„Wir werden den Gürtel enger schnallen müssen. Also Sie. Oder haben Sie nach der Pandemie und der erfolgreich verpatzten Energiewende erwartet, dass Ihre Bundesregierung Ihnen unter die Arme greift und nicht in die Tasche?
Wir müssen doch alle Opfer bringen. Ich zum Beispiel fliege nur noch viermal im Jahr in Urlaub, die anderen Reisen mache ich im Dienstwagen. Das sind Probleme, die Sie als Unterschichtbürger gar nicht nachvollziehen können. Sie sind Angestellter und nicht arbeitslos? Dann warten Sie mal Ihre nächste Nebenkostennachzahlung ab, da sehen Sie dann, dass Sie keine dicke Lippe riskieren sollten.
Natürlich muss man Unternehmen, die sich an der Börse beim Zocken ins Knie geschossen haben, mit staatlichen Hilfsgeldern retten. Also mit Ihrer Kohle, Sie sind schließlich der Staat. Und in einem Rechtsstaat, in dem die Probleme ohne Ansehen des Unternehmens gelten, darf man Energiekonzerne ja nicht einfach anders behandeln als Banken oder Fluggesellschaften. Das machen wir ohne Prüfung der Person, weil da immer der Markt beteiligt ist, wenn Unternehmen ohne eigenes Verschulden in die Insolvenz zu gehen drohen – es sind ja nicht die Unternehmen, es sind die Menschen, die falsche Entscheidungen treffen, deshalb werden Sie auch erst mal finanziell durchleuchtet, wenn Sie sich auf Kosten des Staates bereichern wollen. Wohngeld, Hartz IV, das kostet alles das Geld der arbeitenden Bürger. Sie sollten sich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass Sie keinen Anspruch habe, ewig zu denen zu gehören.
Wir können uns diesen Lebensstandard nicht mehr erlauben, genauer: Ihren Lebensstandard, oder zumindest das, was Sie Leben nennen. Wir müssen Milliarden investieren, damit alle paar Kilometer eine Autobahnauffahrt zur Verfügung steht, und Sie setzen sich einfach kostenlos in den nächsten Zug. Diese neun Euro rechnen wir jetzt mal nicht, in meinen Kreisen zahlt man nur mit Scheinen. Was für eine Arroganz haben Sie, dass Sie jetzt mit Forderungen ankommen, die wahrscheinlich auch jeder RAF-Terrorist gehabt hätte? Hat Ihnen der Hass auf den Staat schon so den Verstand vernebelt, dass Sie alles brennen sehen wollen?
Wir wollen ja auch das Neun-Euro-Ticket nicht abschaffen, weil es so furchtbare Löcher in den Haushalt reißt. Wir wollen es abschaffen, weil sich damit Menschen, die menschlich behandelt werden, auch wieder als Menschen fühlen. Das Scheißpack soll arbeiten oder nicht, aber die Leute sollen die Klappe halten. Am Ende führt das zu sozialem Frieden. Das halten Sie möglicherweise für eine gute Vorstellung, aber so läuft das nun mal nicht. Je mehr soziale Gerechtigkeit, desto eher tendieren die Wähler nach links, weil sie sozialen Frieden durch jahrelanges Framing mit linker Ideologie verbinden. Das kann auf Dauer nur zur Spaltung führen – wir, unsere Idee von Freiheit, und die anderen. Das sollten Sie sich genau überlegen, ob Sie das wollen.
Ich verstehe auch nicht, warum Sie jetzt mit der billigen Retourkutsche kommen, Politiker unserer Partei hätten Sie erst in diese beschissene Lage gebracht, in der Ihnen unverschuldete Armut, der Abbau Ihres Wohlstandes und möglicherweise der Kollaps dieser Gesellschaft droht. Sie, die gierigen Arschlöcher, haben uns doch erst gewählt, weil Sie dachten, wir würden Sie vor dem Schlimmsten bewahren wollen. Wann bitte war das je der Fall? Sind jetzt wir schuld, wenn Sie das politische Gedächtnis von lobotomierten Goldfischen haben? Als Ackermann Ihnen zwanzig Prozent Rendite versprochen hat, haben Sie da kapiert, dass er das nur verkaufen kann, weil Sie es ihm abnehmen? Wer ist denn hier das turbokapitalistische Dreckschwein?
Sie danken es uns ja nicht einmal, wenn wir uns mit Ideen beschäftigen, die nicht unserer politischen Ausrichtung entsprechen. Kaum hatten wir in der Partei mutige Außenseiterstimmen, die sich für die Öffnung der zweiten Gaspipeline einsetzten, schon haben Sie uns in die rechte Ecke gestellt. Denken Sie immer daran, um jemanden in die rechte Ecke zu stellen, muss man Linksextremist sein. Und dass Russland das Gas abfackeln muss, während wir hier frierend vor dem Kamin sitzen, ist Umwelttrollen wie Ihnen natürlich egal. Hauptsache, Sie können sich auf der Straße festkleben, damit wir den Flieger nicht mehr bekommen. Dass dafür dann eine zweite Maschine eingesetzt werden muss, die wieder Personalkosten verursacht, das kriegen Sie ja nicht in Ihren Schädel. Sie denken immer nur an sich selbst, an Ihre kleine privilegierte Kaste, die bei jeder Rechnung zum Amt läuft und herumheult, bis die Steuerzahler für Ihre Kosten einspringen. Das nenne ich mal Vaterlandsliebe.
Außerdem können wir den Deutschen immer noch seine Doppelstandards um die Ohren hauen. Wir wollen immer billiger produziertes Fleisch, das von ausländischen Zwangsarbeitern unter Brechreiz erregenden Bedingungen zerlegt wird, wir wollen T-Shirts für einen Euro, für die sich Kinder auf den Baumwollfeldern mit Pestiziden vergiften und in den Nähereien die Wirbelsäule verkrümmen, damit sie pünktlich in dem Alter arbeitsunfähig werden, in dem sie für pädophile Touristen interessant sind. Die anderen opfern sich für uns auf, da ist es doch nur gerecht, wenn sich das Volk für uns opfert.
Vorschlag zur Güte: wir machen für Sie ein paar Aktien billiger. Wenn Sie jetzt Ihre gesamte Habe verkaufen, haben Sie sich in sechzig, siebzig Jahren einen kleinen Zuschuss für Ihre Pflegekosten. Vorausgesetzt, Sie streiken jetzt nicht mit Ihrem blinden Aktionismus die Wirtschaft kaputt.“
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