
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Das evolutionäre Muster schlug sofort zu. Uga und Ngg kannten einander nur vom Sehen, doch sie kamen vom selben Stern. Der eine dachte vom anderen, der sei stärker, geschickter, männlicher. Der andere dachte das vom einen auch, und so begann das Dilemma. Sie zeigten einander das Gebiss. Freundlich beschwichtigten sie sich selbst und das Gegenüber, fletschten die Zähne und wahrten dabei nach Möglichkeit das Gesicht. Bis zu dem Augenblick, wo ihnen beiden simultan der Geduldsfaden riss und sie wie auf Kommando die Fäuste fliegen ließen. Hätten sie sich kurz berochen, die Nasen angewidert gerümpft, den Schwanz eingekniffen und ohne Gebeule das Feld geräumt, es hätte ein netter Tag werden können zwischen Wasserloch und Lagerfeuer dort am Rande der Savanne. Warum nur mussten sie so früh vor der arbeitsteiligen Gesellschaft schon den Zwang zur Fröhlichkeit erfinden?
Das Telefon klingelt und eine Dreckfresse auf Speed wünscht dem ahnungslosen Bürger so was von einem wundervollen, superschönen tippitoppi guten Tag. Einen Atemzug später salbadert er über das irre preiswerte Vorzugsangebot, und während man sich noch fragt, woher dieser Pickel am Arsch des Kapitalismus über die Rufnummern verfügt, unschuldigen Fernsprechteilnehmern den letzten Nerv zu zerschmirgeln, hat er auch schon dreimal um Entschuldigung geflennt und bietet an, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn’s denn gerade mal passt, sein Geschleime auf dem Cortex zu drapieren. Aller Wahrscheinlichkeit nach steht ein subalterner Depp mit Springmesser im Anschlag in seinem Rücken und treibt ihn zur pathologisch guten Laune – einer, der selbst bester Stimmung seinem Chef rapportiert, wie duftomat er seine verschissene Existenz findet.
Ist es der neoliberale Zwang zur positiven Denke, die letztlich nichts anderes sagt als: man kann alles, und wer es erwartungsgemäß nicht schafft, ist eben auch selbst schuld? Oder etwa die defensive Haltung, die dem duckmäuserischen Deutschen ins Rückgrat gefräst wird, damit er ja nie im Sattel steht, sobald er sich unter die Radfahrer eingereiht hat? Die intellektuelle Schlichtbehausung der Managementbraunalgen schöpft aus vielen trüben Quellen, um sich ein Weltbild aus Stolz und ausgekauten Vorurteilen zurechtzuschwiemeln. Wer gut drauf ist, produziert zugleich hypermotivierte Kunden, die einem jeden Dreck im Doppelpack abkaufen, was wieder den Vertriebler und seinen Vorgesetzten, den Querkämmer mit dem Messer, motiviert, und diese ganze Fehlkonstruktion badet dann der nächste Trottel aus, der gutmütig den Hörer abnimmt.
Was in Arbeitswelt und Zivilisation an der Tagesordnung ist, um überhaupt die dialektische Entwicklung der Resthominiden in Gang zu halten, das wird unter einer Zuckerschicht weggekaspert: jegliche Konfrontation, jeder Konflikt, und sei er noch so sachlich, er verschwindet in einem Strudel aus sinnlosem Gelächel, Wellnessgesabber und der bandscheibenperforierenden Bückmechanik für marktradikale Kurzstreckendenker. Der Kunde hat eine Reklamation, weil der billige Schunder nicht ordentlich verpackt war? Callcentermäuse raspeln Verbalglutamat, als seien sie gerade in japanischer Unterwürfigkeit trainiert worden, nehmen den Schaden mit grinsebackenhafter Verbindlichkeit auf und jodeln hernach noch ein Pfund beste Grüße an die unbekannte Familie raus. Danach kotzen sie erstmal gepflegt unter den Tisch, weil sie die Spielregeln kennen: der Klumpatsch wird hinterher nicht besser verpackt sein, jeder Kunde kriegt diese Supersondervorzugsbehandlung, die reklamierte Ware wird wieder in einem zerknickten Stoßfänger ausgeliefert. Man könnte, wie in jeder geistig normalen Umgebung, den Käufer freundlich, aber nüchtern über den Fortgang der Sache in Kenntnis setzen, andere Möglichkeit: der Rest der Welt zieht endlich auch nach Berlin. Hier macht sich der Bekloppte nur verdächtig, wenn er die Kundschaft nicht grundlos zur Begrüßung anpöbelt.
Ganze Beraterrotten kotzen Optimierungsmüll über die Belegschaften, die auch ohne schon nicht mehr wissen, wie sie den Tag überstehen sollen. Es ist generell alles, was konfliktbehaftet sein könnte, ein potenzielle Krise, und Krisenkommunikation bedeutet heute, dem Partner klarzumachen, dass es diese verdammte Krise gar nicht gibt. Grinsend wie ein bekiffter Gaul. Wenn es nicht klappt, ist der Krisenkommunikator schuld und tippt eine vor Selbstbewusstsein überschwappende Kündigung, in der er bekannt gibt, dass er sich hinfort in einer anderen Pissbude neuen Herausforderungen stellen wird. Hätte er, höchstwahrscheinlich die Knalltüte mit dem Messer, nur einmal das Resthirn angeworfen und den Affekt entdeckt, die Triebkraft hinter der Maskenfassade, die das Unehrliche aufbricht, um die Auseinandersetzung zuzulassen. Wahrscheinlich ist es den Voodoojüngern lieber, die offene Auseinandersetzung zu ersticken, denn sonst würde sich ja etwas ändern. Und jeder Änderung könnte ein Nachdenken innewohnen, wer hier eigentlich wen verarscht. Und warum. Und dass es nicht damit getan ist, die Hackfressen aus der TV-Silvesterparty, die komplett verstrahlt irgendeinen Frohsinn unter sich lassen, mit dem Pflasterstein auszuknipsen.
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