„Ich habe keine Ahnung, ob das klappt, aber man könnte es doch wenigstens probieren. Sie müssten auch nicht persönlich dabei sein, Euer Eminenz, wir wären mit einem Erzbischof schon ganz zufrieden. Oder wenn Sie einen Pfarrer schicken würden.
In Frankreich hat das doch schon ganz prima geklappt, das haben die eine Prozession von der Kathedrale bis zum Fluss gemacht, die Diözese hat das veranstaltet, und alles war sehr schön. Und dann hat es tatsächlich in den nächsten Stunden geregnet. Geregnet! Euer Eminenz, das könnte man doch auch hier in Deutschland machen, um mit den Klimaaktivisten ins Gespräch zu kommen und anschlussfähig zu werden, damit wir als Kirche…
Naja, als Schwachsinn würde ich das jetzt nicht unbedingt bezeichnen wollen, vielleicht ist es ein bisschen ungewöhnlich, aber wenn wir als Kirche up to date sein wollen, müssen wir auch etwas dafür tun. Die großen Dürren sind ja noch nicht da, die kommen erst im Sommer, da werden christliche Politiker wieder große Reden schwingen, der Söder wird sagen, die Grünen hätten das Wasser verboten, der Merz wird behaupten, die Sozialtouristen hätten es in die Ukraine umgeleitet, und der Papst wird ein paar salbungsvolle Worte vom Stapel lassen und zum Gebet aufrufen. Das können wir doch besser.
Eminenz, wer redet denn von Regentänzen! Es ist doch eine schöne Tradition, wenn man mit ein paar Heiligenbildern durch die Gegend schreitet, das mach sich auch immer gut in den Medien, wenn die Leute sehen: guckt mal, die Kirche labert nicht nur, die tun was. Meinen Sie nicht auch, dass uns das viel Sympathie einbringen würde? Aberglaube? Was ist denn an so einer Prozession Aberglaube? Ja, natürlich haben wir keinen Beweis, dass es ohne die Prozession nicht geregnet hätte. Wenn Sie das auf die Goldwaage legen wollen, bitte, aber so darf man an theologische Fragen doch nicht herangehen. Das hat doch mit dem Glauben zu tun, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Ich will mit Ihnen jetzt keine religionssoziologische Diskussion über die Semantisierung vorchristlichen Brauchtums führen oder über mittelalterliche Volksfrömmigkeit, aber als Marktführer für Spiritualität sind wir doch in der Pflicht, hier ein vernünftiges Angebot zu machen.
Und wo wir gerade beim Aberglauben sind, warum wird dann bei jeder anderen Gelegenheit um Frieden gebetet oder bei Naturkatastrophen um die Rettung? Das würde nach Ihrer Ansicht auch jeder theologischen Grundlage entbehren, oder? Müssten wir da nicht auch einschreiten, beispielsweise bei Heiligenverehrung oder Wallfahrten oder Reliquien und der ganzen Volksfrömmigkeit? Das macht auch keinen Unterschied, Exzellenz, wen die Leute da gerade anbeten, die Hauptsache ist doch, dass ein Priester voranschreitet. Da haben wir als Kirche endlich mal wieder Wirkmacht – man darf die Menschen mit ihren metaphysischen Bedürfnissen auf keinen Fall allein lassen, sonst wenden sie sich anderen Vorstellungen zu, und das können Sie doch nicht wollen!
Der Rhein bietet sich ja geradezu an, und wenn wir die Prozession vor dem Kölner Dom starten, dann sind wir, ohne dass wir vorher noch durch die Innenstadt müssten, dann starten wir im Grunde genommen am Kölner Dom, da starten wir die Prozession im Rhein, in zehn Minuten, wenn man sich mal die Boote anschaut, die sind fünfhundert Meter davon entfernt – Herr Kardinal, hören Sie mir überhaupt zu? Das würde doch schon reichen, und wir springen auf den Zug mit dem Klimaschutz auf. Dann unterfüttern wir das noch christlich, Sie können ja irgendwas mit der Schöpfung predigen, die wir alle bewahren müssen, und deshalb setzen wir ein Zeichen, dass wir das nicht aus dem Fokus verlieren, und wenn wir vorher mit dem Deutschen Wetterdienst sprechen, können wir bei geeigneter Witterung die Sache ja zeitlich flexibel stattfinden lassen. Was meinen Sie, wäre das nicht genial?
Entschuldigung, aber das finde ich jetzt total unlogisch. Wir können doch als Kirche nicht unsere beste PR-Maßnahme aufgeben, nur weil sie sinnlos ist. Beten hilft nichts, weil man dann nicht mehr zum Arzt geht? Höchstwürden, nach dem Prinzip haben wir seit Jahrhunderten gehandelt, das kennen die Leute, das schafft Wiedererkennungswert. Und die Leute haben ja auch nicht primär um Regen gebetet, den gab’s ja, aber eben nicht da, wo sie ihn haben wollten. Sie kennen das vielleicht von Sankt Florian, wenn Sie mit dem ein vertrauliches Wort reden, dann brennt’s schon noch, aber eben nicht mehr bei Ihnen.
Ob wir was!? ich bitte Sie, wenn sich die halbe Bischofskonferenz auf der Straße festklebt, dann können wir den ganzen Laden hier dichtmachen! Das mit dem Ungehorsam war doch metaphorisch gemeint, oder habe ich da im Religionsunterricht nicht aufgepasst? Sie können von uns doch nicht erwarten, dass wir auch noch Klimapolitik machen, schon gar nicht für eine andere Partei als bisher. Außerdem passen Sachen mit Eventcharakter viel besser zur jungen Generation, die kleben sich dann vielleicht auch nicht mehr fest, wenn sie kapieren, dass sie die Politik mit Christopherus-Prozessionen viel mehr schocken können. Ich weiß auch nicht, wie man es Ihnen noch recht machen soll – wir können doch nicht einfach zusehen, wie die anderen Esoteriker das für sich okkupieren. Wollen Sie denn Hare-Krischna-Gesänge in der Kölner Altstadt!?
Ja, verstanden. Wir blasen das ab, das war eine Schnapsidee. Ich sollte mich als Referent nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen. Aber wo wir so nett plaudern, Euer Eminenz, der Umritt mit der Blutmadonna für die nächste Ernte bleibt?“
Kommentar verfassen