Gernulf Olzheimer kommentiert (XCIV): Wissenschaftseliten

25 02 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Problem hielt seinen Einzug mit den ersten experimentellen Verhaltensweisen der Hominiden. Würde Ngg wie seine Vorfahren vom Mammut zermarmelt, bekämen Mbrr und seine Brüder die Art von Krämpfen, die der lustige rote Pilz bereits bei Klk und seinen Söhnen ausgelöst hatte? Nach und nach entwickelte die Horde von Blödblunzen das Rad, den mechanischen Webstuhl, die Kernschmelze und jene Art von Tiefkühlkost, die den Untergang dieses Planeten im kosmischen Zusammenhang eher wünschenswert erscheinen ließe, allein die Stellung des Wissenden unterlag diversen Änderungen in Richtung Niveauverlust, erst vom Wissenschaftler zum Beamten, dann vom Beamten zum Verwalter, inzwischen zur Randfigur einer Horde, die mit ihrem Namen nicht mehr zu tun hat: zum Pausenclown der Wissenschaftseliten.

Die Alma Mater als Findungsort komplexer Wirk- und Wirklichkeitszusammenhänge war in Paris, Padua und Oxford noch von Anflügen der gesamtgesellschaftlichen Verkalkung frei, da sie sich um keine intellektuell niederschwelligen Angebote aus politischer oder ökonomischer Kaste kümmern musste. Wer sich mit Philosophie oder Algebra befasste, hatte immerhin den Vorzug, zur internationalen Führungsschicht zu gehören, die auf Ländergrenzen herabschaute, auf Fürsten und ähnliches Wichtigkeitsimitat, ja auf die Kirche, die außer Glücksspiel, hektischer Bautätigkeit und einer latenten Neigung zu alberner Oberbekleidung nicht viel Interesse am Diesseits zeigte. Die Universität eroberte sich den Freiraum des Denkens und verteidigte ihn bis in die Zeit der Aufklärung, als die ersten Kalkhirn des Absolutismus die Bühne betraten. Und schon zeigte sich der Ansatz bei den Weichstaplern der Fürstenhöfe: eine Rotte vielseitig ungebildeter Pädagogen sollten in den freien Städten der Jugend Wissen in die Schädel pfropfen, um ein Renommierobjekt gegen die Hochschulen zu besitzen. Tatsächlich freies Wissen, nach klassischem Kanon geordnet, braucht der Bekloppte der verstaatlichten Gesellschaft nicht mehr, er bildet lieber die Wurstlutscher der von Inzucht und Müßiggang vorverdeppten Adelsschicht zu Juristen aus – keiner braucht sie, aber zum hauptberuflichen Topfblumenumschmeißer hätte der Glibber unterm Schädeldach eben nicht ganz gelangt. Wie dies Zeitalter mit Leibeigenschaft, Sklavenarbeit und Folter eine Menge schöner Dinge allein für die aufgehoben hat, die keine Steuern zahlen.

Der spätmoderne Wissenschaftsbetrieb, jene obskure Ansammlung von Drittmittelverbrätern und Dumpfdüsen, schließt an diese Tage nahtlos an. Zwar haben wir festgestellt, dass sich Astrologie und Astronomie kaum in ein gemeinsames Konzept schwiemeln lassen, aber die persönlichen Vorlieben geistig zu Gestrüpp entarteter Landesfürsten in Form etwa Homöopathielehrstühlen lassen sich als Pickel in der Hochschullandschaft deutlich sehen. Soziale Zusammenrottungen, die als Wahlvereine fungieren, sind die Trägersubstanz für jenen Wurmwuchs, der bereitwillig der Finanzwelt ein paar Spaßprofessuren und Hobbydoktorate zum Spielen gibt. Wissenschaft ist im engeren Sinne nur noch das Experimentierfeld für ausgesuchtes Personal, das für die Pharmafiosi Pillen schwiemelt, der Atomlobby kostengünstig Entsorgungsarbeiten abnimmt oder preiseffiziente Chemiewaffen ausheckt. Wer sich durch störende Intelligenz auszeichnet, Soziologie oder Pädagogik betreibt oder die Rituale byzantinischer Prägung im neueren universitären Betrieb einzudämmen versucht, die voodoogesteuerte Denkschule der Postdemokratie, hat in diesem Wunderkindergarten nichts zu suchen, zumal es sich bei den als Exzellenzcluster titulierten Hämorrhoidalerscheinungen der Bildungsferne meist um Juristen, Betriebswirte oder Politologen handelt, auch nicht einmal im weitesten Sinne wissenschaftsfähiges Gesocks, das Steuergelder schluckt und sich in der Schlange um Hirnspenden vordrängelt.

Die vom ehernen Grundgesetz der Beharrung im Nichtbeweglichen geprägte Hochschule rülpst Mittelmaß hervor, mühsam examinierte Volltrottel mit chronischem IQ-Schwund, die ein auswendig gelerntes Einmaleins für ausreichend erachten, sich als Privilegierte zu sehen – ein paar Semester haben sie sich an Trivialmüll abgekaspert, den vor 50 Jahren jeder Hiwi als Beleidigung betrachtet hätte, sie haben Scheinergebnisse zusammengefummelt aus vorgekautem Brei, Forschen nach Zahlen, und sind nun froh, wenn sie den Durchlauferhitzer der Kollateralmaden überstanden haben. Inszenierung ist alles, und damit sich diese Häkelkreise auch ja nicht von kritischen Wissenschaftlern ablösen lassen, werden sie umgehend wieder in den Lehrbetrieb eingespeist, um die künftige Generation der Synapsenverklebten zu geben, die seit Bologna nur noch den Namen gemein hat mit den Bildungsstätten vergangener Jahrhunderte. Eine Klasse politischer Bettnässer ist noch stolz darauf, sich selbst ein tiefes Grab zu schaufeln, perfekte Problemverdränger mit erwiesener Meisterschaft im substanzfreien Denken, die geklautes Tafelsilber verscherbeln, um sich selbst als Edelprodukt zu definieren. Sogar das Leistungsprinzip, von den neoliberalen Nachtjacken permanent ausgebrochene Losung, wird mit Macht in die Tonne getreten, denn wer würde sich noch für den universitären Betrieb anstrengen, wenn stinkend faule Vorzugsschüler überall an die Freitische geladen werden? Der Ausgang aus der selbst verschuldeten Beknacktheit war ein guter Ansatz zur Erleuchtung. Inzwischen haben die Bildungskasper ausgeknobelt, wer das Licht wieder ausknipsen darf. Warten wir ab, wer im Dunkeln worüber stolpert.





Non scholæ

23 11 2009

„Es ist unglaublich. Unglaublich! Ich meine, was bilden die sich denn dabei ein? Wir sind doch hier nicht im Kral! Wenn wir jetzt bei jeder kleinen Befindlichkeit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gleich in Frage stellen würden, wo kämen wir denn da hin? Ich frage Sie: wo kämen wir denn da hin?“ „Jetzt regen Sie sich doch nicht gleich so auf, Herr Ministerialdirektor. Das hatte natürlich alles seine Gründe, und Sie müssen zugeben, dass diese Entwicklung auch nicht…“ „Entwicklung? Das Pack hat doch angefangen! Die haben doch zuerst – ich meine, wer Flugblätter verteilt, der schmeißt doch auch Bomben, oder?“

„Herr Ministerialdirektor, ein paar Dinge sollten Sie aber schon etwas differenzierter betrachten. Das Grundrecht auf…“ „Die haben keine Grundrechte, die sollen gefälligst gehorchen, so, wie wir in den schwersten Stunden unseres Vaterlandes auch gehorcht haben! Das kann doch alles nicht wahr sein! Diese vaterlandslosen Gesellen, die wollen doch nur den Krieg! Den Krieg wollen die, und den werden sie jetzt auch bekommen, wenn Sie mich fragen!“ „Herr Ministerialdirektor, es fragt Sie aber keiner. Und außerdem lassen Sie sich mal gesagt sein, dass Sie als Beamter auch nicht über dem Grundgesetz stehen – Sie haben sich genauso an die Verfassung zu halten wie…“ „Wie dieses Pack, das da unser Land kaputt machen will? Das wäre ja noch schöner! Hier Flugblätter und Bomben schmeißen und dann jammern, wenn’s mal hart auf hart kommt. Feiglinge sind das! Drückeberger! Mit solchen Memmen hätten wir den Krieg erst recht verloren, Schmitt! Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Verhältnismäßigkeit und solchem Gedöns – das ist elende Jammerlapperei, dass dieses Gesindel dann nach dem Staat ruft und nach gerechten Richtern und Staatsanwalt und Polizei und will noch einen Bewährungshelfer haben und keine Folter im Knast und warme Suppe und…“ „Jetzt übertreiben Sie aber! In einem Rechtsstaat…“ „Ach was, Rechtsstaat, ich will Ihnen mal was sagen, Schmitt: daran sind wieder nur die Studenten Schuld! Sollte man abschaffen, diese ganze Brut! Haben wir seinerzeit gejammert, Schmitt? haben wir damals gefordert, dass wir uns die Welt machen dürfen, wie sie uns gefällt? Uns? Schmitt, haben Sie das etwa so in Erinnerung?“ „Darum geht es doch gar nicht, Herr Ministerialdirektor. Das System ist der Knackpunkt. Das muss man überdenken.“

„Na, erzählen Sie mal – Sie glauben tatsächlich, dass das System an allem Schuld sei? Das können Sie doch Ihrem Großvater erzählen!“ „Das System mag nicht der Fehler sein, Herr Ministerialdirektor, aber es hat zu viele Fehler; insbesondere den, dass es Fehler begünstigt, statt gerecht zu sein.“ „Gerecht, gerecht – Mann Gottes, wenn ich das schon höre! Gerechtigkeit! Das definiert sowieso jeder anders, also gehen Sie mir nicht mit ihrer sozialistischen Gleichmacherei auf die Nerven, Schmitt!“ „Keiner will Gleichmacherei, nur dieses System muss sich auch gegen seine eigenen Fehler verteidigen können.“ „Sage ich doch, verteidigen! Verteidigen, Schmitt – dieses ganze Pack macht doch alles kaputt und will dafür auch noch belohnt werden! Die sollen erst mal etwas Anständiges leisten, statt nur die Füße unter unseren Tisch zu stecken!“ „Aber erlauben Sie mal, Herr…“ „Das ist doch so, Schmitt! Jeder dahergelaufene Laffe meint, er könne uns kritisieren, uns! die wir jahrzehntelang für diese Gesellschaft…“ „Jetzt überlegen Sie mal: sie waren noch doch viel zu jung, um überhaupt schon…“ „Ach was, Schmitt – Ausflüchte! alles Ausflüchte, um nichts unternehmen zu müssen! Das sind doch die Drückeberger hier, auf der faulen Haut liegen sie und uns auf den Taschen – und dann wollen sie selbstbestimmt sein. Selbstbestimmt, das könnte denen so passen! Wenn sie alles besser wissen, dann können sie doch gleich… ich meine, dass sich das so entwickeln würde – hätte doch kein Mensch im Leben ahnen können. Aber es war ja auch nicht alles schlecht damals, nicht alles!“

„Wollen Sie jetzt ernsthaft behaupten, Herr Ministerialdirektor, dass unser demokratischer Rechtsstaat…“ „Ach was, Demokratie kann keiner fressen! Was braucht denn die Volksgemeinschaft? Genau, Ruhe und Ordnung! Ordnung! Das sind doch die Rädelsführer, wenn das ganze Volk jetzt durchdreht! Schmitt, haben Sie das denn schon vergessen? den Aufstand? 1953? Das haben wir Jahre, das haben wir Jahrzehnte gefeiert, und das soll jetzt alles vergessen sein?“ „Wo sehen Sie denn einen Volksaufstand, Herr Ministerialdirektor?“ „Der kommt noch, Schmitt, kommt noch, wenn wir nicht schleunigst die Rädelsführer dingfest machen – man muss die Aufrührer ausfindig machen und dann für innere Sicherheit sorgen. Das kann sich doch der Staat nicht gefallen lassen! Da muss man eben durchgreifen, da muss der Staat Härte zeigen. Härte, sage ich! Das wäre ja noch schöner, wenn hier jeder, und das sage ich ausdrücklich, weil ich die Zeit erlebt habe…“ „Herr Ministerialdirektor!“ „… erlebt habe, Schmitt, aber das hat es doch nicht gegeben – und wenn diese Aufrührer nicht hören wollen, dass werden sie’s eben fühlen! Wir lassen uns von dem Pack nicht auf der Nase herumtanzen, und auch, wenn es keine Arbeitslager mehr gibt, dieses linke Gesindel sollte man…“ „Das geht entschieden zu weit, Herr Ministerialdirektor! Auch wenn Sie die Rote Armee Fraktion verurteilen, in einem Rechtsstaat…“ „Wer redet denn hier von der RAF? Ich meine diese ungezogenen Schüler, die jetzt sogar schon streiken – die sollen sich lieber mal auf den Hosenboden setzen und etwas Anständiges lernen!“