Nouvelle cuisine

27 02 2013

„… dass die Hacksteaks einen erheblichen Anteil an Hundefleisch aufgewiesen hätten. Keine der Kontrollen habe verhindern können, dass die Kantine des Deutschen Bundestages die tiefgekühlten…“

„… es nun ernst sei mit den Kontrollen. Gefordert sei ein striktes Durchgreifen, um die Gesetzesverstöße zu ahnden, zumindest aber, um sie aufzudecken und möglichst genau darüber zu spekulieren, wer die…“

„… zu einem Rückgang des Fleischverzehrs gekommen sei. Die Abgeordneten hätten stattdessen überbackenen Blumenkohl und Tofu-Bratlinge…“

„… habe Aigner versprochen, noch vor Beginn des Wahlkampfs einen Schuldigen zu…“

„… habe Niebel in der Bundespressekonferenz verlautbaren lassen, die im Bundestag gefundene Maultier-Bolognese dürfe nicht weggeworfen werden, solange es Schmarotzer und arbeitsscheues Gesindel gebe, das kein Recht auf normale…“

„… aus Österreich gemeldet worden sei, dass in der Bauernwurst tatsächlich Spuren von…“

„… sich zwar um Flüssigeidotter gehandelt haben, das für die Mayonnaise angekauft worden sein solle, jedoch weder vom Huhn noch in einem Zustand, der für den menschlichen Genuss…“

„… die Speisenauswahl verteidigt. Schröder habe die verbilligten Tiefkühlmenüs nie als schwer durchsetzungsfähig betrachtet, da auch die Nouvelle cuisine anfangs auf erhebliche Widerstände gestoßen sei. Man müsse, so die Kohl-Anhängerin, bis heute Männern beibringen, dass Brokkoli nicht gefährlich…“

„… verteidige der Gastronom das Speisenangebot als exotisch, aber nicht als ungenießbar. Meerschweinchen seien zwar in Europa noch nicht als Fleischlieferanten…“

„… den Entwicklungsminister dahin gehend missverstanden zu haben, dass die verunreinigten Fleischprodukte nun ausschließlich für Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion…“

„… sich die isländische Delegation auf dem Berliner Finanzgipfel mit feinstem Gammelfleisch für die Einladung bedankt…“

„… Sarrazin erklärt habe, er würde sofort eine Portion Maulwurf-Ravioli verzehren. Die bei ihm diagnostizierte Vergiftung mit Pflanzenschutzmitteln habe durch eine sofortige Magenspülung…“

„… laut Aussage des Veterinäramtes um DNA-Bestandteile einer Hauskatze gehandelt haben müsse. Die im Bundesfinanzministerium angebotenen Speisen seien zunächst nicht mehr…“

„… habe Aigner ihren 10-Punkte-Plan spontan um zwei weitere Positionen…“

„… glimpflich ausgegangen, da ein Übersetzungsfehler vorgelegen habe. Es habe in der Lasagne kein Hundefleisch, sondern Hundefutter…“

„… es sich bei den Bestandteilen des Desserts im Konrad-Adenauer-Haus nicht um einen Beitrag zur Insektenküche gehandelt habe, sondern um den üblichen Schabenbefall in der…“

„… sei die Verwendung von Robben in der Spitzengastronomie weiterhin unmöglich. Als mögliche Alternative, da die Wale ohnehin schon erlegt worden seien, biete sich daher…“

„… die chinesische Botschaft von den Kontrollen nicht ausgenommen sei. Merkel habe angekündigt, die Einhaltung des Lebensmittelrechts genauso streng überwachen zu lassen wie Produktpiraterie, Menschenrechte und…“

„… kein Vertrauen mehr bei der Bundestagsverwaltung genieße. Die als Bio-Froschschenkel deklarierten Fleischstücke seien nicht verwendet worden, da sie ebenso aus konventioneller Aufzucht…“

„… das nunmehr als 14-Punkte-Papier veröffentlichte Memorandum vorgestellt habe. Die Eckdaten entsprächen ungefähr dem Stand der 1898 in Chile beschlossenen…“

„… sich das auf dem Kanzlerfest als Straußensteak deklarierte Fleisch bei einer überraschenden Kontrolle als Krokodillende entpuppt habe. Der Beamte sei sofort vom Dienst suspendiert und…“

„… eine noch genauere Analyse, wenngleich diese die Kosten erhöhen würde. Das Ministerium für Verbraucherschutz habe bereits die Anschaffung von Gummihandschuhen als professionell, aber überflüssig bezeichnet, da die überwiegende Anzahl der Kontrollen weiterhin fernmündlich aus dem Ministerium…“

„… dass die von Steinbrück als Wahlkampf-Geschenk georderte einzeln eingeschweißte Bärchenwurst tatsächlich Bestandteile von…“

„… kompromissbereit. Nach intensiven Gesprächen mit den Interessenverbänden der Fleischerzeuger habe man sich auf eine drei Punkte umfassende…“

„… der Rücktritt Seehofers nur noch eine Formfrage sein könne. Der CSU-Vorsitzende habe die Weißwurst verteidigt, obgleich sie nach dem Laborbefund auch für Veganer geeignet…“

„… werde der Abgeordnete Hartwig Fischer (CDU) seit mehreren Tagen vermisst. Auf Anfrage des Fertiggerichtherstellers werde nach wie vor gemeldet, Fischer halte sich in der Produktion auf und werde bald wieder an die Öffentlichkeit…“





Warnvorstellung

4 10 2011

„… die Auszeichnungen auf der Verpackung als großen Schritt in Richtung Verbrauchersicherheit gelobt. Allein die Tatsache, dass nun Kandis als gesundheitsschädlich gelte wegen seines enormen Zuckergehaltes, dies gebe, so Aigner bei einer Supermarktbesichtigung, den Bürgerinnen noch mehr Klarheit im Umgang mit…“

„… weil ein prozentualer Anteil an der Gesamtmenge kaum zu erklären sei. So sei eine EU-konforme Verpackung von gemahlenen Nüssen auch weiterhin mit dem Aufdruck Kann Nüsse enthalten…“

„… die Lebensmittelindustrie inzwischen nicht mehr wisse, wie die Beschlüsse aus Aigners Ministerium umzusetzen sein sollten. So erfordert eine hinreichend große Inhalts-Ampel auf der Umverpackung von Bittermandel-Backaroma die Fläche eines Schuhkartons, was neben den Kosten für Fertigung und Transport auch erhebliche Einflüsse auf die Umweltbilanz…“

„… im Gegenzug, betonte Staatssekretär Bleser, wurden jedoch Kokosfett, Rapsöl und Butter mit der grünen Plakette ausgezeichnet, die den Verzehr ohne Mengenbeschränkungen empfiehlt, da diese Lebensmittel so gut wie zuckerfrei…“

„… dass die neuen Ampel-Aufkleber für gastronomische Betriebe oft willkürlich verliehen würden und trotz veränderter Sachlage einfach für mehrere Jahre an den Betriebsstätten zu verbleiben hätten. Der DEHOGA-Bundesverband bezeichnete diese Bestimmung als reinen Terrorakt, der nur eine Geschäftsschädigung an Restaurants, aber keine Verbesserung der Kundenfreundlichkeit bewirke. Bundeskanzlerin Merkel freute sich über die Umsatzrückgänge im Gastgewerbe, dies sei eine solidarische Haltung zum Sparpaket der…“

„… auch auf andere Branchen ausgeweitet. So fanden sich nach der Testphase keine Klempner- oder Maurerbetriebe, die nicht durchgängig rot…“

„… sich nicht für die Benotung in bayerischen Grundschulen eignen, da das System gegenüber der herkömmlichen Stufen 1 bis 6 als zu komplex erweise. Im Zuge einer weiteren Vereinfachung des Bachelor-Studiums jedoch zeigte sich Seehofer eher gewogen, den Vorschlag der katholischen…“

„… Kombination der Maßnahmen: alle Zutaten auf allen Angeboten auf allen bundesdeutschen Speisekarten seien nach dieser Vorlage einzeln mit einer Warnampel zu versehen. Aigner nahm als Gastgeschenk die Menükarte von Kalli’s Bratbude entgegen, das Speisenverzeichnis des Imbissbetriebs hatte inzwischen den Umfang des Kölner Telefonbuchs (L–Z) ganz knapp…“

„… könne man in einigen Ländern die Ampel zu Kommunalwahlen verwenden. Zwar sei noch nicht geklärt, ob Rot und Gelb als Zweitstimme unterschiedlich gewichtet würden, doch setzte sich Bundesinnenminister Friedrich dafür ein, dass die gewünschten Ergebnisse auf jeden Fall für die CDU zu einer…“

„… unerhörter Vorgang, da die FDP zwar um eine Bewertung gebeten, sie auch im Vorweg bezahlt und eine Werbekampagne um das Ergebnis geplant hatte, aber das Resultat nicht akzeptieren wollte, da es kein bisschen Gelb…“

„… erneuerte Schäuble seine Ansicht, nur eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur für den Euro-Raum könne für Stabilität sorgen. Noch einfacher sei die Beruhigung der Märkte mit einer Rating-Ampel zu bewerkstelligen; dies System entspreche dazu dem geistigen Horizont von Investment-Bankern oder…“

„… obgleich das Innenministerium eine Ampel-Einstufung durch das Bundesseuchengesetz nicht verhindern konnte. Namentlich in den vergangenen sechs Monaten sei Friedrichs Haus eine Brutstätte für hirnzersetzende Keime…“

„… einigten sich Ackermann und Merkel darauf, dass systemrelevante Unternehmen nur mit grünen Aufklebern versehen werden dürften. Zur Beschleunigung des Verfahrens regte er an, dass eine Prüfung nicht stattfinden müsse, um die…“

„… eine Alternative zu ständig wechselnden Vorschriften durch das Bundesverfassungsgericht. Mit den Ampel-Aufklebern würde den Hartz-IV-Empfängern jeweils angezeigt, welche der Güter des täglichen Lebens – Alkoholika, Tabakwaren, Verhütungsmittel, Spähpanzer – nicht zu den…“

„… auch für das Three-Strikes-Modell denkbar. Der Internetnutzer erhalte durch unterschiedlich gefärbte Stoppschilder eine Warnvorstellung, wie sie der Bundesverband für…“

„… für Verwirrung, ob das Verkehrsministerium das Konzept überhaupt verstünde. Ramsauer hatte bisher darauf beharrt, Warnhinweise an öffentlichen Lichtzeichenanlagen nur durch geschultes Personal ankleben zu…“

„… dass eine dreistufige Ampel durchaus reichen könnte, um den Verbraucher vor großen Fehlentscheidungen zu bewahren. Die Einordnung von Grün (aspekte, Orchesterkonzerte) bis Rot (Mario Barth) helfe bei der Auswahl des Programms, so dass eine Überforderung kaum…“

„… einigte sich der Bundesverband mit den Ministerien, die Einzelergebnisse nicht jedes Mal erneut aufzuschlüsseln. Angesichts der ohnehin geringen Mengenbeigaben, so das Kanzleramt, könne man den Aufdruck Kann Spuren von FDP enthalten für eine Ampelkoalition…“

„… um ein großes Missverständnis. Der Handelsverband Deutschland, der zuletzt durch 100% positive Auszeichnung seiner Ladengeschäfte berichtete hatte, wies noch einmal darauf hin, dass dieses Prädikat ausschließlich eine Bewertung der Produkte darstelle. Der Service sei nach wie vor miserabel, um den Kunden das vertraute Gefühl…“





Die Achse der Blöden

16 02 2011

Der Instruktor hielt das Anschauungsmaterial in die Höhe. „Das“, verkündete er den Schülern, „ist ein Hühnerei.“ Einer der Zöglinge kratzte sich mit großem Umstand am Kinn. „Kann ich das noch mal sehen“, nuschelte er und griff danach – da lag das Ei schon am Boden. „So ungefähr dürfen Sie sich dann die praktische Arbeit vorstellen“, konstatierte Sübenkotte. „Es läuft wie am Schnürchen hier im Amt für Nahrungsmittelsicherheit.“

Oberregierungsrat Doktor Sübenkotte entfaltete umständlich den Lageplan seiner Behörde. „Hier unten“, erklärte er, „haben wir die Schulungsräume, siebenunddreißig an der Zahl, hier ist der Osttrakt, und dort befindet sich das Labor.“ Ich pfiff durch die Zähne. „So viele Räume? Sie müssen ja einen enormen Bedarf haben.“ Er nickte. „Das kann man so sehen. Schauen Sie, seitdem wir unsere Arbeit aufgenommen haben, ist der gesamte Bereich der Lebensmittelkontrolle auf ein komplett neues Fundament gestellt worden. Endlich haben wir eine vollumfängliche Sicherheit, die auch dem einfachen Verbraucher – entschuldigen Sie, was wollten Sie doch gleich wissen?“ „Die Anzahl der Räume“, half ich ihm ein. Sübenkotte nickte. „Das kann man so sehen. Wir haben das überschüssige Personal des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums übernommen.“ „Und wie viele?“ „Alle, die für die Belange des Innern vollkommen überflüssig sind. Also schätzungsweise drei Viertel.“

Wir hatten einen anderen Ausbildungsraum betreten. In einem nachgebauten Hühnerstall gackerte vereinzeltes Federvieh umher, während in groteske Gummihosen gewandete Schüler im Sand herumstolperten. Einer schrie entsetzt auf – eine Henne hatte nach ihm gehackt. „Frau Lammbeck, die Ausbildungsleiterin für den Bereich Veterinär- und Zuchtwesen.“ Ich deutete eine Verbeugung an, doch die Lehrerin war sichtlich genervt und griff unvermittelt zu einem Huhn, das sie dem Eleven neben ihr unter die Nase hielt. Der junge Mann nahm allen Mut zusammen und begann, das Tier zu löchern: „Los, gesteh endlich! Willst du wohl? Du sollst endlich gestehen! Los jetzt!“ „Er hat doch dem armen Gickerl noch gar nicht gesagt, was es eigentlich gestehen soll?“ Triumphierend blickte der Hühnerschrecker mich an. „Jahaa, das denken Sie! Das ist aber ganz ausgebuffte Verhörtaktik!“

Während sich drinnen das Huhn auf den wehrlosen Lehrling stürzte – man hörte es noch lange gackern – führte mich Doktor Sübenkotte zum Osttrakt. „Das ist ja einigermaßen erstaunlich“, begann ich, „viele stellen sich am Beginn ihrer Ausbildung etwas an, aber dies hier?“ Er wehrte ab. „Aber nein, das sind durchaus keine Anfänger! Sie haben hier eben die Abschlussklasse gesehen, die Leute bereiten sich auf ihr Examen kommende Woche vor.“ Ich war verwirrt. „Aber der Mann war doch mit einem einzelnen Huhn völlig überfordert – wie soll der einen ganzen Geflügelzuchtbetrieb untersuchen, besser gesagt: wie soll dieser Typ die Kontrolle lebend überstehen?“ „Klar“, verteidigte sich der Behördenchef, „Sie haben da einen ganz anderen Zugang, aber Sie müssen berücksichtigen, dass das Personal im Innenministerium immer auf dem Stand des jeweiligen Innenministers sein muss. Zur besseren Kommunikation und für einen reibungslosen Ablauf der Terrorprävention.“ Nein, ich verstand kein Wort. Was hatten denn diese Hühner mit Terrorismus zu tun? „Wir nehmen die größten Idioten, die das Amt zu bieten hat, und bilden sie mehrere Semester lang zurück, bis sie auf dem Niveau von – verstehen Sie?“ Ja, ich verstand.

Auch im Freien fand der Unterricht statt. Aus dem Fenster beobachteten wir, wie plötzlich eine Horde von Männern in Trenchcoat und Schlapphut aus dem Gebüsch hervorbrach und sich johlend auf eine Palette Eier stürzte; müßig zu sagen, dass außer einer gewaltigen Menge Rührei auf dem Rasen nicht viel zurückblieb. „Der Angriff aus dem Hinterhalt ist eine der probatesten Strategien zur Überraschung des Feindes“, dozierte Sübenkotte. „Die Herren haben das doch schon recht hübsch demonstriert.“ Am anderen Ende des Gartens stampfte ein Trupp in ähnlicher Aufmachung durch etliche Stiegen mit Tomaten. „Wir kümmern uns im Amt für Nahrungsmittelsicherheit eben nicht nur um Eier, sondern eben auch um Obst und Gemüse. Eine rundum kompetente Behörde, die Sie als Verbraucher mit viel mehr Sicherheit ausstatten wird.“ Einer der Tomatenmänner, über und über mit rotbraunem Matsch bedeckt, zog einen Aufkleber aus der Manteltasche, den er an einer Holzkiste befestigte. „Damit“, informierte mich Sübenkotte, „haben die Tomaten die Einfuhrkontrolle bestanden und können ohne Bedenken für die Sicherheit der deutschen Verbraucher in den Handel kommen. Die Frau Aigner, die wäre wirklich stolz auf uns.“ „Moment einmal“, unterbrach ich ihn verwirrt, „was hat denn jetzt die Aigner mit Ihrem Schlapphutverein zu schaffen?“ Er lächelte. „Die sind ja nur Personal. In Wirklichkeit geht es uns doch hier um eins: richtig durchgreifen. Eine Kontrolle, die so richtig – was war jetzt doch gleich Ihre Frage gewesen?“ „Warum Sie das mit diesen Terrorverfassungsschützern machen.“ „Weil das bei denen ja auch alles so toll klappt, auch wenn die gar nichts dafür tun müssen – da fühlt sich der Bürger nämlich richtig sicher! Und dann ist das ja auch noch die Industrie da. Die wollen natürlich auch eine ganz scharfe Kontrolle, nur eben eine, bei der man nie Gammelfleisch oder Dioxin findet. Und das ist doch für einen echten V-Mann kein Problem. Die waren jahrelang Mitglieder in der NPD, ohne auch nur einen einzigen Nazi zu treffen, die kann man doch auf Gammelfleisch loslassen?“ Ich war konsterniert. „Und den ganzen Zauber verantwortet das Verbraucherschutzministerium?“ Sübenkotte protestierte heftig. „Wo denken Sie hin? Nein, wir lassen uns doch unsere Kompetenzen nicht streitig machen! Die Aigner hat einen klar umrissenen Aufgabenbereich, die darf das machen, was sie am besten kann: ankündigen. Mehr kann sie eh nicht.“ „Aber die Verbrauchersicherheit? Auf was soll ich mich denn jetzt verlassen, etwa auf Ihr Siegel?“ Er legte mir wohlwollenden die Hand auf die Schulter. „Das können Sie“, sprach der Oberregierungsrat im Brustton der Überzeugung. „Das können Sie – wenn Sie unser Qualitätssiegel sehen: Hände weg! Dann steht Ihrer gesunden Ernährung nichts mehr im Wege.“





Rasiergummi

13 01 2011

„Klingt komisch. Sehr komisch sogar.“ „Was klingt komisch?“ „Dieser digitale Radiergummi, den die Landwirtschaftsministerin jetzt überall anpreist.“ „Sie preist ihn nicht an, sie preist ihn ein. Bei zehn Euro pro Monat.“ „Und das soll sich durchsetzen? Ich kann mir das nicht vorstellen.“ „Wichtig ist doch, dass Sie wissen: die tun etwas. Sie kümmern sich zwar um vollkommen nebensächliche Dinge, aber sie tun etwas. Und darauf kommt’s doch bei dieser Regierung an.“

„Ich kann mir aber nicht helfen, es klingt nicht gerade Vertrauen erweckend, wenn Aigner einen digitalen Radiergummi als Allheilmittel zum Datenschutz anpreist.“ „Soll es auch nicht sein. Zumindest nicht für Sie als Verbraucher. Die Botschaft ist doch, dass Sie erst dann aktiv werden, wenn Ihre kompromittierenden Bilder längst jeder gesehen hat. Sie haben nichts gelernt.“ „Sie meinen, jeder kann kompromittierende Bilder herunterladen und unverschlüsselt speichern?“ „Sie haben nichts gelernt, nicht aus Wikileaks, nicht aus Duisburg, als die katastrophale Planung der Loveparade auf dem Tisch lag und sich einmal freigesetzte Daten verbreiteten – man kann es nicht einfach wie einen Verkehrsstrom absperren, wie ein Datenstrom, es ist ein Insektenschwarm, der sich vermehrt und nicht zu greifen ist. Als wolle man mit einem Bagger einzelne Sandkörner aufheben.“ „Man besorgt sich die Daten, man hebt sie auf, das Verfallsdatum ist erreicht und man hat sie immer noch.“ „Richtig, und das ist ganz legal. Es geht doch nicht darum, den Schutz der Bürger vor Missbrauch zu regeln, das hat die Vorgängerregierung schon mit Verve versaubeutelt. Es geht darum, Datenschutz zu definieren – vordergründig. Transparenz. Die Weiterungen des Netzwerks und seine Grenzen. Denn wir haben uns über verpixelte Häuser und den Datenauskunftsbrief erregt, weil diese Ministerin es so wollte, aber wir haben keine Kritik gehört bei der Vorratsdatenspeicherung, keine Kritik beim E-Post-Brief, beim elektronischen Personalausweis, bei ELENA, keine Kritik bei Versicherungskarte und INDECT und SWIFT.“

„Es ist also die falsche Perspektive?“ „Diese Regierung schwafelt von Leitplanken auf einer Datenautobahn, sie wendet Eigentumsbegriffe der Kaiserzeit auf Digitalgüter an, sie versucht, ein Internet in nationalen Grenzen auf legaler Basis zu schaffen.“ „Dass sie es im Iran und in China gerne kritisiert, ist eine Sache, aber selbst dort klappt es nicht.“ „Weil das Denken dieser Internetausdrucker und Kugelschreiberverwender dem Fortschritt mit panischer Angst begegnet und die Konfrontation mit ihm vermeidet. Sie begegnen den Problemen von übermorgen mit Lösungen von vorgestern. Der Steinzeitmensch, der mit Steinen nach dem Mond schmeißt, weil er nachts nicht einschlafen kann. Eine lächerliche Vorstellung, aber auch eine beängstigende – wir werden von ihnen regiert. Und das ist nicht der Idealzustand.“

„Meinen Sie, dass wir überhaupt eine Chance haben?“ „Auf einen vernünftigen Umgang mit Daten?“ „Auf einen vernünftigen Umgang mit neuen technischen Möglichkeiten, das würde doch erst mal reichen.“ „Es wird an der Realitätsresistenz der politischen Klasse scheitern. Sie halten das Internet für einen Rundfunk, den man um 22:00 Uhr anschaltet, als wäre es ein Fernseher – wir haben längst Aufzeichnungsmöglichkeiten und zeitversetztes Senden, wir haben Video on demand und Live-Streams und Spartenkanäle, aber sie haben nicht begriffen, dass es das alles im Netz gibt und mehr, und doch wollen sie es unbedingt nach deutscher Ortszeit kontrollieren. Sie erfinden eine Art Bildverschlüsselung über den Server eines Rechte-Managements, wohl wissend, dass der die Daten ausspähen kann, die man über ein weiteres unnötiges Sicherheitsleck preisgibt. Sie predigen den gläsernen Bürger und empfehlen ihm, sich in die Obhut eines Staates zu begeben, der gerade dies verteufelt. Wie schizophren kann man sein!“ „Und doch ist dieser Radiergummi…“ „Nennen Sie es nicht einen Radiergummi, das ist eine Täuschung. Eine Illusion von Zensur. Eine Wunschvorstellung, das Internet auszuradieren. Darin herumzufummeln, damit man schnell vergisst, was sie für einen Murks unter sich gelassen haben. Sie wollen alle irgendwie etwas mit diesem ominösen Interdingsda machen, von dem sie nicht viel mehr begriffen haben, als dass es irgendwo da ist. Wenn es dieses Ding gäbe, es wäre längst in Gebrauch. Alle Politiker würden es am Wahlabend sofort einsetzen, damit sich niemand mehr erinnert, was sie einen ganzen Wahlkampf lang an Lügen heruntergeleiert haben.“ „Es ist also kein Radiergummi? Was dann?“ „Ein Rasiergummi. Der Bürger wird geschoren – es geht um Geld, um Lobbyismus und um Korruption. Marketing, nicht mehr. Marketing besteht darin, einen Bedarf künstlich zu erzeugen; etwa damit, dass man den Leuten irrationale Ängste einredet, sie mit der Vorstellung verwirrt, dass jetzt jeder in ihren Vorgarten starren kann – falsch, aber durchaus effektiv. Das Internet wird verteufelt, man trennt es von allem anderen ab und baut es zu einer Horrorvision auf, die man eindämmen, zensieren, abschalten muss, bevor sie die öffentliche Ordnung mit so schlimmen Dingen wie Transparenz oder Demokratie verseucht.“ „Und wie sieht die Lösung aus für das Problem?“ „Simsalabim, sie taucht plötzlich auf – zufällig eine, an der schon seit ein paar Jahren gearbeitet wird, zufällig hat man auch selbst die Firma im Wahlkreis sitzen oder hat, zufällig, Aktien gekauft.“ „Man verbindet das politisch Opportune mit der Freundschaftspflege.“ „Und es werden gerne Freundschaften gepflegt. Schröder, Wulff, Rürup, Riester für Maschmeyers Heißluftfonds, Rösler für die Impfstoffhersteller, Westerwelle für die DVAG, de Maizière für Kartenleser und Nacktscanner. So gold kann’s uns gar nicht gehen, dass wir nicht immer noch einen drohenden Weltuntergang in Reserve haben, dem man mit einem alternativlosen Superprodukt gerade noch entrinnen könnte.“ „Und dafür brauchen wir die Aigner?“ „Eine Landwirtschaftsministerin hat sich nun mal darum zu kümmern, dass den Schweinen der Stallgeruch behagt.“