
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Am Anfang war die Sache verhältnismäßig einfach: die Beerensammler sammelten Buntbeeren, die Jäger liefen vor der Säbelzahnziege weg, nebenbei widmete sich ein handwerklich begabtes Sippenmitglied der Anfertigung und Ausbesserung von Waffen und Werkzeug, während alle Arbeiten in der Wohnhöhle von den Frauen erledigt wurden. Die gewerbsmäßige Herstellung der Nahrung, die mit der Entstehung einer städtischen Besiedlung einherging, führte sogleich zur Gründung von Berufsverbänden, die bis ins hohe Mittelalter und darüber hinaus selbst darüber wachten, der sich als Bäcker bezeichnen und was er alles legal ins Brot hineinbacken durfte, ganz abgesehen vom Preis, was die fortschreitende Verrechtlichung der Gesellschaften widerspiegelte. Erst heute scheint es erheblich wichtiger zu sein, ob sich der Backwarenerstellungstechniker fürs Marketing auch als Brotsommelier bezeichnen darf – traditionell die Fachkraft, die ihr Zeug im Keller lagert, wo es in Ruhe trocknet oder schimmelt, aber egal – wenn er Berni’s Vollkornparadies führt. Was auf der Visitenkarte steht, entscheidet nicht selten über das Selbstbewusstsein der Monosynapsen, die nur für ihren Jobtitel arbeiten.
Vorbei die Tage, in denen noch eins Respekt hatte vor dem Türschild des Generaldirektors, der auch öfters ein dummer Schmierlappen war, den ganzen Bums als Gehilfe betreten und später samt Kapital geerbt hatte, aber zu dämlich war, um eine Rechnung zu lesen. Heute würde man ihm eine Stelle als Facility Management Assistant andienen, vielleicht als General Waste Collection Manager oder Head of Corporate Cleaning, und er würde allein für das Geschwiemel auf der Pappkarte in Gejauchz ausbrechen, tiefstbegabt wie er ist. Die erste Grundregel lautet, dass alles auf Englisch zu sein hat, denn überall im Big Business ist man international – außer in Frankreich, aber das sind Petitessen – und wirft mit allerhand hierarchischem Aufbaugedöns um sich, als sei noch die letzte Bratwurstbude generalstabsmäßig organisiert wie der größte Klobürstenkonzern der westlichen Welt.
Was ja betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll ist, sich aber geradezu fetischistisch in der Bezeichnung der Managementposten zeigt, die zu einem großen Teil nicht abstreiten können, klassische Bullshitjobs zu sein. Zwischen dem Chief Executive Officer und den Directors klemmt immer irgendein Vice President – hoch bezahlte Fußabtreter für die Entscheidungsebene, die keine eigenen Kenntnisse zu haben brauchen und sie mit etwas Selbstmitleid den Managern verkünden, die wissen, wie der Laden läuft. Gelegentlich vertreten sie wichtigere Personen in großen Konferenzen, und da ist es hilfreich, wenn ein Senior Marketing President am Tisch hockt, von dem alle anderen wissen, dass er genau so ein Würstchen ist wie sie auch.
Den Schmodder denken sich die Officers of Corporate Culture aus, vulgo: Personaler, die einem Head of Human Resources unterstellt sind und so tun müssen, als sei dieses Mensch-im-Mittelpunkt-Gesülze des humanistisch angehauchten Leitbildes irgendwie ernst gemeint. Und so kauen sie desolat an der Tastatur, bis ihnen Evangelisten und Stylisten aus der Rübe rattern, Vice Representatives und Branch Manager, Directors of First Impression oder Senior Brick Positioning Managers. Früher musste man dem Buchhalter noch den Firmenwagen samt Parkplatz spendieren, um ihm den Job in der Trockenhölle schmackhaft zu machen, jetzt steht dafür der Head Financial Analyst im Jahrebericht neben dem Foto im Polyestersakko.
Kaum einer beachtet, dass diese Senior Chief of Head Office Managing Director Presidents alle in unterschiedlichen Umgebungen arbeiten, der eine als kleines Licht eines Mittelständlers kurz vor der spontanen Versteinerung, der andere als Allroundverwaltungskraft in einem Start-up im 25-Stunden-Tag, wieder einer als Vorstand einer börsennotierten Kapitalgesellschaft, der sich jeden Atemzug von seiner Rechtsabteilung genehmigen lässt, um nicht abgesägt zu werden. Wer also von einer Branche in die andere wechselt, wird lustige Überraschungen erleben, die bestenfalls in einem Burnout enden. Und selbst ohne die grundsätzliche Überforderung in einem Arbeitsumfeld, das plötzlich Kompetenz verlangt, verhindert nichts, dass mit einer Beförderung wieder das alte Missverhältnis zwischen Position und Inkompetenz hergestellt wird, weil nicht alle Unternehmen vor der Beförderung die notwendigen Fähigkeiten prüfen, am seltensten übrigens beim Wechsel in die Führungsebene.
Und so lassen sich noch immer die mit ihren Scheuklappen verwachsenen Aluhütchenspieler beeindrucken von etwas wirrem Verbalgemüse, was zielsicher in die Identitätskrise rutschen lässt, vor allem in Firmen, die mit den so beliebten flachen Hierarchien um Personal buhlen. Nur die Verrichtungen im Plattenbau, Waschen, Kochen und Putzen, obliegen noch immer der Hausfrau. Aber vielleicht kriegt man sie mit der Erzählung, sie leite ihr eigenes kleines Familienunternehmen.
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