Nachbesserungsbedarf

26 10 2022

„… weder nationale noch EU-Gesetzgebung den Plänen der Bundesregierung entgegenstehe. Eine vollständige Legalisierung von Kauf, Besitz und Konsum von alkoholhaltigen Produkten sei nur noch eine Frage der…“

„… nicht mittragen werde. Für die CDU sei der straffreie Besitz einer so hochpotenten Droge wie Ethanol der Einstieg in noch viel größere soziale Problemkreise, der letztlich in die totale Verrohung, zügellose Kulturzerstörung, Kommunismus und…“

„… in anderen Kulturen liberaler gehandhabt werde. Für Kubicki sei beispielsweise der Umgang mit Wein bei unseren französischen Nachbarn sehr lange schon gesellschaftlich akzeptiert und führe nur in Ausnahmefällen unter bestimmten Prämissen zu schweren Schäden in der persönlichen…“

„… auch die Kirche der Legalisierung skeptisch gegenüberstehe. Nach Weihrauch und Messwein sei für die Deutsche Bischofskonferenz etwa die freie Haltung zur Sexualität eine Domäne der Kirche, die nicht auch noch durch eine generelle Profanierung der Anziehungspunkte, die die Menschen bisher in Gottesdienste und…“

„… der Einstieg in einen ungeregelten Bier- und Schnapsschwarzmarkt drohe. Merz halte es für sehr wahrscheinlich, dass trotz der legalen Abgabe in zertifizierten Geschäften eine Alkoholszene in den Großstädten entstehe, die nach den gesetzlichen Ladenschlusszeiten quasi ungehindert ihre…“

„… die Straßenverkehrsregeln angepasst werden müssten. Der Verkehrssachverständige der Union Spahn wisse aus vielen noch nicht veröffentlichten Studien, dass die Fahrtüchtigkeit auch Jahre nach dem Konsum von Alkohol noch nicht wieder…“

„… da die Abgabemengen nicht kontrolliert werden könnten. So sei es laut Faeser für jeden Bürger möglich, sich bis zu drei Flaschen Bier in einem Geschäft zu kaufen. Suche man jedoch in der Folge noch andere Läden auf, könne auch hier der Kauf von Alkoholika erfolgen, da es nicht möglich sei, die Polizei mit der Kontrolle legaler und nicht als Gefahr einzustufender…“

„… in Schutzräumen konsumiert werden solle. Für Lauterbach ist die langsame Gewöhnung an die Akzeptanz von Alkohol auch an soziales Verhalten geknüpft, das schrittweise eingeübt und durch einen Lernprozess erschlossen werden müsse. Er schlage die Kooperation mit Jugendclubs und…“

„… als völlig verfehlt ablehne. Weidel sehe in der Freigabe der extrem gefährlichen Rauschdroge nicht nur eine gezielte Zerstörung des Volkswillens, der zu einer Ökogenderdiktatur führe, sondern auch als einen weiteren Schritt zur Islamisierung der…“

„… fordere der Unionsexperte für Sicherheit Spahn eine zentrale Alkoholkäuferdatei. Damit sei zwar noch nicht bewiesen, dass die Käufer den Alkohol auch selbst konsumieren würden, die Daten könnten allerdings nach einer erneuten CDU-Regierungsübernahme für viele andere…“

„… die Besitzmenge für legalen Alkohol an die einzelnen Getränke angepasst werden müsse. Hier sehe die Bundesregierung Nachbesserungsbedarf, da sich Buschmanns Entwurf eines handwerklich sehr gut gemeinten Gesetzes mit ‚Flasche‘ als Abgabegröße stark zwischen Bier, Schnaps und…“

„… müsse die Abgabemenge bei proportionaler Berechnung des Gehalts an reinem Alkohol weiter beschränkt werden. Merz prophezeie, dass es in den kommenden Jahren zu Drogentourismus komme, unter dem die deutsch-russischen Beziehungen und unsere Sozialsysteme in erheblichem Maße…“

„… könne der Unionsexperte für Wissenschaft Spahn nicht nachvollziehen. Erhebungen, nach denen Alkohol unter Besserverdienenden, aber auch in Berufsgruppen wie Ärzten oder Politikern eine längst etablierte Droge sei, könne er nicht glauben. Es handle sich seiner Meinung nach um Studien, die den Vergleich mit harmloseren Substanzen wie Kokain oder…“

„… sehe Söder in der Abgabemenge weniger die Problematik des Wiederverkaufs, der letztlich nur durch den Markt geregelt und daher nie in die Hände von Kriminellen gelangen werde, wie man es bei anderen Gütern gesehen habe. Für den CSU-Chef sei jedoch die Vorstellung, dass es auch im Freistaat Bayern zu öffentlichen Drogenfesten mit hoher Anziehungskraft komme, eine nicht zu…“

„… die Industrie technologieoffen denke, da sie die Absatzmärkte bedienen könne, die ihnen die FDP eröffne. Für Lindner seien Biere mit einem Alkoholgehalt von 0,5% bis maximal 5,0% eine Chance, um die unterschiedlichen Altersstufen und Abgabemengen, die durch das geplante Gesetz legal an Jugendliche, Heranwachsende, Erwachsene, Personen mit Vorstrafen, gesundheitlichen oder sozialen Einschränkungen, Eintragungen in der Kartei des Kraftfahrt-Bundesamtes oder…“

„… vor den gesundheitlichen Folgen eines nicht mehr kontrollierbaren Konsums warne. Für die Mittelschicht sei Alkohol ein kalkulierbares Risiko, das Merz in der freien Gesellschaft dulde, Arbeiter, Migranten und andere Ausbeuter des Systems seien aber keinesfalls berechtigt, sich auf Kosten des…“

„… in Polizeikreisen verbreitet werde. Chats mit der Ankündigung, Widerstand gegen das Ende anlassloser Alkoholkontrollen in den sozialen Brennpunkten zu leisten, seien vor allem in den einschlägig bekannten Revieren in Frankfurt am Main sowie im…“

„… dagegen protestiert habe, dass Brauereien Produkte unter fünf Volumenprozent als ‚FDP-Bier‘ vermarkten würden. Lindner nehme dies zum Anlass, um noch mehr liberale Vorstellungen im…“

„… in den Niederlanden Eierlikör bestellt zu haben, wobei der großen Wert darauf lege, davon gekostet, aber nichts heruntergeschluckt zu haben. Merz werde dies mit einer Versicherung an Eides statt in sämtlichen…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DCXXV): Sauftourismus

29 07 2022
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wann auch immer es schiefgelaufen sein wird: es war früh. Rrt musste jede Menge Buntbeeren kauen, die Mesopotamier sauber Bier wegeimern, in den Klöstern wurde der Stoffgehalt optimiert, doch erst der moderne Mensch kann sich seinen Filmriss mit der gewünschten Dosis ansaufen. Kein Wunder, dass moderne, auf Performance gedrillte Grützbirnen aus dieser geradezu langweiligen Hölle des Hirnlösungsmittelkonsums ausbrechen wollen, die ihnen nur den kalkulierbaren Absturz bietet, der spätestens nach einem ganzen Tag Nüchternheit wieder in die wirtschaftliche Verwertbarkeit führt. Es gibt einen Ausweg, der so ähnlich funktioniert wie des Moralisten Neigung, den eigenen Garten sauber zu halten, indem er den Müll über den Zaun schmeißt. Man gibt sich dem Sauftourismus hin.

Manche Völker sind sich auch ohne militärische Ambitionen sicher, dass Reisen alleine nicht halb so befriedigend ist, wenn man nicht anderer Leute Hab und Gut in Schutt und Asche legen kann. Erst das Bewusstsein, in einem anderen Land als besonders widerlicher Zerebraldilettant aufzufallen, löst jene Befriedigung aus, die sich zu Hause einfach nicht einstellen will, auch wenn die Muster ähnlich sind. Wie der Spießbürger reflexartig zum Lachen in den Keller steigt, weil er da sein übliches Grundniveau wiedertrifft, lagert er seine gesamten Peinlichkeiten gerne in anderer Herren Länder aus – die Gefahr, in der eigenen Nachbarschaft als zivilisatorischer Fehlversuch erkannt zu werden, ist sofort gebannt. Dass derartige Enthemmung stets im Kollektiv stattfindet, ist kein Zufall. Ein gruppendynamischer Prozess nutzt die Nähe des Gleichartigen, um eine Homogenität des Handelns zu erzeugen, und sei es die Veranlagung zum Verwahrlosen in einer Art und Weise, wie sie andere Urlaubsgestaltungen, allen voran Camping, an Intensität und Geschwindigkeit nie wird bieten können.

Wo sich der Durst als Grundemotion einer tiefenbescheuerten Gesellschaft Bahn bricht, ist der ritualisierte Drogenkonsum nicht weit. Zwar wissen geübte Trinker auch die physische Nahtoderfahrung eines Volksfestes zu schätzen, doch beschränkt sich der Besuch auf der Bierwiese meist auf ein bis zwei Tage zuzüglich An- und Abreise zu festen Terminen und unter erheblichem logistischen Aufwand sowie unter finanziellen Belastungen, die man sich auch nur einmal im Jahr leisten kann. Die eine bis zwei Wochen dauernde Druckbetankung am Strand der einschlägigen Ferienparadiese jedoch kennt weder Einlasszeiten noch Sperrstunde, erfordert keine als standesgemäß erkennbare Kostümierung, die den gemeinen Klötenkönig in etwas noch Hässlicheres verwandelt, und findet weitegehend unter Negation aller bis dahin bekannten sozialen Normen statt. Kleinere Konflikte werden ad hoc mit Fausthieben geklärt, danach liegt man sich wieder lallend in den Armen und feiert seine eigene Verrohung.

Schon wehren sich die einschlägigen Inseln gegen den Einfall hedonistischer Horden, die außer Urin und Ruin nichts hinerlassen. Doch helfen die Appelle, sich an der Düne nicht die Kante zu geben und kein obszönes Liedgut zu grölen, nicht wirklich weiter, so dass den Einheimischen nur die Bremse bleibt: kein Suff im Sand, Geldbuße beim Verstoß gegen die Verordnung, Platzverweis, Einreiseverbot im Wiederholungsfall. Da tost des Teutonen Blut im Schädel, wird er doch behandelt, wie man das sonst zu Hause nur mit Ausländern machen würde. Von Abkanzelkultur schwiemelt er sich’s zurecht, von Rassismus gegen Reisende. Doch da sind den Gastgewerbetreibenden die Treudeutschen lieber mit grauer Socke in der Trekkingsandale, die noch zünftig Kohle ins Land tragen und es nicht zum Aufmarschgebiet ungehemmter Randaleros verkommen lassen. Die einschlägigen Kneipen sind inzwischen genau so dicht wie ihre ehemaligen Gäste, doch nicht einmal die Pandemie hat das Rudel der Blödföhne vertreiben können.

Denn die Knalldeppen auf der anderen Seite des Tresens haben es den Eimertrinkern leicht gemacht. Wer einmal mit Freibier angefüttert wird, sich die Birne komplett zuzulöten, mutiert nicht plötzlich zum kulturbeflissenen Wanderer, der individualreist und die malerische Zwei-Sterne-Pension mit ohne Frühstücksangebot bucht, um der Zwangsjacke des Gymnasialpädagogen (Deutsch, Geschichte) für vierzehn Tage ledig zu sein. Währenddessen zerlegt das Gehirngestrüpp im Furor die Inklusivhotellerie, wo man erst beim Einchecken erfährt, dass es die Alkoholika nicht mehr kostenfrei gibt oder nur noch in Mengen, die nüchtern nicht zu verkraften sind. So ist nun die Abstinenz der Untergang der trinkenden Klasse, die nicht genug Barschaft am Mann trägt, um den komatösen Dauerzustand zu erhalten. Tragödien spielen sich ab an der Bar, in Tränen aufgelöste Zecher bembeln sich auf Zeit die Reisekasse hinters Zäpfchen, damit sie nach einem Tag Alkoholvergiftung den Rückflug antreten können. Gut, dass das die Champagnerleichen in Ischgl nicht sehen müssen, aber da ist sich die Mittelschicht einig. Das ist natürlich etwas ganz anderes.





Pharisäer

15 12 2020

„… ein striktes Verbot des Alkoholgenusses in der Öffentlichkeit erlassen habe. Bis zum tatsächlichen Shutdown müsse man nun auch noch am letzten Öffnungstag für eine sichere…“

„… es keine einheitliche lebensmittelrechtliche Definition für Glühwein gebe. Da Zuckerzusatz in den betreffenden Getränken inzwischen legalisiert worden sei, liege nun auch keine weinrechtliche Verfügung gegen den…“

„… dass in zahlreichen Innenstädten Buden mit Sondergenehmigungen aufgestellt worden seien, die nun schriftlich mit einem Verkaufsverbot für ihren Glühwein hätten belegt werden müssen. Die von den Schaustellern ausgesprochene Drohung, man werde die Waren an Passanten verschenken, werde durch die Verfügung möglicherweise nicht oder nicht vollständig…“

„… auch zahlreiche Discounterketten von der Regelung betroffen seien. So habe ein großer süddeutscher Betreiber von Marktständen bereits mehrere zehntausend Kartons mit fertig abgefülltem Glühwein geordert, die er nun nicht mehr im…“

„… müsse nach verbraucherschutzrechtlichen Verfügungen ein Glühwein mindestens sieben Volumenprozent Alkohol enthalten, was wegen der Rohstoffkosten auch selten willentlich überschritten zu werden drohe. Da jedoch die Schausteller mit einem mehr als doppelt so hohen Alkoholgehalt durch Zusatz branntweinhaltiger Getränke bereits ein lebensmittelrechtlich als Punsch geltendes Produkt anbieten würden, könne ein offiziell als Glühweinverbot deklariertes Gesetz auch keine…“

„… dass es sich um insgesamt 21,8 Millionen Liter Glühwein handele. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels habe sofort vorgeschlagen, die Flaschen zu einem Preis von je acht Euro an den Endverbraucher abzugeben, um den Menschen ein wirklichkeitsgetreues Gefühl von Weihnachtsmarkt zu…“

„… in den Hausflur eines Gebäudes in der Nähe des Marktplatzes verlegt worden sei. Auf diese Art habe der Alkoholkonsum nicht mehr im öffentlichen Raum stattgefunden, so dass die Polizei nur noch die Blutalkoholkonzentration der Gäste nach dem Genuss von drei bis vier…“

„… vielfach ein alkoholfreier Kinderpunsch ausgeschenkt werde. Da das private Mitführen von Schnaps in Taschenflaschen nicht strafbewehrt sei, solange den Bürgern der vorsätzliche Konsum nicht eindeutig nachgewiesen werden könne, müsse die Polizei jede einzelne Vermischungshandlung im öffentlichen Raum mit einer gerichtsfesten…“

„… sich die Drive-in-Lösung aber als nicht praktikabel herausgestellt habe. Der Konsum auf dem Privatparkplatz werde nicht beanstandet, doch sei beim Verlassen des Geländes die Verkehrsstaffel damit beauftragt, nach einer Kontrolle sämtliche Führerscheine der angetrunkenen Fahrer sofort zu…“

„… durchaus damit einverstanden sei, wenn man dem auf niedere Einkommensarten wie Arbeit angewiesenen Pöbel den Alkohol verbiete und das Verbot mit blutrünstigen Körperstrafen durchsetze, um die Leistungsfähigkeit deutscher Großaktionäre zu sicher. Persönlich werde Merz jedoch seinen täglichen Glühwein aus einem Château Lafite-Rothschild zubereiten und jede Bullensau, die einen Fuß auf sein Privatanwesen setze, den Schlüssel seines Privatjets direkt in die…“

„… nach den Diskussionen der vergangenen Tage nun eine bundesrichterliche Entscheidung notwendig sei. Insbesondere müsse geklärt werden, ob ein Stand mit der Aufschrift Glühwein to go es den Kunden gestatten dürfe, ihren Heißgetränke zwar in entsprechendem Abstand, wohl aber im Stehen auf dem…“

„… setze sich Laschet für eine rasche Lockerung der Verordnungen während der Festtage ein. Nordrhein-Westfalen sei das Land der Glühweinstandbetreiber und dürfe seine Menschen nicht im Stich lassen. Kein Antialkoholiker schreibe dem Ministerpräsidenten vor, wie er seine Entscheidungen zu…“

„… könne die Polizeipräsenz auf den deutschen Märkten nicht in dem Maße gesteigert werden, dass die lückenlose Kontrolle aller Passanten vor und nach dem Verzehr eines nach den Angaben des Händlers alkoholfreien oder entalkoholisierten…“

„… habe sich die Praktikantin nach einer Kontrolle darauf herausgeredet, dass sie je nach Sympathie für die Besucher ihres Standes einen mittleren bis großen Schuss Industriealkohol in den erhitzten Rotwein gegossen hätte, um ihren Umsatz in den wenigen verbleibenden Stunden bis zum…“

„… in den Vorjahren auf einschlägigen Messen noch als ekelerregend, nicht für den menschlichen geeignet und vollkommen marktfremd bezeichnet worden sei. Die vegane Wurst mit Glühweinaroma habe in diesem Winter trotz starken Widerwillens von Seiten der Standbetreiber ihre Weg in die süddeutschen Buden gefunden und werde mit durchaus befriedigendem Ergebnis…“

„… dass die in Norddeutschland eingesetzten Bereitschaftspolizisten aus dem Erzgebirge einen halben Tag lang dem Treiben an einem Stand für Kaffeespezialitäten zugesehen hätten, ohne die stark angeheiterte Stimmung der Bewohnerinnen des nahe gelegenen Seniorenstifts zu hinterfragen. Sie seien vor dem Einsatz in Schleswig-Holstein nicht mit der Zubereitung des Pharisäers befasst gewesen und hätten auf diese Weise versäumt, die Täterinnen in flagranti zu…“

„… sich die Kontrolleure der Gewerbeaufsicht im Regierungsbezirk Schwaben zufrieden gezeigt hätten. Man habe nach der Inaugenscheinnahme von dreißig Betrieben in den ausgeschenkten Proben nur noch Spuren von echtem Glühwein knapp unterhalb der Nachweisgrenze…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (DXXXIV): Das Weinfest

2 10 2020
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die ersten Spuren des Anbaus sind schon in der Jungsteinzeit nachweisbar, die frühe Meisterschaft des Kelterns entstand an den Gestaden des Schwarzen Meers. Während im Zweistromland die Angestellten der Gottkönige noch am Dünnbier nuckelten, quetschte man am Kaukasus Trauben, um sich mit Hilfe von Biochemie vor einem Tag mit Kopfschmerzen aus der Hölle wenigstens noch einen lustigen Abend zu machen. Bis heute hält sich hartnäckig die Ansicht, der Konsum von Wein sei eine einigermaßen kultivierte Angelegenheit, zu der bereits ein durchschnittlicher Supermarkt das erforderliche Zubehör liefere. Zwar schädeln Bordeaux & Co. nicht so schlimm wie der gute alte Schnaps, vor allem lässt sich die gewünschte Blutalkoholkonzentration leichter und über einen längeren Zeitraum hochpegeln, aber der Nachschub ist mit einer größeren Menge an Altglas verbunden, die aus mehreren Besuchen beim Dealer resultiert. Immerhin ist die Kombination von Roggenkorn und Seezunge oder Wodka zum gemischten Salat in der bürgerlichen Gesellschaft nicht ganz so populär geworden – in Ausnahmefällen darf man zu rotem Fleisch auch klaren Fusel reichen – und wurde nie ganz durch die Konventionen ersetzt, die man für gewöhnlich mit der besseren Gesellschaft assoziiert oder zumindest noch vage in Erinnerung hat. Unangenehm nur, dass Gesellschaft stets irgendwas mit Menschen zu tun hat, mit denen man sich trifft. Zum Beispiel auf dem Weinfest.

Diese unangenehme Jahreszeit, in der es inzwischen nicht mehr so heiß ist, dass man unter dem Vorwand gesundheitlicher Vorsorge ganztags in der eigenen Wohnung bleiben darf, ebendieser Spätsommer bis Frühherbst ist überliefert als Zeit der Lese, was in dieser industriell geprägten Epoche auch nichts anderes heißt, als dass Erntehelfer aus wirtschaftlich abgeschlagenen Halbdiktaturen für ein paar Wochen in verwarzten Baracken ihre aus der Heimat eingeschleppten Infektionen auffrischen und nebenbei durch die auf Ertrag optimierten Steilhänge kriechen, um tonnenweise Trauben in die Vergärungsmaschinerie zu pfropfen. Doch das alles will der mittelmäßige Gelegenheitssäufer nicht wissen, in seiner Vorstellung sind’s noch immer die ländlich-sittlich gekleideten Winzer, wie man sie aus der Klischeefabrik des Tourismus kennt, die die Frucht wacker in den Bottich schlenzen und mit eigener Mauke zusammenstampfen. Dann also lockt auf jeder verfügbaren Freifläche, die vom Stadtmarketing nicht rechtzeitig für anderweitige Allotria reserviert werden konnte, ein gar lustiges Durcheinander aus billigen Bänken, erzeugerseitig zusammengeschwiemelten Buden regionaler Art und Anmutung sowie das nackte Grauen an Deko, wie sie nur im rieslinggeschwängerten Halbschlaf der Vernunft ersonnen wird. Als kulinarisches Angebot fungiert ein Ensemble vorgetrockneter Käsereste, ergänzt von Flammkuchen, wie man sie aus dem Discounter kennt und schätzt, wenngleich sie dort etwa 280% weniger teuer sind. Es soll ja, man kennt dies von Oktoberfest und Adventsmarkt, am Ende etwas rauskommen.

Nachdem die gründliche Fehlannahme sich in der Bevölkerung festgefressen hatte, alles mit zwei Fingerbreiten Abstand vom Mindestlohn sei bereits Mittelschicht, setzt sich diese Klientel auf morsches Gebälk und schunkelt unter Druckbetankung, oft in sensorischer Unkenntnis der jeweiligen Produkte, die gerade ausgeschenkt werden. Nicht eben selten prangen auf den Plastekanistern Klebeschildchen wie Silvaner, Rivaner, Grauburgunder oder Bitte erst durchspülen, am Morgen eines neuen Tages vom Patron lotteriemäßig aus der Schürzentasche gekramt. Kein Sommelier könnte im Halbdunkel und unter schwerem Einfluss von Kölnisch Wasser aus der Transpiration vorgerückter Alterskohorten die Flüssigkeiten an der Konsistenz erkennen, an der Farbe schon gleich gar nicht. Da zeitgemäße Events auch dieser Art inzwischen unter ballernden Beats aus der Elektrokonserve stattfinden, hat sich die genießerische Qualitätseinschätzung der Ware mit einem abrupten Nachmöpseln verabschiedet.

Zugleich ist das Weinfest die harmlose kleine Schwester der Bierveranstaltungen, mit denen zwischen Ende und Anfang des Bodenfrostes unter freiem Himmel drogeninduzierter Kontrollverlust als traditionelles Brauchtum verkleidet gefeiert werden dürfen. Sich gepflegt einen hinter die Binde zu bembeln und dabei wildfremden Personen in die Epidermis zu rutschen, das macht den speziellen Reiz der Leberrallye aus. Drei Tage, zwei Wochen oder irgendwas dazwischen treffen sich ganze Soziotope zum Synchronlallen. Es schweißt alles zusammen, was unter normaler Betrachtung noch nie zusammengehören wollte. Immerhin fügt sich dieser Veranstaltungstyp bestens in die Mentalität der Teutonen ein, die aus historischer Perspektive sonst nur Geplärr im Hopfenkoma als Ruhestörung an die Polizei melden und dafür die Prügelstrafe fordern. Und eines muss man dem Weinfest zugutehalten: es gab und gibt nirgends, nicht und nie eine einzige Blaskapelle bei diesem Bums. Keine. Mehr Kultur kriegen Deutsche nicht hin.





Zweierlei Maß

17 09 2019

„… nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs durchgesetzt werden dürfe. Das Oktoberfest werde zwar nicht abgesagt, es dürfe aber weiterhin alkoholfreies Bier ausgeschenkt und in jedem…“

„… als Angriff auf die bayerische Kultur sehe. Söder könne sich einen sofortigen Austritt aus der Bundesrepublik vorstellen und lasse noch zur Stunde prüfen, ob sich diese…“

„… fürchte der Einzelhandel in diesem Jahr keine Umsatzeinbußen. Die Geschäfte seien aber mit den Mengen an Alkoholika überfordert, die stattdessen in Supermärkten, Discountern und…“

„… heftig gerügt worden seien. Die Wirte hätten auf Nachfrage erklärt, der Ausschank von alkoholfreiem Bier stelle für sie weder technisch noch logistisch eine große Herausforderung dar, was zu scharfer Kritik durch die CSU und das…“

„… ursprünglich als Präventionsmaßnahme gegen zu viele alkoholisierte E-Roller-Fahrer geplant, von Scheuer aber erwartungsgemäß äußerst mangelhaft umgesetzt worden sei. Da die Landesregierung das Urteil nicht mehr korrigieren könne, werde man die Folgen so sozialverträglich wie möglich in den…“

„… rechne die Polizei mit einem starken Rückgang insbesondere an Körperverletzungen, die durch ein alkoholfreies Fest und die damit einhergehenden…“

„… habe Söder erklärt, dann könne man das Oktoberfest gleich abschaffen, wenn man nicht die bayerischen Traditionen aufrecht erhalten wolle. Es sei nicht hinnehmbar, dass nun bald die Grünen durch die Legalisierung von Cannabis eine links-orientalische Orgie auf der Theresienwiese und allen angrenzenden…“

„… ein moderater, aber messbarer Rückgang der Besucherzahl verzeichnet werden müsse. Dies liege allerdings auch daran, dass die Münchener Polizei Wiesnbesucher, die sich im Vorwege stark angetrunken hätten, vom Betreten der…“

„… sich der oberbayerische Handwerksmeister Alois G. (61) durch seinen breitbeinigen Gang beim Wachpersonal verdächtig gemacht habe. Nachdem ihm eine Bügelflasche mit Starkbier der Marke Terminator in der Hose geplatzt sei, habe er jedoch aus Angst vor Schnittverletzungen freiwillig in den…“

„… die Landesregierung protestiere. Alkohol, so Dobrindt, sei überall erlaubt, weil er nicht illegal sei, daher dürfe in Bayern keiner die…“

„… dass es tumultartige Szenen gegeben habe. Zwar seien die Preise für alkoholfreies Bier in diesem Jahr erheblich reduziert worden, die Besucher würden aber trotzdem nicht einsehen, warum sie für einen gezapften Liter mehr als den Preis von Discounterware und…“

„… sich die Sanitätseinsätze in den frühen Abendstunden nicht verringert hätten. Meist seien es alkoholbedingte Entzugserscheinungen, die zu notfallmedizinischem Eingriffen in den…“

„… gleich drei Schlägereien im Festzelt stattgefunden hätten. Den Beginn der brutalen Auseinandersetzung hätten mehrere Einwohner der Maxvorstadt gemacht, die komplett nüchtern der Blaskapelle gelauscht und gefordert hätten, man solle ‚diese ganze kranke Scheiße‘ sofort aus dem…“

„… fordere Dobrindt ein ausdrückliches Verbot von Heroin auf dem Oktoberfest, um eine Rechtssicherheit für die…“

„… seien mehrere im Priesterornat aus dem Kostümverleih gekleidete Münchener aufgefallen, die nach eigenen Angaben dienstlich große Mengen Messwein verkostet haben wollten, was zu einer sehr erheblichen…“

„… es laut Landesregierung jährlich 1.700 Alkoholtote gebe. Diese seien allerdings nicht alle in München und von diesen die Mehrheit nicht durch unmittelbare Wirkungen des Oktoberfestes verstorben, so dass von einer Kausalität überhaupt keine…“

„… fürchte die CSU einen Gewöhnungseffekt. Sollten die Bürger allgemein weniger Alkohol konsumieren, würde es nie mehr eine absolute Mehrheit für die…“

„… habe die Polizei strikte Anweisung, alle E-Scooter-Fahrer während des Festes einem Promilletest zu unterziehen. Zur Schonung der Personaldecke würden die Kontrollen allerdings nur im Münchener Umland sowie in den…“

„… auch der Konsum an Hühnerfleisch und Tabakwaren erheblich nachgelassen habe. Eine Korrelation mit dem Alkoholverbot könne man aber im Wirtschaftsministerium noch nicht als…“

„… sehe Scheuer im Alkoholverbot auch das Problem, dass so Autofahrer aus dem Umland nach dem Festbesuch nicht mehr in ihre heimatlichen…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCXLIX): Rausch

18 07 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Vermutlich war es wieder nur der Spieltrieb, der Ngg dazu trieb, die roten Beeren zu lutschen. Eine schmeckte unangenehm säuerlich, zwei führten zu leichten Schwindelgefühlen, mit einer ganzen Handvoll sah man, wie die Schmetterlinge in Zeitlupe tanzten. Die anderen waren davon zuerst nicht so begeistert, den das Zeug machte einen fürs Pleistozän ungewohnt derben Schädel, und man musste schon sehr genau aufpassen, dass man in den folgenden Tagen nicht versehentlich auf einen Säbelzahntiger trat. Andererseits entwickelte sich rasch die Gewohnheit, nach erfolgreicher Jagd ein paar Dinger in trauter Runde einzuwerfen oder sie sich bei Besuch in der Höhle reinzupfeifen, vornehmlich die großen, dunklen Früchte, wie sie Nggs Weib in der recycelten Nashornhirnschale kredenzte. Aus der dem einsamen Sabbern unterm Bärenfell wurde ein allgemein akzeptiertes Ritual, zunächst frei von gesellschaftlichen Zwängen und spirituellem Überbau. Der Rausch hielt, was er versprach.

Bis der Überbau irgendwann gesellschaftlich wurde, denn da hakten die bigotten Popelpriester mit Vergnügen ein. Nichts gegen Beerenkauen und eine Nase Kräutertee, aber nur für den zeremoniell zementierten Gebrauch, nur für geweihtes Personal und ähnliche Aluhütchenspieler. Der säkulare Zonk hatte die Pfoten vom Stoff zu lassen, er durfte sich allenfalls am lallenden Kuttenbrunzer ergötzen. Die Geschichte der Drogenverbote ist eine Rolle der mühsamen Konstruktion und Hege elitärer Warnschranken. Eine Rotte Schmarotzer aus dem militärisch-industriell-religiösen Komplex erklärt alles zum Feind, was sich gerne mal in der Freizeit in den Rausch abmeldet, erklärt die drogenfreie Gesellschaft zum Standard und bembelt sich selbst bei jeder Gelegenheit selbst die Birne zu, um zu verdrängen, dass sie eine vollkommen fehlerhafte Begleiterscheinung der Evolution sind. Dabei ist es gleichgültig, was sie verbieten. Denn es ist nur eine Frage der Herkunft, womit man sich das Hirn abklemmt. Diverse Sträucher, deren Grünzeug gekaut und geraucht lustige Geräusche im Riechzentrum verursachen, wachsen nur am Fuße bestimmter Berge auf gewissen Inseln, während andere Pilze sich nur weitab in anderen Tälern verbreiten. Die Tatsache, dass ein Großteil der Bekloppten gammelnden Fruchtzucker als Alkaloidspender nutzt, sagt noch nichts über deren natürliche Dominanz aus, geschweige über ein Recht, den Jahrgangschampagner aus Jouys-lès-Reims einem biologisch-dynamisch angebauten Kath jemenitischer Provenienz vorzuziehen. Sie verbieten nicht die Droge, sie verbieten den Rausch, der zwei unangenehme Effekte zeitigt, zunächst die innere Freiheit und die Kreativität.

Wer sich die guten alten Pflanzenbestandteile in die Blutbahn schwiemelt, schätzt meist deren sedierende Wirkung, die am Ende eines Werktages am Fließband die Gesamtsituation in deutlich hübschere Farben tauchen. Der freidrehende Verstand wird für eine Weile in den Schlaf geschickt und regeneriert seine Widerstandskräfte, um notfalls im Traum dem Vorarbeiter den Frontzahnbereich kalt zu verformen. Anarchische Kräfte sind oft kleiner als im Rückspiegel zu sehen, aber mit der korrekten Dosis Koks auf der Schleimhaut ist die notwendige Paranoia einsatzbereit, um die geistig nicht gesegneten Günstlinge der Gesellschaftsverhältnisse in Bewegung zu versetzen.

Der zweite Grund ist die daraus resultierende Unbrauchbarkeit abgelenkter Produktivkräfte für den Wirtschaftskreislauf. Wer kifft, baut keine Panzer. Genau so ist auch die schizoide Verstörung der Pseudoeliten zu erklären, die ihre saufenden Chefärzte und Sicherheitspolitiker im Crystalpalast locker wegschnieft, einen Straßenkehrer auf Dope aber umgehend einknastet – zur Warnung für die noch immer nicht genesene Herde, deren Löcken wider den Stachel mit Druck begegnet sein will.

Die Verteufelung des Rausches vornehmlich durch Ichlinge aus der in der Umlaufbahn des Sozialentzugs ist nur ein Disziplinierungsmittel, denn noch kann die Kaste der Kalkhirne weder den Schnaps noch die experimentelle Chemie wasserdicht verbieten, ohne sich selbst die Freizeit zu veröden. Und das ist auch der Schmerz, der den Schuss ins Knie liebevoll begleitet: den Rausch in seiner massenkompatiblen Form zu legalisieren hieße, die Macht des Edelproletariats offiziell in Frage zu stellen. Sie könnten das Bewusstsein des Angestelltenheeres nicht mehr schweigend steuern. Und sicher hätten sie mehr als ihr szenetypisches Päckchen daran zu tragen.

Ausgeschlossen scheint, dass sich Mechaniker und Handelsgehilfen einen Romanée-Conti hinters Zäpfchen gießen. Jedenfalls nicht ohne deutliche Hinwendung zum Spirituellen in der Gemeinschaft. Und einen Grund muss es ja schließlich geben, am Wochenende einen trockenen Roten zu nippen. Solange man danach beim Frühschoppen nicht wieder auf die Vorstandsvorsitzenden unter den Bänken tritt.





Haschmich

27 06 2012

„… zeige der Drogen- und Suchtbericht 2012 eine Verstärkung des Alkoholkonsums, wodurch sich zwingend die Bekämpfung von Cannabis, Internet und Computerspielen…“

„… die in Frankreich geltende Regelung einer freiwilligen Alkoholselbstkontrolle vor Antritt einer Fahrt zwar vollkommen sinnlos, werde von Bahr jedoch deshalb für einen Gesetzesentwurf als…“

„… betonte Seehofer den enormen Beitrag des Brauereigewerbes an der deutschen Wirtschaft, der nicht nur durch Export…“

„… sei Alkohol ein reines Naturprodukt, das auch nachhaltig erzeugt werden könne. Im Gegensatz zu Zigaretten, die bereits in einer industriell hergestellten Schachtel angeboten würden, sei Schnaps, abgesehen von der Flasche, ein vollkommen biologisch wirksames…“

„… stellte die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans klar, dass die Präventionsmaßnahmen der Bundesregierung gezielt auf Risikogruppen ausgerichtet werden müssten. Vor allem sollten nun mögliche Wähler von Oppositionsparteien in…“

„… laut neurophysiologischer Forschung der Berliner Charité als Angstmacher enttarnt worden. Es bestehe angesichts der Bedrohungslage kein Grund, den Verzehr branntweinhaltiger Getränke zu…“

„… für starkes Befremden sorgte. Da der Islam historisch nicht zu Deutschland gehöre, sei der bundesrepublikanischen Kultur auch jedes Volk fremd, das den Alkohol ablehne. Dass Friedrich sich als Gast der saudischen Gesandtschaft, noch dazu stark angetrunken geäußert habe, sei als schwerwiegender diplomatischer…“

„… sei das Zentralkomitee der deutschen Katholiken eigens für den weltoffenen Umgang mit Alkoholika ausgezeichnet worden, der weit über die volkstümlich als Eucharistie bekannte Schorle-Verkostung hinausgehe. Altbischof Mixa habe hervorgehoben, dass dieses Brauchtum bereits…“

„… lehne die FDP den Vorstoß von Linken und Piraten zur Legalisierung von Cannabis entschieden ab. Zwar habe man sich einst selbst für eine weit gehende Entkriminalisierung stark gemacht, könne als Regierungspartei aber keinesfalls einen…“

„… prangerte Gauck vor einer Kompanie ausgenüchterter Zeitsoldaten an, für unsere glückssüchtige Gesellschaft sei der Normalzustand schwer zu ertragen. Kein Bürger mehr sei bereit, einen Vollrausch für Volk und Vaterland zu erdulden und ihn durch nationales Brauchtum…“

„… sei Hanf schon deshalb eine gefährliche Pflanze, die auf jeden Fall verboten bleiben müsse, da sie auf einer staatlichen Liste stehe mit verbotenen Pflanzen wie z. B. Hanf oder…“

„… habe das Bundessozialministerium angeregt, neben der mutmaßlichen Alkoholquote auch einen Anteil für Kokain von den ALG-II-Regelsätzen zu subtrahieren, wodurch mittels Rückzahlungen die Summe von…“

„… nach dem Erfolg der Aktion ‚Rauchen gegen den Terror‘ auch die Maßnahme ‚Saufen für das Betreuungsgeld‘ einstimmig annehmen wolle. Kauder dementierte, dass die Union überhaupt die Absicht habe, das Konzept ‚Kiffen gegen die Wirtschaftskrise‘ als geeignetes…“

„… dass IM Friedrich den fortgesetzten Alkoholkonsum als eine Frage der deutschen Ehre verstehe, um gegen die Anwesenheit islamistischer Kräfte in Deutschland zu protestieren. Das …“

„… lehnten die Grünen den Vorstoß von Linken und Piraten zur Legalisierung von Cannabis entschieden ab. Zwar habe man sich einst selbst für eine weit gehende Entkriminalisierung stark gemacht, könne als potenzielle Regierungspartei aber keinesfalls einen…“

„… zu einer ernsthaften Konkurrenz komme. Friedrich beziehe seinen Pegel einer täglichen Druckbefüllung mit Weißbier und Obstler, während Brüderle quasi fortwährend…“

„… würde eine Legalisierung von Hanf unmittelbar dazu führen, dass sich alle Menschen spontan entkleideten; dies sei aus ästhetischen Gründen abträglich für die Volksgesundheit. Nahles habe diese Position als sexistische Kackscheiße…“

„… dürfe nach Ansicht der Koalitionspartner keinesfalls eine Verschärfung der strafrechtlichen Bestimmungen bei einer Rauschtat kommen. Vielmehr seien dem Rauschtäter mildernde Umstände zuzuerkennen, da er durch seinen Konsum stabilisierend auf das BIP…“

„… nach empirischen Untersuchungen Bier als häufigste Einstiegsdroge genannt worden sei. Man könne demnach davon ausgehen, dass die meisten Drogenabhängigen bereits als Kleinkinder den festen Vorsatz gehabt hätten, Heroin zu…“

„… sei Friedrich inzwischen bei einer Blutalkoholkonzentration von gut vier Promille abgelangt, was man an Gleichgewichtsstörungen und gelegentlich falscher Wahl der Oberbekleidung konstatieren könne. Die Mitglieder der CSU-Landesgruppe hätten sich allerdings sehr befriedigt darüber geäußert, dass sich das Niveau seines verbalen Outputs nicht messbar…“

„… lehne die SPD den Vorstoß von Linken und Piraten zur Legalisierung von Cannabis entschieden ab. Zwar habe man sich einst selbst für eine weit gehende Entkriminalisierung stark gemacht, könne als ehemalige Volkspartei aber keinesfalls einen…“

„… werde die in den medizinischen Gutachten geforderte Mündigkeit der Konsumenten im Umgang mit Rauschsubstanzen nicht gerecht. Die Bundesregierung stellte klar, dass Mündigkeit nicht zu den erwünschten Eigenschaften der…“





Alle Jahre wieder

8 12 2009

17:03 – Nachdem einige Praktikanten bereits am Vormittag das Konferenzzimmer der Heimle & Söhne GmbH leergeräumt haben, dekorieren die Schreibkräfte Roswitha D. (44) und Monika F. (46) den Saal mit den Überbleibseln der Faschingsfeier; die alljährliche Weihnachtsfeier steht an und der Vorstand lässt sich, guter Tradition folgend, nicht lumpen.

17:05 – Der Lampion, die Papiergirlande sowie das Fähnchen mit dem Firmenlogo sind angebracht. Die restliche Zeit bis zum Eintreffen der Kollegen nutzen die beiden Mitarbeiterinnen zu einer ausführlichen ästhetischen Würdigung des Raums. D. löst dabei heimlich das Nylonband, das die Girlande an den Deckenbeleuchtungskörpern befestigt.

17:30 – Außendienstmitarbeiter Helmut T. (35), der an sich nicht zu den geladenen Gästen gehört, begutachtet die Auswahl an Spirituosen in der Teeküche der Versandabteilung. Er lässt jeweils einen Karton Cognac und Amaretto von dienstbaren Geistern in den Kofferraum seines Kombis laden, bevor er selbst Hand anlegt. Die Weihnachtsfeier wird ohne Krimsekt auskommen müssen.

17:39 – Lagerist Timo P. (34) schafft die Getränke in den ersten Stock. Er belässt die Flaschen in den zugehörigen Kartons. So wird denn auch ein ganzes Dutzend Pfefferminzlikörflaschen ein Opfer der Schwerkraft. Während P. noch überlegt, ob der Hausmeister ihm das Sandstrahlgebläse zur Reinigung überließe, erscheint Abteilungsleiter Marko R. (28). Er weist P. an, die Sauerei im Treppenaufgang unverzüglich zu beseitigen.

17:50 – Das Treppenhaus verströmt den anheimelnden Geruch von Salmiakgeist. P., der ohnehin bereits Dienstschluss hat, entsorgt den Wischeimer im Herren-WC direkt hinter der Tür.

18:01 – Die ersten Angestellten erscheinen. Zwar beschränken sich die als Verpflegung deklarierten Waren auf zwei Familienpackungen Salzgebäck, deren eine Personalchef Harro W. (55) mit Beschlag belegt, doch ist die Stimmung angesichts von Riesling, Bordeaux und diversen Bieren in üppiger Menge und bester Qualität rasch auf annehmbarem Niveau angekommen.

18:09 – Mit dem launigen Ausruf „So jung kommen wir nie wieder zusammen!“ köpft Jens H. (45) die erste Bouteille Champagner. Der körperwarme Schaumwein, der drei Tage lang neben der Heizung gestanden hatte, verteilt sich gleichmäßig über den Kollegen aus dem Einkauf.

18:23 – Die ersten Speisen werden angeliefert. Gastronomin Isolde A. (67) wird dabei tatkräftig von ihrem Lebensgefährten Karl-Heinz G. (42) unterstützt, der allein zwei große Behälter mit Schnitzel Wiener Art und Kartoffelkroketten in den Raum verlastet. Lasagne, Erbsen mit Möhren sowie eine braungraue, breiige Masse mit hellen Schlieren komplettieren das festliche Menü.

18:24 – Just in dem Moment, da sich einige Mitarbeiter aus der Produktion mit dem Bockbier zu befassen beginnen, steckt Christian Heimle (37) den Kopf in den Festsaal. Entsetzt informiert der Sohn des Firmengründers seinen Bruder Peter (35), dass die Mitarbeiter die Alkoholika konsumieren, die für die Aufnahme des gemeinsamen Freundes Dieter M. (34) in den CDU-Ortsverein gedacht waren. Hektisch ruft Peter Chantal S. (62) an; die Besitzerin der Venus-Bar verspricht, Proviant bis zum anderen Tag zu besorgen.

18:40 – Unter allgemeinem Applaus betritt Theodor Heimle (73) das Konferenzzimmer. Er hält sich nicht lange mit Präliminarien auf und knipst sogleich das Licht aus, um seine alljährliche Rede zum Ende des Geschäftsjahres zu halten.

18:55 – Heimle hat die aktuelle Entwicklung der Weltwirtschaft – die Verschärfung des Nahostkonflikts bis zur Wiederholung des Sechstagekrieges sowie eine daraus resultierende Ölkrise – umrissen und entfaltet ein wahres Horrorszenario: drohende Massenarbeitslosigkeit und die Umstellung der Computer auf ein neues Betriebssystem. Niemand folgt der Rede, deren erstes Blatt offensichtlich aus einem ganz anderen Stapel stammte.

19:03 – Im Schutz der Dunkelheit knüpft Marko R. zarte Bande zu Annette V. (19). Die Azubine hält die Hand, die sich an ihr zu schaffen macht, für diejenige eines jüngeren Heimles und schlägt ihm vor, die Situation schnell und unauffällig zu verlassen. Sie gleiten gemeinsam unter den Tisch.

19:04 – Die beiden Ausreißer haben das Ende des Tisches erreicht und sitzen direkt vor der Holzvertäfelung. In diesem Augenblick beendet der Patron seinen Redebeitrag und eröffnet das Festessen. Innerhalb weniger Augenblicke sind die Liebenden nachhaltig eingekeilt; jede Flucht ist unmöglich.

19:10 – In der Annahme, es handle sich um Schwarzsauer, häuft sich Monika F. eine Portion der braunen Gallerte auf einen tiefen Teller. Roswitha D. lässt es sich nicht nehmen, über ihre Kollegin herzuziehen, die statt der warmen Speisen das Menü mit Schokoladenpudding beginnt.

19:12 – Produktionschef Lothar N. (41), der neben einer größeren Menge Wodka bereits ausgiebig dem Weißwein zugesprochen hat, entschließt sich zu einem eigenen Grußwort an die Mitarbeiter. Man freue sich angesichts der derzeitigen Umsätze vor allem darauf, die Zweigstelle in Diyarbakır einzuweihen, „sobald die Kuffnucken da unten lesen und schreiben könnten“, so N. in seinem heiteren Vortrag. Die Frauenbeauftragte Yeşim Ü. (22) weist ihn mit scharfen Worten zurück.

19:20 – N. hat inzwischen, einige Gläser Wodka später, den Unterschied zwischen der Holzschraube HS23 und Vergleichsprodukten anderer Hersteller im Schengener Raum hinreichend deutlich gemacht und kehrt wieder zur Expansion der Firma zurück. Er lädt die Belegschaft ein, „einen zu kippen auf das Wohl der Kümmeltürken“. Ü. verlässt wutentbrannt den Raum.

19:32 – Um die Stimmung vor dem Abflauen zu retten, schaltet Jens H. den mitgeführten Radiorekorder ein. Das Henkelgerät schafft unmittelbare Fröhlichkeit, da Roy & The Supersingers wahre Perlen internationaler Schlagkunst wie Heiße Nächte in Bad Sooden-Allendorf sowie Du bist die Schönste in der ganzen Hochhaussiedelung, Heidelinde zu Gehör bringen. H. verspricht, die Kassette mit den Probeaufnahmen seiner Feierabendcombo für die Arbeitskameraden mehrfach zu überspielen.

19:33 – Der Wodka geht zur Neige. Mit Hilfe einer schwarzen Olive als Schnauzbartersatz gibt N. eine mäßig erfolgreiche Hitler-Parodie. Der Beifall hält sich in Grenzen.

19:45 – Ein heftiger Streit entbrennt über die braune Masse. Während Verfahrenstechniker Detlef K. (39) eine Mousse au Chocolat durchaus für denkbar hält, plädiert Materialprüferin Sabine E. (33) dem Augenschein folgend auf eingekochte und teilweise ausgehärtete Erbswurst. Martin J. (43), Fachmann für Verbundwerkstoffe, löst das Geheimnis, indem er mit einem Schraubenschlüssel in die unterste Schicht der Therme fährt und gelblich verseifte Fettrückstände zutage fördert: es handelt sich um Grünkohleintopf.

19:49 – Obzwar auf den Tischen Stumpenkerzen brennen, hält es Lothar N. nicht mehr auf dem Teppich. Er besteigt die mit Papierdecken ausgekleideten Konferenztische, um mit einer ausgelassenen Tanzeinlage den Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft zu fördern. Allerdings scheint er von der Schrittfolge des Kasatschok überfordert; bei einem Tritt in den Kartoffelsalat büßt er empfindlich an Gleichgewicht ein und hält sich an der Girlande fest, die mit ihm in die Tiefe sinkt. Die Kerzenbeleuchtung tut das Ihre.

19:50 – Eine Schrecksekunde später greift Buchhalter Rüdiger Z. (56) zum Feuerlöscher, um die Stichflamme zu ersticken. Martin J. sekundiert tatkräftig, indem er Bier in die Verteilersteckdose gießt; da Notbeleuchtung und Musik ausfallen, nutzen die beiden Gefangenen den Tumult, um ins Herren-WC zu entweichen. Beim Schließen der Tür stößt Marko R. versehentlich den mit Likörresten angefüllten Putzeimer um. Dem Erguss der zuckerhaltigen Flüssigkeit auf die Fliesen der Nasszelle schenkt er keine Aufmerksamkeit.

20:02 – Versandmitarbeiterin Marion St. (24) hat in der Zwischenzeit einen Satz Batterien aus dem Vorzimmer des Chefs organisiert. Mit Hilfe der kleinen Stromspender kann sie nun endlich ihre Lieblingskassette abspielen. Die Festgemeinde schließt sich zunächst nur zögerlich der Polonäse an, Detlef K. jedoch lockert die Laune in erheblichem Maße auf, indem er der einen oder anderen Teilnehmerin von hinten an die Schulter packt. Juchzen schallt aus dem Westflügel.

20:21 – Harro W. macht sich mit zwei Kollegen auf, die Teeküche des Versands einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Im Schein mehrerer Taschenlampen und Feuerzeuge finden sie mehrere Schachteln vor, deren Aufdruck in chinesischen Schriftzeichen sie geradezu zwingt, sie zu öffnen. Der Hinweis Alle Wenig füer dem außßen Einsaz! aufpuffen! lässt sie den Inhalt der Pappbehälter als Zimmerfeuerwerk deklarieren. Im Triumphzug trägt das Triumvirat die Knallkörper zur Jahresabschlussparty. W. serviert zudem eine Literpackung Frostmann’s Vanille-Traum mit 0,2‰ naturidentischen Aromaauszügen, die wegen mangelnder Kühlmöglichkeit mählich vom zarten Schmelz in flüssigen Aggregatzustand übergeht.

20:34 – Eine leichte Unpässlichkeit, die dem abwechselnden Genuss von Lasagne, Doppelkorn und Kokosmakronen (Mindesthaltbarkeitsdatum August 1997) geschuldet sein mag, bringt Christian Heimle dazu, das Büro seines Vaters aufzusuchen. Angesichts schwieriger Beleuchtungsverhältnisse hält ihn Yeşim Ü. für den Kontrahenten aus der Produktion. Mit wenigen Handgriffen hat sie den Schlüssel gedreht und ihn dann unter Zuhilfenahme eines Möbelstücks im Schloss abgebrochen. Der Junior sitzt in der Falle.

20:38 – Erstickte Lustschreie dringen aus dem Herren-WC. Allerdings stößt die Geräuschkulisse auf wenig Interesse, da sich ein Teil der männlichen Belegschaft aus anatomischen Gründen bereits in Blumenkübel und Papierkörbe erleichtert, um die Nachschubzufuhr zu vereinfachen. Allein Entwicklungsingenieur Fridomar H. (38) gibt anderthalb Pfund Grünkohl-Erbswurst-Mousse körperwarm in ein All-in-one-Device ab, das bis zu diesem Augenblick drucken, faxen und kopieren konnte.

20:59 – Timo P. war beim Ausräumen der Küche gründlich vorgegangen; so hatte er nicht nur die Getränke, sondern auch mehrere Kisten mit Putzmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs in den Konferenzraum geschafft. Rüdiger Z. erinnert sich eines Fruchtnektars, den er am frühen Abend konsumiert hatte, und weist Fahrdienstleiter Patrick L. (34) an, mehrere Flaschen aus den Kartons mit der gelben Banderole zu holen. Großzügig über den Resten der unterdessen zu Vanillesauce geschmolzenen Süßspeise verteilt entsteht ein durchaus süffiger Cocktail, dem es allerdings deutlich an fruchtiger Note mangelt; der technische Alkohol, den L. tapfer für Reisstrohschnaps hält, beschleunigt die Unempfindlichkeit zusehends.

21:03 – Der Juniorchef hat das Bewusstsein wieder erlangt und hämmert gegen die Tür. Niemand hört ihn. Die Telefonanlage ist kurzschlussbedingt nicht zum Absetzen eines Notrufs geeignet.

21:05 – Detlef K. und Jens H. wollen auch in diesem Jahr nicht auf das obligate Flaschendrehen verzichten, das das Betriebsklima geschmeidig hält. Nach zwei Versuchen finden sie ein bereits angebrochenes Behältnis. Es ist der abrupt einsetzenden Rotationsbewegung anzurechnen, dass die Flasche einen Liter zur Scheibenreinigung bestimmtes Ethanol zentrifugal auf dem Laminat verteilt.

21:09 – Es mag an Magnesiummangel oder einem gestörten Kochsalzverhältnis liegen, der auf dem gefliesten Boden der Herrentoilette kniende Marko R. erleidet einen Wadenkrampf. Schmerzenslaute dringen durchs Dunkel. Verzweifelt versucht Annette V., den vermeintlichen Betriebsleiter nach kräftezehrendem Liebesspiel wieder aufzurichten, doch die Substanz erweist sich als tückisch. R. klebt mitsamt heruntergelassener Hose im getrockneten Pfefferminzlikör fest.

21:21 – Der Juniorchef hat mit Hilfe eines Briefbeschwerers das abgeschlossene Fenster geöffnet. Obzwar die ausgeschaltete Elektrik das Anspringen der Alarmanlage verhindert, fällt den Werkschutzmännern Tiberiu A. (44) und Mircea E. (45) die Geräuschentwicklung auf; sie sorgen mit dem Schnellfeuergewehr für Ruhe und Ordnung.

21:28 – Zwei der unzähligen von Harro W. in Reih und Glied angeordneten Kleinknallfrösche reichen aus, um eine Verpuffung auszulösen, die die restlichen Feuerwerkskörper in Richtung des gelben Behälters drückt; an der chinesischen Kartonage züngeln schon die Flammen, als die Metallwerker eilends den Raum verlassen.

21:29 – Unter dem Widerhall der Kanonenschläge steigert sich Annette V. in einen hysterischen Anfall hinein. Sie heult panisch hinter der Tür des Herren-WCs und kann nur durch Zuspruch ihrer Kollegen beruhigt werden. Nach dem Entriegeln der Klotür stellt sich heraus, dass der Pfefferminzlikör auch die Tür nahezu hermetisch verklebt hat. Der Sauerstoff geht zur Neige. Die Lage ist ernst.

21:36 – Lothar N. kämpft inzwischen einen Zweifrontenkrieg gegen Eierlikör und aufsteigende Übelkeit. Mit dem Stoßseufzer „Wenn das der Föhrer wösste!“ meldet er sich von der Weihnachtsfeier ab und torkelt ins Treppenhaus, wo er mit dem linken Knie und dem rechten Ellenbogen am ausgelaufenen Pfefferminzlikör festklebt und in dieser bizarren Position einschläft.

21:42 – Rüdiger Z. und einige beherzte Männer haben den Fotokopierer durchs gesamte Stockwerk geschoben; unter vollem Körpereinsatz benutzen sie das Vervielfältigungsgerät als Rammbock – tatsächlich dröhnt schon nach wenigen Stößen ein Knirschen und Splittern durch den Flur, das allerdings nicht von der Tür des Herren-Klosetts herrührt.

21:44 – Für den Bruchteil einer Sekunde schweigt das Fauchen der Flammen, bevor ein Dutzend Polenböller das Ethanolgebinde auf ein Vielfaches seines Rauminhalts bringt; die komplette Fassade des fünfstöckigen Gebäudes wird nicht lotrecht, aber in beachtlicher Beschleunigung abgesprengt. Die beiden vor dem Bau parkenden Sattelschlepper mit der Aufschrift Treu und Glauben mit Heimles Schrauben sind kurz danach nur noch anhand der blass bläulichen Schattierungen auf dem Asphalt zu erkennen. Trümmerteile tilgen die Eisenbahnunterführung, eine Lagerhalle und das Stadion des TuS 1888 aus dem Weichbild des Industrievororts. So endet der Abend in einem Familienunternehmen, dessen Mitarbeiter in der Adventszeit einfach nur ein paar besinnliche Stunden verleben wollten.





Tequila Sundown

30 06 2009

„Das werden Sie gar nicht mehr kennen, die jungen Leute trinken ja heutzutage ganz andere Sachen. Aber ein richtiges Gartenfest ist einfach keins ohne eine Bowle.“ Herr Breschke trug eine karierte Schürze und unterstrich den Schwung seiner Worte mit einer gewaltigen Schöpfkelle. „Aber dieses neumodische Zeug, wenn Sie mich fragen, das ist ja nichts. So eine Feier sollte doch in Erinnerung bleiben. Am Samstag können die jungen Leute ja wieder Flaschenbier trinken.“

Die jungen Leute, das waren die Gäste von Breschkes Tochter, die nun auch schon ihren 43. Geburtstag feierte. Das halbe Liegenschaftsamt, die Helferinnen von Doktor Klengel, das Personal der Gemüsehandlung, die halbe Hindenburgstraße – die ungeraden Hausnummern – sowie Staatsanwalt Husenkirchen samt Gattin hatten simultan abgesagt, so dass die Party überschaubar bleiben würde. Wie in jedem Jahr. Sogar Olaf Tünnekieper, der etwas unbeholfen auftretende Oberamtsrat aus dem Landesamt für Denkmalpflege, der sich eigentlich aus naheliegenden Gründen für sie hätte erwärmen müssen, hütete das Bett mit einer Sommergrippe, die seiner Mutter Sorge bereitete; der Junge hatte fast 38 Grad gehabt und die ganze Nacht nach Kamillentee verlangt. Auch er würde nicht ändern können, dass Breschkes Tochter den Spitznamen Raumkapsel weiter trägt. Sie kreiste ja schon seit Jahren unbemannt durchs All.

Ich hatte lediglich die große Kristallschüssel für den Nudelsalat vorbeibringen wollen und hatte am Abend noch genug zu tun. Aber es half nichts. Herr Breschke nötigte mich zum Bleiben. Er filetierte die Orangen, vielmehr: er versuchte es. Die Sache sah eher aus, als wollte er die Südfrüchte mit dem Messer in der Hand auspressen. Saft tropfte auf den Küchentisch, umspielte die Außenseite der Schüssel und bahnte sich seinen Weg auf die Dielenbretter. Das spitze Schneidgerät rutschte gefährlich ab, fast hätte Breschke Blutorangensaft produziert. Das konnte ich nicht mehr mit ansehen und nahm ihm das Messer ab. „Halten Sie besser die Frucht nur mit Daumen und Mittelfinger“, erklärte ich ihm, die Prozedur am Objekt zeigend, „und schneiden Sie mit einer leichten Kreisbewegung die Filets heraus. Dann ein bisschen drehen, schon sind sie draußen.“

Schnitz um Schnitz fiel in die Bowlenschüssel, er sah mir bewundernd zu. „Was Sie alles können!“ Er griff nach der Flasche auf der Anrichte. „Den hat meine Tochter mitgebracht aus dem Urlaub. Wir trinken ja selten, aber für die Früchte sollte das gehen.“ Ein halbes Dutzend Orangen lagen noch an – eine Bowle ohne gehörig Fruchteinlage sei gar keine Bowle, schärfte mir der pensionierte Finanzbeamte ein – und ich widmete mich dem Schälen. Breschke kippte und kostete. Die Sache würde in weniger als einer Viertelstunde erledigt sein, danach plante ich die sofortige Flucht. Schon des Nudelsalats wegen.

Da steckte Frau Breschke den Kopf in die Küche herein. Sie wies auf den Sirup hin, der noch immer auf dem Küchentisch stand. „Beim letzten Mal hat er nämlich wieder die Hälfte vergessen, und der Sekt war auch nicht kalt!“ „Jetzt aber raus hier“, herrschte Breschke sie an, „siehst Du nicht, dass wir hier arbeiten? Und überhaupt, was hast Du damit zu tun? Bowle ist schließlich Männersache!“

Die Früchte waren fertig. Ein weiteres Mal goss der Küchenmeister vom Grenadine ins Gefäß und schmeckte hingebungsvoll ab. Einige Male hustete er. Er musste sich verschluckt haben. Schnaufend blickte er auf. „Sie können doch schon mal den Sekt aus dem Keller heraufschaffen. Wir haben extra lieblichen Schaumwein kommen lassen. Frau Tünnekieper hat da so eine Quelle. Recht preiswert und durchaus wohlschmeckend, das Zeug.“ Und er senkte erneut den Suppenlöffel in die Schüssel.

Die Kellertür klemmte ein wenig. Mit der Schulter stemmte ich sie auf. Von oben hörte ich Frau Breschke Unverständliches rufen. Sie stieg die Treppe herab und zeigte mir die Sektvorräte. „Nehmen Sie lieber den hier, das ist ein trockener. Ich kann das süße Zeug ja nicht so ab, aber mein Mann muss immer dieses Zuckerwasser von der Tünnekieper kaufen. Der macht immer so Flecke.“ Und wo wir gerade so nett am Plaudern waren, versprach ich auch gleich noch, den Klapptisch in den Garten zu tragen, nachdem ich alle zwanzig Stühle dorthin geschleppt hätte. Ich tupfte mir den Schweiß ab. „Ein Glas Wasser, das kühlt“, riet mir Frau Breschke und begleitete mich in die Küche.

Bismarck, der dümmste Hund im Umkreis, hatte seine Leine um Breschkes Beine gewickelt, was eine enorme Leistung gewesen sein muss. Denn der lag auf den linken Arm gelehnt in voller Länge auf dem Küchenboden, den Schöpflöffel noch in der Hand. Um ihn herum waren Orangenfilets drapiert, die der Dackel aus unerfindlichen Gründen nicht anrührte. Frau Breschke warf sich mit einem Schrei auf den Ohnmächtigen. Er hob den Kopf. „Scha… schdassis allllss… hick!“, lallte er und plumpste wieder auf die Dielen. Ich nahm die ominöse Flasche von der Anrichte. Añejo verkündete das Etikett, und: 100% Azul. Der Agavenschnaps musste 55 Volumenprozent Alkohol enthalten haben. Ich krempelte die Hemdsärmel wieder auf.

„Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben“, schluchzte Frau Breschke, „und Sie meinen, er schläft jetzt erst mal?“ „Sicher, morgen früh ein paar Eiswürfel zur äußerlichen Anwendung, dann dürfte es gehen. Aber geben Sie ihm bloß keinen Nudelsalat!“





Der öffentliche Feind

18 03 2009

Die öffentliche Diskussion hatte das Thema lange Zeit gemieden, doch es ließ sich nicht länger vertuschen: der Staatsfeind musste ausgelöscht werden, bevor er das Volk in seine Gewalt bekäme. Rasches Handeln war das Gebot der Stunde – ohne Ansehen der Sache musste eine Lösung gefunden werden. Zwar wurde noch beratschlagt, um welches Problem genau es nun ginge, doch um solche Nebensächlichkeiten konnte sich in Todesgefahr nun keiner mehr kümmern.

Die nötige Begründung lieferte Christian Pfeiffer. Ihm war zu Ohren gekommen, dass bei einem in der Nachbarschaft wohnenden Pensionär im Gartenhaus eine Heckenschere gefunden worden sein solle – ein potenzielles Mordinstrument, gerade noch rechtzeitig entdeckt. Zudem stand der ehemalige Gymnasialdirektor im Ruf, das heutige Schulsystem scharf zu kritisieren. Der Kriminologe, dem zugetragen wurde, dass der 94-Jährige allabendlich seinen Schoppen Weißwein zu trinken pflegte, rechnete flugs aus, dieser habe im Laufe seines Lebens 8.500 Liter reinen Alkohols zu sich genommen. Zwar hatte Pfeiffer im Eifer die Menge des Alkohols mit der des konsumierten Weins verwechselt, wenn denn der Pädagoge bereits am Tage seiner Geburt sich dem Trunke ergeben hätte. Doch das störte keinen. Wusste man doch, dass diesem Akt der Lehrkraftzersetzung nur mit brutalstmöglicher Methodik beizukommen wäre – und sei es in den Gefilden der deskriptiven Statistik.

Den Rest besorgte der SPIEGEL-Titel Die Killer-Bestie von der Mosel, die einen bis dato unbescholtenen Winzer aus Trier zeigte, dessen trocken ausgebaute Kabinettweine seit Jahrzehnten regelmäßig prämiert wurden und für die Krone des deutschen Rieslings galten. Die Regierung rief in einem Akt des nationalen Notstands die Prohibition aus. Deutschland sollte auf dem Trockenen liegen.

Zunächst bildete sich in den Bahnhofsvierteln der größeren Städte eine Dünnbierszene, die jedoch leicht zu kontrollieren war. Mit Hilfe eigens abgerichteter Spürhunde bekam die Polizei die Delinquenten in den Griff. Ihre öffentliche Bestrafung – sie wurden erkennungsdienstlich behandelt und für den Rest ihres Lebens in einem Internet-Pranger ausgestellt – schien die Gefahr von Nachahmungstätern zunächst zu bannen. Doch die Inquisitoren sollten sich getäuscht haben.

Zwar senkte der Überwachungsdruck den Alkoholkonsum, da ein Großteil der deutschen Bevölkerung vorwiegend solche Anordnungen befolgte, deren Sinn ihm nicht ersichtlich war; dennoch kam es vermehrt zu grippalen Infekten. Da die pharmazeutische Industrie ihre Produkte auf alkoholische Lösungen umgestellt hatte – nach der Gesundheitsreform gab es keine rezeptpflichtigen Erkältungsmittel mehr – wuchs der Bedarf sprunghaft. Konspirative Husten-Partys durchzogen das Land. Deutschland schniefte. Der Hustensaft-Absatz brach alle Rekorde.

Wie zu erwarten wies die Kriminalitätsstatistik viel mehr Schwerverbrechen auf. Dies lag daran, dass Mord und Totschlag nun auch schon für eine Schachtel Weinbrandbohnen verübt wurden. Dies lag allerdings auch daran, dass Alkoholbesitz inzwischen als Schwerverbrechen galt. Endlich gab es einen Grund, die Beweislastumkehr in die StPO aufzunehmen.

Die Arbeitslosigkeit stieg auf einen historischen Rekord. Waren ganze Berufsstände, Winzer und Brauer, und mit ihnen in Jahrhunderten gewachsene Traditionen plötzlich verschwunden, so zog die Regierung doch ein positives Fazit: die Arbeitslosen hätten nun keine Gelegenheit mehr, es sich mit einem Glas Alkohol vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Mehrere Bundesminister schlugen sich gegenseitig für den Friedensnobelpreis vor. Die Stimmung war gespannt, aber euphorisch.

Auch der Fall des Heribert Kühnle erregte internationales Aufsehen. Der junge katholische Pater war zu einem Sterbenden gerufen worden, der in diesem Leben nur noch den Wunsch hatte, ein Abendmahl einzunehmen. Ein Stück Toastbrot und eine verstaubte Flasche Rotwein waren alles, was der Geistliche in der Küche des Alten fand. Mit den Segnungen der Kirche versehen ging der Mann in den ewigen Frieden ein. Nichts wäre geschehen, hätte nicht der Arzt, der den Totenschein ausstellte, einen Rest Weins im Teelöffel auf dem Nachttisch gefunden. Pater Kühnle war hinfort Freiwild für die Presse. Hatten zunächst nur vereinzelte Medien mit Mord im Dom und Der Teufels-Priester: Ich gebe dem Volk auch Opium getitelt, so brach ihm Pfeiffers Analyse das Genick. Der entlassene Landespolitiker wies glasklar nach, dass er keine Korrelation zwischen Alkoholkonsum und Ableben zu untersuchen gedächte, was den Schluss nahe legte, dass nur eine monokausale Erklärung in Frage käme; aus einem Feldversuch mit der Stichprobengröße n=1 hätte sich ergeben, dass der Verzehr alkoholischer Getränke in jedem Fall zwingend zum Krebstod des Probanden führte. Der Gottesmann war gerichtet.

Eine Einigung zwischen dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen und dem Heiligen Stuhl kam nicht zu Stande. Erstere Institution, die auch als KFN in den Landtagswahlkampf zog, reklamierte weiterhin das Dogma der Unfehlbarkeit für sich.

Fast brachte die Wende der Skandal um einen bayerischen Landrat. Alois Hurglbichler hatte nach einer Weihnachtsfeier und dem Genuss mehrerer Gläser Brennspiritus ein Fahrzeug auf dem nahe gelegenen Parkplatz aufgebrochen, eine großkalibrige Waffe entwendet und vierundvierzig Menschen auf dem Marktplatz erschossen, darunter die Sternsingergruppe des örtlichen Kindergartens. Die rasch einberufene Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Pfeiffer befand nach eingehender Beratung noch am selben Tag, dass der Unfall ausschließlich auf nicht gesetzeskonformer Aufbewahrung des Jagdgewehrs zurückzuführen sei. Der Besitzer habe zudem die Munition in seinem Wagen deponiert. Er bekam die volle Härte des Gesetzes zu spüren.

Ein Umdenken setzte ein. Mehr und mehr wandte sich das öffentliche Bewusstsein der Tatsache zu, dass in Deutschland immer noch geraucht wurde.