Canossa

25 07 2022

Wenn bei Ihnen keiner dafür zuständig ist, warum gehen Sie uns dann damit auf den Senkel? Ich bitte Sie, in jeder Sparkasse gibt es einen zuständigen Mitarbeiter für jeden Bereich, dann werden Sie es doch hinkriegen, mich durchzustellen? Oder haben im Vatikan jetzt alle ein Schweigegelübde abgelegt?

Luther, wie man’s spricht. Ich bin hier der zuständige Sachbearbeiter, und da Sie es nicht für nötig halten, Ihre Geschäftspost zu unterschreiben, müssen wir halt nachfragen. Wir können den Mist auch gerne ignorieren, aber da es sich Ihrer Ansicht nach ja um eine offizielle Erklärung der Kirche handelt, wüssten wir gerne, wer für den Blödsinn verantwortlich ist. Von oben wird’s ja wohl nicht gekommen sein, die Unglaubenskongregation war meines Wissens auch nicht beteiligt, und die Mafia ist bei Ihnen nur für die Finanzen zuständig. Oder es war der Unheilige Geist, so genau kann man das in der Zentrale nicht immer unterscheiden.

Beispielsweise wüssten wir hier gerne mal, was das heißt, dass eine neue Ausrichtung der Lehre und der Moral zu unterbleiben hat, weil die Bischöfe und die Gläubigen dazu gar nicht befugt seien. Sie wollen ernsthaft eine Predigt über Moral halten? Kaut bei Ihnen einer Weihrauch zum Nachtisch? Sie haben so viel Moral, Sie haben die doppelt. Sie wollen zur Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes verbieten, dass wir uns an Recht und Gesetz halten, während Sie in Ihrer Pädophilensammelunterkunft fröhlich die Verantwortung nach unten delegieren, wenn mal wieder ein Missbrauchsfall sich nicht gut genug vertuschen lässt? Kleiner Hinweis: um ein Machtwort zu sprechen, muss man erst mal Macht haben. Vermutlich kommt deshalb aus Rom nur noch heiße Luft.

Sie haben Ihren Scheißladen längst nicht mehr im Griff, so sieht’s doch aus. Sie versuchen alle Debatten zu verhindern, was uns gepflegt am Arsch vorbeigeht, ansonsten blocken Sie jede halbwegs sinnvolle Entwicklung, um hinterher behaupten zu können, dass Sie sich durchgesetzt haben. Für wen hält sich dieser Papst eigentlich, für Christian Lindner?

Die Teilkirchen werden von der Weltkirche getrennt und würden sich schwächen, verderben und sterben – Kokolores, Hochwürden, das ist die Drohung, dem deutschen Klerus ins Weihwasser zu brunzen, aber als Rumpelstilzchennummer. Das soll eine Drohung sein? Hat Ihr Abteilungsleiter für Kirchenzucht bei Canossa was an der Rübe abgekriegt? Und den Schwachsinn wollen Sie uns auch noch als Dialogangebot verkaufen? Weiß Putin, dass Sie seine blöden Witze klauen?

Das Unangenehme für Sie ist, dass nicht nur in den Gemeinden genug Reformwillige gibt, die nicht einfach austreten oder die Klappe halten, damit sie weiter kirchlich bestattet werden und zwei bis dreimal pro Woche ihre Steuergelder bei der Arbeit angucken können. Es gibt auch jede Menge Priester und Theologen, die sich dieses Trauerspielchen im goldenen Ornat nicht mehr geben werden. Dass das Einbußen im Milliardenhöhe für die Geschäftsstelle Rom bedeutet, war Ihnen aber schon klar?

Sie können nicht alle exkommunizieren, da es sich dabei um eine Tatstrafe handelt. Spätestens bei tätiger Reue müssen Sie die rückgängig machen, und was tätige Reue bedeutet, bestimmt immer noch das kanonische Recht. Dass Sie davon wenig Ahnung haben, müssen Sie mir nicht erzählen, das ist das einzige, was ich Ihnen sofort glaube. Sie hätten bei Canossa eben doch besser aufpassen sollen. Die Erschließung neuer Marktsegmente in Nord- und Südamerika ist nicht ganz so lukrativ wie geplant, da haben Sie auch keinen Staat, der die Kohle eintreibt. Ob Suizid aus Angst vor dem Tod auch verboten ist, darüber kann ich Ihnen nicht viel sagen, aber das wissen Sie sicher besser.

Dass Sie als Innendienstmitarbeiter der größten Homosexuellenorganisation der Welt Angst vor der Gleichberechtigung haben, ist schon ein bisschen putzig. Aber okay, Sie bezeichnen uns auch als ein Beispiel für Intransparenz und Machtmissbrauch. Sie uns. Das würde ja bedeuten, dass die Macht des Heiligen Stuhls in Bezug auf deutsche Katholiken leichte Gravitationsanomalien aufweist, insofern ist das als Teilgeständnis schon mal gut. Wenn Sie sich jetzt noch entschließen könnten, endlich zuzugeben, dass es Ihnen nicht um Glaubensfragen, sondern um Disziplinierung und ausreichende Finanzierung des luxuriösen Lebensstils einiger Arschgeigen geht, die bisher wenig Zeit hatten, sich eine Bibel von innen anzusehen, dann wären wir therapeutisch ein großes Stück weiter. An mir liegt’s nicht, ich kann Ihnen nur empfehlen, dieses Dialogangebot als Weg zur Debatte auf Augenhöhe anzunehmen. Das ist in der Geschichte manchmal so, manchmal merkt man nämlich gar nicht, dass sie sich gerade ereignet.

Sie denken, dass wir die verknöcherte Struktur des Vatikans genau so verinnerlicht haben wie die Kardinäle ihr Abendmahl. Dass wir lange genug Angst gehabt haben, um sie irgendwann als Teil des Systems anzuerkennen und zu begrüßen. Dabei müssten Sie sich mal sehen, wie Sie unter der Kutte schlottern, wenn ein paar Laien ohne kanonische Befugnis und Bischöfe ohne Einschränkung ihrer von Rom verliehenen Amtsautorität sich Gedanken machen, die noch gar keine kirchenrechtlichen Folgen haben können. Dass hier Schafe und Hirten einer Meinung sind, ohne um Erlaubnis gefragt zu haben, das versetzt Sie in Angst. Das nenne ich mal Gottvertrauen. Und so eine Kirche, die sich in ein paar Jahrzehnten von selbst erledigt haben dürfte, sollen wir unseren Kindern hinterlassen? Ich sage Ihnen, was wir machen. Ein neues Testament.“