Vorhersehbare Umstände

5 07 2022

„Dabei wollte ich letzte Woche nach Mallorca!“ „Seien Sie nicht traurig, Ihre Wünsche werden alle erfüllt.“ „Sie meinen, der nächste Flug wird nicht wieder gestrichen?“ „Doch, natürlich.“ „Aber wieso sagen Sie dann, dass meine Wünsche erfüllt werden?“ „Wollen Sie nicht immer, dass das der Markt regelt?“

„Was hat der Markt denn zu tun mit den Flügen nach Mallorca?“ „War da ausreichend Personal am Flughafen?“ „Eben nicht!“ „Dann fragen Sie sich mal, wo die Leute geblieben sind.“ „Die können doch nicht alle verschwunden sein?“ „Das ist wie mit Ihrem Geld, das ist auch nicht weg, das hat jetzt jemand anders.“ „Sitzen die jetzt alle zu Hause und freuen sich, dass keiner mehr nach Mallorca fliegen kann?“ „Die sind jetzt alle in anderen Jobs, weil sie da dasselbe verdienen.“ „Die arbeiten woanders?“ „Ja.“ „Aber weshalb denn?“ „Manche wollen ihre Miete bezahlen, manche essen gerne mal etwas, und ein paar von denen mögen ihren Beruf.“ „Aber das ist doch kein Grund, dass man systemrelevante Jobs so einfach aufgibt!“ „Finden Sie es wirklich derart entscheidend, dass ausgerechnet Sie nach Mallorca fliegen müssen?“ „Die waren doch letztes Jahr noch da!“ „Einige schon.“ „Und vor der Pandemie waren es noch viel mehr!“ „Eben.“

„Warum arbeiten diese Leute jetzt nicht mehr am Flughafen?“ „Weil es beschissene Jobs sind, die beschissen bezahlt werden.“ „Aber irgendwer muss das doch machen!“ „Würden Sie das denn tun?“ „Wie kommen Sie denn darauf, ich habe etwas Anständiges gelernt.“ „Das haben diese Leute auch, und selbst, wenn nicht: man kann niemanden dazu zwingen, am Flughafen zu arbeiten.“ „Aber wenn man nichts anderes findet, dann arbeitet man halt da.“ „Haben Sie nicht immer gesagt, wenn man mit dem Gehalt nicht zufrieden ist, soll man sich halt einen besser bezahlten Job suchen?“ „Natürlich, so funktioniert eben der Arbeitsmarkt.“ „Nein, aber so sollte er funktionieren.“ „Und warum gibt es jetzt kein Personal mehr am Flughafen?“ „Weil durch eine Verkettung vorhersehbarer Umstände der Arbeitsmarkt ausnahmsweise mal so funktioniert, wie er funktionieren soll.“ „Aber die Leute haben doch alle schon einen Job?“ „Befristete Teilzeitjobs mit miesen Arbeitszeiten und noch schlechterer Bezahlung.“ „Wenn die mit dem Gehalt nicht zufrieden sind, sollen sie sich halt…“ „Genau das ist jetzt eingetreten.“ „Wie konnte das passieren?“ „Sollte das nicht der Markt regeln?“ „Aber doch nicht so!“

„Wir haben hier soziale Marktwirtschaft!“ „Das heißt, Sie legen großen Wert darauf, dass der Markt alle unnötigen Einschränkungen des Konsums von den Konsumenten fernhält.“ „Darunter leiden auch die Fluggesellschaften!“ „Vielleicht drücken wir dann jedem Bürger zehntausend Euro in die Hand. Damit kann sich dann jeder einen Urlaubsflug und eine hübsche Hotelrechnung leisten.“ „Das ist doch Sozialismus!“ „Richtig, daher hat man beim letzten Mal die Kohle auch gleich den Airlines gegeben, damit der Verbraucher nicht so überflüssige Dinge wie Flugreisen davon kauft.“ „Sie finden sich wohl witzig?“ „Witziger als die Bundesregierung, die das beim Tankrabatt genau so macht und beim Ticket für den Nahverkehr moniert, dass die Bürger es tatsächlich zu benutzen wagen.“

„Diese Massenkündigungen hätte man doch verhindern müssen!“ „Die Bundesagentur für Arbeit hat das Kündigungsschutzgesetz angewandt und die Entlassungen gestattet, sonst wären die Fluggesellschaften jetzt pleite.“ „Wieso Entlassung, ich dachte, es waren die Gehälter?“ „Das stimmt, die lagen dann ja bei Null.“

„Und jetzt streiken diese Faulpelze auch noch!“ „Haben Sie irgendeine Vermutung, woran es liegen könnte?“ „Die wollen den Flugverkehr sabotieren!“ „Das hatte die Gewerkschaft bestimmt vorher in der Erklärung für Flugreisende mitgeteilt und Sie haben es nur überlesen.“ „Diese Schweinerei sollte man durch das Grundgesetz verbieten lassen.“ „Ist nicht Arbeitskampf die Umsetzung eines Grundrechts?“ „Aber doch nicht in Spanien!“ „Dann verstehe ich nicht, warum Sie spanischen Arbeitnehmern mit dem deutschen Grundgesetz drohen.“ „Das betrifft doch auch die Deutschen, die mit denen fliegen, also ist das ein Eingriff in meine Grundrechte.“ „Ich vergaß, wir haben ja nach Schnitzel, Spargel und Sprit auch das Menschenrecht auf Mallorca eingeführt.“ „Sie haben keinen Grund, sich über mich lustig zu machen!“ „Ach, ich bin da ganz selbstlos und mache das aus freien Stücken.“

„Ich werde es Ihnen verraten, so wird es nämlich in Deutschland aussehen, wenn wir erst mal eine kommunistische Regierung unter dieser Baerbock haben – dann gibt es das bedingungslose Grundeinkommen, und kein Mensch will mehr am Flughafen arbeiten.“ „Oder in anderen Jobs, die bis dahin nicht anständig bezahlt werden.“ „Man sollte denen die Stütze komplett streichen!“ „Das war mir bisher auch neu, dass man Arbeitslosengeld kriegt, wenn man eine besser bezahlte Stelle annimmt.“ „Das ist doch alles ein abgekartetes Spiel, dass man schlecht ausgebildete Sicherheitskräfte aus der Türkei hier einschleust, die den Deutschen die Jobs wegnehmen!“ „Also exakt die Jobs, für die es keine Deutschen gibt, die die erforderliche Ausbildung haben?“ „Die Bundesregierung hat keine bessere Idee, als wieder Ausländer einzuschleusen!“ „Das machen Fluggesellschaften, die bisher zugeschaut haben, bis die Scheiße uns bis zum Hals steht.“ „Gibt es denn überhaupt keinen Ausweg mehr?“ „Wenn Sie sich zur Mittelschicht zählen, haben Sie nicht einen Privatjet in der Garage?“