„So kann es nicht weitergehen!“ „Auf gar keinen Fall!“ „Wir müssen jetzt sehr klar analysieren, wer an unseren Fehlern schuld war.“ „Wie wollen Sie das denn machen?“ „Indem wir irgendwas finden, das sich als Sündenbock eignet.“ „Ich weiß nicht, ob das so klug wäre.“ „Fällt Ihnen etwas Besseres ein?“ „Wir dürfen uns doch jetzt als FDP nicht an den linken Mainstream gewöhnen!“
„Haben wir denn überhaupt eine Chance, dass die Wähler das kapieren?“ „Dass sie sich diesmal verwählt haben?“ „Aber so funktioniert doch keine Demokratie!“ „Was können wir denn dafür, dass die Demokratie anders funktioniert, als wir wollten?“ „Wir können doch nicht alles machen, was SPD und Grüne von uns verlangen!“ „Die Schweine!“ „Nur weil wir die kleinste Partei sind, muss das doch nicht heißen, dass wir auch den geringsten Einfluss haben!“ „Ach, ich dachte immer, das sei in der Demokratie so?“ „Dann muss sich eben die Demokratie ändern!“ „Wir können als FDP auch nichts dafür, wenn alle ein anderes Verständnis von Demokratie haben!“
„Wir können diesen ideologischen Linksruck in der Bundesregierung auf keinen Fall unterstützen!“ „Das wäre ja auch noch schöner!“ „Bis zu den nächsten Wahlen ist es noch ein bisschen hin, aber irgendwie müssen wir den Wählern auch das bieten, womit sie etwas anfangen können.“ „Sie meinen, der Mehrheit der Wähler?“ „Das ist doch wieder so ein ideologisches Geblubber, das könnte glatt von den Grünen kommen!“ „Die Schweine!“ „Wozu macht man denn sonst Wahlkampf?“ „Wir haben den Tankrabatt durchgesetzt und das Tempolimit verhindert, das fanden mit Sicherheit jeweils zehn Prozent der Wähler gut.“ „Außerdem gibt es die Verbrenner weiter.“ „Die Porsche-Aktie ist der Knaller!“ „Und das Neun-Euro-Ticket ist weg!“ „Das wären zusammen schon mal fünfzig Prozent, also die absolute Mehrheit – ich frage mich, warum wir uns diese linken Spinner in der Regierung noch leisten?“ „Eben!“ „Das muss sich jetzt ändern!“
„Aber 4,7% kann man nun mal nicht…“ „Wir sind nun mal eine Partei, die nicht von jedem gewählt werden will, weil wir lieber für unsere Zielgruppe Politik machen.“ „Wenn man keinen Bock auf Atomkraft hat, soll man halt dieses linke Dreckspack wählen!“ „Die Schweine!“ „Naja, die Mehrheit hat eben keinen Bock auf Atomkraft, das ist das Problem.“ „Hören Sie mir eigentlich zu?“ „Lohnt es sich?“ „Wir bedienen eine sehr kleine Gruppe, die es sich leisten kann, uns zu wählen, haben Sie das bemerkt?“ „Und die stehen nach wie vor voll hinter uns!“ „Das heißt, wir haben in der angestrebten Wählerzielgruppe eine Erfolgsquote von ungefähr 100%!“ „Deshalb haben wir auch den Einzug in den Landtag vergeigt, richtig?“ „Ach, Sie immer mit Ihren Spitzfindigkeiten!“
„Jedenfalls muss sich jetzt die Koalition von Grund auf ändern!“ „Wieso denn?“ „Schließlich haben wir eine Menge Vertrauen verloren.“ „Das kann man nur in einer Regierung konsolidieren, die mehr auf die Bedürfnisse unserer Partei eingeht.“ „Eben!“ „Moment, die Stimmen haben doch wir selbst verloren?“ „Ja und?“ „Wieso sollten wir da die anderen…“ „Wir machen das doch immer so: Gewinne gehen auf unser Konto, Verluste werden sozialisiert.“ „Sie sollten das Parteiprogramm doch nun wirklich kennen!“
„Das Problem an der Koalition ist, dass die ständig Sacharbeit machen.“ „Man kommt ja kaum noch dazu, in einer Talkshow aufzutreten.“ „Es ist entsetzlich!“ „Wir müssen zu allem eine Meinung haben!“ „Und Ahnung davon.“ „Mein Gott, das ist ja noch viel schlimmer!“ „Wir können diesen Spuk nur beenden, wenn wir die sachfixierte Arbeit der Bundesregierung kurzfristig und nachhaltig auf ein Maß reduzieren, das uns als Partei nicht mehr so in den Fokus rückt.“ „Sie meinen, die Mitglieder der FDP sind intellektuell überfordert?“ „Was heißt ‚intellektuell‘?“ „Das ist so etwas Ideologisches.“ „Die Schweine!“ „Wenn wir immer für unsere Beteiligung an einer Regierung bestraft werden, dann ist es doch besser, wenn es keine Regierung mit FDP-Beteiligung gibt.“ „Treten alle zurück?“ „Porsche würde Lindner die Bremsschläuche durchschneiden lassen.“ „Es reicht doch, wenn es keine Regierungsarbeit mehr gibt, und wir sind daran weiterhin beteiligt.“
„Wenn das mit der Zielgruppe so stimmt, warum waren es denn dann früher dreimal so viele Wähler?“ „Naja, der linksgrüne Mainstream hat die Wähler kommunistisch beeinflusst und aus der Mittelschicht ins Prekariat getrieben.“ „Die wollen jetzt alle den Mindestlohn!“ „Die Schweine!“ „Und wir können uns da nicht wehren?“ „Wenn wir die Leistungsträger auf ein annehmbares Maß konzentrieren, müssen wir nicht mit ideologischen Versprechungen wie Umweltschutz oder Wohlstand für alle in den Wahlkampf.“ „Auch richtig.“ „Das heißt, wir machen jetzt Politik ohne Ideologie?“ „Das könnte man doch als Slogan nehmen: ‚Frei von Zusatzstoffen‘.“ „Das klingt hochgradig bescheuert.“ „Aber der Freiheitsbegriff ist drin.“ „Ist mir dennoch zu dicht an den Grünen.“ „Ich möchte nicht mit Verboten konfrontiert werden!“ „Solange sie uns nicht betreffen, ist mit das egal.“
„Wir machen also ab sofort eine 100-Prozent-Politik ohne ideologische Kompromisse, für die wir die Koalitionspartner eigentlich gar nicht mehr brauchen.“ „So war das gedacht, ja.“ „Das klingt ziemlich nach Machtergreifung.“ „Klasse, oder?“ „Dann haben sich unsere Kontakte in Thüringen und in Niedersachsen gelohnt.“ „Finde ich auch.“ „Und das Schöne ist doch: das kapiert der Wähler!“
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