Pfleger Tours

26 09 2019

„Es geht hier nicht um Klimaschutz, sonst müssten wir die Bude ja sofort dichtmachen. Es geht hier um… – Nein, nicht um Arbeitsplätze, lassen Sie mich doch mal ausreden! Wir können die Aktionäre nicht im Regen stehen lassen, wie sieht denn das aus? Schließlich haben wir hier immer noch eine soziale Marktwirtschaft!

380 Millionen, das ist erst mal eine hübsche Summe, aber dann müssen Sie auch bedenken, wie viele sich das teilen. Am Ende bleibt pro Nase nicht einmal eine Million übrig. Das ist doch tragisch! Und Sie müssen auch berücksichtigen, dass das ja offiziell nur als Kredit gilt. Dabei wissen wir doch alle, dass das nicht wichtig ist, weil hier schließlich Volksvermögen gerettet wird. Natürlich ist das Volksvermögen, das gehört ja schließlich denen, die sich zum deutschen Volk zählen.

Gut, nicht alle. Ohne ausländische Investoren geht’s ja auch nicht mehr. Das haben Sie bei der Bankenkrise gesehen, da mussten wir auch erst die Griechen retten, damit die deutschen Aktionäre die Kohle abkriegen konnten. Und so viel Geld muss man da heute auch nicht in die Hand nehmen, es brummt bei uns. Doch, wir könnten gerade noch mal 80.000 Arbeitsplätze in der Solartechnik vernichten, das würde keiner merken. Auch wenn wir da sehr viel Geld rein gesteckt haben, das nicht direkt in die Kohleförderung geflossen ist. Teilweise haben wir das auch in die Vernichtung der Windenergie investiert, und da wir damit die deutsche Energiewirtschaft noch nicht kaputt gekriegt haben, spenden wir jetzt noch den Tillich als Grüßonkel für Konzerne, die sich nicht ohne fremde Hilfe in die Scheiße reiten können.

Aber als Bundesregierung oder wenigstens als Bundesland Hessen, wo man mit demokratischen Prozessen eh nichts am Hut hat, da muss man die Konzerne retten. Das liegt uns im Blut, dafür stehen wir sogar nachts auf. Vielleicht hat ja irgendeiner die Idee, aus dem Laden einen zweiten Logistiker auf Weltniveau zu machen? Irgendwas mit Medien? Oder beides? Man weiß es nicht. Auf die Schnelle hätte man auch sagen können, es geht um den Transport von Personen nach Plan, teilweise sogar überregional und unter wirtschaftlich nicht so sehr relevanten Gesichtspunkten, Komfort spielt die zweite Geige, wer sich beschwert, kriegt erst mal aufs Maul – die Deutsche Bahn AG sucht jede Menge Personal, da können wir doch helfen. Aber so einfach ist das nicht. Weil das auch langwierige Prozesse sind, die man nicht durch vorschnellen Bürokratieabbau beschleunigen kann, und wenn man das tut, vielleicht würde das sogar zu einer Wettbewerbsverzerrung führen?

Deshalb haben wir uns auch entschlossen, die Anschlussverwendung dieser Kräfte in der Pflege zu suchen. Das heißt, suchen müssen die natürlich selbst, wir sind ja nicht die Bundesagentur für Arbeitslosigkeit. Da muss man ein bisschen offen sein und sehr flexibel, leidensfähig, die Toleranz gegenüber unerwarteten Frustrationen muss sehr hoch sein, und dann kommt ja auch noch die Pflege dazu.

Wenn Sie sich das Personal mal ansehen, die schubsen da Wägelchen mit Tomatensaft durch die Kabine – da muss man lächeln und ein bisschen Englisch sprechen. Englisch kann Spahn sowieso nicht, das mit dem Fertigessen kennt er, so viel Kultur hat der Typ nicht, und warum sollte er dann bis nach Südostasien fliegen, wenn er die ganze Pflege mit den Leuten bestücken kann? Ist auch eine intellektuelle Frage, da gebe ich Ihnen recht, aber wir haben es hier mit Spahn zu tun. Da kann man das vernachlässigen.

Mal ehrlich, so eine Umverpflanzung in die Pflege, das haben wir doch nicht das erste Mal. Bei Schlecker hat das ja nur nicht geklappt, weil der Kasper, der damals die Sockenpuppe für die FDP gemacht hat, noch keine Ahnung von Wirtschaft hatte. Vielleicht hatte er auch von ganz anderen Sachen keine Ahnung, ist ja jetzt auch egal, aber eine vernünftige Arbeits- und Sozialpolitik schaut, wo die Kompetenzen der Mitarbeiter sind und wie man sie möglichst passgenau auf dem Arbeitsmarkt und für die Gesellschaft einsetzt. Wirtschaftspolitik ist daran interessiert, dass die Aktienkurse nicht beeinträchtigt werden. Wir verstehen eine ganze Menge von Wirtschaftspolitik.

Stellen Sie sich doch mal vor, wir hätten einen anderen Industriezweig. Die haben konsequent und trotz aller Warnung auch nicht in die Digitalisierung investiert, teilweise natürlich dies auch in enger Absprache mit der Bundesregierung, der das eh wurst war. Die haben moderne Märkte, die von andere erschlossen und erobert wurden, erst nicht zur Kenntnis genommen, dann ignoriert und zum Schluss auch noch als spinnerte Ideen potenzieller Kunden bezeichnet, die man unbedingt aus dem Wettbewerb heraushalten muss? Würden Sie jetzt so einfach die Automobilbranche stilllegen, nur weil es sich eigentlich nicht mehr rechnet?

Also lassen Sie sich nicht verunsichern, auf die unsichtbare Hand können Sie sich immer verlassen. Sie gehört Ihrem Staat, der immer marktkonform für Sie sorgt. Wir gehen ja immer davon aus, dass ein Unternehmen, das unbedingt Staatskredite in Anspruch nehmen muss, so überlebensfähig ist, dass es die eigentlich gar nicht braucht, und deshalb geben wir Kredite auch immer nur denen, die eh vor lauter Geld nicht wissen, in welches Loch sie es schmeißen sollen. Vertrauen Sie uns. Wir wissen, was wir tun.“





Handbremse

12 12 2012

„Und das war Deutschland.“ „Moment, erstmal war ja nur Bochum im Eimer.“ „Aber es haben alle gewusst, dass das der Anfang vom Ende war.“ „Alle?“ „Alle. Die meisten haben es nur nicht zugeben wollen.“

„Man hätte es doch aber wissen können.“ „Sie hätten es wissen müssen. Eigentlich hatte keiner einen Zweifel, dass sie Europa zerstören.“ „Warum ist das keinem aufgefallen?“ „Sie hatten damals noch ein falsches Bild von Europa. Sie hielten es für eine Wundertüte, aus der sich jeder nehmen dürfte, was ihm passt.“ „Sie hatten die Zusammenhänge vergessen.“ „Sie haben die Menschen vergessen. Aber das war ja nicht das erste Mal.“ „Weil das auch am Spardiktat lag. Das hat auch niemand verstanden.“ „Was man spart, ist ja nicht weg, es landet nur bei den anderen.“

„Wie kam es damals dazu, dass sie diese Autofabrik geschlossen haben?“ „Möglicherweise lag es schon daran, dass in Bochum mal diese Telefonfabrik war. Die waren von Nordrhein-Westfalen nach Rumänien weitergezogen.“ „Und dann nach Bangladesch.“ „Und dann nach Myanmar. Man kann es sich nicht aussuchen.“ „Die hatten vergessen, dass jemand die Auto kaufen muss.“ „Das tun sie häufiger: den Kunden aus der Nahrungskette streichen.“ „Es sind Kapitalisten.“ „Deshalb ja. Es zählt nicht, was man für das Geld kaufen kann. Es zählt, dass man es auf dem Konto hat.“ „Wozu übrigens?“ „Sie haben es mit Macht verwechselt.“ „Deshalb waren sie auch so erfreut, als die ärmeren Länder plötzlich immer ärmer wurden.“ „Wie gesagt, sie hatten sich verrechnet. Sie haben ihre Kunden ausgehungert und ihnen das letzte bisschen Geld aus der Tasche gezogen. Und dann haben sie sich Schuldscheine ausstellen lassen.“ „Damit es immer weiter so geht?“ „Ein paar von ihnen sind verhungert. Dann kam der Bürgerkrieg, und die erste Widerstandsbewegung wurde gegründet.“ „Warum sind die Reichen nicht umgekehrt?“ „Sie konnten nicht mehr. Sie haben in Fonds und Limousinen investiert statt in Rüben und Kartoffeln. Auf einmal haben sie dann gemerkt, dass man Karosserieteile nicht essen kann.“

„Die sieben Millionen Arbeitslosen…“ „… waren ein netter Versuch. Dabei hat es ihnen keiner geglaubt, da die Hälfte des Landes an chronischer Unterernährung litt.“ „Aber wir waren doch Exportweltmeister.“ „Es muss ja einen geben, der sein Geld freiwillig aus dem Fester schmeißt. Viele offene Rechnungen, aber keiner hat gezahlt.“ „Dabei hatten sie doch gesagt, sie wollten wie die schwäbische Hausfrau wirtschaften.“ „Die schwäbische Hausfrau hätte nicht die halbe Welt bei sich auf Pump kaufen lassen.“ „Dann waren die großen Überschüsse doch sowieso nur virtuell.“ „Mehr noch: sie waren eingebildet.“

„Im Nachhinein kann man sich nur wundern, dass es so lange gehalten hat.“ „Das zählt dazu. Sie haben sich auch eingebildet, dass es hält.“ „Und sie haben immer nur mehr Güter erfunden, die man aus der Luft greift.“ „Der Nachteil ist, dass man sie irgendwann mit realem Geld bezahlen musste. Und sei es mit Steuern.“ „Das wäre nicht so schlimm gewesen.“ „Falls die Reichen unter ihnen jemals Steuern gezahlt hätten.“

„Der letzte Nobelpreis ging an den, der diese Jahre als Epoche überbordender Immaterialgüter bezeichnet hatte.“ „Das ist der Punkt. Sie haben ihre Machtinteressen an nur scheinbar existenten Dingen befestigt.“ „Ein Leistungsschutzrecht für Texte, deren Urheber keinen Cent gesehen haben.“ „Und Schutzschranken, die sie hochziehen konnten, in beliebige Höhen, für beliebige Zeit.“ „Damit haben sie Bochum zum Fanal gemacht.“ „Sie haben plötzlich gesehen, dass man sie zwang, den Karren bergauf zu schieben. Aber bei angezogener Handbremse.“ „Die Autofabrik?“ „Oder Europa, dasselbe. Egal.“ „Jedenfalls haben sie sich verschätzt, als sie eine Menge Patente einfach dem Mutterkonzern schenkten. Als würde man einem Einbrecher den Schlüssel in die Hand drücken, damit er den Hausherrn vor die Tür setzen könnte.“ „Warum haben das vernünftige, zivilisierte Leute getan?“ „Sie haben ihren Dogmen geglaubt. Die konnten nicht falsch sein, denn: es waren Dogmen.“

„Henry Ford hat einmal gesagt: Autos kaufen keine Autos.“ „Henry Ford war Kapitalist.“ „Wo ist der Unterschied?“ „Ein echter Kapitalist hätte keine Bank gerettet, er hätte sie untergehen lassen. Wenn es ihm nicht gepasst hätte, er hätte einfach eine neue gegründet.“ „Deshalb mussten sie ihre Autos mit Stützkäufen am Markt halten.“ „Wie die Zeitungen.“ „Und den Euro.“ „Und die Demokratie.“

„Sie haben ja Recht gehabt, paradoxerweise.“ „Kurz vor Schluss haben sie noch mal jedem gesagt, dass sie die Autoindustrie ruiniert hatten, um die Umwelt zu schützen. Aber da hat ihnen schon niemand mehr geglaubt.“ „Angesichts der massiven Überproduktion an Autos fiel ihnen ja auch nur ein, die Löhne zu senken, um billiger zu produzieren.“ „Dann standen die Autos zwar noch immer zu Hunderttausenden herum, aber sie waren wenigstens billig.“

„Keiner konnte sich mehr Brot kaufen.“ „Die Reichen konnten sich kein Brot backen.“ „Womit auch.“ „Immerhin, sie hätten fliehen können.“ „Wie denn?“ „Es gab überall Autos.“





Und alle Fragen offen

22 08 2011

„Deshalb gleich zu Anfang unsere wichtigste Frage: Wie kommen wir aus der Krise?“ „Ja, das ist richtig und das muss man auch so sagen, wir haben das immer schon, und da können wir auch als die Partei, die sich von Anfang an ausgesprochen hat für eine stärkere und vor allem, dass wir jetzt endlich auch Maßnahmen ergreifen, die man dann aber auch umsetzen muss, denn es hilft ja nicht, dass man dann immer nur darüber redet, man muss dann endlich jetzt auch mal etwas ganz konkret, so wie wir das auf unserem letzten Parteitag im Juni beschlossen haben.“ „Ja, aber wie kommen wir aus der Krise?“

„Schauen Sie, wir können jetzt ja nicht so an die Märkte herangehen und sagen: ‚Wir gehen an die Märkte heran‘, und dann haben wir letztlich nichts erreicht, weil das eine internationale, und auch die Fiskalpolitik, Steuern und auch die gemeinsamen Finanzen in der Eurozone, wobei das ja noch gar nicht raus ist, ob wir hier eine Einigung erzielen, die die Märkte dann, wenn wir das – ich betone: wenn wir überhaupt ohne nochmaligen, ohne einen Rettungsschirm, der zum jetzigen Zeitpunkt natürlich auch vollkommen undenkbar, und da möchte ich dann noch mal die Kanzlerin zitieren, dass wir da so schnell wie möglich zu einer gemeinsamen Lösung finden werden, die wir auch als internationale Partner, hier in Europa und dann auch in der gemeinsamen Eurozone.“ „Und wie kommen wir dann aus der Krise?“ „Wir können jetzt zwei Wege einschlagen. Der eine Weg, das ist auch der, den die Kanzlerin, und die Koalition sieht ja im Moment so aus, dass das wieder nicht klappt, also werden wir noch ein paar Wochen länger warten, bis wir eindeutige Ergebnisse, die dann auch zehn bis maximal fünfzehn Milliarden mehr kosten, weil dadurch die Märkte leichter wieder Vertrauen fassen, dass wir es diesmal, und das hoffe ich sehr, dass wir es, diesmal wenigstens, auch ernst meinen, und diese fünfzig, maximal sind es dann vierhundert Milliarden Euro, die müssen dann auch reichen, weil wir ja sehen, dass wir das ohne eine entschlossene Regierung gar nicht können.“ „Gut, und wie kommen wir aus der Krise?“ „Weil wir als eins der Länder in der Eurozone, die auch mit dem Binnenkonsum, auch mit der Staatsquote und einem Anteil von, das sind aktuelle Zahlen, ungefähr genau, maximal bis zu mindestens 6.000 Punkte, und wir müssen auch sehen, dass wir die Märkte, die ja selbst abhängig sind von den Rohstoffen, vom Parketthandel an internationalen und teilweise sind es ja auch Handelsplätze außerhalb von Deutschland und London, und da müssen wir dann sehen, ob die Reaktion bei Offshore-Investments überhaupt etwas bringen, sonst ist das für uns keine Lösung, weil wir damit auch keinen deutschen Sonderweg riskieren.“

„Wie werden wir aus der Krise kommen?“ „Ich weiß nicht, was die Kanzlerin und Herr Sarkozy da im Einzelnen verabredet haben, damit diese Titel so schnell abstürzen, aber es war ja auch ein Schritt in die richtige Richtung, weil wir jetzt sehen, dass wir ohne eine vorgefertigte Lösung für die Probleme, die sich aus einem weiteren Rettungsschirm, den wir von Anfang an nicht ohne eine Einigung mit den EU-Ländern, mit den Partnern in der Eurozone, aber auch mit der EZB und den Kreditgebern, weil wir die Zinsen da nicht bestimmen, dazu müssten sich die Märkte bewegen, und es sieht im Moment nicht aus, als würde hier nur eine internationale, von allen angestrebte Lösung, die auch die Partner in der Eurozone, und auch die EU-Ländern, aber das wird sich letztlich zwischen Herrn Sarkozy und der Kanzlerin abzeichnen.“ „Wie kommen wir aus der Krise?“ „Lassen Sie mich da einen Aspekt ganz bewusst hervorheben, den seit der Kreditklemme der deutschen Banken, und das betrifft ja auch unsere eigene Finanzpolitik, die Zinspolitik, Basel III, weil auch der Stresstest nicht immer so, wie wir uns das gewünscht hätten, wenn die Anleger hier das Sagen hätten, aber das können wir nicht mit der Politik regeln, das sind Eingriffe in Regulierungen, die die Märkte dann so regulieren, dass wir wieder in eine Krise kommen, weil wir die Regulierung, für die die Anleger ja den Staat, der hier mit Recht eine Schutzfunktion, die wir brauchen.“ „Konkret: Wie kommen wir aus der Krise?“ „Wie gesagt, das sind die Aufgaben, die jetzt anstehen, für die Koalition, aber auch die Kanzlerin muss jetzt Farbe bekennen – und das auch in der Eurozone, in den bilateralen, in den trilateralen und in multilateral-internationalen Gesprächen innerhalb der EU und Europa, was die gemeinsame Haushaltspolitik mit sich bringen wird.“ „Wie kommen wir aus der Krise?“ „Dazu brauchen wir drei Dinge, erstens das Vertrauen der Märkte, die uns mit täglich neuen Hiobsbotschaften versorgen, dass wir im Moment auch eine leichte Rezession haben, solange der Aufschwung noch anhält, und zweitens, weil wir die Sache schnell entscheiden müssen.“ „Wie kommen wir aus der Krise?“ „Indem wir das nicht überstürzen, sondern uns auf dem kommenden EU-Gipfel mit allen internationalen Partnern in der EU, aber auch die Eurozone, soweit wir eine Union nicht als Transferunion, die sie faktisch ist, für eine effektive Stärkung, die dem Nullwachstum etwas entgegensetzen könnte.“ „Und wie kommen wir aus der Krise?“ „Mit diesen Mechanismen im Gepäck dürfen wir nicht weiter warten, die Kanzlerin als Regierungschefin muss jetzt handeln, und es gibt hier, und die Koalition weiß das, und sie müsste es auch wissen, nur eine Frage: Wie kommen wir aus der Krise?“ „Vielen Dank für das Gespräch.“ „Bitte, keine Ursache.“





Augen zu und durch

20 06 2011

„Können Sie vielleicht morgen noch mal anrufen? Nein, dann weiß die Kanzlerin auch nicht mehr als heute. Aber dann kann sie Ihnen vielleicht sogar schon sagen, warum nicht.

Wir sind aber schon einen großen Schritt weiter. Bis gestern wussten wir noch nicht, ob wir zahlen, heute wissen wir schon, dass wir zahlen müssen für Griechenland. Jetzt können wir uns dann langsam überlegen, warum wir nicht wissen, woher wir das Geld – das haben Sie falsch verstanden, wir stellen nicht fest, dass das Geld nicht da ist. Das wussten wir schon länger. Wir stellen jetzt fest, dass wir nicht wissen, warum das Geld nicht da ist. Schäuble wird vielleicht sogar wissen, warum er nicht weiß, warum die anderen das nicht wissen. Woher? Ja was weiß denn ich? bin ich der Finanzminister? Es führt kein Weg daran vorbei, wir müssen irgendwas machen. Zunächst wollen wir ja den Finanzstandort Deutschland unterstützen – das duldet keinen Aufschub, verstehen Sie, da muss man etwas machen. Da müsste man jetzt wenigstens so tun, als ob die anderen etwas täten. Freiwillig natürlich, überhaupt nicht auf Druck. Sonst passiert ja nichts.

Aber sicher doch. Die Kanzlerin hat ja auch ganz freiwillig die Kraftwerke wieder vom Netz genommen – hat sie irgendwer gezwungen? Hat der Bundestag sie aufgefordert? Hat sie etwa auf die FDP gehört? Na? Sehen Sie, nur so kann das funktionieren. Freiwilliger Zwang. Erst warten, bis es gar nicht mehr geht, und dann einfach das Richtige tun. Oder wenigstens irgendwas.

Das sieht nur von außen aus wie Schockstarre. Glauben Sie mir, ich habe das seit 2005 aus nächster Nähe gesehen, das ist eine optische Täuschung. Die hampeln alle nur so aufgeregt um sie herum, dass man sie selbst nicht mehr beachtet. Und dann fällt es auch nicht mehr auf, dass sie gerade schläft. Geschickt, oder? Mimikry. Man denkt, sie tut nichts – und sie macht wirklich nichts.

Natürlich ist das so zu verstehen, dass die Kanzlerin jetzt von den Grünen eine klare Haltung zur Energiewende fordert. Ich meine, wenn ihr jetzt jemand sagen würde, dass sie selbst die Kernkraftwerke hat abschalten lassen, was könnte dann alles passieren? Sie meinen, es sollte ihr erst jemand beibringen, dass sie selbst die Laufzeiten hatte verlängern wollen? Gute Frage. Es kann sein, dass sie sich vorgenommen hat, daran zu denken. Später. Irgendwann mal. Nicht jetzt.

Das mit dem Wahlgesetz war aber auch eher zufällig. Wenn man den ganzen Tag mit Abwarten beschäftigt ist, kann es einem schon mal passieren, dass man versehentlich zwischendurch einschläft und dann – haben Sie das auch öfter? Sehen Sie, die Kanzlerin auch. Die Regelsätze für Kinder und das Bildungspaket, das sind auch eher so Schlaf fördernde Themen. Anders als beispielsweise Internetsperren oder das Hotelfrühstück, da ist man als Kanzlerin schon mal ausgeschlafener, vor allem, wenn man sich den Mist nicht selbst ausdenken muss und mit den Konsequenzen nichts am Hut hat.

Das ist möglicherweise etwas Neurologisches. Ja, Tiefschlaf. Keine Reaktion mehr. Augen zu und durch, also: sie macht die Augen zu – und wir müssen da jetzt durch.

Könnten Sie das ausarbeiten? Diese Idee mit dem Moratorium für den nächsten Rettungsschirm ist interessant, das ließe sich sicherlich auch noch ausweiten. Wir sollten die Kanzlerin mal fragen, was Sie von einem Moratorium für die nächste Euro-Krise hält. Oder vielleicht wieder so ein Wahl-Moratorium, das hat doch in NRW schon mal so gut geklappt. Und in Baden-Württemberg auch. Wenn wir jetzt alles aufschieben könnten bis, sagen wir, September? Ja, es ging schon einmal um nationale Fragen. Jetzt geht es eben um eine komplette Volkswirtschaft und um den Euro und um die Stabilität und das politische Überleben der EU. Aber was sind schon fünf Milliarden Euro? Und was ist das gegen die Freundschaft zu Ackermann?

Sie will ja zahlen, wenn es sein muss. Hat sie sicherlich irgendwann mal so gesagt, auch wenn sie es gerade nicht so gemeint hatte. Oder umgekehrt. Aber dann eben nur freiwillig, wenn es nicht anders geht. Also kein Zahlungsaufschub – die Zahlung nur auf Schub. Und wer oder was da schiebt, das muss ich Ihnen ja nicht erklären.

Sie müssen das als politisches Programm sehen. Wenn andere die ganze Zeit von etwas reden, was dann doch nie passiert, obwohl jeder vorher schon hätte wissen können, dass es sich nur um billiges Geschwätz handelt, dann schreien die Leute: Lügner! Betrüger! Westerwelle! Die wissen eben, es handelt sich dabei größtenteils um weltfremden Unsinn, solche Leute wollen nur wiedergewählt werden, damit sie nicht für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten brauchen. Aber bei der Bundeskanzlerin ist das grundlegend anders. Die sagt nichts, die kündigt nichts an außer einer, und das sagt sie dann meistens auch mal ganz bewusst und als diejenige, die sie ist als die, die das ganz bewusst sagt, außer einer gemeinsamen Lösung, und dann kommt aber auch erstmal wirklich gar nichts! Das ist das politische Programm. Oder wenigstens etwas, was man im Wahlkampf noch zugunsten der CDU auslegen könnte.

Nein, die tut nichts. Können Sie sicher sein. Das ist wohl doch dieses Tiefschlafsyndrom, wo man von einer Sekunde auf die andere komplett weg ist. Wenn Sie sich mal ansehen, was die Kanzlerin von der parlamentarischen Demokratie, von Verfassung und Rechtssaat hält, dann spricht einiges dafür. Und dann sollten Sie auch merken, dass dieser Schlaf schon seit 1989 anhält. Wissen Sie was? Sie basteln uns ein Moratorium, dass sie gar nicht mehr aufwacht. Das Ergebnis dürfte auch nicht viel schlimmer sein. Und mit etwas Glück könnte man sie vielleicht sogar absetzen, ohne dass sie es merkt. Meinen Sie, Sie kriegen das hin?“





Preußens Gloria

7 02 2011

„Und? Was sagen Sie, Schlattwitz?“ „Glänzende Idee, Herr Major. Glänzend.“ „Wusste ich ja. Hatte schon großen Eindruck bei den Herren in Berlin. Ganze Mannschaft auf unserer Seite. Werden auch demnächst vor den Verbündeten referieren.“ „Und wenn wir auf Widerstände stoßen?“ „Kann ich mir nicht vorstellen. Europa braucht schließlich einen, der voranschreitet. Werden daher Deutschland in Stellung bringen, meine Herren.“

„Es ist also beschlossene Sache, dass über die EU das deutsche System überall installiert wird?“ „Kanzlerin Merkel hat das vor, ja. Europäische Wirtschaftsregierung wird die Zügel straffen, damit Wirtschaft wieder Tritt fasst.“ „Herr Major meinen, die deutsche Wirtschaft?“ „Natürlich. Hätte ja sonst Fremdwirtschaft gemeint, Lentzdorff. Wird aber in Deutschland keinen interessieren, sind uns darüber einig.“ „Ich muss sagen, das ist die beste Idee seit der Wiedervereinigung. Respekt, Herr Major!“ „Schlattwitz, kleiner Schmeichler! Sage ja auch immer, wir müssen diverse strategische Ziele mit europäischen Verbündeten abstimmen. Rente mit 67 ist großartiges Nahziel, wird großartigen Erfolg bei Zivilisten haben.“ „Welchen denn?“ „Nachdenken, Lentzdorff: Zivilisten arbeiten bis 67, zahlen auch so lange ein – erhöhte Kapitalakkumulation für private Rentenversicherungen, meine Herren!“ „Aber was hilft das gegen die Staatsschulden? Die Renten sind doch ein Umlageverfahren?“ „Sehe, haben es nicht verstanden. Zivilisten geben früher Löffel ab, Lentzdorff. Arbeiten länger, zahlen mehr Steuern, kosten staatliche Unterstützung weniger. Verstanden?“ „Dann braucht also Europa die Leute nur noch als – Herr Major, ich weigere mich, das zu glauben!“ „Dann lassen Sie’s. Kanzlerin hat Lage auch nicht begriffen, wird sie also vollständig in EU durchsetzen. Bon! Gleiches mit Hartz-Reformen, Abschaffung von sozialem Schnickschnack, wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ „Wenn ich mir ein Wort erlauben darf, Herr Major, das habe ich auch nicht ganz verstanden – das wäre ja eine Verschärfung des jetzigen Zustandes?“ „Exzellent, Schlattwitz. Merken schnell. Hat doch dieser olle Pachulke, der Westerwelle, schon gesagt. Dekadenz und so, hähä!“ „Aber dem ging es doch darum, dass die Arbeitslosen auch gemeinnützige Arbeiten verrichten. Vorausgesetzt, dass sie nicht bezahlt werden.“ „Schlattwitz, Sie Träumer! Glauben Sie, wir machen das jetzt anders?“

„Trotzdem sehe ich hier diverse Probleme auf uns zukommen.“ „Quatschen Sie nicht, Lentzdorff! Werde mich hier nicht zu defätistischer Propaganda äußern!“ „Dann überlegen Sie doch mal, wie sich die Folgen der Sparvorschläge auf die europäische Wirtschaft auswirken würden. Ein Fiasko! Sarkozy wird wie immer Unsinn plappern, den er selbst nicht kapiert, für ihn sollen alle europäischen Länder mehr exportieren als die jeweils anderen, damit zum Schluss alle eine positive Handelsbilanz besäßen.“ „Kommen Sie auf den Punkt, Lentzdorff. Ist doch Humbug!“ „Allerdings, Herr Major, und die Union erhöht die Unternehmensbesteuerung – was sie vorher als Gift für die Wirtschaft bezeichnet hat – und würgt damit das Wachstum ab, das die Krisenstaaten bräuchten, um ihre Schulden zu bezahlen.“ „Sehe kein Problem, Lentzdorff. Sehe durchaus kein Problem.“ „Aber Herr Major, er hat doch Recht! Das sind ja Mittel, mit denen man eine laufende Wirtschaft stabilisiert, aber die anderen Länder haben gar nicht die Substanz, um eine richtige Wirtschaft zum Laufen zu bringen.“ „Und? Können wir das ändern?“ „Wir müssten doch zuerst einmal die Banken rekapitalisieren, bevor wir in die nächste Krise fahren – gefahren werden!“ „Unfug, Schlattwitz. Geschwätz!“ „Die neoliberalen Theoretiker müssten doch am besten wissen, dass eine unterschiedliche Zunahme des Wohlstandes in einzelnen Ländern kein Nullsummenspiel ist, wenn Kapital aus dem Nichts erschaffen wird, schon gar nicht, wenn sich der Markt mit Monopolen absichern absichert oder mit Subventionen, die er auf der öffentlichen Seite ablehnt.“ „Und?“

„Herr Major, wir werden die Krise wiederholen, verschärfen, dauerhaft, weil diese Kanzlerin noch nicht einmal den Unterschied zwischen Geld- und Warenwirtschaft begriffen hat. Wir werden alle verarmen, alle!“ „Sie übertreiben, Schlattwitz. Maßlose Übertreibung! Freisetzung von billigem Material für Industriearbeit, wenn meutern, dann Einsatz von Armee im Innern.“ „Das ist nicht Ihr Ernst?“ „Durchregieren, Lentzdorff. Alles andere Gefühlsduselei. Sehen jetzt gute Beziehungen zu arabischen Verbündeten – sicher Druckpotenzial, weil Araber billiger als europäische Zivilisten.“ „Aber das wird nicht funktionieren! Irgendwann produzieren Fabriken für Null, was lässt sich denn da noch an Kosten senken? Das ist doch eine Milchmädchenrechnung! Herr Major, Sie stürzen uns ins Unglück!“ „Kaum, haben das alles ja schon mal erreicht: Europa, Nordafrika, Russland, nur eben damals geschlagen in Stalingrad. Gehen heute zielstrebiger vor. Bieten den ehemaligen Feinden an, nationale Souveränität zu behalten. Was in globalisierter Wirtschaftswelt nichts mehr ausmacht.“ „Herr Major!“ „Wird sich rechnen, und werden sehen: Zahl von Zivilisten pegelt sich vernünftig ein. Reicht, um vollwertige Versorgung für Elite zu sichern. Und wenn nicht, denken Sie an Geschichte. Fortschritt, Wachstum, Erfüllung. Vergessen Sie nicht, Merkantilismus hat uns noch immer Krieg gebracht. Meine Herren – Prost!“





Die Trümmerfrau

12 06 2010

Die Pferde: scheu, das Volk: verhetzt,
der Karren: an die Wand gesetzt.
Das Volk sei schuld! der Kutscher flucht
und eilig er das Weite sucht.
Die Garde aber, Mann für Mann,
lässt keinen an den Dieb heran,
und schon ist Deutschland – Schuft, nun lauf! –
    im Ausverkauf.

Die Armen hat man vorgeknöpft,
dass man Gewinn und Vorteil schöpft.
Man presst das Volk. Man senkt den Lohn,
man schüttet Spott aus, Hieb und Hohn,
denn wieder zahlt nur, wer nichts hat,
und macht die faulen Hunde satt,
auch wenn das Land – wie Ihr es seht –
    schon Pleite geht.

Die Blase wächst, Kredit! Kredit!
Wer schuldig war, der rennt und flieht.
Nur eine bleibt, schon angezählt,
da sich der Michel glatt verwählt.
Sie schmeißt das Geld zum Fenster raus,
sie lädt Vasallen sich zum Schmaus
und leugnet tapfer – hört nur hin! –
    noch den Ruin.

Schon kehrt das wieder, samtverhüllt
samt Pack, das sich den Beutel füllt.
Verpflichtung? Haftung? Schuldigkeit?
Die Herrschaft hat dafür kaum Zeit.
Wo andre mutig geradestehn:
blasiertes, eitles Prahlgetön
als Festmusik – Tschinell, Fagott –
    zum Staatsbankrott.

Da sah sie zu, die Kanzlerin,
nahm alles kuhgesichtig hin,
worum sich keiner kümmerte,
bis man den Rest zertrümmerte.
Ja schau, die Bonzenrotte lacht,
wie unser Muttchen Männchen macht
und hüpft im Takt – wenn man sie lässt –
    zum letzten Rest.





Lasterausgleich

30 03 2010

„Doch, machen wir jetzt so. Für andere Lösungen bleibt uns ja mittlerweile kein anderer Spielraum mehr, bei diesen Staatsschulden. Und damit müssen Sie jetzt halt leben, wir können es ja auch nicht ändern. Die Zeiten sind schwierig, das Leben ist teuer und ungewiss. Wer weiß schon, wie viel Steuern im nächsten Jahr gezahlt und wie viele hinterzogen werden? Da muss man flexibel bleiben. Nein, nicht Lasten. Laster. Wir haben ja alle über unsere Verhältnisse gelebt, nicht wahr, und deshalb müssen wir uns jetzt alle ein bisschen einschränken. Naschsucht, nicht wahr, die Investitionen, der Sozialstaat. Deshalb Lasterausgleich. Als Ausgleich für die Verfehlungen der Vergangenheit.

Nun, im Grunde genommen ist das alles bloß eine Umwegfinanzierung. Also das ist, warten Sie mal, wie erkläre ich das Ihnen jetzt – also vielleicht so: Sie würden doch Ihrem Nachbarn nicht einen neuen Fernseher kaufen, oder? Sehen Sie, das wollte ich auch gemeint haben. Täte ja auch kein vernünftiger Mensch. Aber wenn Ihr Nachbar nun drei kleine, süße Töchter hätte und die drei kleinen, süßen Töchter würden jeden in der Nachbarschaft jeden Tag um einen Euro bitten – und jetzt sagen Sie nicht, Sie würden das nicht merken, Sie haben doch Augen im Kopf und können Eins und Eins zusammenzählen – na, sehen Sie. Das muss Sie auch nicht kümmern. Hauptsache, er kriegt seinen Fernseher. Irgendwann.

Da sollten wir doch mal froh sein, dass wir eine so unbeugsame Kanzlerin haben, nicht wahr? Sonst hat sie sich doch immer noch weggeduckt und hat erstmal gar nichts getan und abgewartet, ob nicht doch noch ein Wunder passiert. Sie hat doch im Wesentlichen das getan, was man von ihr erwartet hatte: ein bisschen pokern und lamentieren und die harte Tour, und dann ist sie standhaft geblieben wie eine Zinnsoldatin. Wie es sich Frankreich wünscht. Was wollen Sie, es ist doch ein ausgeglichenes Ergebnis? Sie dürfen die griechischen Schulden freiwillig bezahlen. Zwingen wird man Sie erst, wenn es die europäische Wirtschaftsregierung gibt.

Was wollen Sie, das ist doch letztlich gar nicht so viel. Also genau genommen ist das alles, wenn Sie Griechenland jetzt als Störfall mal addieren, also das ist dann alles, warten Sie: ein Viertel BayernLB. Ja, mehr ist das gar nicht. Und wenn wir den einen weiß-blauen Bazis geholfen haben, dann werden wir das diesmal auch wieder hinkriegen, oder? Stabilitätspakt ist out, wir verstehen uns jetzt als eine Schuldengemeinschaft. Alle sitzen im selben Boot, wenn Sie so wollen. Nur, dass die anderen die Küstenlandschaft bewundern und sich beschweren, dass es nicht schneller vorangeht. Und Deutschland rudert.

Na, wie schon? Die Mehrwertsteuer anheben, den Kündigungsschutz aushebeln, notfalls eben die Sparkonten plündern. Also nicht die von Merkel und Westerwelle, damit wir uns da nicht falsch verstehen. Obwohl, ganz im Vertrauen, bei der Kanzlerin wäre da sicherlich nicht so viel zu holen. Ach Gott, der Europäische Währungsfonds… das ist ja ein Ding wie der Außenminister. Jeder redet darüber, aber keiner nimmt das Thema ernst.

Verstehen Sie das als eine verspätete Hommage an das Konzept Multikulti. Jedes Volk in unserer europäischen Weltordnung hat nun mal eben seine ihm gemäße Bestimmung, nicht wahr, das wusste ja schon dieser Arbeiterführer, erinnern Sie sich? Dieser große Mann mit dem schlecht sitzenden Gebiss, wie hieß er doch noch gleich – dieser unerträgliche Sozialdemokrat, na! Rüttgers, richtig, Danke vielmals, also der hat den Rumänen an sich auch korrekt eingeschätzt seinerzeit. Der Rumäne an sich ist ja ein volkswirtschaftlich nicht so relevantes Volk, verstehen Sie, der hat überhaupt nicht richtig zu arbeiten und schon gar nicht in einer Telefonfabrik. Der Rumäne hat sich höchstens als Hütchenspieler in deutschen Fußgängerzonen aufzuhalten, und selbst das nur, wenn er dem freilaufenden Albaner damit nicht ins Gehege kommt. Und was der Grieche ist, der muss ja mit 63 aufhören mit der Arbeit, sonst hat der ja als große Kulturnation gar nichts mehr von seiner Antike und dem ganzen Kram da unten auf der Peloponnes. Außerdem muss der Grieche zu den Schlusslichtern in Europa zählen. Warum? Ja, denken Sie doch mal nach – wenn der Grieche das macht, dann muss es der Deutsche nicht mehr. Logisch, oder?

Schauen Sie, das ist wie mit dem Nachbarn und dem Fernseher: es dauert dann letztlich doch zu lange. Wir könnten ab sofort auch einfach nur noch griechische Waren kaufen, uns ausschließlich von verkohltem Fleisch und Fettfritten ernähren und im Urlaub nach Kreta, Korfu und Kos fahren, aber dann möchte ich nicht hören, was Sie dann meckern würden. Gut, unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, aber halten Sie das für generationengerecht?

Natürlich war das alles vorher klar. Allen. Sie müssen schon eine ziemliche Nulpe in Wirtschaft sein, wenn Sie diese monetäre Rutschbahn nicht vorhersehen. Aber den Vorwurf dürfen Sie der Kanzlerin nicht machen. Die muss nicht zum Arzt. Die hat keine Visionen. Nie gehabt.

Sozialismus? Hören Sie mal, das ist doch kein Sozialismus! Nein, auf keinen Fall – wissen Sie, wenn das Sozialismus wäre, hätte doch die FDP dem nicht sofort zugestimmt. Musste sie ja auch. Wieso? Na, was meinen denn Sie, wer uns in der nächsten Bankenblase rettet? So, und jetzt machen Sie bitte nicht so einen Zimt – her mit der Kohle, ich muss heute noch den ganzen Wohnblock abarbeiten, sonst schickt man mich zur Strafe ins Villenviertel zurück.“





Vertrauen gegen Vertrauen

5 03 2009

Zwei Pfandbons. Nur 1,30 Euro hatten die ganze Öffentlichkeit in Aufruhr versetzt. Dass so was von so was käme, sagten die einen. Die anderen sagten das auch, meinten es aber ein bisschen anders.

Die nationale Vertrauenskrise drohte. Denn uneingeschränktes Vertrauen sei einer Supermarkt-Kette nicht mehr zuzumuten, wenn der Verdacht bestünde, dass es sich bei der Verdächtigung um einen Verdacht handelte; dies sah das Gericht als erwiesen an, und um mehr ginge es auch nicht, ließ es verlauten. Eine strafrechtliche Würdigung wäre ohnedies nicht zu erwarten, da der Streitwert zu vernachlässigen sei angesichts des 30-jährigen Arbeitsverhältnisses.

So begann die öffentliche Debatte zunächst auch durchaus moderat in justizinternen Kreisen. Nach einem Essay, den Franz Josef Wagner, das moralische Gewissen der Bundesrepublik, publiziert hatte, wurde allerdings die Frage laut, ob dies einen im Rechtsdenken nicht erlaubten Analogieschluss darstelle. Die Juristen verwahrten sich: die Formel Wer lügt, stiehlt auch sei in keiner Sache zum Tragen gekommen. Im Gegenteil sei erwiesen, dass, wer zwar nicht gelogen habe, doch verdächtig sei, des Stehlens verdächtigt werden zu können.

Der neue Straftatbestand wurde demnach als Vertrauensbruch bezeichnet. Nach allgemeiner Lehre war der Versuch dann gegeben, wenn die Vornahme des Vertrauensbruchs unmittelbar einseitig angesetzt wurde. Einen Aspekt der Strafrechtslehre beleuchtete der international bekannte Jurist Franz Josef Wagner mit seiner Arbeit über die moralische Würdigung des Betruges. Sie sei nicht gegeben, gleich doppelt nicht, wenn ein Betrug gar nicht nachgewiesen werden könne.

Keine drei Tage später schwoll die Diskussion an. Der Auslöser waren Ermittlungen gegen zahlreiche Banken, darunter auch Landesbanken, deren Management vorgeworfen wurde, Gelder veruntreut zu haben. Ein zähes Ringen begann. Der verhältnismäßig hohe Streitwert ließ strafrechtliche Schritte erwarten – arbeitsrechtliche Konsequenzen stellte die Rechtsprechung ins Ermessen der Bankvorstände, denen aus bisher nicht geklärten Umständen Beweisstücke für einen Verdacht wegen Vertrauensbruchs abhanden kamen. Ein weiterer Schritt zu Ordnung und Frieden im gesunden Rechtsempfinden war damit unternommen.

Natürlich waren die linkspopulistischen Kräfte nicht zufrieden und strengten eine Untersuchung der Tatumstände an. Der Streitwert, der immerhin der gesamten Weltbevölkerung gehöre, auf mehrere zukünftige Generationen hochgerechnet, sei doch eher gering, urteilte die Justiz. Der international bekannte Wirtschaftswissenschaftler Franz Josef Wagner kommentierte dies als ethisch vertretbare Lösung. Immerhin, so Wagner, sei Besitzwahrung kein Privileg der Privatwirtschaft; auch die unter staatlicher Kontrolle stehenden Banken besäßen das Recht, die Fehler des Kapitalismus zu begehen.

Ein launiges Intermezzo lieferten sich Peer Steinbrück und die Linke. Die Beschuldigung gegen den Bundesfinanzminister lautete, dieser habe weite Teile des Etats veruntreut und durch unvorhergesehene Kreditaufnahmen das Vertrauen missbraucht. Noch am selben Tag sprang die Kanzlerin ihrem Minister in die Seite, indem sie ihm vor aller Welt das Vertrauen entzog – da ein nunmehr nicht mehr vorhandenes Vertrauen auch nicht gebrochen werden konnte, war Steinbrück aus dem Schneider. Die Koalition rieb sich die Hände. Und verfuhr weiter wie bisher.

Doch auch vom rechten Rand kam Kritik. Das Geld sei nicht Eigentum der Banken, sondern Volksvermögen. Die Expertenkommission arbeitete den Fall noch einmal durch und befand, dies sei vor dem Emmely-Präzedenzfall eine klare und verlässliche Aussage. Da auch die Pfandbons nicht der Kassiererin gehört hatten – und nicht einmal dem Einzelhandelskonzern selbst, sondern dem unbekannten Pfandgeldeigner – könne man hier die strafrechtliche Verfolgung ausschließen.

Die Wogen glätteten sich, als feststand, dass den Bankmanagern eine Nähe zur Gewerkschaft nicht nachgewiesen werden konnte. Keiner von ihnen hatte einem Betriebsrat angehört. Zur Beruhigung bezahlten die Bankhäuser sie mehr und mehr mit Pfandboni.

Der international bekannte Ontologe Franz Josef Wagner unterstrich in seinem Vortrag, den er anlässlich der Gründung der von Tengelmann ins Leben gerufenen Stiftung für Menschenrechte hielt, die Unterschiede von Pfandbons und Bankkrediten. Als materielles Gut sei ein Bon nicht mehr in der Zuhandenheit, das Geld aber mitnichten weg. Es sei nur umverteilt worden. Schlüssiger hatte bislang kein international bekannter Paläobiologe Heidegger erleuchtet. Sogar Klaus Zumwinkel bekannte, sein Vertrauen in die rechte Hälfte des Staates sei nun wiederhergestellt.

Allein die Zweifel blieben in Kaiser’s neuen Kleidern hängen. Man zögerte. Vor allem von Umverteilung sprach man nicht gern. Einen sozialistischen Anstrich wollte man sich nur ungern geben. Der international bekannte Fußballexperte rehabilitierte sich angesichts eines Urteils, das einen arbeitslosen Schwarzfahrer mit einer empfindlichen Strafe belegte. Dies sei kein Sonderfall, so der international bekannte Kirchenhistoriker, sondern nur eine juristische Fußnote; dennoch sei ein Beförderungserschleicher kräftig anzupacken – wer auf Volkes Kosten Omnibus fahre, schädige im Gegensatz zu den Banken die Allgemeinheit und könne gar nicht genug Härte zu spüren bekommen. Der Vertrauensverlust war überwunden. Unbedingte Ehrlichkeit hatte einmal mehr gesiegt über die moralischen Konstruktionen einer Öffentlichkeit, die sich nur auf Kontrolle verlassen wollte.

Wäre da nicht der Bon über acht Cent gewesen, den Wagner im Flaschenrückgabeautomaten gefunden und in die Tasche gesteckt hatte. Das Überwachungsvideo dokumentierte es lückenlos. Der Vertrauensbruch ließ sich nicht mehr kitten, denn es blieb nicht bei einem Versuch – von der Kasse weg wurde der international bekannte Menschenrechtsaktivist abgeführt.

Noch schwelt der Rechtsstreit. Der Staatsanwalt forderte bereits, das Opfer in die Schlagzeilen zu bringen. Lebenslänglich. Auf Bewährung.