
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Hartnäckig hält sich das Gerede, die Erde sei keine Scheibe. Entgegen landläufiger Gerüchte hat es Zweifel daran bereits früher gegeben, von der Antike bis ins Mittelalter, oft sekundiert von der Vorstellung, unser heimatlicher Ellipsoid sei das Zentrum des Universums, das sich mitsamt Sonne, Mond und Sternen um uns herumkugelt, da von einer höheren Macht konstruiert. Was sich die frühe Astronomie an mathematischen Modellen erarbeitet hatte, um die ideologisch motivierte Gläubigkeit in die eigene Beobachtung zu erschüttern, wischten die Vertreter des Herrschaftswissens mürrisch vom Tisch. Noch immer sind diese Skeptiker aktiv, sie haben nur flexibel die Fronten gewechselt, bellen die herrschenden Meinungen der längst etablierten Wissenschaft von unten an und versuchen ihren aus Denkfehlern und Lügen zusammengeschwiemelten Brüllmüll zu verteidigen. Sie kämpfen gegen die Bedrohung durch die Wissenschaft.
Dass es genug Querstullen gibt, die auf einem Smartphone mit GPS-gesteuertem Ortungssystem ins Internet pinnen, warum die Relativitätstheorie ihrer Ansicht nach falsch sein muss: geschenkt. Die Menge an Behämmerten mag steigen, vor allem ist sie besser sichtbar, seitdem die Nichtschwimmer unter den Nudelbiegern sich zu Zombiezügen rotten und die Städte mit ihrem formunschönen Anblick beleidigen. Sie stehen nicht in der Tradition der Hohlfritten, die ein Stück Stoff vor dem Rotzrüssel als Demütigung von Arbeitssklaven anprangern, sie folgen denen, die sich den Schmodder überhaupt erst ausgedacht haben. Denn diese Oberschicht ist es, die den Konflikt erst schürt.
Denn nicht der gemeine Dumpfschlumpf ist es, der die öffentliche Meinung agitiert, es waren die Wortführer, die sich jahrzehntelang mit aller Gewalt gegen etwas stellten, was immer um so vehementer eintritt, je mehr man es zu hintertreiben sucht: die Erschütterung der Macht. Das Fundament, auf dem diese Ordnung aufgebaut ist, hat zweifellos Risse, und sie geben den Blick frei auf eine zweifelhafte Konstruktion, die mit noch so viel Mummenschanz nicht mehr zu beschönigen ist. Die Wissenschaft, die uns Verbrennungsmotoren und Mondraketen beschert hat, Atomkraftwerke und Lobotomie, sie ist auf einmal nicht mehr die willfährige Hilfskraft, die die Illusionen mit Zuckerguss überzieht und den chronischen Fortschritt noch mehr beschleunigt mit Flugtaxi und Fusionsreaktor. Sie zeugt uns Fehler und Grenzen, die die Macht relativieren und damit die Unangreifbarkeit eines Lebensstils, den sich die politischen Herrscher auf die Fahnen gemalt haben, um als allwissende Lenker der Geschichte quasi unangreifbar zu sein, wenn sie nur nie ihr Gewissen dafür benutzen müssen.
Die verknöcherte Kaste ignoriert, was ihr nicht in den Kram passt, verweigert sich beharrlich jedem Lernprozess, da sie bekanntlich alles zu wissen und daher alles zu verstehen glaubt, knipst Fakten aus wie einen Lichtschalter und blendet die drohenden Veränderungen – soziale, ökologische, technische, mediale, pandemische, you name it – aus, indem sie sich die Ohren zuhält und plärrend im Kreis um die eigene imaginierte Wichtigkeit hüpft. Doch diese Egoleptiker sind für den Lauf der Dinge komplett verzichtbar und taugen höchstens als Störgröße in einem Prozess, der sie ins Nichts katapultiert. Da die Eliten, bar jeder Vernunft noch Verantwortung, als Vorbild gehandelt werden, dem die niederen Schichten nachstreben, folgt ihnen auch der Plebs, erst in den intellektuellen, danach gerne auch in den physischen Untergang. Sie teilen ein gemeinsames Weltbild, das Klimawandel, AIDS, schließlich die Risiken des Tabakrauchens leugnet, weil sich die global auftretenden Probleme nicht lösen lassen, nicht einmal mit dem Sündenbock als Patentrezept.
Die kognitiven Dissonanzen werden zu schnell offenbar, wenn sich Interessenkonflikte nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen lassen: dieselben Realitätsallergiker, die schadstofffreien Strom mit spaltbarem Material aus Einhörnern in ad hoc aus der Scholle gestampften Kernreaktoren herbeizaubern wollen, drohen einander Weltkriege an, wenn sie den unweigerlich entstehenden Müll im eigenen Fürstentum endlagern müssen. Sofort werden Physiker, eben noch für einen Nobelpreis zu Nationalhelden erklärt, zu inkompetenten Schurken hochstilisiert, weil sie in der Talkshow Grützbirnen in Regierungsämtern als ebendie entlarven: der Dreckrand des Dummen, Vorschulversager, weißes Rauschen in der Hirnrinde. Denn sie stellen unsere Art zu leben in Frage, Flächenverbrauch, Autos und Flugzeuge, Massentourismus, Fleischkonsum und Wegwerfprodukte, Niedriglöhne, Sozialstaat ohne soziale Haltung, Begünstigung der Reichen bei anhaltender Umverteilung nach oben, unablässiges Geleier von Eigenverantwortung unter einer Clique unfähiger Fußhupen, die den Waldbrand abwarten, um eine daran Zigarre anzuzünden. Kein Wunder, dass sie Angst haben vor denen, die nicht nur alles durchschauen, sondern die Zusammenhänge auch noch erklären können und wissen, wer schuld hat am Niedergang der Gesellschaft. Die kleinen Kaiser sind nackt, und diese Hilflosigkeit werden sie ihren Untergebenen nie verzeihen.
Satzspiegel