
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Tatsächlich hatte Uga nur zwei Witze, die beide auf seinem halbwegs ausgeprägten Talent beruhten, eine wütende Säbelzahnziege zu imitieren. Wann immer es in der Einsippenhöhle zu Langeweile kam – das Leben im Einklang mit der feindlichen Natur ließ das selten zu – und seine Verwandtschaft sich nicht in Schlummer fliehen konnte, ertrug es das Publikum mit Fassung, denn sie wussten, so selten diese Unterhaltung war, so rasch ging sie vorüber, und schließlich sollten noch lange Winterabende kommen, an denen man sich das heisere Gekrächze des ansonsten wohlgelittenen Jägers wünschte, das hinter seinem Rücken als gedoppelte Parodie wenig Spaß hervorrief. Die Jahre vergingen, die Clowns wurden professionell und fingen an, sich mit Bällen und Torten zu bewerfen, sie tanzen auf dem Seil oder zu unerhörter Musik, rissen Zoten über den Herrscher, und schließlich fanden sie sich in einem kleinen Kasten wieder, der erst auf einem Tischchen Platz hatte, dann in einem monströsen Wohnsarg aus ehern furnierter Eiche eingekachelt war und nun an der Wand hängt, und also auch das Programm: dickleibig, quadrös fugenlos verdengelt, nun aber flach. Aus Moritat und Tanzball, dem bunten Abend der Jugend mit etwas Weltläufigkeit und mondän angelackter Biederkeit wurde die Fernsehshow am Samstagabend, was sie heute nur noch sein kann: ein lebendes Fossil.
Es bewegt sich noch, aber das ist auch alles. Das große Lagerfeuer für die ganze Familie, als es diese nämlich noch gab im medialen Kontext, es wartete pünktlich an der Uhr festgenagelt wie im Kalender Weihnachten und Neujahr, zwanzig Uhr fünfzehn, sobald die Eurovisionsfanfare aus der Wohnstube in die Küche scholl, stapfte die züchtige Hausfrau mit dem Käseigel bewaffnet zum Ort des Geschehens, wo sich engere Verwandtschaft, Hausbesuch und die Nachbarn ohne eigenes Röhrengerät halbrund um versammelt hatten, um die Außenwelt und ihre Allotria in die aus Muff und Kitsch geschwiemelte Geschmacksverkalkung der Wirtschaftswunderjahre zu senden, als man noch nicht das Geld für einen Badeurlaub in Südeuropa hatte, die Länder aber aus anderen historischen Zusammenhängen kannte und gerne wiedersehen wollte. Der letzte Krieg war so gut wie verdrängt, in der Öffentlichkeit hielt brave Verklemmtheit an, im Privaten jedoch riskierten die alten Helden schon wieder eine dicke Lippe, und sei es nur im Unterhaltungsprogramm. Was ein rechter Deutscher war, der überzuckerte seine schunkelnde Schlagertutigkeit mit internationalem Trallala, und sei es nur in Gestalt langsam alternder Herren mit mehr oder weniger gut sitzenden Perücken, die in operettenseliger Schmalzabsonderung die Damen gerade noch so wild machten, dass sie nicht die Scheidung einreichten.
Irgendwann war das alles überstanden, besser wurde nichts. Die Frisuren der jüngeren Generation von Mattscheibenonkeln wurden länger, ab und zu steckte man Radiogesichter in fragwürdige Anzüge, die Kulisse wurde erst poppig, dann pompös, nur die Showtreppe blieb irgendwann weg, damit die mühsam witzelnden Laberlurche direkt durch die Sitzreihen auf den Thron stolzieren konnten, wo sie Hof hielten zwischen allerhand Marketingfiguren, die eh gerade ein neues Buch, einen neuen Film, ein neues Album zu verkaufen hatten, sich allenfalls bis zur Hälfte der Sendung auf dem Sofa fläzten, weil da draußen alles wichtiger war als hier im TV, bis dann der Hubsi aus Bad Gnirbtzschen Buntstifte am Geschmack erkannt hatte und der Großmime Ernst van der Düne im Filmchen mit Senf beschmissen ward und gute Miene zum blöden Spiel machte.
Auch das ist vorbei, moderne Familien haben längst keinen Bock mehr, sich zeitunsouverän ohne Werbepinkelpausen derlei Klamauk reinzustellen, geschweige denn alle in einem Raum vor einem der letzten analog anmutenden Endgeräte einer analog eh auslaufenden Endzeit, in der sich die Mitglieder einer Patchworkveranstaltung kaum noch erbarmen, lineare Wiederholungen ewig gleicher Strickmuster zu verfolgen. Nach jäher Vermehrung von Kanälen und Diensten, nach diversen Krisenphasen in Netz und Wirtschaft kippt der Altersschnitt der freiwillig Zusehenden längst über die Rentengrenze, und kein Schwein will mehr sehen, wie alles castet, datet, ratet, rät, rankt, wettet oder die müdesten Kalauer exhumiert. Wie zäh sich die Glotze gegen VHS, DVD und ähnliche Konservierungsstoffe behauptet hat, ist so beachtlich wie egal, denn wer will seine Freizeit immer in demselben Museum verbringen.
Die Kombination aus talentfreiem Moderatoriat und üppigen Materialschlachten guckt inzwischen zu, wie die junge Generation, also alles unter 50, sich gar nicht erst einen neuen Fernseher anschafft, wenn der alte im Elektrohimmel ist. Ein Monitor mit entsprechender Auflösung reicht aus, um Serien zu bingen oder Nachrichten aus der Mediathek zu lutschen. Kognitiv suboptimierten Beitragszahler geben sich im Mutantenstadl dem Schunkelzwang hin, während rüstige Senioren im Bezahlkanal ihre Altersvorsorge verkloppen. Irgendwo setzt ein C-Promi hundert Euro auf die letzte Quizfrage. Sonst muss er zur Strafe eine wütende Säbelzahnziege imitieren. Wer will das schon sehen.
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