„Ich kann schon nachvollziehen, dass Sie jetzt sauer sind, aber so ist das nun mal in der Marktwirtschaft. Wir wollen alle in Frieden leben, und da das nicht funktioniert, brauchen wir Sie. Dass eine Armee Geld kostet, sollte sich herumgesprochen haben. Und dass wir sparen müssen.
Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen, da bleiben Abstriche bei der Bundeswehr nicht aus. Ja, Sie haben dieses Sondervermögen bekommen, das ist auch absolut gerechtfertigt, und trotzdem muss der Haushalt unter Kontrolle bleiben. Die Armee braucht Geld, die Sozialleistungen kosten Geld, und wir haben Milliardäre, die werden teilweise schon von Steuerzahlungen bedroht. Da ist doch klar, auf wen wir Rücksicht nehmen müssen, oder?
Nein, wir streichen jetzt nicht alles zusammen und machen den ganzen Laden dicht – wir gehen marktwirtschaftlich an die Sache heran. Reformen, wo sie sinnvoll sind, Streichungen, wo es sich nicht vermeiden lässt, und dann evaluieren wir, was die Veränderungen gebracht haben. Natürlich wird es den einen oder anderen Standort treffen, das ist klar, aber dass sich das auf Dauer nicht würde vermeiden lassen, das werden Sie doch nicht leugnen? Andere Staaten erledigen das längst mit Söldnertruppen, in der Hinsicht können Sie sich glücklich schätzen, wenn der Staat Sie weiterhin großzügig finanziert und nicht bei jeder Milliarde mehr in Wehgeschrei ausbricht. Schließlich sind Sie für uns ja auch ein Prestigeobjekt, auch wenn es sich nicht so anfühlt.
Sie zum Beispiel haben Auslandserfahrung, da kann man schon mal ansetzen, und damit Ihre Leistung auch entsprechend gewürdigt wird, könnte man Ihnen einen Teil Ihrer Vergütung allein dafür zahlen, dass Sie in der Kaserne sitzen und sich auf den nächsten internationalen Konflikt vorbereiten. Das machen Sie jetzt schon? Sehen Sie, ich wusste gleich, dass wir ganz schnell einen Konsens finden würden. Im Grunde geht es ja nicht darum, dass Sie jetzt fürs Herumsitzen bezahlt werden, sondern dass Ihre Potenziale gebündelt werden an einem neuen Standort, der sich auf Auslandseinsätze spezialisiert und diese Leistung nicht mehr parallel zu vielen anderen Standorten anbietet. Früher hätte man das als Synergieeffekt bezeichnet, aber es ist sehr viel mehr. Bei uns kommt es ja nicht aufs Sparen an, also wenigstens nicht in erster Linie.
Bei den Krankenhäusern ist es doch dasselbe, da macht ein Klinikum Herzoperationen, dann noch Knie und Hüfte für die Kohle, und dann nehmen die jeden mit Schluckauf, obwohl sie es gar nicht mehr können, weil sie nicht genug Betten haben. Da lässt man jetzt den Schluckauf weg, Knie und Hüfte sind gut für die Finanzierung, und wenn es mehrere Kliniken gibt, die Herz-OPs anbieten, kann man die zusammenlegen, damit das Personal sich nicht aus Langeweile mit Schluckaufpatienten abgeben muss. Klingt betriebswirtschaftlich erst mal okay, oder?
Und darum machen wir das jetzt bei Ihnen auch so. Uns als Staat macht das erheblich flexibler, Sie als Armee leisten eigentlich dasselbe, nur die Kohle wird ein bisschen anders verteilt. Wie genau, das wissen wir im Moment auch noch nicht, aber da lassen wir uns schon etwas einfallen. Hauptsache, Sie brauchen sich nicht mehr mit dem Schluckauf zu beschäftigen.
Solange wir nicht in den Ukrainekonflikt eingreifen müssen – wir nennen das Konflikt und nicht militärische Spezialoperation, daran kann man sehen, wie ernst wir es meinen – können Sie sich ja auch weiterhin auf die Kernaufgaben konzentrieren, beispielsweise Rohstoffe in Afrika. Das war bisher auch Ihre Aufgabe, aber jetzt machen Sie es nicht mehr als normale Beschäftigung, die eigentlich gar nicht zu Ihrem Aufgabenspektrum gehört, sondern als Einsatz im Rahmen Ihrer marktwirtschaftlich orientierten Tätigkeit. Die sichert Ihnen dann auf der anderen Seite wieder die Mittel, die Sie für die anderen Aufgaben benötigen, notfalls auch für die Aufgaben, die die ukrainische Armee ausführt, um uns vor einem Konflikt mit Russland zu schützen. Sie sehen, wenn wir unsere Kompetenzen bündeln, kommen wir alle gemeinsam viel weiter.
Also vielleicht nicht alle. Und vielleicht kostet das auch mehr als vorher, das kann man ja immer nie so richtig sagen. Fakt ist aber: wir werden in Zukunft nur ein Zentrum für Cyberabwehr haben und nur eins für die Luftwaffe, und so weiter, und vielleicht braucht man dann ja auch nicht mehr so viel Personal. Genau weiß man das ja auch nicht, das sind alles nur Beispielrechnungen, weil wir ja verhindern müssen, dass alles so bleibt, wie es ist, nur dass wir eben noch mehr dafür ausgeben als jetzt. Und bisher sieht es so aus, als ob wir gar nicht wissen, wofür, also ist das schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir stellen uns das so vor: die Grundversorgung mit militärischen Mitteln soll in vollem Umfang erhalten bleiben, weil einer diese teuren Panzer ja auch fahren muss – sonst können wir die gleich der Ukraine schenken. Für Spezialoperationen, die die wirtschaftliche Entwicklung absichern, könnten wir ambulante Versorgung anbieten, etwa durch die Luftwaffe, und dann haben wir demnächst neue Personalschlüssel, die zwar auch nicht reichen, für die wir aber kein Personal haben. Und wenn wir dann trotzdem noch Eingriffe, Angriffe, wollte ich sagen, Angriffe ausführen, die nicht notwendig sind, die aber strategisch mehr einbringen, dann ist vielleicht noch eine Chance auf Überleben da. Sie müssen immer daran denken: die Bundeswehr ist nur dazu da, den Feind an der Grenze so lange aufzuhalten, bis richtiges Militär kommt.“
Satzspiegel