Gernulf Olzheimer kommentiert (DCLIV): DDR 2.0

10 03 2023
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wer an diese gründlich gespaltene Nation denkt, die ihren eisernen Vorhang immer noch nicht als historisch langwierig abzubauenden Sondermüll begreift, der sieht auch, wie germanisch-depressiv das Volk durch seine blühenden Landschaften schleicht. Früher, greint der Michel, war eben alles besser – mit Ausnahme der ganzen Grütze, die man früher nicht merkte und heute erst recht nicht bemerken will, beispielsweise den komplett marode gewordenen Arbeiter-und-Bauern-Staat, der sich mit ein paar Westmilliarden als Schwimmhilfe über Wasser hielt, bis der Klassenfeind den Stöpsel zog. Das Volk marschiert gerade auf, kräht renitent vom Pferd und vom Frieden, aber warum?

Kein Gespenst geht da um, staubgrau verpackt, ausgetrocknet vom Desinteresse der Geschichte und mühsam am Leben erhalten mit dem Selbstmitleid der Verknöcherten, die an Ost-Hero-Poröse erkrankt auf ihren eigenen Tränensäcken herumstolpern. Es ist keine Friedensbewegung, denn es genau dieselbe Ausschussware aus der Spulwurmaufzuchtstation, die schon gegen Islamisierung und Flüchtlinge war, gegen Masken, Impfung, Windräder, wie sie gegen die Vereinigung gewesen war, die bedingungslose Kapitulation oder dass Wasser nass ist. Sie haben ein Problem damit, dass diese Wirklichkeit nie das tut, was man von ihr will, und bunkern sich in ihre eigene Gedankenwelt ein, den Kubikkonjunktiv für kontrafaktische Geschichtswürstchen, in dem alles immer so bleibt, wie es nie war.

Der alte Sozialismus, der im Wesentlichen aus keinen Apfelsinen bestand, aus dem Politbüro und den Kadern, die doch welche hatten, er leuchtet auf einmal so mild und märchenhaft, dass der gemeine Knalldepp im Blauhemd sich seinen Wunschtraum aus herumgammelndem Gehirngestrüpp häkelt, die real existierende Zwangsvorstellung, wie sie nicht nur nach 1989 viele zu kurz Gekommenen gerächt hat. Frieden war damals, weil der Große Bruder es befohlen hatte – wer nicht mitsang, kriegte halt die Fresse poliert – Völkerfreundschaft mit den ganzen Kuffnucken, die als Vertragsarbeiter den Deutschen die Jobs wegnahmen, nur die Volksarmee war noch national. Die schönen Sachen aus dem Westen gab es nur heimlich, Antisemitismus, Rassenhass, den guten alten Imperialismus, die Militarisierung von Kita bis Kombinat: eine ganzes Land ballert sich dauernd die Rübe zu, um den Schnaps unschädlich zu machen. Manche wachten gar nicht mehr auf, manche gleich als Reichsbürger.

Weil in der Deuschndemokrahschnrebbeblik der Staatsbürger so systemkritisch war wie die Nazis, die sich danach zu 355% im Widerstand befunden hatten, weiß er jetzt: alle Regierungen dieser Welt inszenieren ein Kasperletheater aus fadenscheinig zusammengeschwiemelten Versatzstücken billiger Lügenpropaganda, der gelernte Dauerdissidenten garantiert nicht auf den Leim gehen. So erwartbar, wie das im Verschwörungsmythos versuppt, so egal ist auch, wer in diesem Hirnplüsch die Hauptrolle spielt. Die Mehrheit war vor und nach 1945 genau so angepasst und lief mit, wie es die Generationen eine Diktatur weiter taten, und da die Deutschen in der Wahl ihrer Führer intellektuelle Ansprüche nur selten geltend machen, latschen sie eben hinter dem Gesindel her, das dieselben filigranen Symptome der Beklopptheit zeigt wie der ganze Brüllmüll. Die Erfahrung einer sich normalisierenden repressiven Ideologie, die einen Großteil der Bevölkerung mit aushaltbaren Einschränkungen am Leben lässt und nicht ständig mit Vernichtung droht, dabei aber die Feindbilder zur existenziellen Bedrohung aufpumpt und dagegen unablässig für den Frieden hetzt, sorgt für einen kollektiven schizoiden Status, der sich auf Dauer nur entzieht, wer das mit dem Selberdenken tatsächlich ausprobiert hat. Wer hat das schon.

Und so stolpern linke Rechte, rechte Linke und sämtliche Koordinationsvollversager hinter den Flüstertütenschwenkern her, wollen die Regierung am Galgen sehen und sie zu Friedensverhandlungen mit dem Endsieger im Hitlerjungenwettbewerb schicken, und wenn sie dann ihr antiamerikanisches Schnappatmungsgeplapper im Chor wegsabbern, ist auch ihr halbwegs verwestes Feindbild wieder so lebendig wie Zombies auf dem Synapsenfriedhof der politischen Bildung. Gleichzeitig suhlt die von linksrechts einsickernde Ariosophie-Esoterik sich in romantischer Russlandverklärung, die den gärenden Haufen aus Angst und Anpassung für Nestwärme hält und ihren rassenbekifften Religionsersatz auf die angeblich aufgeklärten Feuchtbeutel stülpt. Was an Modernismus oder Feminismus, Technik- und Demokratiehass sich in Pillenform pressen lässt, wird vom Gefolge der Unterkomplexität begehrlich geschluckt. Es muss ihnen nicht besser gehen. Geht es anderen schlechter, sind sie schon zufrieden.

Manche fantasieren, ein genügend großes Areal für Braunalgen zu räumen, die ihrem Adolf einen eigenen Staat aufziehen wollen, und manche wollen die Spätstalinisten auf der einsamen Insel abwerfen. Ein ausrechend großer Acker reicht aus, um die Verseiften aus der Zivilisation zu entfernen. Es ist gleich, von welcher Seite die Idioten kommen, Demonstrationen demonstrieren Machtansprüche. Und Idioten bleiben Idioten.