„Das ist eine Katastrophe, die wird uns hier in Bayern um Jahre zurückwerfen! Die Auswirkungen sind wirtschaftlich und vor allem sozial noch nicht einmal zu überblicken, gerade in dieser Phase des Umbruchs, und alles in allem kann man nur sagen: dem Herrgott sei Dank, dass die Bundesregierung uns das antut! So tief hätte der Söder unser schönes Bayernland nie aus eigener Kraft in die Scheiße reiten können!
Die Voraussetzungen für Fotovoltaik sind hier so gut, dass wir uns damit glatt aus der Windkraft rausreden können. Fünfhundert Kilometer Abstand um jedes Windrad, die hat der Teufel erfunden und die grüne Verbotspartei, und wir sind sowieso ein Sonnenland, darum wollen wir so viel Solar wie möglich – wenigstens auf dem Papier oder wenn der Söder seine Wahlkampfreden hält. Wenn die aber tatsächlich gebaut werden sollen, dann sieht die Sache gleich ganz anders aus.
Schauen Sie, wir machen hier im Freistaat ja grundsätzlich alles anders, weil wir es besser wissen, genauer gesagt: die Menschen im schönsten Bundesland der Welt, die lassen sich grundsätzlich nichts von den Preußen vorschreiben. Wir sind ein Hochtechnologieland, Laptop und Lederhose, so soll das auch bleiben. Also nutzen wir jede Fläche, ohne unsere wunderschöne Alpenlandschaft mit diesem Solarschrott zuzupflastern. Wir erzeugen Strom einfach mit schwimmenden Modulen, weil wir innovativ sind. Das ist ein Riesenerfolg für die CSU und ein erneuter Beweis, dass wir unter dem Söder das intelligenteste Bundesland der Welt sind.
Jetzt kann man aber Solarmodule nicht einfach in den nächsten Alpensee reinbauen, weil das da unsere ökologisch absolut intakte Umwelt belasten würde. Die ist hier im Freistaat so hervorragend naturbelassen, dazu brauchen wir nicht einmal diese verdammten Klimaterroristen. Außerdem stört das, wenn die Großkopfeten Motorboot fahren wollen oder unsere ausländischen Freunde, die gerne mal mit dem Jetski durchs Vogelschutzgebiet ballern, aber das tut ja jetzt nichts zur Sache. Wie gesagt, wir haben ja genug Tagebauseen. Wo man früher Kohle abgebaggert hat, dürfen wir heute ganz legal Sonnenenergie erzeugen, und keiner von diesen veganen Extremisten kann uns das verbieten!
Jetzt hat die Ampel das Erneuerbare-Energien-Gesetz modernisiert. Da denkt jeder intelligente Mensch, der in Bayern lebt, weil es außerhalb von unserem Bayernland bekanntlich kein intelligentes Leben gibt, dass das alles ganz furchtbar ist, weil man das von diesen Sozen ja kennt: die können nur bestehende Gesetze ruinieren, zu mehr sind die gar nicht in der Lage. Aber die haben genau das gemacht, was der Söder von ihnen verlangt hat. Also er hat es nicht von denen verlangt, aber es ist natürlich vernünftig, und wenn etwas vernünftig ist, dann würde der Söder das ja sofort verlangen. Tut er meist nicht, aber egal. Diese schwimmende Fotovoltaik wurde aus den Innovationen komplett in die normalen Ausschreibungen integriert, und für die gibt es ja Fördermittel, und wenn wir hier in unserem schönen Bayernland eins können dann, Fördermittel für die Wirtschaft beantragen, die bei den Amigos landen. Das bleibt in der Familie.
Das ist für den Söder natürlich eine schwierige Situation. Auf der einen Seite will er viele neue Kernkraftwerke, solange nicht nach Endlagerstätten in unserem schönen Bayernland gesucht wird. Auf der anderen Seite muss er absolut alles, was die Grünkernstalinisten machen, sofort bis aufs Messer bekämpfen. Wenn der Habeck behauptet, eins und eins macht zwei, dann muss der Söder sagen, die Grünen wollen uns jedes andere Ergebnis verbieten. Da kann er gar nicht anders. Das ist ein Reflex.
Aber wenn man denkt, jetzt hilft kein Stoßgebet mehr, dann zündet der Herrgott doch ein Lichtlein der Hoffnung an: das Wasserhaushaltsgesetz. Das schreibt nämlich vor, dass jede Solaranlage mindestens vierzig Meter vom Ufer entfernt sein muss – vermutlich soll damit die Wartung erschwert werden oder die Stromleitungen sind sonst zu kurz, keine Ahnung. Und damit sich das auch nicht mehr lohnt, dürfen höchstens fünfzehn Prozent der Wasseroberfläche von Solarmodulen bedeckt sein. Damit sind neun von zehn Anlagen nicht rentabel, werden nicht geplant, es fließen keine Fördergelder, es gibt keinen günstigen Strom, es gibt keine neuen Jobs, regionale Energieunternehmen gehen pleite. Halleluja, Gott ist ein Bayer!
Sie haben richtig verstanden, das will der Söder haben. Dass es für dezentrale Stromversorgung ausreichend Netze gibt, egal. Er macht das, was er immer macht, weil er das nun mal am besten kann: er behauptet das Gegenteil von seiner Meinung und verkündet, dass er das schon immer so gesagt hätte. Die böse Bundesregierung mit dem Gesetzeschaos ist schuld, dass es keine grüne Energieerzeugung im grünsten Bundesland der Welt gibt, und außerdem haben die anderen Bundesländer mit Absicht den Bau einer Stromtrasse verweigert, nur weil wir die in Bayern verhindern wollten. Jetzt können wir gar nicht anders, wir müssen Atomreaktoren bauen, am besten mit russischem Uran, und bis dahin brauchen wir ganz viel Kohle aus Nordrhein-Westfalen und noch mehr Frackinggas aus Niedersachsen.
Wenn der Söder das jetzt geschickt macht, dann erklärt er im Wahlkampf, die von den Grünen in Geiselhaft genommene Bundesregierung habe im schönen Bayernland erneuerbare Energieerzeugung verboten, damit wir keine Windräder mehr bauen. Und damit sollten Sie auch endlich kapiert haben, warum dieser Mann nie im Leben Bundeskanzler werden wollte.“
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