vollendeten 70. Lebensjahr zu arbeiten. Merz halte dies für eine von linkradikalen Kräften propagierte Schutzbehauptung, da er selbst als Angehöriger des Mittelstandes auch in der Lage sei, sich als Golfer und Besitzer eines Privatjets am…“

„… dass es nicht zur Kürzung der Reallöhne komme, wenn sich die Arbeitgeberverbände gegen die Gewerkschaften durchsetzen würden. Heil sehe die Einführung eines Kombilohnmodells, das eine herkömmliche Vollzeitstelle mit dem nur teilweise sanktionierungsbetroffenen Existenzminimum bei einer Ausweitung der Arbeitszeit bis einhundert Euro ohne Anrechnung der zusätzlichen…“

„… habe Sinn den offenbar linksorientierten Arbeitnehmervertretern vorgeworfen, die deutsche Wirtschaft im Auftrag Russlands zu zerstören. Überstunden seien auch in einer Neuberechnung der Wochenarbeitszeit nicht zu berücksichtigen, da sie von den Arbeitgebern kostenfrei zur Verfügung gestellt würden und eigentlich als geldwerter Vorteil auf dem Lohnzettel derer, die noch als…“

„… zu Schwierigkeiten im Schichtbetrieb führe, wenn über acht Stunden hinaus Arbeitsbedarf künstlich generiert werden müsse. Letztlich könne dies betriebswirtschaftlich nur durch eine anteilige Kürzung der Löhne wieder zu einem…“

„… außerdem rechnerisch nicht aufgehe. Die Einsatzplanung in den meisten Betrieben erlaube keine Stückelung der Arbeitstage, so dass die Sechs-Tage-Woche als einfachere und in vielen Berufen des Dienstleistungssektor auch erheblich kundenorientiertere…“

„… die Akzeptanz in der Arbeiterschaft sicher schnell steige, wenn eine Medienkampagne das Programm 42/7 mit beliebten Personen aus Industrie, Wirtschaft und dem rechten Spektrum der…“

„… die Rotation der Arbeitstage sich anbiete, um den Arbeitnehmern ausreichend Freizeit zu gewähren. Dies sei für Lindner wichtig, da ohne einen stabilen Binnenkonsum nur ungenügende Potenziale für eine längst überfällige Steuersenkung im…“

„… sich der von den Gewerkschaften angemahnte Sechsstundentag durchaus mit den Plänen der Wirtschaft vertrage. Es stehe den Betrieben selbstverständlich frei, ob sie sechs Tage zu je sieben Stunden oder sieben Tage zu je sechs Stunden in ihren…“

„…mit mehr Kontrollaufwand verbunden wäre, wenn die Arbeitszeiten auch im Homeoffice angewandt würden. Dies müsse sich zwangsläufig in den Gehältern niederschlagen, indem es keine Kompensation für die Mehrarbeit oder eine…“

„… dass längere Arbeitszeiten erwiesenermaßen mehr Unfälle mit sich bringen würden. Es sei daher unerlässlich, die Lohnnebenkosten anzuheben, auch wenn dies in Regelfall bedeuten würde, dass trotz Mehrarbeit weniger Lohn als für den…“

„… die Unfallhäufigkeit zwischen acht und zehn Stunden gleich bleibe, so dass auch eine 50-Stunden-Woche noch innerhalb der üblichen…“

„… eine Zuwanderungswelle in die deutschen Sozialsysteme zu erwarten sei, die auch Fachkräfte aus anderen EU-Staaten umfasse. Da im Ausland aktuell die Vier-Tage-Woche getestet werde, könne sich Russwurm vorstellen, dass Arbeitnehmer, denen diese Belastung nicht ausreiche, sich in die Bundesrepublik aufmachen würden, um endlich wieder eine ordentliche…“

„… die Ruhezeiten zu beachten. Die bisher gesetzlich festgelegte Zeitspanne von elf Stunden müsse durch eine Öffnungsklausel gesenkt werden können, um den Arbeitgebern mehr Flexibilität in der Regelung der…“

„… Ansätze kombinieren wolle, in denen eine 40-Stunden-Woche auf nur vier Arbeitstage verteilt würde. Buschmann schlage vor, die verbleibenden beiden Stunden am frei werdenden Tag zu…“

„… dass verlängerte Arbeitstage für Eltern auch eine Entlastung darstellen könnten, da sie weniger Zeit veranschlagen müssten, in der sie für Kinder, Familie und ihren…“

„… die Kritik am Bundesverband der Deutschen Industrie nicht gerechtfertigt sei. Die Rente mit 70 sei schließlich nicht für seine eigene Generation gedacht, sondern für die jungen Leute, die als Ausgleich zur Belastung mit dem Klimawandel eine Arbeitsplatzgarantie bekämen, die sie für den möglicherweise kurzen Rest ihres…“

„… auch emotional eine engere Bindung erreicht werden könne, wenn sich Arbeitnehmer entschließen würden, mehr Lebenszeit für ihren Job aufzuwenden. Dies könne sich darin äußern, dass die Unternehmen ihre Angestellten nicht mit Vollendung des 67. Lebensjahres kündigen würden, um ihnen noch eine abschlagsfreie Rente zu…“





Mathe im Flecktarn

26 06 2022

Was macht man nicht alles als Soldat – Waffen und Munition im Garten verbuddeln, Hakenkreuzbilder posten, Terroranschläge planen. Und jetzt noch in der Schule aushelfen. Nach dem Ausfall zahlreicher Lehrkräfte vertraten am Lise-Meitner-Gymnasium Unterhaching Studierende der Bundeswehr-Universität die Pädagogen. Kein Problem für die Schulleiterin, eine Verwechslungsgefahr war für sie nicht gegeben, da das Aushilfspersonal in Uniform vor die Klassen trat. Und trotz Protest der GEW in den Jahrgangsstufen 5 bis 9 unterrichtete, besser: mit den Streitkräften vertraut machte. Sie taten dies freiwillig, weil ja in einer Armee das Prinzip von Befehl und Gehorsam nicht gilt, und unentgeltlich, was die Voraussetzung war, dass die Schulleitung keinen Antrag auf Amtshilfe gemäß Art. 35 GG zu stellen brauchte. Wie sinnvoll Mathe im Flecktarn ist, ist an dieser Stelle genau so irrelevant wie die Tatsache, dass endlich schnell und unbürokratisch Unterrichtsausfall verhindert werden konnte. Denn nur so kann Schule in Deutschland wieder das sein, was sie von Rechts wegen sein soll, vor allem in der längst beendeten Pandemie: eine kostengünstige Kinderbewahranstalt. Alle weiteren Anzeichen, dass wir beim nächsten Hochwasser froh sein können, wenn der nette Unteroffizier uns die Sandsäcke ins Haus kippt, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • lindner dumm: Was hat ihn verraten?
  • grüne gasverbot: Die haben ja extra diesen Krieg arrangiert, um keine Atomkraftwerke bauen zu müssen.
  • fdp abtreibung: Ich fürchte, Sie kommen viel zu spät.
  • infektion stöhr: Vermutlich mit einem hirnfressenden Virus.
  • bürgertest kostenlos: Eigenverantwortung darf nur dann etwas kosten, wenn man sie nicht bezahlen kann.
  • kinderficker liminski: Bis jetzt war von diesem Religioten nur bekannt, dass er das Grundgesetz ablehnt, weil Menschenrechte deshalb auch für Frauen gelten.
  • merz atom: Besteht zu 99,999999999999999999998% aus Leere.
  • scholz gefahr: Wieso, der macht doch gar nichts?
  • klimakanzler: Eine Unglückin kommt selten allein.
  • mücken sommer: Jetzt gecancelt: Fliegen.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (DLXCIX)

25 06 2022

Oft schwitzte Oktawia in Zedel.
„Wenn ich mit der Zeitung nur wedel,
wird’s minimal besser.
Nur manchmal bewässer
ich zusätzlich Füße und Schädel.“

Es hielt sich Hamed in Anyama
als Haustier ein prächtiges Lama.
Dem Tier war es fade,
es mag, jammerschade,
nicht Sonne noch das Panorama.

Es trägt Aleksandra in Wusen
ein Taschentuch stets gern am Busen.
Da dies nur zur Zier ist
und auch aus Papier ist,
verwandelt es sich rasch in Flusen.

Da Ballaké in Anéfif
recht tief und dabei lautlos schlief,
so war es auch zwecklos,
der Morgen war wecklos.
Er schlief, wie gesagt, viel zu tief.

Im Sommer trug Czesław in Zelz
zu Shorts und Sandalen oft Pelz.
„Es kann ja mal regnen –
wenn Sie mir begegnen,
macht’s nichts, wenn ich dabei fast schmelz.“

Sylvain griff oft in Grand-Bassam
zu Bürste, Pomade und Kamm.
Er kann’s nicht vereiteln,
das Haar will sich scheiteln.
Jetzt trägt er sie lang, aber stramm.

Es hat Mieczysław in Worienen
die Blumen mit Lampen beschienen,
die er dorthin stellt sich.
Das Gärtchen erhellt sich
des Nachts für die sammelnden Bienen.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DCXX): Der ignorierte Wandel

24 06 2022
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Für Rrt war die Sache eigentlich klar: dort, wo Steppenhase und Wollrind des kühnen Waidmanns harrten, erwischte ihn auch die Säbelzahnziege. Der Ort war derselbe, die Erwartungen ließen sich nicht voneinander trennen, denn sie beruhten auf genau derselben Voraussetzung. Nur manchmal, wenn er mit den Kollegen vor der westlichen Felswand den rituellen Tanz vollführte, der das Glück bezwingen sollte, wuchs in ihm die Gewissheit, dass man einen Teil ganz einfach aus der Gleichung kürzen könne. Vielleicht ist das am Ende der Nahrungskette ja einfacher als weiter unten, doch es liegt definitiv nicht daran, dass die Natur ein Einsehen hätte. Die durchschnittliche Lebenszeit des Hominiden ist zu kurz, seine Erkenntnisfähigkeit erheblich zu dünn angerührt, um auch nur die wesentlichen Dinge zu begreifen. Das Bröseln der Berge bemerkt er so wenig wie die Kontinentaldrift, weil beides für ihn nicht geradewegs erfahrbar ist. Was aber, wenn der intellektuelle Heckenpenner längst das Zeitalter der Aufklärung durchlebt und die Wissenschaft zur Verfügung hat, die ihm die Zusammensetzung der Erdatmosphäre und deren schlagartige Erwärmung in leicht fasslichen Häppchen vorlegen, damit er nur noch kapieren muss, was zu tun ist? Er lässt es sein, ignoriert den Wandel und zieht sich auf das zurück, was er am besten beherrscht: die Opferrolle, verursacht durch die kognitive Dissonanz.

Von der offiziellen Verlautbarung bis hinab zur Primatenpostille feiert die Meinungsproduktion den brüllenden Frühsommer, während sie simultan von Waldbränden und Ernteausfällen berichtet, und es fällt niemandem auf. Die Hitze, die die Flüsse so weit austrocknen lässt, dass der künstlich verbilligte Sprit gar nicht erst an die Tanke kommt, kann ja nicht das schnuckelige Gartengrillwetter sein, bei dem man trotz Biermangel das viszerale Fett in die Landschaft hält, so wie das schöne Wasser, auf dem man mit dem Floß in die nächste Ortschaft stakt, nicht für die Flutkatastrophe im eigenen Dorf verantwortlich sein darf. Wälzt sich der Nappel zur Nachtzeit in schwitzigen Laken, weil die laue Luft ihn durchgaren lässt, so fällt ihm nicht auf, dass für seine älteren Verwandten das Normalwetter zur Lebensgefahr wird, nicht obwohl, sondern weil es den Normalzustand darstellt, allerdings nach dem Umschlag in die Katastrophe, die en bloc in unsere Existenz brettert, unübersehbar und präsent.

Die Rechenkapazität unter der Kalotte reicht schon für schwierigere Dinge nicht aus, wie sollte der gemeine Dumpfschlumpf dann für einfache Zusammenhänge empfänglich sein? Eine bequeme Variante des Versteckspiels besteht darin, sich die Augen ganz fest zuzuhalten, damit man selbst gar nichts tun muss und trotzdem diese ganze blöde Realität weg ist. So funktioniert die bis in politische Höhen praktizierte selektive Wahrnehmung, die Ursache und Wirkung, Problem und Lösung nicht sauber trennt, bisweilen verwechselt, aber selten in die richtige Reihenfolge bringt. Derzeit diskutiert man wieder ernsthaft über Kohleverstromung, als helfe gegen eine Alkoholvergiftung therapeutisches Saufen – die Anzeichen häufen sich, dass selbst Entscheidungsträger mit Formalbildung das Prinzip von Ursache und Wirkung aus ihrem Denken verbannt und gegen kopflosen Aktionismus ohne Rücksicht auf Verluste ersetzt haben. Es sind die Zusammenhänge; der gemeine Knalldepp ist zur Konstruktion jeglicher Art von Hirnschrott aus Halbbildung und magischem Denken bereit, wenn es ihm nur erklärt, was er eh glauben will. Logik stört da nur, komplexe Systeme wie die Natur mit multikausalen Triggern, Ping-Pong-Effekten und Kipppunkten findet er hinterhältig und schwiemelt sich vorsorglich ein Konglomerat aus Feindbildern zusammen, die sich das ausgedacht haben müssen. Der Radius dieser intellektuellen Einsichtsfähigkeit indes ist Null, und die meisten nennen es ihnen Standpunkt; mithin ein Begriff, der ihre komplette Bewegungslosigkeit umfasst.

Was wir in guten Augenblicken Zivilisation nennen, also den Versuch, einander nicht kollektiv auszurotten, wirkt inzwischen wie die Teilnahme am Darwin Award, aber auf Zeit: wer es schafft, möglichst viele zuverlässig über die Wupper zu bringen, bleibt im Gedächtnis der Menschheit, immer vorausgesetzt, diese Menschheit gibt es lange genug, um sich an irgendetwas zu erinnern. Wir haben ja bereits Schwierigkeiten, das ständig Gehörte als Teil einer Kette von Konsequenzen einzuordnen, die wir bei jeder Gelegenheit wieder verdrängen, weil es zu schwierig ist, sich der Wahrheit zu stellen. Den Preis zahlt in Gestalt einer prätraumatischen Belastungsstörung die folgende Generation, die nicht mehr leugnen kann, weil sie bereits mit der Katastrophe als Normalzustand die Bildfläche betreten hat und keinen Wandel mehr wahrnimmt. Erst wenn es den Leistungsträgern der sogenannten besseren Gesellschaft nicht mehr möglich ist, aus ihren mit röhrenden Klimaanlagen umstellten Erdlöchern zu entkommen, weil an der Außenluft ihr Blut aufkocht, werden sie ein leises Bedauern äußern. Es gilt ihnen selbst, denn wenn sie das gewusst hätten, sie wären noch barbarischer gegen die anderen vorgegangen. Aus Prinzip.





Geschenk mit Eigenanteil

23 06 2022

Anne rümpfte die Nase. „Ich will ja nichts sagen“, sagte sie, wie sie immer sagte, wenn sie unbedingt etwas sagen wollte. „Ich stelle nicht diese Maschine in mein Büro, um einen vorsintflutlichen Apparillo von Breschkes Tochter dafür zu bekommen!“

Immerhin hatte sie recht; ob in meinem eher bescheiden eingerichteten Arbeitszimmer oder in der gerade noch aufrecht begehbaren Küchenabseite ihrer Kanzlei, der morgendliche Kaffee gehörte zu den Grundvoraussetzungen, um einen Tag halbwegs lebend zu beginnen, wenn man ihn denn überstehen wollte. „Ich habe damals für ein Heidengeld diesen Kaffeevollautomaten abgeschafft, weil mir geraten wurde, dass das für die Mandanten genau richtig ist!“ „Das ist nicht verkehrt“, entgegnete ich, „Du bist ohne Kaffee morgens nicht ansprechbar, hast ein seltenes Talent, die Presskannen wenige Tage nach Anschaffung am Boden zu zerschmeißen, und es gibt kein Spielzeug, für das Du nicht jeden noch so hohen Preis bezahlen würdest.“ Sie zog ihre Augenbrauen gefährlich schnell nach unten. „Ich habe genau, warte… auf jeden Fall war es viel preiswerter als in der Kalkulation!“ Was natürlich angesichts der Wasserleitungsschwäche, die durch einen Entkalkungsbeauftragten behoben werden musste, der dafür eine solide Monatspauschale kassierte, auch wenn er sich gerne mehrere Wochen Zeit ließ mit der Instandsetzung, recht teuer war.

Aber wir hatten ja andere Sorgen. Luzie, seit Anbeginn Büroleiterin und gute Seele des Hauses, hatte endlich an einem sehr schönen Abend nach der Premiere im Freilufttheater Bad Gnirbtzschen von ihrem Gefährten einen Antrag erhalten und ihn voller Glückseligkeit angenommen. Minnichkeit, der in der Opernfreundin seine Seelengefährtin gefunden hatte, ließ es sich nicht nehmen, uns zur Trauung aufs Wasserschloss Poggenmootsch zu laden. Die Frage blieb: was schenkt man da?

„Ich hatte da noch so einen Prospekt.“ Anne zog die unterste Schreibtischschublade auf. Ein Wunder, dass die sich überhaupt öffnen ließ angesichts der herausquellenden Papiere; es musste im Inneren eine Quantenverschränkung stattgefunden haben, bei der sich sämtliche Elementarteilchen in ihre Zwischenräume gequetscht haben. „Personalisierte Sektkelche“, las ich. „Das ist eine grandiose Idee, wenn die beiden nach einem Glas Schaumwein nicht mehr wissen sollten, wer wie heißt.“ „Es ist ja auch nur ein Vorschlag“, murmelte sie, „und sie können ja damit jedes Jahr auf ihren Hochzeitstag anstoßen.“ Ich überlegte. „Wäre dann eine Gravur des Datums nicht der ungefährlichere Weg, falls daraus eine wiederkehrende Ehekrise entsteht?“ Sie war sichtlich verärgert und blätterte weiter. Neben Gartenlaternen und Türschildern ließ sich offenbar jede Menge Schrott gravieren, womit auch immer. „Im Falle einer Trennung wird es natürlich nicht einfach“, wandte ich ein. „Ein Essbesteck ließe sich mühelos teilen, mit ungravierten Badebürsten hat man auch nach der Scheidung Spaß, aber…“ Ihr Blick machte mir unmissverständlich klar, dass ich zwar recht hatte, das Thema jedoch trotzdem nicht zielführend war.

Allerlei Kitsch mit Herzchen zum Aufhängen, Ankleben, Annageln oder Verschrauben quoll aus einem Prospekt für wohlfeile, aber geschmacksfreie Geschenke. „Ein Kirschholzbrettchen, das Tag für Tag erinnert, dass hier ein Kirschholzbrettchen in der Küche hängt.“ Anne knirschte mit den Zähnen. „Man könnte ja vielleicht den Namen in das Ding meißeln.“ Ich schüttelte den Kopf. „Luzie heißt nicht nur weiterhin Freese, sie wohnt seit geraumer Zeit zusammen mit ihrem künftigen Gatten.“ Die Kollektion ergoss sich in Fußmatten, Flaggen für den bürgerlichen Balkon und einem Töpfchen mit Rosmarin. „Das gilt als Zeichen von Liebe und Verbundenheit“, las Anne vor. „Schön.“ Sie blickte mich verständnislos an. „Für den Preis bekommt man im Baumarkt ein Dutzend Töpfe, wir sollten ein Geschenk mit Eigenanteil in Betracht ziehen.“

Die schlimmeren Dinge, dort nämlich, wo sich Marketingfachkräfte in die Niederungen des Humors begaben – oder dessen, was sie dafür hielten – Paarsocken, ein Flitterwochenratgeber oder ein Erste-Hilfe-Buch für den ersten Ehekrach, kamen gar nicht erst in Betracht. „Meine Güte“, stöhnte Anne. „Was haben die Leute denn früher geschenkt, als es diese ganzen schrecklichen Shops noch nicht gab?“ „Toaster“, erläuterte ich, „Töpfe und Pfannen, Mixer, Eierkocher und allerlei Zeug für den neu gegründeten Hausstand.“ Da auch dies ausschied, näherten wir uns dem gefährlichsten Teil der Prospekte, jene, die Gutscheine verkauften für allerhand Erlebnisse zu zweit, vom Klettern und Hüpfen bis zum Fliegen oder Tauchen, alles an Fallschirmen und Sprungseilen, unter Wasser oder in der Karibik, wenn man das nötige Kleingeld zu zahlen bereit war. „Sie wird mir ins Gesicht springen, wenn ich Ihr einen Gutschein für den Hochseilgarten schenke.“

Und da kam sie auch schon, nicht so pünktlich wie sonst, doch die Umstände erklärten ihre Verspätung. „Dieser Mann ist ein Nervenbündel“, zischte Luzie. Wie sie berichtete, war soeben das heimische Brühgerät ausgefallen, ein Filter ließ sich bei Luzie nicht auftreiben, da sie ausschließlich Tee trank, und Minnichkeits Versuche, sich die lebensnotwendige Koffeindosis zu verschaffen, hatten zu einem mittelschweren Desaster geführt. Wir blickten einander stumm an. „Eigentlich sollte es eine Überraschung sein“, sagte ich. Anne stellte die Kaffeemaschine auf den Anmeldetresen. „Wenn man schon etwas zur Hochzeit schenkt, sollte es etwas Persönliches sein – etwas ganz Persönliches.“





Strenge Kontrollen

22 06 2022

„… vor allem den Gasverbrauch in Deutschland verringern werde. Gleichzeitig müsse nach Habecks Plan eine weitere Befüllung der Vorratsspeicher erfolgen, um einer etwaigen Verknappung in den Wintermonaten schon jetzt…“

„… nicht mit Unterstützung rechnen könne, da Scholz übe einzelne Maßnahmen erst reden wolle, wenn sich alle EU-Partner auf ein Gesamtkonzept für den kommenden…“

„… fordere Merz die sofortige Umstellung der deutschen Stromproduktion auf Kernkraft, die auch zur Produktion von Gas und…“

„… erste Kritik aus der FDP laut werde. Die Übernahme der Heizkosten für Empfänger von Transferleistungen müsse umgehend gestoppt werden, da dies angesichts einer zunehmenden Unterschicht viel zu große finanzielle Ressourcen für Alkohol und Tabakwaren übrig lasse, die von den Steuerzahlern erwirtschaftet und…“

„… sehe die neue AfD-Spitze in den Plänen der Bundesregierung einen Genozid an der deutschen Rasse, die durch negroide Fremdvölker ersetzt werden solle. Laut Weidels Erklärung habe man die Messermänner zur Masseneinwanderung geholt, da in Afrika traditionell weniger geheizt werde, so dass auch nach dem endgültigen Kollaps der Wirtschaft in der BRD GmbH eine…“

„… nicht verstehe, wie eine Verringerung des Gasverbrauchs zu einer steigenden Menge an nicht verbrauchtem Gas führe. Buschmann wolle dies erst durch ein Gremium aus Börsenexperten, Anlageberatern und einem Grundschullehrer prüfen lassen, bevor er die…“

„… da die Gasdrosselung sicher aus politischen Motiven heraus beschlossen worden sei. Scholz sehe im Vorgehen des Wirtschaftsministers die Gefahr, dass Putin sein Gesicht verliere, wenn er feststelle, dass Deutschland durch entschlossenes und tatkräftiges Handeln eine Bedrohung gegen sich abwende und sich auf eigene…“

„… empfehle Wissing, das Neun-Euro-Ticket in den verbleibenden zwei Monaten für Ausflüge in bewaldete Naherholungsgebiete zu nutzen. Durch einen Vorrat an kostenlos herumliegendem Holz könne ein sozialverträglicher und gleichzeitig sehr gemütlicher Beitrag zur Beheizung der…“

„… die Springerpresse bereits berechnet habe, dass mindestens 80% der Deutschen verhungern, 75% erfrieren und etwa 99% bei der Teilnahme am Generalstreik von kommunistischen Söldnern im Auftrag der Grünen erschossen würden. Eine bewaffnete Erstürmung des Reichstages werde sich auch diesmal nicht verhindern lassen, um die…“

„… als mögliches Ergebnis des steigenden Gasangebots auch sinkende Verbraucherpreise sein könnten, die eine negative Auswirkung auf die Börse hätten. Lindner warne vor unüberlegten Schritten, die sich letztlich als Gefahr für die…“

„… müsse es strenge Kontrollen geben. Spahn halte es für unangemessen, dass Arbeitslose ihre Wohnungen auf mehr als 16 °C aufheizen dürften, und plädiere für eine harte Bestrafung, die auch in einer zeitweiligen Sperre des…“

„… sei Buschmann überzeugt, dass eine rasche Deregulierung den meisten Bürgern helfen könne, die Energiekrise eigenverantwortlich zu meistern. Das feuerpolizeiliche Verbot, in geschlossenen Räumen einen Holzkohlengrill zu betreiben, sei in den Wintermonaten nicht mehr zu beachten, wozu er bereits ein handwerklich sehr gutes Gesetz in…“

„… gehe Spahns Vorschlag für viele CDU-Politiker nicht weit genug. Czaja fordere, dass alle Nachbarn von Arbeitsverweigerern eine stetige Kontrolle ausübten, so dass der illegale Betrieb von Heizungsanlagen bei der Polizei zeitnah gemeldet werden könne. Ein kleiner finanzieller Anreiz sei dabei denkbar, der den besorgten Bürgern zum Ausgleich für ihre steigenden Energiekosten in…“

„… gebe es inzwischen eine gut organisierte Gegenbewegung, die sich gegen Sparmaßnahmen ausspreche. Zugleich wolle die Gruppierung die Anerkennung der russischen Kriegsziele erreichen, um schnellstmöglich wieder die Versorgung mit…“

„… einen einmaligen Zuschlag zum Regelsatz beschließen wolle. Für Alleinstehende betrage dieser voraussichtlich 11,45 Euro, was nach Heils Einschätzung der Preis einer kostengünstigen Thermohose im Sonderangebot in Einheitsgröße…“

„… fordere Merz eine Umstellung der ganzen Energieproduktion auf Kohlekraftwerke. Durch die geplante CO2-Emission erreiche die europäische Wirtschaft eine irreversible Erhitzung der Atmosphäre, die sich bald auch im Winter auf die Temperaturen auswirke und Gasheizungen damit langfristig vollkommen…“

„… nur die Vermieter per Verordnung anweisen wolle, die Höchsttemperatur von Zentralheizungen zu drosseln. Eigenheimbesitzer, so Spahn, seien schon aus eigenem Interesse sparsam genug und müssten nicht durch überflüssige Bürokratie den…“

„… sich auch auf die Verkehrswende auswirke. Wissing habe betont, dass durch Gasrationierungen noch weniger Schilder gefertigt werden könnten, so dass ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen nun erst recht nicht mehr…“

„… wolle sich Scholz nicht vorwerfen lassen, dass er Haushalte und Wirtschaft durch sein Zögern gegeneinander ausspiele. Werde es zu dramatischen Engpässen kommen, so müsse dies seiner Ansicht nach gleichmäßig auf alle…“





Kriegsintegration

21 06 2022

„Man muss mit Putin reden. Mit Nazis zu reden war schon immer sinnvoll – wir haben das bereits vor Jahren gemacht, und jetzt sind die fast so weit, im Osten die Landesregierungen zu übernehmen. Das ist doch ein großer Schritt für die Demokratie?

Es wurde schon viel Kritik am Bundeskanzler geäußert, dass er keine Waffen schickt, dass er nicht nach Kiew fährt, und jetzt? Jetzt wollen die Leute, dass er nicht mehr mit Putin spricht. Dabei ist doch Diplomatie so wichtig. Wenn wir das alle schon viel früher berücksichtigt hätten, dann wären wir jetzt in einer viel friedlicheren Welt und müssten uns keine Sorgen machen, dass nächstes Jahr Afrikaner nach Deutschland kommen, nur weil sie in Afrika kein Brot mehr haben. Und das kann ich Ihnen verraten, mit Putin reden oder noch eine Flüchtlingswelle, die Entscheidung fällt den Deutschen nicht schwer.

Der Bundeskanzler führt da ja keine geheimen Gespräche mit Putin, der sagt ihm nur das, was er in Deutschland auch die ganze Zeit sagt: dass er aus der Ukraine abziehen soll, dass er gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt, dass es auf keinen Fall einen Diktatfrieden geben darf. Das ist nicht nur im Rahmen der Meinungsfreiheit total unproblematisch, das wird auch ein großer Teil der Deutschen so unterschreiben. Aber Sie müssen auch die Situation in Russland verstehen, da haben die weder Meinungsfreiheit noch unabhängige Medien, die das verbreiten könnten, schon gar nicht, wenn sich ein ausländischer Regierungschef wie der Bundeskanzler kritisch gegen den Präsidenten äußert. Wenn der Bundeskanzler also nicht mit Putin reden würde, wie er das jetzt tut – nämlich am Telefon, das nimmt Rücksicht auf seine Gesundheit und die russischen Sicherheitsinteressen – dann würde der vielleicht gar nicht erfahren, wie der Westen über ihn denkt. Für einen diplomatischen Austausch ist das nicht besonders förderlich.

Das ist auch ein Bestandteil der Zeitenwende. Wenn Sie an früher denken, da ist man vielleicht mal über Kriegsgebiete geflogen, aber keiner hat einen Staatsbesuch in Berlin gemacht, wenn er damit rechnen musste, jederzeit Bomben auf den Kopf zu bekommen. Heute fahren internationale Politiker in die Ukraine, zuletzt sogar mehrere in einem Zug, was für Putin vielleicht auch ein wenig schmeichelhaft sein dürfte, wenn man seinetwegen so ein Aufhebens macht. Der Westen ist ja sehr gut in diesen Krieg integriert, besser jedenfalls als in die Kriege der USA, da waren neben den Soldaten nur Journalisten dabei, und wir dürfen das jetzt auf keinen Fall nur für uns selbst nutzen. Wenn wir das als Putins Krieg bezeichnen, dann müssen wir ihn und Russland auch ins Kriegsgeschehen integrieren. Das würde sonst zu einer unnötigen Verhärtung der Fronten führen, dann dauern die Kampfhandlungen noch länger als unbedingt nötig.

Schauen Sie, Putin ist doch nicht dumm. Wenn der deutsche Bundeskanzler und der französische Präsident gleichzeitig in Kiew sind, dann weiß er, dass er beide mit einem gezielten Raketenangriff beseitigen kann. Wir können wohl davon ausgehen, dass etwaige moralische Überlegungen gar nicht erst getätigt werden. Aber dass er das nicht macht, ist doch zumindest schon mal ein Zeichen, dass es noch eine Chance auf Verständigung gibt. Man könnte es als Zeichen der Entspannung deuten, das wäre ein Entgegenkommen, das nicht viel kostet, uns zumindest nicht, und wenn die Ukraine damit im Gegenzug eventuell dem Frieden einen Schritt näher kommt, dann kann man das tolerieren.

Und der Bundeskanzler weiß ja auch genau, was er da tut. Er hat zum Beispiel ganz klar gesagt, dass er nicht einfach so nach Moskau reisen würde. Auf Einladung Putins vielleicht, das ist auch schon ein diplomatischer Schachzug. Die Anschuldigungen, die wir jetzt in der Presse lesen, dass der Westen in den vergangenen Jahren Fehler gemacht hat, die kann man auch nicht einfach so im Raum stehen lassen. Wir können und doch jetzt nicht auf das Niveau von Putin begeben und unsere Antwort auch im deutschen Fernsehen senden oder in der Presse verbreiten. Das kriegt man da ja nicht zu sehen oder zu lesen. Da muss der Westen jetzt einfach mal viel souveräner sein als Putin und auf solche Vorwürfe gar nicht erst eingehen.

Und außenpolitisch ist das auch notwendig – es wird immer so viel davon gesprochen, dass Putin sein Gesicht wahren muss, aber wer spricht denn bitte mal vom Bundeskanzler? Der kann sich nicht einfach so mit Putin an einen Tisch setzen, und wenn der noch so groß ist – der Tisch, nicht Putin – ohne international höchst negativ aufzufallen. Was er jetzt ja ohnehin schon tut, aber das nur nebenbei. Nein, da muss man vorher das Gespräch suchen, wenn man hinterher miteinander reden will. Wenn man nämlich immer nur darauf wartet, dass die Gegenseite irgendetwas tut, dann bewegt sich so schnell nichts. Und das kann doch keiner wollen.

Wenn wir nämlich mit konkreten Verhandlungen warten, könnte es durchaus sein, dass es sich schon um Kapitulationsverhandlungen handelt, und da weiß noch nicht mal einer, wer da kapituliert. Wenn das Russland sein sollte, weil gerade die Chinesen in Moskau einmarschieren, dann hilft uns das auch nicht weiter. Wenn es wir sind, weil Putin nach dem Baltikum und Polen Deutschland angreift, ist die Wiederwahl für die SPD auch im Eimer. Deshalb muss es jetzt konkrete Gespräche geben, um eine gemeinsame Lösung zu finden, möglicherweise in Form eines Stufenmodells, mit dem die Betroffenen gut und nachhaltig leben können.

Sie meinen, die hätten sich auf der Krim treffen sollen? Das verstehe ich jetzt nicht.“