„Und wie viele Personen werden kommen?“ „Weiß nicht.“ „Sie müssen doch wissen, wie viele Sie erwarten?“ „Weiß ich nicht, das hängt eben davon ab.“ „Hängt wovon ab?“ „Was jetzt auf der Demo los ist?“ „Und wovon hängt das ab?“ „Wogegen wir jetzt protestieren.“
„Also wenn ich das richtig verstanden habe, dann planen Sie diese Demonstration…“ „Ja, weil sich endlich mal etwas tun muss!“ „… und Sie wissen noch nicht genau, wofür Sie demonstrieren.“ „Wogegen. Wir sind gegen etwas.“ „Das sei mal dahingestellt. Schließlich ist es nur eine Sache der Perspektive. Aber Sie müssen doch ungefähr wissen, was Sie mit Ihrer Aktion erreichen wollen:“ „Wir sind dagegen, dass das alles so bleibt.“ „Und wie soll die Zielgruppe, die Sie mobilisieren, dann wissen, dass es Ihre Zielgruppe ist?“ „Das sehen wir, wenn wir wissen, wogegen die Leute sind.“ „Sie wollen also die Demonstration davon abhängig machen, welche Leute sich angesprochen fühlen?“ „Klar, das ist ja auch irgendwie basisdemokratisch und so.“ „Aber wie sollen denn die Leute sich an Ihrer Demonstration beteiligen, wenn sie gar nicht wissen, wofür…“ „Wogegen!“ „… Sie hier überhaupt demonstrieren? Das ist doch unlogisch?“ „Es geht uns doch um Teilhabe.“ „Ah, endlich mal ein vernünftiger Ansatz! Teilhabe woran? An der wirtschaftlichen Entwicklung? an der Bildung?“ „Am Protest. Wir wollen, dass alle, die auch gegen das da sind, am Protest teilhaben können.“ „Wogegen denn?“ „Gegen das, wogegen wir protestieren.“ „Aber wogegen protestieren Sie denn bitte!?“ „Dass es zu wenig Teilhabe gibt. Am Protest beispielsweise.“
„Jetzt mal ganz langsam. Sie sagen, Sie wollen eine Demonstration veranstalten mit den Leuten, die demonstrieren wollen, weil sie sonst nicht demonstrieren könnten.“ „Irgendwie so.“ „Also die, die sonst nicht demonstrieren?“ „Ja, weil die wollen wir jetzt ja auch mobilisieren, dass sie mal auf die Straßen gehen und eine Forderung stellen.“ „Quasi wie die Nichtwähler, die sich mobilisieren lassen müssen, weil sie sonst nicht zur Wahl gehen?“ „Nein, eher wie die, die Protestparteien wählen, sich aber nicht für eine entscheiden können.“ „Und das bringt jetzt genau was?“ „Das ist dann ein ganz deutliches Zeichen an die Gesellschaft, dass wir uns gegen die bestehenden Verhältnisse aussprechen.“ „Geht das möglicherweise auch ein klein wenig konkreter?“ „Sie meinen, wofür wir…“ „Ich dachte, dagegen?“ „… und konkret engagieren? Das ist eher so eine gesamtgesellschaftliche Sache, die wir als Fundament für unsere Kritik nutzen. Mehr so das partizipatorische Element irgendwie.“ „Also wollen Sie die Leute, die nicht wissen, wogegen sie sein sollen, abholen und sie gegen irgendwas protestieren lassen, von dem sie selbst noch nicht wissen,. was es eigentlich ist?“ „Nein, es ist doch eher die Teilhabe an der Bewegung. Man muss die Menschen doch repolitisieren, damit sie auch mal sehen, dass sie nur mit mehr Teilhabe eine Chance auf eine politische Meinung haben.“ „Sie meinen: dass sie mit einer politischen Meinung eine Chance bekommen auf mehr Teilhabe?“ „Klar. Es hängt ja irgendwie auch alles zusammen und so.“
„Also sollen sich die Leute eine politische Meinung bilden, damit sie sich mehr Teilhabe erstreiten können, richtig?“ „Ja, das wäre schon gut. Wir müssen uns auch als gesamtgesellschaftliche Gruppe verstehen, die sich in den Prozess…“ „Können wir alles später. Erst mal sind wir hier bei der politischen Meinung. Wie soll die denn im Einzelnen aussehen?“ „Wie jetzt?“ „Was soll denn diese politische Bewusstseinsbildung ergeben? Sie müssen doch, wenn Sie sich für…“ „Gegen!“ „… eine politische Meinung entscheiden und sie in der Öffentlichkeit artikulieren, auch eine entsprechende Basis an Fakten haben, und sie müssen sich dann eine politische Richtung geben. Wo geht denn das hin?“ „Wissen wir nicht, wir dachten an Mitte und dann Richtung Reichstag und danach…“ „Ich meine die politische Richtung.“ „Ach so. Ja, das werden wir dann ja sehen, wenn die Leute sich uns anschließen. Das kann man ja auch nicht so über deren Köpfe hinweg entscheiden, das wäre auch voll undemokratisch und so.“ „Aber es müssen sich doch hier Gleichgesinnte treffen – das ist doch in jeder Partei so, dass Sie mit einer Forderung oder mit einer Meinung…“ „Dagegen!“ „Das ist doch vollkommen egal! Sie brauchen erst eine Meinung, und dann suchen Sie sich jemanden, der die ebenfalls vertritt, und dann können Sie eine Demo veranstalten, und am Ende steht dann die politische Teilhabe.“ „Aber das muss ja nicht so sein. Wir wollen eben erst die Menschen hinter uns sammeln, die sich auch für die gesamtgesellschaftliche Sache engagieren, für sich die Teilhabe an dem Prozess einfordern und dann für eine…“ „Ich dachte, Sie sind jetzt wieder dagegen?“ „Das ist aber immer nur eine Frage der Perspektive, wir müssen halt nur wissen, was wir mit unserer Aktion… – Was war jetzt noch mal die Frage?“ „Wofür, wogegen oder wie auch immer sind Sie? Warum gehen Sie auf die Straße? Was ist der Sinn und Zweck und Inhalt dieser Demonstration? Und warum sollte ich da mitmachen? Was habe ich davon, wenn ich mit dieser verdammten Demo durch die Hauptstadt latsche!?“ „Sie können Ihren Protest artikulieren, dass Sie mehr Teilhabe am Protest haben wollen, um Ihren Protest für mehr Teilhabe artikulieren zu können.“ „Und wenn diese Demo nicht zugelassen wird?“ „Dann grillen wir, heute soll’s noch schön werden.“
Satzspiegel