Wahr, was?

11 06 2014

„… dürfe der Bundespräsident die Wähler der NPD durchaus als ‚Spinner‘ bezeichnen, wenn dies im der jeweiligen Situation als…“

„… auf das Urteil einhellig ausfalle. Selbst die Rechtspopulisten, die sich im Wählerpotenzial der Nationaldemokraten eingenistet hätten, seien der Ansicht, das dürfe man doch wohl noch…“

„… vor dem Bundesverfassungsgericht, ob der 8. Mai weiterhin als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus zu bezeichnen sei. Die Nationaldemokraten bestünden weiterhin darauf, das Datum geschichtskorrekt als Tag des…“

„… die Kritik an den Rechtsextremisten verteidigt habe. De Maizière verfechte stets eine politische Auseinandersetzung mit anderen Parteien, eine justiziable Beschimpfung sei aber natürlich darin enthalten, da sie am besten das intellektuelle Niveau der christdemokratischen…“

„… ob Gauck jetzt jede Art von Demonstranten als Spinner bezeichnen dürfe, da dies auch in anderem Zusammenhang…“

„… es sich dennoch um eine unerträgliche Verharmlosung handle. Wer die Anhänger einer antidemokratischen Partei ‚Spinner‘ nenne, gleichzeitig jedoch Horst Seehofer nur als…“

„… bei der Aussage über die Rechtsausleger nicht um eine Ehrverletzung gehe. Bevor diese verletzt würde, müsse sie überhaupt erst einmal…“

„… keine Werbung für andere Parteien machen. Dennoch halte Ex-Innenminister Friedrich es für nicht gerechtfertigt, die NPD so zu bezeichnen, wie Erich Honnecker demokratische Kritiker im …“

„… erste Schwierigkeiten in der FDP. Kubicki habe versehentlich die Wähler der vorigen Bundestagswahl als dumme Arschlöcher…“

„… müsse man dringend darüber nachdenken, die Rechte des Bundesverfassungsgerichts zu beschneiden, da es dem Bundespräsidenten in der Folge des Urteils auch erlauben könnte, jede andere Partei wegen ihrer offenen Demokratiefeindlichkeit herabzuwürdigen. Schäuble wolle verhindern, dass die Union deshalb öffentlich…“

„… bisher die Bundeskanzlerin nur als unsäglich albern tituliert habe. Es sei jedoch keine direkte Verbindung zu den…“

„… bereite Lindner eine Milliardenklage vor, da seine Partei möglicherweise allein wegen der Schmähung als ‚Gurkentruppe‘ von der Weltherrschaft…“

„… nicht in den offiziellen Lehrbüchern der Sekundarstufe II dargestellt werde. Nach Meinung der NPD habe der Führer wesentlichen Anteil an der Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich getragen und sei somit auch heute noch als Vorbild für die…“

„… zu mehr Ehrlichkeit im politischen Diskurs führen könne. Kauder habe jedoch bei seiner Abrechnung mit der CDU-Vorsitzenden nicht bedacht, dass er mit seiner Meinung wahrscheinlich ganz alleine…“

„… als einen Politiker, der offener gesprochen habe als die Politik. Sarrazin habe dieses Lob stets verteidigt, denn er sei der Ansicht, das dürfe man doch wohl noch…“

„… den Anfängen zu wehren, um die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Lucke prüfe daher rechtliche Schritte, ob sich Gauck überhaupt noch in der Öffentlichkeit über die AfD…“

„… halte sich immer noch für den besseren Bundespräsidenten. Wulff sei überzeugt, er sei der rechtmäßige Inhaber des höchsten deutschen…“

„… im Ausland auf positive Resonanz gestoßen sei. Erdoğan werde nun auch weiterhin den deutschen Präsidenten als pastorale Hohltüte…“

„… vorsichtshalber bereits juristisch gegen eine Wertung ihrer Verbraucher vorgehen wolle. Ritter Sport wolle nicht zulassen, dass der Präsident sein Urteil über Nussschokolade als…“

„… drohe Pastörs ebenfalls eine Klage an, wenn nicht die Rolle Adolf Hitlers für den Ausbau der deutschen Autobahnen endlich…“

„… bereits angekündigt, dass nach der Übernahme der Kanzlerschaft der Bundespräsident sich überhaupt nicht mehr äußern dürfe. Die Alternative für Deutschland wolle so einem drohenden Gesinnungsterror links-homosexueller Rasseschädlinge…“

„… und im Tonfall härter als angemessen. Die Koalition jedoch halte das Urteil des Staatsoberhauptes über Snowden für inhaltlich durchaus sehr…“

„… unter anderem als ‚Spinner‘ beschimpft. Gaucks Anrufbeantworter sei sichergestellt worden, nachdem sich Wulff versehentlich mit vollem Namen und…“

„… noch innerhalb der Grenzen der von Karlsruhe genehmigten Meinungsspektrums. Dennoch könne man geteilter Ansicht sein, ob ‚Unerträglicher Kotzbrocken‘ für den Vizekanzler wirklich…“





Bandenwerbung

9 04 2014

„Das kann doch so nicht weitergehen. Das kann doch so einfach nicht weitergehen! Wenn das einfach so weitergeht, dann haben wir hier bald wieder demokratische Verhältnisse in Deutschland – das kann doch keiner wollen. Es wird Zeit, dass wir da mal rangehen.

Soweit ich mich erinnere, ist das Bundesverfassungsgericht kein Organ der politischen Willensbildung. Warum sollten wir denen ständig Dinge zur Entscheidung vorlegen, die es gar nichts angehen? Sind diese Verfassungsrichter etwas gewählt worden? Eben. Das ist doch keine demokratische Kontrolle. Wir sind hier doch der Willkür von ein paar Juristen ausgesetzt, die überhaupt nicht wissen, was sie anrichten. Beziehungsweise, wenn hier jemand etwas anrichten darf, dann sind das doch wohl wir.

Eine Drei-Prozent-Hürde! Vorratsdatenspeicherung und Luftsicherheit und Rettungsschirm, was glauben denn diese paar Richter, wer sie sind? Die haben doch nicht die Politik zu schützen, sondern die Verfassung, und selbst für die Verfassung haben wir doch auch schon den Verfassungsschutz. Die sind doch einfach nur überflüssig!

Natürlich müsste man auch die Amtszeiten wesentlich verkürzen. Zwölf Jahre, das geht vielleicht für eine Bundeskanzlerin – gut, einen Kanzler hätten wir lieber, aber wir sind da mal nicht so. Das geht ja. Aber für einen Richter? Woanders haben solche Typen eine Probezeit! Sind wir hier in Disneyland?

Klar, es ist jetzt ein bisschen überraschend, dass wir das in der großen Koalition machen, aber wir haben nun mal erst in dieser Konstellation eine vernünftige Mehrheit, die Trottel da haben ja auch so gewählt, weil sie dachten, es gäbe noch inhaltliche Unterschiede zwischen SPD und Union, und wenn wir das nicht jetzt machen, wer macht es denn dann? Die nächste schwarz-grüne Bundesregierung unter Claudia Roth?

Wir hatten auch schon so eine Proporzlösung diskutiert. Vorwiegend für die Franken. Weil die Franken das so wollten. Aus Proporzgründen. Also grundsätzlich könnte man das so machen, nach den einzelnen Regionen, mit konservativem Flügel, Arbeitgeberflügel, Wirtschaftsflügel, wenn die Frauen ansonsten die Fresse halten, können sie auch eine Quotentrulla entsenden, und so kriegen wir das schon hin. Gut, nicht immer. Es gibt so gewisse Kombinationen – nein, ich will nicht darüber reden. Sie kennen das. Hessen, unter dreißig, Frau, kompetenzfrei. Das wird immer noch besser im Kabinett entsorgt als im Bundesverfassungsgericht.

Aber vielleicht könnte man bei solchen Leuten auch mal etwas weniger wählerisch sein. Wir sollten uns flexibler aufstellen, die Durchlässigkeit zur Wirtschaft könnte größer sein, die Synergieeffekte. Wir schieben denen schon solche Nulpen wie Pofalla unter, da können wir doch wenigstens mit personeller Unterstützung aus dem Wirtschaftslager rechnen, oder? Das ist schließlich das Land, in dem die Wirtschaft machen wollen. Da müssen die sich auch mal ein bisschen an der Aufbauarbeit beteiligen. Sonst heißt das am Ende wieder, de Weg war richtig, aber die Umsetzung nicht so wie erwartet. Wir haben das gerade durch mit der Energiewende, ständig dasselbe Theater – wollen Sie sich so etwas geben?

Ehrlich, es ist doch wie mit dem Doping: alle nehmen irgendwas, jeder weiß, wo man das Zeug kriegt, die Trainer reichen untereinander schon mal die Visitenkarten der Dealer weiter, aber wenn einer erwischt wird, dann waren alle unschuldig. Alle! Wir haben das alle vier Jahre im Wahlkampf, das reicht auch schon. Grauenhaft. Aber wenn Sie mich fragen, das ist doch kein Geheimnis mehr. Die einen senken die Steuern für die Hotelbesitzer, die anderen machen den Strom für die Schwerindustrie billiger, damit nicht plötzlich die Golfplätze nach Fernost abwandern. Das ist ein ausgeklügeltes System, das haben wir in mühevoller Kleinarbeit so hingebogen. Und das soll nicht auch im Bundesverfassungsgericht funktionieren?

Lassen Sie uns diese Reform doch gleich im großen Stil machen. Verfassungsgericht vergrößern, Quoten einführen, und wer die meisten Punkt im Ranking hat, darf auch die Verfassungsrichter stellen. Siemens kriegt einen, die Deutsche Bahn, die Atomindustrie darf sich aussuchen, wie viele sie schickt – das muss ja streng nach Recht und Gesetz vorgehen. Nicht, dass hier plötzlich so ein paar vegane Weltverbesserer auftauchen. Dann müsste man das nur noch rechtssicher im Grundgesetz verankern, und dann kann die Commerzbank die neue Grundsatzentscheidung zur Kürzung des Arbeitslosengeldes präsentieren. Der Begriff Bandenwerbung bekäme da gleich eine ganz neue Bedeutung.

Vielleicht kriegen wir das rechtzeitig durch mit dem Freihandelsabkommen, dann haben wir hier ein Gericht, das sich mit Hilfe internationaler Investoren seine eigenen Gesetze zum Schutz vor den Bürgern schreiben kann. Jede Wette, dann werden die Leute auch endlich aufhören, über die EU zu jammern. Glauben Sie mir.

Und dann, mal sehen, was wir als nächstes abschaffen. Haben Sie einen besonderen Wunsch?“





Schutztruppe

20 08 2012

„Für spielende Kinder müssten Sie schon mal die Bundespolizei anrufen, gnä’ Frau. Ah, wollten Sie auch. Dann müssen Sie sich wohl verwählt haben. Hier ist die Bundeswehr.

Wenn Sie mich fragen, das ist reine Schikane. Dass wir das auch noch übernehmen, das ist doch bloß so eine Sparmaßnahme. Ökosteuer, Sparpaket an den Sozialleistungen, und jetzt machen wir den nationalen Ordnungsdienst an der Waffe. Wir haben ja auch sonst nichts zu tun. Ich meine, es ist ja nicht so, dass wir auf eine neue Lage jetzt nicht auch vorbereitet sein müssten. Wenn wir den Einsatz von Spähpanzern im Wohngebiet probieren, können wir das doch nicht als Bewegungsfahrt mit normalem Kraftstoffbedarf abrechnen? Wer macht denn bitte solche Dienstanweisungen? Hat de Maizière noch nicht gemerkt, dass er nicht mehr Innenminister ist?

Stabsstelle Inneres, Oberst von Sprötzendorff? Ja, als Bundeswehr sind wir für äußere Sicherheit noch zuständig, da hat sich nichts geändert. Sie meinen, dass wir jetzt tauchen? die Polizei macht die innere Sicherheit nicht mehr, und wir kümmern und dafür nicht mehr um die Landesverteidigung? Das ist so nicht der Fall. Die Polizei wird ihre Bemühungen um die innere Sicherheit keinesfalls einstellen. Wir werden sie nur darin unterstützen. Also alles halb so schlimm.

Auf der anderen Seite ist das für uns auch ein großer Imagegewinn. Wir schießen immer noch, aber jetzt verteidigen wir das Land da, wo der wirkliche Feind sitzt. Nein, falsch – da, wo der Feind wirklich – also auf jeden Fall verteidigen wir jetzt die Feinde der – also die demokratisch, die in der Demokratie – vor den Feinden die Demokratie, nein, umgekehrt – also für das Volk. Das nationale Volk hier. Quasi jetzt als nationale Volksarmee.

Natürlich ist Ihr Einsatz bei uns in den besten Händen! Sie arbeiten mit Profis, vergessen Sie das nicht – wir sind keine Freiwilligenmannschaft mehr, wir sind jetzt eine Berufsarmee. Ja, Sie können ganz beruhigt sein. Nein, dadurch ändert sich für Sie gar nichts. Wir sind immer noch ganz wie früher. Eine starke Schutztruppe.

Ich meine, sehen Sie’s doch mal positiv. Wenn Sie sich die geistige Leistungsfähigkeit mancher Polizeikräfte ansehen – so etwas wird doch durch Einkreuzen von Neonazis noch aufgewertet. Streifendienst in den Google-Fotos. Plaketten, die Sie lebensgefährlich verletzen, wenn Sie als Eisbein verkleidet durch den Grunewald laufen. Grillabend beim Ku-Klux-Klan. Wollen Sie diesem Rudel an Hilfskräften die nationale Sicherheit überlassen? noch dazu einer Behörde, die auf Landesebene ihr Kompetenzgerangel inszeniert? Wir machen uns ja zur Komikernation!

Dass die Kritiker alle wieder den Untergang des Abendlandes herbeireden, meine Güte, das war doch alles vorhersehbar! Außerdem löst doch diese Entscheidung nichts wirklich. Stellen Sie sich mal vor, wir haben jetzt einen Terrorangriff, eine neue Sauerland-Zelle oder al-Qaida gründet eine Sektion Nordrhein-Westfalen, die sprengen den Reichstag in die Luft, und dann steigen die einfach mal in ein Flugzeug ein, das wir dann wieder nicht abschießen dürfen – das sind doch die Fakten! Wir haben ja in Berlin nun auch alles getan, dass sich solche Szenarien gar nicht erst ereignen, so schnell können Sie jedenfalls mit dem Flugzeug gar nicht…

Haben Sie einen unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritt zu verzeichnen? Aha, Facebook. Nein, ich frage nur wegen der Zuständigkeit. Weil, gegen Demonstranten dürfen wir ja noch nicht – die haben keine Transparente dabei? Dann könnte man es vielleicht unmittelbar vorher noch als putative Staatsnotwehr arrangieren. Ich möchte das ja nicht gleich als terroristische Bedrohungslage ansehen, solange es noch keine Hinweise auf islamistische Täter gibt, aber – die Junge Union? Da sind wir nicht zuständig. Nein, nicht einmal in Hessen. Da verbinde ich Sie mal mit dem Verfassungsschutz.

Allerdings handeln wir im nationalen Interesse! Sie müssen sich das nur einmal vorstellen, wie das ist, wenn Ihre Liebsten in Kampfeinsätze verwickelt werden, wenn Sie jeden Tag bangem müssen, ob Sie Ihre Verwandten je lebend wiedersehen werden oder mit schweren Verwundungen, ob man sie in akuten Konflikten auch rasch genug in Sicherheit wird bringen können, am Hindukusch? Dann doch lieber in Bielefeld.

Stabsstelle Inneres, Oberst von Sprötzendorff, Sie wünschen? Eine Ausnahmesituation? Ja, die wünschen wir uns alle, aber dann – ach so, ach so. Ja, das kann ich von hier aus nicht entscheiden. Mir fehlen da die Fakten. Wenn es sich um einen Streik handelt, ist jedenfalls schon mal Vorsicht geboten. Wir können die Verfassung nicht interpretieren, das ist nicht unsere Aufgabe und auch gar nicht in unserem Kompetenzbereich. Das sollte an sich das Bundesverfassungsgericht tun. Das und nichts anderes. Wir sind da nur das ausführende Organ, verstehen Sie? Unsere Ehre heißt Treue. Zum Grundgesetz.

Also Zuckerschlecken ist das nun echt nicht. Wir sind dazu da, eine wirksame Gefahrenabwehr zu ermöglichen, und dann schreibt da irgendwer etwas von Bundeswehreinsatz bei Fußballspielen – Sie, das hat aber keine drei Stunden gedauert, als Hoffenheim sein Pokalspiel vergeigt hat!

Stabsstelle Inneres, Oberst von Sprötzendorff? Die Bundesregierung? Wir sind schon unterwegs. Bleiben Sie ruhig und lassen Sie Ihr Radiogerät eingeschaltet. Doch, das ist schon ganz richtig so. Sie verhalten sich absolut korrekt. Wir handeln bei Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes. Was bitte ist denn diese Bundesregierung sonst?“





Flachnummer

8 03 2010

Die Debatte war – in einem Kreis fast einheitlich kompetenter Diskutanten – auf weiter Strecke recht harmonisch verlaufen; einzelne provokante oder in ihrer Formulierung doch zugespitzte Beiträge hatten nicht darüber täuschen können, dass die Runde im Großen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung für weise und maßvoll erachtete und an der Grundgesetzeskonformität der deutschen Politik, so es sich nicht um untaugliche Versuche seitens der Bundesregierung handelte, keinen Zweifel ließ. Allein Wolfgang Bosbach litt es nicht. Als Flachpfeife beschimpfte er seinen im intellektuellen Streit überlegenen Gegner.

Natürlich war die Öffentlichkeit bestürzt. Wer konnte schon wissen, was den Terrorexperten der Union zu dieser kontroversen Äußerung hingerissen hatte? Würde er um Entschuldigung bitten? Sich erklären? Den nächsten Gegner als gottverdammte Drecksau titulieren und damit auf sein christliches Menschenbild rekurrieren? Fragen, die zu stellen eine (das muss man doch noch sagen dürfen) kritische Öffentlichkeit geradezu gefordert war. Bosbach versuchte nicht, sich zu entschuldigen. Damit nahmen die Dinge ihren Lauf.

Die Regierungspartei ging sehr locker damit um. Flachpfeifen seien sie alle, mehr oder weniger, wie sich Kanzleramtsminister Pofalla erklärte. Kaum jemand hätte das aus seinem Munde in Zweifel gezogen. Auch die Beteuerung von Jürgen Rüttgers, die Flachpfeifen von Bund, Ländern und Gemeinden würden künftig mehr Geschlossenheit zeigen, goss eher Öl auf die Wogen – Hessen schaukelte sich schon in Sicherheit, konnte sich angesichts des leise knarzenden Fallbeils über den NRW-Kollegen gewisse Spitzen nicht verkneifen. Der Kollege pfeife flach, so Koch, aber auf dem letzten Loch. Was ja auch keiner bestritten hatte.

„Wir Flachpfeifen“, predigte die Kanzlerin als Sprachrohr der Eurozone – mit dem Predigen kannte sie sich aus, mit der Zone erst recht – „werden eine gemeinsame Lösung finden für die Probleme in Griechenland. Und dann finden wir gemeinsam die Probleme, für die wir Flachpfeifen in den anderen Ländern auch nicht verantwortlich sein wollen werden.“ Da freute man sich.

Der Bendlerblock tobte. Dass der Minister so viel, was er nicht wissen wollte, auch tatsächlich gar nicht wusste – das sollte auch zu Normalnull erklärt werden. Die Flachpfeifen in Kundus, teilte der Freiherr mit, seien auf dem Kenntnisstand der Flachpfeifen in Berlin gewesen.

Just in diesem Moment wurde auch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages eingesetzt. Das Internet, so die einhellige Aussage, dürfe nach Meinung führender Flachpfeifen kein rechtsfreier Raum sein. Zunächst bräuchte es eine deutschlandweit vernetzte Datei, um Risikogruppen wie Sexualmörder oder Mehrfachvergewaltiger zu erfassen, vornehmlich dann, wenn diese Taten nicht nur vor mit islamistischem Hintergrund, sondern auch online begangen würden.

Der kleinere Koalitionspartner wollte da nicht zurückstecken. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im Äußerlichkeitsministerium beharrte Guido Westerwelle darauf, auch die Liberalen hätten als Flachpfeifen zur politischen Kultur ein Wort mitzureden. Es gäbe keine Flachpfeifen, das denke die schweigende Mehrheit, jedenfalls zwei, wenn nicht mindestens zwanzig Prozent, wenn nicht die Freidemokraten selbst nach jedem Flachpfiff zu tanzen sich angewöhnt hätten. Ein niedrigeres System forderte der Vorsitzende; über das Gerechte und den unkomplizierten Ausgleich unterhielt man sich nach seiner Abreise zu einer Vortragstour.

Das Kanzleramt nahm den fortgesetzten Schnee in Norddeutschland billigend in Kauf und erklärte die Situation zu einer unerheblichen Abweichung vom Normalzustand. Sie hatten nicht mit dem Innenausschussvorsitzenden der Christlichen gerechnet, der die klimatische Veränderung als Vorbote einer weitaus schlimmeren Bedrohungslage interpretierte. „Wir werden alle sterben“, erkannte Bosbach die Sachlage. Ein Biologielehrer und ein Dorfpastor aus Brandenburg bekannten: der Mann könnte richtig liegen. Versicherungsmathematiker blätterten in ihren Unterlagen und gaben zu, dass an der These etwas dran sein dürfte. Hartgesottene Bestatter gestanden sich ein, am Ende des Tages entspreche dies alles doch der Wahrheit.

Es fiel ihnen wie Schuppen von den Augen. Natürlich ist es einfach nur Glück, dass bisher keine große Bedrohungslage eingetreten war, aber das rechtfertigte nicht ein sinnloses Beharren auf den Grundrechten der Bundesbürger. Deutschland war auf einmal eine Flachpfeife. Die Nation lag auf der Nase, aber sie hatte endlich wieder Bodenhaftung.

Bis zu jenem Freitag, als der Fachmann für Staatssicherheit bei der Veranstaltung der bayerischen Schwesterpartei über verrohte Jugendliche sprechen durfte. Die Täter, wetterte Bosbach, würden immer jünger; neben der massiven Gewaltbereitschaft fiele insbesondere die deutliche Zunahme exzessiven Alkoholkonsums auf. Bei diesem Schwerpunkt unionsgeführter Innenpolitik ließ sich die CSU nicht länger auf eine Verhandlung mit dem Einzelhandelskaufmann aus kleinbürgerlichen Verhältnissen ein. Bosbach schob schnell noch Warnschussarrest, Fahrverbot als Knastersatz und die Verschärfung der Jugendstrafen nach, als er sich sicher war, dass sie nicht verfassungskonform waren. Doch sie lehnten die Zusammenarbeit ab. Mit Flachpfeifen, so Generalsekretär Dobrindt, habe man kein Problem. Nur mit Flachzangen.