Traditionsbewusste Ernährung

10 05 2023

„… ein Werbeverbot für Süßwaren noch in diesem Jahr umsetzen wolle. Özdemir wolle diesen Teil der Wettbewerbsbeschränkungen für Produkte, die ausdrücklich für Kinder hergestellt würden, mit Nachdruck in den…“

„… mehrere Lastkraftwagen benötigt worden seien, um die Blumen vor dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft abzuladen. Die von Elterninitiativen organisierte Danksagung habe in Berlin für ein erhebliches…“

„… mit den Liberalen nicht zu machen sei. Da die FDP im Koalitionsvertrag dem Verbot noch in vollem Umfang zugestimmt hätte, sei es für Lindner nun selbstverständlich, dass man alles tun müsse, um ein Gesetzgebungsverfahren dieser Partei so gründlich wie möglich zu…“

„… die Lebensmittelkonzerne sich mit Hilfe einer eigenen Medienkampagne gegen Özdemir zur Wehr setzen würden. Es obliege den Eltern oder Großeltern, die Ernährung von Kindern unter 14 Jahren zu beaufsichtigen, weshalb eine einseitige Bevormundung durch Werbung erst nach 23:00 Uhr nicht zielführend sei, wenn diese Spots weiterhin von den Erziehungsberechtigten und ihrer…“

„… erhebliche Eingriffe in die Privatautonomie konstatiert habe. Da eine Bannmeile von einhundert Metern um Schulen, Kitas oder Spielplätze einem Verkaufsverbot gleichkomme, werde Buschmann das Anliegen von Industrie und Handel, aber auch die Existenz vieler Schulkioske in Karlsruhe mit einem handwerklich sehr gut gemachten Gesetz…“

„… als Nebelkerze bezeichnet habe. Raffinade sei ein normales Lebensmittel, das weder einem Werbeverbot unterliege noch dessen Verkauf im Einzelhandel eingeschränkt werden solle. Es stehe den Lebensmittelherstellern frei, Haushaltszucker großflächig zu bewerben, die Verbraucher seien nach Özdemirs Ansicht jedoch in der Lage, einen Unterschied zwischen Süßigkeiten und…“

„… vor erhebliche stadtplanerische Aufgaben stelle. Sollte ein Plakatverbot kommen, müsse jede Kommune durch geeignete Maßnahmen Pop-Up-Spielplätze einrichten, die durch eine einstweilige Verfügung die Entfernung von Bonbonreklame im Radius des Areals entfernen und durch…“

„… die vom EuGH bestätigte Klassifizierung der Lebens- und Genussmittel anwenden wolle. Da Streuzucker keinerlei Salz enthalte und so gut wie fettfrei sei, müsse die Werbung für ein gesundes Produkt auch in der unmittelbaren Nähe von…“

„… es erste Konfliktfälle gegeben habe. Zwar befinde sich die Supikauf-Filiale in Bad Gnirbtzschen im Sichtfeld der Kindertagesstätte Die kleinen Dinos, Marktleiter Tino F. habe aber die Entfernung eines Plakats für Waren der Marke Schleck Drei auch unter Androhung unmittelbaren Zwangs verweigert, da sich die Reklametafel auf seinem eigenen Grund befinde und er notfalls gerichtlich gegen die…“

„… selbstverständlich zu einem höheren Preis im Handel erhältlich sei. Bonbongranulat enthalte zwar gegenüber dem Haushaltszucker Farb- und Aromastoffe nur in sehr geringem Maße, sei aber gut dosierbar, was als erheblicher Produktvorteil…“

„… die von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Richtlinien in der Praxis gar nicht einzuhalten seien. Die Vergabe von fünf bis sechs Lutschbonbons, vierzig Gramm Schokolade oder sieben Fruchtkaramellen sei für Eltern ohne eine vorherige psychologische Schulung und die Hilfe eines Kriseninterventionsteams kaum in einem…“

„… befürchte die Union eine Zerstörung der deutschen Leitkultur. Ohne Schokoladenriegel und Cola sei eine traditionsbewusste Ernährung nicht möglich, weshalb eine Koalition mit den Grünen auf lange Sicht nicht…“

„… in die Notaufnahme der Charité eingeliefert worden sei. Die von Springer mit der Verteilung von Kandis in Grund- und Hauptschulen geförderte Öffentlichkeitsaktion habe bereits bei mehreren Kindern zu einem Zuckerschock geführt, was von den Eltern als…“

„… könne Spahn als Ex-Gesundheitsminister ausschließen, dass sich Diabeteserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nicht innerhalb weniger Sekunden abstellen lassen würden, wie das die von Özdemir betriebene Vorgehensweise suggeriere. Er werde nach seiner Wahl zum Bundeskanzler dafür sorgen, dass Kinder wieder alles in den Mund nehmen dürften, was sie…“

„… demnächst auch Bärchenwurst und dann alle Fleischprodukte verbieten werde, ohne die ein Mensch nur wenige Tage überleben könne. Merz werde die linksextremistische Zwangserziehung der Grünen durch das Bundesverfassungsgericht…“

„… es sich laut der Süßwarenhersteller nicht um die Werbung, sondern um den übermäßigen Verzehr von Bonbons, Dauerlutschern und Schokolade handle. Der Verband habe eine Warnung an den Ernährungsminister ausgesprochen, dass bei einer erheblichen Preiserhöhung die Steuerungswirkung ausbleibe, die Zufriedenheit der Wähler mit seiner Partei aber innerhalb kurzer Zeit eine…“

„… habe ein Gremium aus Fachleuten in einer noch nicht publizierten Studie erarbeitet, dass ein generelles Süßwarenverbot schwere Schädigungen bei Kindern und Jugendlichen auslösen werde. Die Experten würden mit Verhaltensänderungen und einer verstärkten Ansprache auf andere Suchtstoffe rechnen, unter anderem auf Tabakwaren, die trotz eines Werbeverbots noch immer in den…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DCLX): Hass auf Veganer

21 04 2023
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

So vieles, woran früher nicht einmal zu denken war, ohne dass einen die bürgerliche Gesellschaft sofort und dauerhaft aus ihren Reihen entfernte, ist längst geduldet, ja hoffähig. Grünes Haupthaar und zerrissene Hosen, die als Privileg des rebellierenden Jungvolks gelten, werden mit allerlei Metallwaren in diversen Gesichtsvorsprüngen toleriert, der bis ins Alter vordringende buntfarbene Hautschmuck hat den kitzelnden Hautgout der Knastbrüder für immer hinter sich gelassen. Jede Generation hat den Gartenzwerg für sich entdeckt, alles kifft, wiewohl man offiziell strikt gegen Rauschgift ist, nur der einsam auf dem Grillrost liegende Gemüsespieß, das Sojaschnitzel im Einkaufswagen und die Pflanzenmilch auf dem – wohlgemerkt privaten – Frühstückstisch sind das Ausschlusskriterium für den Nachbarn, der einem immer schon verdächtig vorgekommen war, das No-Go für Schwiegersöhne, die wahrscheinlich in der Zombieapokalypse der Dinosaurier flennend wegrennen würden, und alle anderen, die der ordentliche Normalbürger mit der abgesägten Schrotflinte auf Abstand hält, um nicht infiziert zu werden und plötzlich im rosa Tütü auf dem Biomarkt aufzuwachen. Der Hass auf Veganer berührt viele neuralgische Punkte in der defekten Psyche doppelplusnormaler Querkämmer, und er ist so einfach wie kompliziert.

Denn die grassierende Veganophobie beruht auf einer kognitiven Dissonanz in vielerlei Gestalt, die vom Selbstbild und seiner Körperlichkeit bis zum Distinktionsgewinn das ohnmächtige Wüten der Regression artikuliert. Einen Fötus auf Toast würde man dem vollbärtigen Hipster durchgehen lassen, aber der freiwillige Verzicht auf Tierprodukte ist in den Augen des gesellschaftlich mit Mühe in seinem bröckelnden Habitus gefangenen Bekloppten viel zu reflektiert, um nicht gefährlich zu werden. Der gemeine Verdränger streichelt gerne süße Kälbchen, bevor er ihre mit Hormonen gepimpten Überreste in die Pfanne kloppt, würde aber nie niedliche Katzen mit Pekinesenhack füllen. So schwiemelt sich der intellektuell überschaubar verschaltete Depp seine Klassifikation von nützlichen und nicht nützlichen Lebewesen zurecht, nennt sie im Anflug von Moral gar Werte und verteidigt sie gegen alle, die es nicht für Tradition und damit erlaubt halten, beliebige Arten zu verzehren, auch wenn sich Proteine mit dem Tier als durchlaufendem Posten dadurch viel weniger effektiv einsetzen lassen. Das Verständnis von Tradition, die erst mit der Industriegesellschaft korrekte Verhaltensnormen ausgeprägt hat, tut sein Übriges, denn wer hatte in den agrarisch geprägten Epochen täglich Separatorenabfälle der Viehzucht auf dem Teller? Vereinzelt verteidigt der Bourgeois sein Bioschwein, obwohl es von angeblich linken Ökofuzzis erfunden wurde und eigentlich normal ist im Gegensatz zur maschinellen Geburt, Mast und Tötung in einem Arbeitsgang. Die Umwertung von Natur und Technik, die das konservative Denken in seiner religiösen Verehrung des Fortschritts unter völliger Ablehnung seiner Voraussetzungen und Ergebnisse zu einer schizophrenen Selbstzerstörung macht, sorgt auch hier für Unlust. Der Veganer hält dem Hohlrabi den Spiegel der Erkenntnis vor.

Und so muss er auch an der dusseligen Mär mit aller Macht festhalten, dass man ist, was man isst. Was leider nicht funktioniert, da der Darm schlicht nicht unterscheiden kann zwischen Erbseneiweiß und Heringsprotein – genau genommen dürfte der Tierverzehrer Spaghetti mit Tomatensauce nur unter gesteigertem Brechreiz verzehren, müsste bei einem Marmeladentoast in Wehklagen ausbrechen, denn beides ist vegan und also mindestens Mord an der Gesundheit eines Leistungsträgers.

Weiß der bratwurstfressende Cholesterinjunkie von seiner klischeehaften Männlichkeit, wird er dem angeblich effeminierten Körnerfresser dieses Konstrukt von Tierverbrauch als Zeichen der Kraft doch immer wieder vorhalten, als müsse er seinen Schmierkäse im Urwald jagen, während sich die Sojamilch schlürfenden Tucken in einem Milieu bewegen, das der nur peripher mit Niveau belastete Bescheuerte so abgrundtief verachtet, weil er nie dazugehören wird. Statt also den eigenen Konsum zu reflektieren, was schon bei Auto und Flugzeug, Elektroschrott, Billigtextil und Wegwerfplaste nur zur Erkenntnis führt, Teil des Problems zu sein, wird die Abneigung gegenüber den Bessermachern nur zunehmen. Ähnlich wie andere Ideen, die eine systemische Veränderung der Gesellschaft zu einer lebenswerten und nachhaltigen Umgebung für alle auslösen, will er gerade dies nicht: eine Auswirkung auf alle, also letztlich auch auf ihn selbst. Solange eine Verbesserung nicht nur ihm selbst nützt, will er sie nicht, und geht es ihm nicht besser, ist er schon zufrieden, wenn es anderen schlechter geht.

Um diese Parallelexistenzen endgültig in die wohlverdiente Hirnembolie zu treiben, empfiehlt sich das Insektenparadox. Enthemmt blöken Bäcker von kerbtiertfreien Produkten – was der Wahrheit in den seltensten Fällen entspricht – als wären Würmer und Schrecken plötzlich wie Zwangstofu staatlich mit der Knute durchgesetzte Tierfresspflicht. Sicher nicht von den Veganern. Die würden nicht einmal welkende weiße Männer essen. Igitt.





Pflanzenschutz

23 03 2023

„… eine Gesetzesinitiative in der EU angekündigt habe, um die fortgesetzte Verbrauchertäuschung mit veganen Lebensmitteln endgültig zu beenden. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes e.V. sei fest entschlossen, mit der einseitigen Werbung für fleischfeindliche Erzeugnis ein für allemal…“

„… zunächst geklärt werden müsse, ob es für die Kategorisierung eines Lebensmittels als vegan einer verbraucherschutzrechtlichen Definition auf nationaler Ebene bedürfe, die auch bisher als nicht vegan eingestufte Waren mit einem Warnhinweis oder einem Verkaufsverbot im Einzelhandel sowie in gastronomischen Betrieben und…“

„… nicht mit der Unterstützung der Regierung rechne. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werde weder mit der Finanzierung einer Aufklärungskampagne noch durch Kontrollen im Einzelhandel zur Verbreitung der Ideen des Bauernverbandes beitragen, um die…“

„… auch die Fleischindustrie ein Interesse an Schutzmaßnahmen für Verbraucher habe. Es dürfe nicht sein, dass durch eine Mischkalkulation die vegane Produktpalette in den Läden subventioniert werde, so dass Fleischwaren für Kunden mit nicht so hoher Kaufkraft unzulässigerweise stark im…“

„… sei ein giftgrünes Siegel auf sämtlichen Produkten anzubringen. Rukwied fordere, dass das bisher gebräuchliche Signet, das vegetarische oder vegane Artikel auf freiwilliger Basis auszeichne, durch einen deutlichen Warnhinweis zu ergänzen sei, etwa um eine mehrsprachige und…“

„… lege das immer weiter wachsende Angebot an veganen Lebensmitteln nahe, dass Fleisch- und Wurstwaren aus dem Handel gedrängt werden sollten. Mehrere deutsche Konzerne, unter anderem die Tönnies-Gruppe, seien zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für…“

„… nach Ansicht der Experten bereits mit dem Verkauf von Obst und Gemüse beginne. Es gebe inzwischen ein deutschlandweites Netzwerk an Händlern, die vegane Produkte nicht deklarieren würden, um den Ruin der Fleischbranche billigend in Kauf zu…“

„… mehrere Entwürfe gezeigt habe, die aber alle nicht den Vorstellungen des Bauernverbandes entsprochen hätten. Man werde sich nach Aussage des Vorstandes allerdings auf die neu registrierte Wortmarke Vorsicht! Vegan! einigen, die das durch eine Abmahnung vorläufig verbotene Design mit einem Totenschädel und mehreren…“

„… müsse der Bundeskanzler sich an die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben halten und das Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel durchsetzen. Nach Rukwieds Berechnung sei bereits eine einziger Zentner Gemüse, der auf ein Kind falle, unmittelbar tödlich und müsse durch Maßnahmen wie eine…“

„… Verfassungsklage angekündigt habe. Der Sprecher der Bell Food Group habe bestätigt, dass er die Menschenwürde der Kinder gefährdet sehe, wenn Eltern ihnen unter dem Deckmantel gesunder Ernährung Obst und Gemüse geben würden, was zu einer lebenslangen Abhängigkeit von veganen Erzeugnissen führe, die nicht mehr mit dem…“

„… seien zahlreiche Lebensmittel, die auf der Basis von Soja hergestellt würden, ein Eingriff in die Rinderzucht, da die Futtermittelproduktion als konkurrierende Anwendung weniger Material in…“

„… vor Gericht mit dem Hinweis gescheitert sei, dass schon in geringen Mengen toxische Mittel zum Pflanzenschutz ausschließlich bei Gemüse und Obst, teilweise sogar bei Getreide, nie aber in der Tierproduktion verwendet würden. Westfleisch stufe damit seine Erzeugnisse als viel gesünder ein und wolle dies notfalls durch eine Klage vor der…“

„… entschieden ablehne. Lindner werde bei der Gestaltung des künftigen Bundeshaushaltes eine Streichung der Umsatzsteuer für Obst und Gemüse keinesfalls berücksichtigen, da dies eine Verzerrung des Marktes zulasten der Landwirtschaft und…“

„… nach dem Urteil nicht erlaubt sei, Schnetzel aus texturiertem Soja mit der Verpackungsaufschrift Dieses Erzeugnis lässt vorsätzlich Millionen unschuldiger Tiere verhungern in den Handel zu bringen, da dies suggeriere, dass eine einzige Tüte ausreiche, um viele Rinder gleichzeitig zu…“

„… sorge sich Vion ebenso um die sozialen Belange der Bürgerinnen und Bürger. Angesichts der Preisexplosion für Gurken oder Tomaten müsse der Gesetzgeber endlich Abhilfe schaffen und mit einer Subvention für Fleischwaren, Eier und Milch die ärmeren Menschen aus ihrer finanziellen…“

„… da immer mehr Fleischerzeugnisse mit veganen Komponenten verunreinigt würden. So sei der Antivegetarischen Alternative erst kürzlich aus herkömmlichem Fleischbrät hergestellter Aufschnitt aufgefallen, der heimtückisch mit Pistazien im…“

„… für ehrenrührig halte, da sie nicht auf einer Aussage der Bundesregierung beruhe. So habe die BILD-Schlagzeile Dieser Türke will deutsche Kinder totmachen! insinuieren wollen, dass Özdemir durch den Appell, mehr Obst und Gemüse zu essen, eine Gesundheitsgefährdung bei Kindern und Jugendlichen durch vermehrte…“

„… verlange der Bauernverband eine Umkehr des Einzelhandels. Es müsse nicht nur verboten werden, vegane Fleischalternativen zu verkaufen, es müsse vor allem ein flächendeckendes Angebot von Fleischerzeugnissen, die als Ersatz für pflanzliche Waren für eine breite Kundenschicht in…“

„… im Süßwarenhandel legal als Mäusespeck angeboten werde. Der Bauernverband verlange eine umfassende Kennzeichnung sämtlicher Produkte als nicht tierischen Ursprungs, bevor es zu einer…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DLXXXVII): Fresserziehung

22 10 2021
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die ästhetischen Ideale mögen sich im Lauf der Geschichte verändert haben, doch Nggr lebte weit davor. Noch im vorgerückten Alter von 27 war er sportlich schlank, aß Buntbeeren, Nüsse, oft auch Fisch aus dem kleinen Fluss neben der westlichen Felswand. Mühelos kletterte er auf Bäume, jagte die Säbelzahnziege und frischte den Genpool nach Bedarf auf. Seine jüngeren Brüder standen eher auf tierische Fette. Man sah es ihnen an. In der Folge gedieh nicht nur die Raubtierpopulation in jener Gegend, auch wertvolles Wissen ging verloren, zum Beispiel, wie man sich von Buntbeeren und Nüssen ernährt. Keine sozialpädagogische Maßnahme hat seitdem in unseren Breitengraden dafür gesorgt, die Kalorienversorgung des Volkes etwas gesünder zu gestalten. Wir bräuchten Fresserziehung.

Zwar jubelt eine ganze Fitnessbranche uns das Diktat sportlicher Dauerbewegung in die Hirnrinde, während die Mode alles, was sich bei der Drehung nicht als Strich vor dem Hintergrund ausmacht, als zu dick abkanzelt, aber den Size-Zero-Befehl muss jeder eigenverantwortlich umsetzen. Das wäre nicht so wild, würden nicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen grassieren, die den Medizinbetrieb belasten und die Lebenserwartung wieder auf prähistorisches Maß stutzen. Volkswirtschaftlich sollten wir es billigend in Kauf nehmen; netto lohnt es sich durchaus fürs Sozialsystem, wenn der Bürger frühzeitig die Rente verlässt, statt sich kostenintensiven Alterskrebs zu leisten. Aber hier geht es ja um die Werktätigen, die adipös und diabetisch Fußgängerzonen verstopfen auf der Suche nach der Frittenfettembolie. Muss der Staat hier nicht herzhaft und kräftig eingreifen?

Allein er tut’s nicht, weil ihm das Wohlergehen der Massen wumpe ist. Die Lobbyhörigkeit für Fett, Salz, Zucker und künstliche Zusätze steigert sich in absurde Höhen, wenn die amtierende Grützbirne in ministerieller Mission den Kalorienkonzernen nach dem Mund redet, um deren Umsätze aufzublasen. Halbherzige Einhegungsversuche mit Ämpelchen und Buchstaben machen die Talentdetonation nicht glaubwürdiger, am Ende bleiben die von der EU befohlenen Werbeverbote für Tabak und Alkohol, nicht aber für Chemieplempe aus dem Baukasten der sich blähenden Shareholder Values. Die Medien tun das Ihre. Warenkunde und Zubereitung werden mit Kochshows weggeschwiemelt, in denen sich große Teile der Bevölkerung nicht wiederfinden, da ihnen das Biobarock finanziell kaum möglich ist, wenn die Lebenshaltungskosten anschwellen. So viel Freiheit ist ungesund.

Der Staat entzieht sich folgerichtig aus seiner Verantwortung für die Volksgesundheit und stellt die Ernährungspolitik ein. Positive und negative Anreize sind so gut wie obsolet, wenn der Handel Schlachtabfälle aus Niedriglohnfertigung in die Kunden drückt, als gäbe es kein Morgen ohne das Menschenrecht auf Schnitzel. Wolkige Erklärungen umwabern die Aluhütchenspieler, die Tierwohl und mehr Nachhaltigkeit versprechen, auf dass der Deutsche nicht mehr mit dem SUV zum Discounter brettert, während sein französischer Nachbar in der Altente zum Sterneladen töfft. Gute Absichten, da macht uns keiner etwas nach. Und Nudging hat ja schon in der Impfkampagne prima funktioniert.

Alles, was der Politik einfällt, ist die reflexartig hochgepopelte Zuckersteuer, als könne man seinen Kohlenhydrathaushalt nicht auch mit Obst in die Nähe der Hyperglykämie treiben. Währenddessen hält eine ganze Gesellschaft es für den Normalfall, dass Singles im Jobmodell feststecken, das für den Alleinverdiener mit Vollzeithausfrau konstruiert wurde – mehr als Aluschalenfutter kann sich der Werktätige nicht leisten, wenn er nebenbei auch noch systemkonform konsumieren und die Freizeitindustrie bei Laune halten soll. Was wir an Cholesterin in die Arterien quetschen, ist die Folge der kapitalistischen Funktionalität, die uns Rädchen im Getriebe die notwendigen Nährstoffe zumisst. Ob und wie lange man das überlebt, ist nur eine statistische Größe. Oder ein Unfall.

Die klassische Haushaltsführung ist aus dem Kanon der Alltagsbildung verschwunden. Längst bräche ein durchschnittlicher Passant in Tränen aus, befragte man ihn vor laufender Kamera, was eine Mehlschwitze sei und zu welchem Ende man sie verfertige. Fertigfressalien, gewachsen im Regal der Einkaufszentren, pflastern unsere Wege. Während wir uns Analogkäse und künstliche Aromastoffe hinters Zäpfchen schmirgeln, ahnt kaum noch ein Standardverbraucher, wie das Zeug in echt röche. In Kitas und Schulen wächst gerade eine Generation neu heran, die kostenoptimierte Kost reinpfeift, wo die bürgerliche Brotdose ausgedient hat. Ab und an sieht man geradezu herzige Versuche, den Kindern mit einer rohen Karotte die Feldfrucht an sich zu demonstrieren – meist ist ein TV-Koch dabei, ein Promi nicht weit, ein Politikdarsteller sondert seins ab, und alle sagen: wir müssten viel mehr tun für die gesunde Ernährung. Warte nur, balde gibt’s die Grünzeugschnipsel in Dino-Form, TK-Ware, extra kleine Portionsgröße, damit man die Abzocke auch so richtig rafft, und dann hagelt es Vitamine. Nur noch kurze Zeit. Wir suchen gerade die Knalltüte, die dafür Reklame machen könnte. Alles wird gut.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DXXXIV): Das Weinfest

2 10 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die ersten Spuren des Anbaus sind schon in der Jungsteinzeit nachweisbar, die frühe Meisterschaft des Kelterns entstand an den Gestaden des Schwarzen Meers. Während im Zweistromland die Angestellten der Gottkönige noch am Dünnbier nuckelten, quetschte man am Kaukasus Trauben, um sich mit Hilfe von Biochemie vor einem Tag mit Kopfschmerzen aus der Hölle wenigstens noch einen lustigen Abend zu machen. Bis heute hält sich hartnäckig die Ansicht, der Konsum von Wein sei eine einigermaßen kultivierte Angelegenheit, zu der bereits ein durchschnittlicher Supermarkt das erforderliche Zubehör liefere. Zwar schädeln Bordeaux & Co. nicht so schlimm wie der gute alte Schnaps, vor allem lässt sich die gewünschte Blutalkoholkonzentration leichter und über einen längeren Zeitraum hochpegeln, aber der Nachschub ist mit einer größeren Menge an Altglas verbunden, die aus mehreren Besuchen beim Dealer resultiert. Immerhin ist die Kombination von Roggenkorn und Seezunge oder Wodka zum gemischten Salat in der bürgerlichen Gesellschaft nicht ganz so populär geworden – in Ausnahmefällen darf man zu rotem Fleisch auch klaren Fusel reichen – und wurde nie ganz durch die Konventionen ersetzt, die man für gewöhnlich mit der besseren Gesellschaft assoziiert oder zumindest noch vage in Erinnerung hat. Unangenehm nur, dass Gesellschaft stets irgendwas mit Menschen zu tun hat, mit denen man sich trifft. Zum Beispiel auf dem Weinfest.

Diese unangenehme Jahreszeit, in der es inzwischen nicht mehr so heiß ist, dass man unter dem Vorwand gesundheitlicher Vorsorge ganztags in der eigenen Wohnung bleiben darf, ebendieser Spätsommer bis Frühherbst ist überliefert als Zeit der Lese, was in dieser industriell geprägten Epoche auch nichts anderes heißt, als dass Erntehelfer aus wirtschaftlich abgeschlagenen Halbdiktaturen für ein paar Wochen in verwarzten Baracken ihre aus der Heimat eingeschleppten Infektionen auffrischen und nebenbei durch die auf Ertrag optimierten Steilhänge kriechen, um tonnenweise Trauben in die Vergärungsmaschinerie zu pfropfen. Doch das alles will der mittelmäßige Gelegenheitssäufer nicht wissen, in seiner Vorstellung sind’s noch immer die ländlich-sittlich gekleideten Winzer, wie man sie aus der Klischeefabrik des Tourismus kennt, die die Frucht wacker in den Bottich schlenzen und mit eigener Mauke zusammenstampfen. Dann also lockt auf jeder verfügbaren Freifläche, die vom Stadtmarketing nicht rechtzeitig für anderweitige Allotria reserviert werden konnte, ein gar lustiges Durcheinander aus billigen Bänken, erzeugerseitig zusammengeschwiemelten Buden regionaler Art und Anmutung sowie das nackte Grauen an Deko, wie sie nur im rieslinggeschwängerten Halbschlaf der Vernunft ersonnen wird. Als kulinarisches Angebot fungiert ein Ensemble vorgetrockneter Käsereste, ergänzt von Flammkuchen, wie man sie aus dem Discounter kennt und schätzt, wenngleich sie dort etwa 280% weniger teuer sind. Es soll ja, man kennt dies von Oktoberfest und Adventsmarkt, am Ende etwas rauskommen.

Nachdem die gründliche Fehlannahme sich in der Bevölkerung festgefressen hatte, alles mit zwei Fingerbreiten Abstand vom Mindestlohn sei bereits Mittelschicht, setzt sich diese Klientel auf morsches Gebälk und schunkelt unter Druckbetankung, oft in sensorischer Unkenntnis der jeweiligen Produkte, die gerade ausgeschenkt werden. Nicht eben selten prangen auf den Plastekanistern Klebeschildchen wie Silvaner, Rivaner, Grauburgunder oder Bitte erst durchspülen, am Morgen eines neuen Tages vom Patron lotteriemäßig aus der Schürzentasche gekramt. Kein Sommelier könnte im Halbdunkel und unter schwerem Einfluss von Kölnisch Wasser aus der Transpiration vorgerückter Alterskohorten die Flüssigkeiten an der Konsistenz erkennen, an der Farbe schon gleich gar nicht. Da zeitgemäße Events auch dieser Art inzwischen unter ballernden Beats aus der Elektrokonserve stattfinden, hat sich die genießerische Qualitätseinschätzung der Ware mit einem abrupten Nachmöpseln verabschiedet.

Zugleich ist das Weinfest die harmlose kleine Schwester der Bierveranstaltungen, mit denen zwischen Ende und Anfang des Bodenfrostes unter freiem Himmel drogeninduzierter Kontrollverlust als traditionelles Brauchtum verkleidet gefeiert werden dürfen. Sich gepflegt einen hinter die Binde zu bembeln und dabei wildfremden Personen in die Epidermis zu rutschen, das macht den speziellen Reiz der Leberrallye aus. Drei Tage, zwei Wochen oder irgendwas dazwischen treffen sich ganze Soziotope zum Synchronlallen. Es schweißt alles zusammen, was unter normaler Betrachtung noch nie zusammengehören wollte. Immerhin fügt sich dieser Veranstaltungstyp bestens in die Mentalität der Teutonen ein, die aus historischer Perspektive sonst nur Geplärr im Hopfenkoma als Ruhestörung an die Polizei melden und dafür die Prügelstrafe fordern. Und eines muss man dem Weinfest zugutehalten: es gab und gibt nirgends, nicht und nie eine einzige Blaskapelle bei diesem Bums. Keine. Mehr Kultur kriegen Deutsche nicht hin.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DXX): Fleischverzehr

26 06 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Als der Hominide selbst noch in artgerechter Bodenhaltung durch die Urwälder krauchte, sich von mobilen Eiweißquellen mühsam zu ernähren versuchte oder alles lutschte, was zwischen Baum und Borke zu finden war, da hatte er noch eine lange Reise vor sich, einerseits, was den Intellekt betraf, andererseits in Bezug auf seine körperlichen Fähigkeiten. Die Nahrung war so rar wie degoutant – der Begriff Schmetterlingssteak hatte eine vollkommen andere Bedeutung. Zudem nahm der Urmensch seine Mahlzeiten to go zu sich, es sei denn, er konnte das schmackhafte Fluchttier von der Notwendigkeit des Verweilens überzeugen, in manchen Fällen auch davon abhalten, seinen Jäger als Zwischenmahlzeit zu betrachten. Dazu brauchte es Geschick und Geschwindigkeit, für die dagegen Proteine förderlich waren; diese wiederum ergaben Schläue und Schmackes. Mehr oder weniger tote Tiere zu essen schien den Chefprimaten nachhaltig zu stärken. Es hätte so weitergehen können.

Doch irgendwann war’s der Jäger und Sammler wohl leid, von der Hand in den vorgewölbten Mund zu leben. Und wie er dem Keimen und Blühen der Gräser so zusah, die ersten Paarhufer zähmte und deren Milch als Sättigungsbeilage entdeckte, wuchs in ihm der Gedanke, statt Blätterdach und Höhle so etwas wie eine Behausung zu benutzen, wie ihm das ständige Umherziehen in fremder Umgebung zu ersparen wusste; nur manchmal noch blubbert der archaische Reflex wieder auf, wenn der moderne Honk auf der Bundesautobahn im Stau steckt und in einer gewaltigen Übersprungshandlung seinen Zorn gegen den Himmel brüllt. Auch wenn es noch keine Städte gab, der Sapiens konnte den Klimawandel vernünftig kompensieren. Er erfand das Brot, und er erfand das Bier. Alles war gut. Vorerst.

Es hätte auch dauerhaft so bleiben können, wäre nicht tierisches Eiweiß, das für Jahrtausende ein Luxusprodukt überwiegend für den aristokratischen Geltungskonsum bleiben sollte, irgendwann in die Mühle des Kapitalismus geraten. Dem Bauern hatte man noch jeden Sonntag sein Huhn im Topf als Anzeichen wachsenden Wohlstandes versprochen, wohl wissend, dass man ihn damit regelmäßig zur Vernichtung seiner eigenen Produktionsmittel trieb. Mit dem Ausbrechen der Industrialisierung, die vor Tier und Mensch nicht halt machte, wurde beide das, was sie bis heute sind: Ware.

Die betriebswirtschaftliche Optimierung ist nicht einfach, wenn das Benutzgetier alsbald ganz nach Kundenwunsch seziert wird. Das Versprechen vom Aufstieg durch herrschaftlichen Fleischverzehr ist dem kapitalistischen Kleinknecht heiß zu Kopfe gestiegen; er dünkt sich distinguiert, wenn er vom Opfer nur noch Filet frisst, vom Hühnchen nur noch die geschmacksfrei gezüchtete Brust auspopelt und den Rest in die Verwertung rülpst. Der Diener am DAX kennt kein Schwein mehr, er kennt nur noch Gehacktes, und selbst das nur noch in aseptischer Verpackung, die just an der Blutrinne gestopft wird.

Wie den eigenen Tod verklappt die schöne neue Gesellschaft der Zweckmäßigkeit das Zermetzeln eigens dafür erzeugter Tiere in die Effizienzzonen der Wirtschaft: ein Stück Vieh auf seinen Nutzwert als Wurst und Braten dimmt die Emotion und führt sie auf die Notwendigkeit zurück, die uns allen längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Weder Angst und Dreck noch der Verbrauch an Sklaven, die Schnitzeltiere über die Klinge springen lassen, rechnet der Gewohnheitsgriller ein. Als wüchse das Kotelett am Baum, so pfeift sich der Hohlrabi den Zellhaufen rein, der ihm dröges Gemüsekauen erspart. Die Evolution, sie frisst ihre Kinder.

Dass es auch mit weniger geht, fleischarm, gar fleischlos bis frugivor, bringt blind an der Keule nagende Fortschrittsglaubende in rohe Wut. Der Veganer nämlich, heult’s am Schwenkrost, muss ja diese und jene Stoffe zuführen! Der ist nicht, was er isst! Als sei der Hormoncocktail, der die Rippchen geschmeidig macht, pure Natur, vom lieben Gott persönlich der Sau injiziert, die sich nichts anderes gewünscht hat als die kurze Inkarnation im Liegen, damit der Speck ihr behende am Arsche schwillt. Ach, wie glücklich, wer sich Krebs und Gicht in die sterbliche Hülle schwiemelt, weil er ja vor seinem äußerst durchschnittlichen Ableben noch jede Menge Sondermüll in den Wohlstandsbauch ballert.

Wohlan, machet die Leberwurst teurer, dass die viel beschworene gesellschaftliche Mitte greint und die ärmeren Schichten freiwillig Kraut und Rüben in den Topf tun! Dumm nur, dass es nichts nützen wird, denn der Widerwart an Zuständen, der jetzt die Fleischindustrie beherrscht, er wird sich nicht an höheren Preisen brechen, wie auch eine billige Nietenhose aus billigem Stoff nur ein paar Meter entfernt im selben Textilgulag gefertigt wird wie die Designerjeans, die sich nur durch ein Label mit klingendem Namen von den Proletenplünnen unterscheiden lässt. Wir verdrängen tapfer den Zusammenhang zwischen Leid und Leberkäse, Gulasch und Grauen. Der Mensch entfremdet sich nicht nur vom Werk des industriell betriebenen Schlachtens, er entwertet mit dem Akt an sich auch das Erzeugnis. Er ist, was er isst: Wurst. Was da reinkommt, weiß er besser nicht.





Gernulf Olzheimer kommentiert (DXVI): Die Küchenschublade

29 05 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Alles war einfacher, als Uga noch direkt vom Baum aß. Seine Söhne hatten schon mehr mit der Evolution zu tun, sie trugen nicht nur die Früchte des Buntbeerenbuschs in die Einsippenhöhle, sie schwenkten auch langsam auf eiweißreiche Kost um: Säbelzahnziege, Backenhörnchen am Spieß und Wollnashorn. Nachdem Rrt sich einst beim Zerlegen eines Beutelsäugers gewaltig in die Finger geschnitten hatte, beschloss die Familie, ihm das Essen mit der verbliebenen Hand zu erleichtern: sie zerkleinerten die traditionell am Stück servierte Keule vor dem Verzehr mit dem Knochenmesser, und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Der Way of Life, von der Hand in den Mund zu leben, hatte seinen ersten Bruch erfahren.

Hübsch zu erwähnen, nur nicht bei römischen Sittenlehrern, ist die Tatsache, dass Petrus Damiani die Gabel, das Essinstrument der Pastafari, als Werkzeug des Teufels gebrandmarkt hatte; sicher ist, dass sich die Katholiban auch in höheren Chargen einen fliegenden Darmwind um derlei modischen Grützkotz geschert haben, sobald sie der dumpfen Gesellschaftsschicht kommunizieren konnten, dass es nur legitim sei, sich die Kalorien mit den Fingern bis in die nicht mehr vorhandene Bezahnung zu pfropfen. Wahrscheinlicher ist, dass Hildegard von Bingen, Erasmus von Rotterdam und Louis Quatorze von der Gouvernante eins auf die Griffel gekloppt bekommen haben, weil sie ihre Flossen in den Braten gesteckt hatten, bevor der Zeremonienmeister den Schlitzwender in den Gurt gesteckt hatte. Heute aber muss keiner mehr theologische Höllengespräche führen um die Frage, ob die drei- oder die vierzinkige Gabel für Salat geschmacklich und ästhetisch oder testamentarisch geeignet sein könnte. Böse Zungen wollen wissen, Luther selbst habe im inneren Konflikt zwischen Fisch- und Konfektgabel Geschmacks- und Gottesfurcht total verloren, wobei sich heute nur eins nachweisen lasse. Sicherlich nicht Fisch.

Wer immer sich den vormodernen Megabums an Lebensmittelverschnippelungsgelump vorgesellt hatte, er besaß eine putzig eingeschränkte Fantasie. Möhre oder Kartoffel vor dem Kochvorgang zu enthäuten ist das eine. Ein komplettes Universum an Zutaten jedoch zu transformieren, das erfordert schon eine quadrantenverschobene Echtzeit, auch und deutlich in der sich rasch wandelnden Wahrheit des aufpoppenden Bürgertums, das aus der Quere der bourgeoisen Möchtegerne sich zu behaupten wusste. Hier wurde das Schlürfen nicht weniger als unanständig, es ging nur den Anständigen gewaltig an der Sitzfläche vorbei. Und da mündet der Anspruch des Bürgertums. Sie wollen kochen.

Leider mit Gedöns. In einem durchschnittlichen Reihenhaus, pädagogische Angestellte, Fachmann für Handwerksgeschraub, sie haben das lange genug studiert und wissen, wie die Butter sich im Baufett manifestiert. Man zieht das ominöse Fach auf und verfällt in vorsokratisches Staunen. Butter-, Obst-, Dessert-, Brötchenmesser, bei denen noch nicht einmal klar ist, wie sie ihre semiotische Form aus der halbwegs bekloppten Form hatten schwiemeln können, ohne dass Eco mit einem soliden Lachanfall die Frühstücksindustrie in Grund und Boden interpretiert hätte. Schichten zwischen halbfestem und nicht wirklich unterem mittlerem unterem Bürgertum der unteren bürgerlichen Klasse haben sich mit dem Pfirsichmesser geplagt, aber das waren nicht die wirklichen Kriegszustände.

Das wimmernde Bürgertum hat alles: den leidigen Apfelentkerner und den Ananaskastrator, weil man ja ständig Ananas frisst; Austern- und Hummergabel, Schneckenzange, Knoblauchschäler und Paprikaenthäuter. Ohne Lachsmesser (für drei Konsum-Punkte in der Handels-Kloake der Wahl erhältlich, Set à zehn Messer) und Käseschneider (fünfzig Punkte, etruskischer Wellenschliff, Schaft aus handgeöltem Büffelhorn mit Griffmulden im Gladiatorenstil) warzt diese Stumpfbestückung in ein elendes Geröll ab, dem man sich nicht gern stellt, selbst nicht vor der Küste. Käsemesser und Erdnüsschentange spotten den Gegenübern, mit denen man Eiswürfel, industriell entkernte Oliven oder sonstiges Schrumpelobst über die Tischfläche hinweg zirkulieren ließ. Wozu diese Apotheose von Messer und Gabel jeden hätte führen können wenn nicht ins Sortierbingo des Außenhandels, das aber habe sich die Industrie nie geäußert. Wir aber müssen noch lange über Tomaten- und Melonen- und Papayaschälern meditieren, damit wir nicht merken, dass staatlich geprüfte Nichtschwimmer mit diesem Unfug uns auf die Rehe gehen.

Vermutlich gibt es längst eine Abteilung in den Forschungen der Besteckindustrie, die herausfindet und produziert, was uns am meisten auf die Plomben geht: Erdbeerentkerner, Schneelöffel, Heringsbesteck, Margarinestreicher. Sie wollen uns damit abschaffen, wie eine demnächst entstehende Verschwörungstheorie feststellt. Aber es wird ihnen nicht gelingen. Die Erdbeerlöffel retten uns.





Landlieferdienst

9 04 2020

„Dreizehn Lamm, dreizehn Steinbeißer, Kartoffeln extra, und ich will jetzt endlich diese verdammte Rosmarinsauce!“ Bruno hieb mit dem Handtuch auf die Tischplatte, dass Petermann zusammenzuckte. Fast hätte er sich geschnitten. Die Nerven lagen offensichtlich blank in Bücklers Landgasthof.

„Es ist das erste Mal seit zwei Wochen“, stöhnte Hansi, der jüngere der beiden Brüder, während er einen neuen Sack voller Styroporboxen aus dem Vorratskeller in die Küche trug. Wo sonst in drei bis vier Reihen edles Porzellan auf die Kreationen von Bruno, genannt Fürst Bückler, wartete, da standen nun Schaumschachteln, in denen Zander und Entenconfit landeten, feine Salate, sautierter Grünspargel an Blutorangenfilets. „Immerhin läuft es ganz gut.“ Die Küchenhilfe hebelte Maultaschen in die Boxen. Hansi nickte. Aus dem Hintergrund kam Luzie, ganz nebenbei immer noch die gutböse Seele einer gewissen Kanzlei, klappte geschwind die Behältnisse zu und gab sie in einen Korb. „Elf fünfundvierzig“, schrie Petermann, der Entremetier und Bücklers sturmerprobte rechte Hand, obwohl ich nur eine Armlänge – zu kurz, aber wir waren ja bei der Arbeit – von ihm entfernt stand und der Kollegin die Schachteln anreichte. „Sieben“, rief Bruno, „dazu noch sechs Seeteufel, ein Filet, die Suppen und Obstsalat!“ Luzie Freese, lange Jahre heimliche Leiterin vom Empfang aus, warf ihm ein Handtuch zu, nicht dazu aufgefordert, doch sie sah, es war gut so. Bruno tupfte sich die Stirn.

„Wir servieren alle fünfzehn Minuten“, erklärte der Küchenchef. „Es ist nicht dasselbe, aber wir haben unsere Kundschaft, gerade in diesen Tagen.“ Zwischendurch drapierte die Küchenhilfe hurtig Spiegeleier für zwanzig Portionen Labskaus auf die Platten. Petermann rief die beiden Aushilfen für den Service an, und sie packten die Boxen umgehend in die Transportkörbe für den Kunden im Gasthof, der schlacksige Junge mit dem unbeholfenen Grinsen, der noch nicht wusste, ob er alles richtig machte, und Horst Breschke.

Der pensionierte Finanzbeamte stapelte eine Portion über die andere, wie man es ihm gar nicht zugetraut hätte. „Außerdem habe ich mir mal ihre Bücher angesehen“, berichtete er. „Man kann da ein paar Sachen sparen, und sie schenken der Steuer zu viel.“ Ich runzelte die Stirn. Würde Herr Breschke auf seine alten Tage etwa gegen den ehemaligen Dienstherrn vorgehen? „Jedenfalls müssen wir die Bewirtungsbelege für einige Herrschaften nochmals prüfen, und da kommt eine Menge Arbeit auf die Kollegen in der Oberfinanzdirektion zu.“ Er legte einen neuen Korb auf, in den Luzie sogleich den Topf mit der Rosmarinsauce stellte. „Steinbeißer kommt“, schrie Bruno, obwohl er direkt neben uns stand. „Ich werde schon einmal den Kofferraum öffnen“, sagte Herr Breschke. „Sie kommen dann gleich nach, sobald auch die anderen Sachen fertig sind?“ Ich reckte den Daumen in die Höhe. Bruno packte ein Handtuch mit Vorlegebesteck neben die Fischboxen, dann kümmerte er sich um den Rest der Bestellung. „Andere hat es erheblich schwerer getroffen“, meinte Hansi. „Salzmanns Sterneladen an der Kranichkuppe wird nicht überleben.“ „Das sind die mit den neunzehn Gängen?“ Er nickte. „Wie will man eine geschmolzene Schalotte im Lakritzrauch außer Haus servieren?“

Die letzten beiden Körbe waren verladen, Luzie schloss die Klappe des Kofferraums und setzte sich auf den Beifahrersitz. Ich telefonierte. Dann fuhren wir los. „Nicht zu schnell“, warnte ich. „Es wird nichts verrutschen“, beruhigte mich Breschke, „Hansi hat den Kofferraum mit Gummimatten ausgelegt, und dann…“ „Aber wir sitzen zu dritt in einem Auto, und ich möchte mich nicht erwischen lassen.“ Luzie hielt den Bestellzettel in die Höhe. „Wir dürfen das.“ Ich las: Bücklers Landlieferdienst für Speisen und Getränke. „Um die rechtliche Seite macht Ihr Euch mal keine Sorgen, ich habe eine blühende Fantasie. Und ich weiß ganz gut, wo welche Paragrafen stehen.“

Herr Breschke fuhr sachte um den Kreisverkehr am Ortsausgang und bog auf die Landstraße ein. „Ich werde bis Wiebelrade fahren und dann auf die Bundesstraße bis Knöckelsdorf, ab da ist es ein Katzensprung bis zur Försterei.“ „Aber bis zur alten Schäferkate und dann über Gruntzwede wäre es kürzer.“ Er wiegte bedächtig den Kopf. „Kurz vor der Napoleonbuche ist ein Kontrollposten. Von mir haben Sie das nicht, und Staatsanwalt Husenkirchen hat hier keiner erwähnt, oder haben Sie etwa gerade den Namen gehört?“ Luzie grinste.

„Da ist es ja!“ Bedächtig bog Breschke auf den Waldweg ein, dass es nicht zu sehr rumpelte. Ein hübsches kleines Rund von dreizehn Partyzelten stand gut versteckt hinter dem Forsthaus auf der Wiese. Jeder dieser weißen Tuchbauten war mit einem Tischchen nebst Geschirr und Tafelsilber, Gläsern und Blumenschmuck ausgestattet. Frau Breschke seufzte erleichtert auf, Doktor Klengel hob zum Gruß sein Glas und deutete eine leichte Verbeugung an. „Da wir in keinem geschlossenen Raum sitzen“, sprach Staatsanwalt Husenkirchen, „sehe ich hier die Verhältnismäßigkeit als durchaus gewahrt an, nicht wahr?“ Anne schluckte. „Ich hatte mir meinen Geburtstag etwas anders vorgestellt“, sagte sie. „Aber man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen.“ Herr Breschke verteilte Brot auf die Teller. „Warum ist das keinem früher eingefallen?“ Doktor Klengel kicherte und stellte sein Glas auf den Tisch. „Ich weiß nicht. Vielleicht ging es uns zur gut.“





Ausgewogene Kost

21 01 2020

Die rote Linie an der Wand lief schnurgerade an der Wand entlang. Es roch muffig, wie nach feuchter Wäsche, und genau das hätte man hier unterhalb des Gebäudekomplexes auch erwarten können. „Nur noch ein paar Schritte“, ächzte Fritzchen mit angehaltenem Atem. „Wir sind gleich da.“ Ich blickt auf die blaue Linie. „Sie sind sich sicher, dass wir nicht aus Versehen in der Pathologie landen?“ Er grinste gequält. „Das riecht hier immer so.“

Und Gustav Fritzchen, der Abteilungsleiter der Verpflegung, sollte natürlich recht behalten. Hier im Bauch der städtischen Klinik waren es nur wenige Meter bis zur Küche; kurz danach kamen wir am Lieferanteneingang an. „Legen Sie den Kittel an“, riet mir Herr Fritzchen. „Selbstverständlich“, antwortete ich. „So ist es gut“, lobte er. „Wenn Sie sich hier schmutzig machen, müssten wir am Ende noch die Reinigung bezahlen.“ Ich gehorchte und sah mich um. An der Schmalseite des Eingangs stand eine Beiköchin und wendete Wurstscheiben auf einem großen Teller um. „Aha“, merkte ich anerkennend auf. „Sie lassen die Salami für die Beilagen etwas Temperatur bekommen.“ Er guckte reflexartig nach unten, und ich weiß nicht mehr, ob er auch den Kopf schüttelte. „Das ist Jagdwurst“, erklärte Fritzchen. „Unsere Patienten sind einen gewissen Standard gewohnt, deshalb müssen wir den produktseitigen Feuchtigkeitsgehalt an die hier üblichen Verhältnisse anpassen.“ Ich war erstaunt. „Sie meinen, Sie trocknen die Wurst für morgen aus?“ Er sah sich erstaunt im Raum um. „Das ist so nicht ganz korrekt. Die Wurst ist selbstverständlich für übermorgen.“

Es war nicht zu leugnen, man hatte mich hierhin geschickt, die Qualität der Krankenhausverpflegung zu beurteilen. Mehrere Versuche, eine schwere Magenerkrankung zu simulieren, einen Beinbruch vorzutäuschen oder mich für Napoleon auszugeben – seit den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen waren die geschlossenen Abteilungen sowieso bis auf Weiteres ausgebucht – waren dann doch fruchtlos geblieben, also musste ich mich in diese unliebsame Rolle begeben. „Wir versorgen hier etwa dreitausend Betten mit drei Mahlzeiten pro Tag“, informierte mich Herr Fritzchen. „Da muss man einen strikten Plan einhalten, sonst ist die Versorgung gefährdet. Und Sie müssen dabei immer berücksichtigen, wir arbeiten nicht für eine normale Kantine, dies ist die Verpflegung für ein Klinikum.“ Er blickte auf den Plan der Wand. „Die Zeiten in einer Betriebskantine habe ich lange hinter mir. Zehntausend Essen. Das ist zum Glück vorbei.“

Der Küchenhelfer zerlegte mit Hilfe eines offensichtlich stumpfen Messers grüne Gurken in unregelmäßige Scheiben. „Wir lassen moderne Einflüsse in unserer Küche zu“, schwärmte Herr Fritzchen. „Aber mit einem Gurkenhobel ginge das doch viel schneller?“ Er lächelte milde. „Einerseits setzen wir auf Individualität, andererseits ist dies auch ein gutes Mittel der betriebswirtschaftlichen Performance. Sehen Sie?“ Ein dienstbarer Geist sortierte je drei unregelmäßige Gurkenscheiben mit der Pinzette in ein Glasschälchen. „Wir achten sehr genau darauf, dass eine der Scheiben besonders dick ist, so haben wir immer eine Diskussion unter den Patienten.“ Ich begriff. „Es gibt also eine Art vertreibende Verpflegung.“ Er lächelte wieder. „Die Verköstigung ist als eine durchaus aktivierende Maßnahme zu verstehen.“

Über den Nudeln in Kessel IV stand ein laut piepender Zeitmesser. „Damit wir die nämlich nicht vergessen“, strahlte Hotte, Chefkoch der Etage. „Die kochen normal bis hier, irgendwie – und dann noch zehn Minuten extra.“ „Was steht denn auf der Verpackung?“ Fritzchens Gesicht verfinsterte sich schlagartig, aber das machte mir gar nichts aus. „Sie haben Ihre Richtlinien.“ Er riss unbewusst die Knochen zusammen. „Teigwaren werden auf der gastroenterologischen Station verabreicht, sonst nur die normale Kost.“ „Interessant.“ Er rührte sich. „Die essen es zwar, aber wenn sie es nicht bei sich behalten können, hören wir nie eine Beschwerde.“

Ich hatte zwar schon genug gesehen, aber mein Küchenaufseher schien noch nicht recht zufrieden. „Wir haben auch noch Speisepläne für Sonntage, Magenkranke und wenig interessante Fälle.“ Ich blätterte in meiner Liste. „Es fehlt hier aber auch ein Gericht mit Vitamin B9 und eine Speise mit…“ „Großartig!“ Fritzchen strahlte. „Sie sehen, die Ärzte werden unsere Patienten wieder in unser Klinikum einweisen, wo sie mit genau derselben Diät dieselben Ergebnisse…“ Ich drehte mich abrupt um.

„Moment“, keuchte Herr Fritzchen. Die rote Linie war schon zur Hälfte am Ende, der allgemeine Versorgungstrakt fast gewonnen. „So ist das ja nicht, wir haben eine besondere kulinarische Linie für Sie eingeplant.“ Zögernd blätterte er in seinem Ordner die Fischstäbchen auf. „Sie werden doch wohl einsehen, dass wir diesen Luxus nicht jedem Patienten angedeihen lassen können, oder?“ In der Tat, die Petersiliendekoration ließ mich zweifeln. „Wir sollten das nicht an die große Glocke hängen.“ „Ach, ich würde Ihnen so gerne ein paar frische Brötchen mitgeben“, sagte er. „Kommen Sie einfach übermorgen noch mal vorbei.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CDLXXXIV): Orthorexie

4 10 2019
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Der Speisezettel in Rrts Höhle war einfach, aber effektiv: Buntbeerenmus an Buntbeeren, im Lenz frische Buntbeerenblüten, im Herbst getrocknete Buntbeeren, dazu saisonale Gräser und Eiweiß aus der nahegelegenen Steppe, manchmal auch von unvorsichtigen Säugetieren. Mitglieder der Sippe, die die Jagdausflüge nicht im Ganzen überstanden, wurden nicht Teil der Gemeinschaftsverpflegung; man hatte bereits einen gewissen Zivilisationsgrad erreicht. Später jedoch, als die Verfügbarkeit von Nahrung anstieg durch Ackerbau und Viehzucht, begann der Hominide überwiegend mäkelig zu werden. Spätestens mit der Gegenbewegung, sich nicht zur Arterhaltung die Speckschürze zu füllen, sondern gesund, vital und bewusst zu futtern, kollabierte der Kauer und fand sich im Zwang wieder, sich nur nach dem Buchstaben des Gesetzes Kalorien hinters Zäpfchen zu schwiemeln. Hier und da übernahmen Religion und andere Nahrungstabus das Geschäft der neurotischen Konditionierung, der zur Wahlfreiheit verdammte Jetztmensch muss das mit einer Macke erledigen. Mit Orthorexie.

Denn längst ist nicht mehr klar, was noch als physisch, psychisch oder wie auch immer politisch korrekte Ernährungsform gelten kann, darf oder muss. Zwischen Low-Carb, Low-Fat, Glyx und FdH, Trenn- und Steinzeitkost drängeln sich Clean Eating, Dinner Canceling und andere hilfsverbal zu großem Getöse aufgeblähte Schluckbeschwerden, mit denen Diätpäpstinnen, Magermodels und Köche ohne Fortune die Masse in den Wirrsinn treiben. Ist die regional gekaute Karotte als fettfreier Faserstoff noch zulässig, physiologisch überflüssig oder eine notwendige Ersatzhandlung? Gehen drei Möhren als Mahlzeit durch oder soll man es lassen? Ist es unabdingbar, sie roh und auf drei Stunden verteilt zu nagen, oder tödlich? Taugt Fasten etwas, wenn man es überlebt? Schon für normale Fettverbrenner und Metaboliker stellt die Stulle einen Akt größerer Rechtfertigung dar, wenn man sie vor feindlichem Publikum zückt – öffentlich hinter die Kiemen geschobene Kohlenhydrate sind inzwischen fast so schlimm wie Rauchen auf der Säuglingsstation.

Geschenkt, dass inzwischen jeder seine eigene Essschule als dogmatisches Glaubenssystem vor die Säue werfen darf, die den Schmodder für Perlen halten. Der Bekenntniszwang, keinen bösen Weizen und keine bösen Avocados zu vertilgen, ist zugleich die Unterwerfung unter eine gleichsam ideologisch festbetonierte Unterscheidung einschließlich des Schubladendenkens, das in allen Glaubenssystemen erst Freiheit verspricht, wenn die Kiste komplett vernagelt ist. Auf der Basis des postmodernen Fitness- und Körperwahns, der unter dem Diktat der Selbstoptimierung alles in den Wahn knüppelt, wird die angstgetriebene Vermeidung zum Instrument der Heilsbotschaften, die überdies größtenteils ohne humanmedizinische Fachkenntnisse in den Äther, meist aber auch nur ins Netz gerülpst werden. So erzeugt als kleine Schwester von Fress- und Brech- die Normfuttersucht ihren eigenen Druckraum im Hirn, wo das mangelhaft empfundene Selbstbild auf ein gründlich geschranztes Zwangsverhalten trifft und die jene Dressur ermöglicht, die den Esser zum Sklaven seiner Nahrung macht.

Wie mit einem göttlichen Verdikt überzogen bleibt dem Neurotiker nichts anderes, als Läden und Märkte nach dem moralisch erlaubten Produkt zu durchsuchen, ohne Fett, Farb-, Konservierungs-, Zusatzstoffe, stets überwölbt von der dräuenden Schuld, der kultisch unreine Dosenpfirsich könnte an der Höllenpforte die Stachelpeitsche schwingen. Nur im Zustand konstant gezählter Kilojoule ist der Mampfkasper noch in der Lage, ein Salatblatt zwischen Zähne zu stopfen, wogegen alle anderen, die bei Weißmehl und Margarine den Teufel anbeten, eigentlich schon verloren sind. Gleichwohl versucht der geistlich Gestörte hin und wieder die vom Satan gesättigten Ketzer zu missionieren, zum Glück meist so erfolg- wie folgenlos.

Moderne Medien, deren wahl- und haltloses Geplärr wenig Rücksicht auf die Wirkung bei der Prallmasse am anderen Ende der Leitung nimmt, verdienen nicht eben schlecht mit der Erfindung sinnfreier Trends, mit denen sie die seelische Gesundheit labiler Nachtmützen aufs Spiel setzen. Pseudowissenschaftlicher Sondermüll blökt aus allen Richtungen, unterfüttert mit Astrologie oder Promi-Mimesis. Die Marionettenmaschinerie läuft, bis das Krankheitsbild selbst in den einschlägigen Organen pathologisiert wird als Wiederkäuen des selbst Erbrochenen. Offensichtlich hocken auch bei Frigitte und Locus gründlich devitalisierte Deppen, deren Konfektkonsum regelmäßig im Heulkrampf auf der Körperfettwaage endet, der als Projektion dem unschuldigen Opfer aufgebürdet wird, die Postille beim Hairstylisten durchzublättern. Die mediale Individualisierungsstrategie trampelt lustig über Leichen, während eine Doppelseite weiter die Reklame für Bier und Lightkäse aus dem Falz suppt. Man sollte sie alle einsperren in ein dunkles Verlies. Bei Wasser und Rosenkohl.