
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Sie sind überall. Sie lauern hinter Ladentheken, treten als Ärztin auf oder als Taxifahrer, wohnen in Häusern mit Heizung und Fenstern, und man sieht es ihnen nicht einmal sofort an. Sie sind Fremde, ob sie wollen oder nicht, und was würden wir an Zeit sparen, müssten wir es ihnen nicht ständig wieder erklären: dass wir es ihnen ständig wieder erklären müssen, weil sie sonst so täten, als gehörten sie zu uns, nur weil sie arbeiten und Steuern zahlen, ins Kino gehen, Kinder kriegen, Firmen gründen und Gartenzwerge aufstellen, als dürfte man das mit so einem Migrationshintergrund überhaupt.
Schon die Definition ist weich wie Sauerkraut. War zum Vorliegen des Nichtzugehörigkeitsstatus lange nötig, dass ein Elternteil zugewandert sein müsse, so ist nicht einmal dies mehr notwendig. Vater aus dem Ausland, zack! Fremder, auch wenn mit deutschem Pass in Deutschland geboren und nie in die Verlegenheit gekommen, dies zu verändern, während jedoch der Spanier, der vor 1950 zwecks Herstellung eines Wirtschaftswunders in die BRD kam und selbstverständlich Spanier blieb, nie als Migrant im Sinne der Erhebungsverordnung galt. Hätte er seinen Sohn geschickt, um eine Deutsche zu ehelichen, der wäre freilich Auswärtiger bis heute, da vermutlich aus reiner Bosheit gekommen, um zu bleiben, während der Gastarbeiter halt zum alsbaldigen Abschub nach Verrichtung gedacht war. Wann aber ist und bleibt man integrationsbedürftig, wenn die zu überwindende Hürde, nicht zur Heimat zu gehören, von deutschen Grützbirnen aufgestellt wird, die außer einer in härtester Ignoranzarbeit zusammengeschwiemelten Nationalidentität wenig zu bieten haben?
Ginge es nur darum, dass sich jemand genügend lange in seinem Wohnland aufgehalten hat, sind die Kwiatkowskis in Hamm den Öztürks in Köln sicher überlegen, denn die waren ja keine Gastarbeiter, die kamen zum Aufbau der reichsdeutschen Industrie. Ob die Pospischils mit den Přemysliden nach Wien eingewandert waren, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, jedenfalls wird es nicht mehr so zwanghaft betont. Und man würde in Berlin einen französischen Bundespräsidenten, Erbfeindschaft hin oder her, vermutlich eher akzeptieren als einen syrischstämmigen. So ist es halt mit Sprache oder Spaghetti, man geht gerne zum Italiener und fährt sommers auch für zwei Wochen zu ihm, aber wehe, der Nudelfresser wandert hier ein, wanzt sich an die Tochter heran und hat nichts mehr zu bieten als sein schmieriges Ristorante. Da hört für den Teutonen die Gemütlichkeit auf.
Doch am Migrationshintergrund ist nicht nur so hübsch billig, dass er quasi nie vergeht, denn hat eins lummerländische Wurzeln, dann weiß man: das kriegt man nie wieder weg. Noch die Kindeskinder werden mit lummerländischem Akzent sprechen, in aller Heimlichkeit lummerländische Festtage feiern und sich, warum auch immer, niemals vollkommen integrieren, so dass man sie wie lummerländische Gäste behandeln muss, denen man das Gastrecht ja auch wieder entziehen kann. Andererseits ist es für die Mehrheitsgesellschaft Konsens, dass man für die Herkunftskultur durchaus Verständnis aufbringt, sie aber wie selbstverständlich als Stigma wertet. In aller Regel wird man den Lummerländer leise bis mäßig bedauern, dass er eben nie ein echter Bürger wird, auch wenn er sich schon seit Generationen von den anderen nicht mehr unterscheidet, nicht einmal mehr im Namen. Der Lummerländer ist ein Problem, er will das nur nicht einsehen. Mit etwas Freundlichkeit bringt man ihn dazu, fachkompetent über lummerländische Geschichte, das politische System, den Ausgang der letzten Parlamentswahlen und die Balkonblumenkrise in der Heimat seiner Ururgroßeltern zu referieren, weil sich so schnell kein Lummerlandexperte auftreiben ließ, der nicht sonst für Syldavien oder Bordurien zuständig wäre.
Dabei haben wir es geografisch gesehen sogar verhältnismäßig leicht, die Zuwanderung als ganz normalen Prozess zu verstehen, der sich historisch immer mal wieder zuträgt. Hätten die Sioux, die Cherokee und die Irokesen bessere Kontakte in die Medien ihrer Zeit gehabt, sie hätten die Knalltüten leichter rausschmeißen können, die als religiöse Spinner, Wirtschaftsflüchtlinge oder Outlaws ihre Lebensgrundlage durch parasitäre Landnahme mit Waffengewalt zerstört haben. Natürlich kann man im Nachhinein die Vereinigten Staaten von Amerika als Einwanderungsland sehen, so war das von der Geschichte ja auch gedacht – nur eben jetzt nicht mehr, wo die ganzen Afrikaner einreisen wollen, die nicht einmal Verwandtschaft zu den ehemaligen Sklavenfamilien nachweisen können. Es kommt ja leider so weit, dass dieser Migrationshintergrund ausgenutzt wird.
Geschichte ist schwierig, wir merken es immer wieder. Weder die Eroberung der Arier noch der dorische Einfall waren Invasionen, sondern lange dauernde Assimilationsprozesse. Auf der anderen Seite hätte man bei der Völkerwanderung auch alle verdrängen können, die nichts zur dialektischen Lösung beitragen wollen außer ewigem Geweimer und der elenden Opferrolle. Zum Beispiel diese verdammten Deutschen.
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