„Es geht hier nicht um Klimaschutz, sonst müssten wir die Bude ja sofort dichtmachen. Es geht hier um… – Nein, nicht um Arbeitsplätze, lassen Sie mich doch mal ausreden! Wir können die Aktionäre nicht im Regen stehen lassen, wie sieht denn das aus? Schließlich haben wir hier immer noch eine soziale Marktwirtschaft!
380 Millionen, das ist erst mal eine hübsche Summe, aber dann müssen Sie auch bedenken, wie viele sich das teilen. Am Ende bleibt pro Nase nicht einmal eine Million übrig. Das ist doch tragisch! Und Sie müssen auch berücksichtigen, dass das ja offiziell nur als Kredit gilt. Dabei wissen wir doch alle, dass das nicht wichtig ist, weil hier schließlich Volksvermögen gerettet wird. Natürlich ist das Volksvermögen, das gehört ja schließlich denen, die sich zum deutschen Volk zählen.
Gut, nicht alle. Ohne ausländische Investoren geht’s ja auch nicht mehr. Das haben Sie bei der Bankenkrise gesehen, da mussten wir auch erst die Griechen retten, damit die deutschen Aktionäre die Kohle abkriegen konnten. Und so viel Geld muss man da heute auch nicht in die Hand nehmen, es brummt bei uns. Doch, wir könnten gerade noch mal 80.000 Arbeitsplätze in der Solartechnik vernichten, das würde keiner merken. Auch wenn wir da sehr viel Geld rein gesteckt haben, das nicht direkt in die Kohleförderung geflossen ist. Teilweise haben wir das auch in die Vernichtung der Windenergie investiert, und da wir damit die deutsche Energiewirtschaft noch nicht kaputt gekriegt haben, spenden wir jetzt noch den Tillich als Grüßonkel für Konzerne, die sich nicht ohne fremde Hilfe in die Scheiße reiten können.
Aber als Bundesregierung oder wenigstens als Bundesland Hessen, wo man mit demokratischen Prozessen eh nichts am Hut hat, da muss man die Konzerne retten. Das liegt uns im Blut, dafür stehen wir sogar nachts auf. Vielleicht hat ja irgendeiner die Idee, aus dem Laden einen zweiten Logistiker auf Weltniveau zu machen? Irgendwas mit Medien? Oder beides? Man weiß es nicht. Auf die Schnelle hätte man auch sagen können, es geht um den Transport von Personen nach Plan, teilweise sogar überregional und unter wirtschaftlich nicht so sehr relevanten Gesichtspunkten, Komfort spielt die zweite Geige, wer sich beschwert, kriegt erst mal aufs Maul – die Deutsche Bahn AG sucht jede Menge Personal, da können wir doch helfen. Aber so einfach ist das nicht. Weil das auch langwierige Prozesse sind, die man nicht durch vorschnellen Bürokratieabbau beschleunigen kann, und wenn man das tut, vielleicht würde das sogar zu einer Wettbewerbsverzerrung führen?
Deshalb haben wir uns auch entschlossen, die Anschlussverwendung dieser Kräfte in der Pflege zu suchen. Das heißt, suchen müssen die natürlich selbst, wir sind ja nicht die Bundesagentur für Arbeitslosigkeit. Da muss man ein bisschen offen sein und sehr flexibel, leidensfähig, die Toleranz gegenüber unerwarteten Frustrationen muss sehr hoch sein, und dann kommt ja auch noch die Pflege dazu.
Wenn Sie sich das Personal mal ansehen, die schubsen da Wägelchen mit Tomatensaft durch die Kabine – da muss man lächeln und ein bisschen Englisch sprechen. Englisch kann Spahn sowieso nicht, das mit dem Fertigessen kennt er, so viel Kultur hat der Typ nicht, und warum sollte er dann bis nach Südostasien fliegen, wenn er die ganze Pflege mit den Leuten bestücken kann? Ist auch eine intellektuelle Frage, da gebe ich Ihnen recht, aber wir haben es hier mit Spahn zu tun. Da kann man das vernachlässigen.
Mal ehrlich, so eine Umverpflanzung in die Pflege, das haben wir doch nicht das erste Mal. Bei Schlecker hat das ja nur nicht geklappt, weil der Kasper, der damals die Sockenpuppe für die FDP gemacht hat, noch keine Ahnung von Wirtschaft hatte. Vielleicht hatte er auch von ganz anderen Sachen keine Ahnung, ist ja jetzt auch egal, aber eine vernünftige Arbeits- und Sozialpolitik schaut, wo die Kompetenzen der Mitarbeiter sind und wie man sie möglichst passgenau auf dem Arbeitsmarkt und für die Gesellschaft einsetzt. Wirtschaftspolitik ist daran interessiert, dass die Aktienkurse nicht beeinträchtigt werden. Wir verstehen eine ganze Menge von Wirtschaftspolitik.
Stellen Sie sich doch mal vor, wir hätten einen anderen Industriezweig. Die haben konsequent und trotz aller Warnung auch nicht in die Digitalisierung investiert, teilweise natürlich dies auch in enger Absprache mit der Bundesregierung, der das eh wurst war. Die haben moderne Märkte, die von andere erschlossen und erobert wurden, erst nicht zur Kenntnis genommen, dann ignoriert und zum Schluss auch noch als spinnerte Ideen potenzieller Kunden bezeichnet, die man unbedingt aus dem Wettbewerb heraushalten muss? Würden Sie jetzt so einfach die Automobilbranche stilllegen, nur weil es sich eigentlich nicht mehr rechnet?
Also lassen Sie sich nicht verunsichern, auf die unsichtbare Hand können Sie sich immer verlassen. Sie gehört Ihrem Staat, der immer marktkonform für Sie sorgt. Wir gehen ja immer davon aus, dass ein Unternehmen, das unbedingt Staatskredite in Anspruch nehmen muss, so überlebensfähig ist, dass es die eigentlich gar nicht braucht, und deshalb geben wir Kredite auch immer nur denen, die eh vor lauter Geld nicht wissen, in welches Loch sie es schmeißen sollen. Vertrauen Sie uns. Wir wissen, was wir tun.“
Satzspiegel