„Klar, Erbsensuppe klingt erst mal unsexy, aber fällt Ihnen etwas Besseres ein? Und dann sollten Sie auch noch einkalkulieren, dass der Protest nicht bei den Leuten ankommt, weil denen Kunst total egal ist. Da müssen Sie sich in die Lebenswelt von ganz normalen Bürgern versetzen, die Ihr Anliegen direkt nachfühlen können.
Schmierkäse, Kartoffelpüree, das Mittel ist doch letztlich austauschbar. Vielleicht könnte man mal ein ganzes Fußballstadion mit Popcorn zuschütten, da ärgern sich eine Menge Leute. Nicht nur die Fans, da hängt ja noch ein ganzes wirtschaftliches Verwertungssystem dran. Man bräuchte etwas mehr logistischen Aufwand, als wenn es nur ein Museum wäre oder eine Opernbühne, aber die Botschaft ist gut transportierbar. Wenn Sie diesen Fußballmist in der Wüste veranstalten, geht das Klima auch kaputt, wobei: wenn Sie es gleich für Katar planen sollten, brauchen Sie bloß Mais, weil das Zeug bei den Temperaturen von selbst aufpoppt, aber die Anzahl der Todesopfer dürfte sich dann leicht erhöhen, und Beckenbauer kriegt das bestimmt nicht mit. Ja, es ist schwierig, aber sagen Sie mir, was lässt sich denn ohne großen Aufwand noch realisieren, das am Ende des Tages Aufmerksamkeit erregt?
Klar, man könnte sich an irgendwas festkleben, meinetwegen schmieren Sie alle Einlaufkinder ein, die geben dann den Spielern die Hand, zack! jede Partie ist vor dem Anstoß zu Ende. Wahrscheinlich machen Sie das auch nur einmal, es kommt zu diplomatischen Verstimmungen, Scholz weiß von nichts, die CDU will sofort Sanktionen aufheben, gibt der Bundesregierung die Schuld, weil jemand gegen die deutschen Fußballer demonstriert, und schon haben Sie eine internationalen Krise, die uns den ganzen Kram vergessen lässt, mit dem wir uns jetzt gerade herumärgern.
Oder nehmen Sie eine Kettenreaktion, die sich national auf mehrere Bereiche auswirkt. Blockieren Sie mal nicht irgendeine Straße, hüpfen Sie mit drei Dutzend Leuten vor eine Schnellbahn, morgens im Berufsverkehr. Natürlich nur, wenn die gerade an einer möglichst zentralen Station steht, ist ja klar. Drei Dutzend Leute mit Transparenten stellen sich vor dem Zug mitten ins Gleis, die Bahn kann nicht abfahren – gut, ist jetzt metaphorisch ein bisschen komplex, und dann muss man berücksichtigen, dass die Betroffenen ja schon öffentliche Verkehrsmittel nutzen und nicht mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren. Das müsste man noch mal sehr genau analysieren, ob das zu kognitiven Dissonanzen in der Zielgruppe führt. Möglicherweise kommt dann einer zu spät zur Arbeit, das könnte dann zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen, dann haben wir zivilrechtliche Ansprüche, aber Sie sehen schon ein, dass das die Aktion nur noch bekannter macht, oder? Wir wollen ja schließlich Medienresonanz.
Der Deutsche reist so gerne, da ließe sich doch bestimmt irgendwas machen. Die Leute flippen ja schon aus, wenn mal wieder die Piloten streiken – überlegen Sie sich einen gut planbaren technischen Defekt, der einen ganzen Flughafen lahm legt. Das wird unter Umständen als Angriff auf die kritische Infrastruktur gewertet, aber was der Kanzler kann, das können Sie schon lange, oder? Und da haben Sie sogar mal eine besonders klimaschädliche Art der Fortbewegung gestoppt. Das wäre eigentlich nur noch zu toppen, wenn Sie sich mit der ganzen Gruppe an der Außenwand eines Kreuzfahrtschiffs festkleben. Dann kriegen Sie eine Sondersendung.
Die Diskussion wird sowieso kommen, ob wir als Gesellschaft passiven Widerstand generell als Mittel des gewaltfreien Protestes akzeptieren, weil wir Widerstand als Antwort auf Machtpositionen verstehen. Wenn dann natürlich die Schmierlappen von Springer verkünden, Widerstand gegen den Staat sei okay, weil uns diese bösen Linkslinken mit dem Grundgesetz verprügeln wollen, aber wenn wir uns gegen die Vernichtung der Lebensgrundlagen zur Wehr setzen, dann sei das Terrorismus, da muss dann eine genaue Differenzierung einsetzen. Wobei die auch umsonst ist, oder haben Sie schon mal irgendwas Differenziertes von denen gelesen?
Wir können doch Widerstand auch mal als eine Chance begreifen. Also jetzt nicht als Aufforderung, wie diese bekloppten Querdullis mit Unterhose auf dem Kopf singend durch die Straßen zu rennen, sondern als Ansporn, sich mal kritisch mit der Rolle der Mächtigen auseinanderzusetzen. Wenn wir die Konkurrenzkämpfe hinter uns lassen, wer von den Aktivisten auf dem richtigen Weg ist oder richtiger als richtig, dann können wir endlich das tun, was wir sowieso längst tun sollten: effektiv mobilisieren und die herrschende Ordnung in Frage stellen. Dazu müssen Sie sich nicht mal an einem Kohlebagger festnieten, das kapieren die Leute auch so. Die Lösung ist passiv-aggressiver Widerstand.
Überlegen Sie doch mal, wie sich das alles in den nächsten Jahren entwickeln wird. Mit etwas Glück sind die, die jetzt für ein bisschen Kohle die letzten Windkraftanlagen niederreißen, dann schon tot. Aber die, die jetzt auf die Barrikaden gehen, weil sie freitags immer um die Protestmärsche herumfahren müssen, die sollten sich langsam mal Gedanken machen, was sie ihren Enkeln erzählen. Wenn es unangenehm wird, dann hat der Deutsche von nichts gewusst, was aber schon im Widerstand. Da werden jetzt viele an ihrem Lebenslauf stricken, und wir wollen ja auch keinen aufhalten. Und mal ehrlich, wenn Ihnen gar nichts anderes mehr einfällt, dann kleben Sie sich im Gesicht von Friedrich Merz fest. Da entsteht wenigstens kein nennenswerter Schaden.“
Kommentar verfassen