Gernulf Olzheimer kommentiert (CXLIX): Statistikgläubigkeit

4 05 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Da hockt Nggr am Feuer und überschlägt den Proteinverbrauch der Bedarfsgemeinschaft: gestern ein Drittel Mammut, heute ein Drittel Mammut, da bliebe der Rest für den folgenden Tag doch gerade im Rahmen. Wieder eine Erleichterung, die das Denken nicht immer erforderlich macht. Schnell entwickelt der Hominide aus den verfügbaren Mitteln eine Methode, sich nicht ständig mit dieser Wirklichkeit außerhalb der Höhle abzugeben: eine mehr oder weniger systematisch erscheinende Verbindung von Erfahrung und Theorie. Er nennt das Ding Statistik, und damit beginnt die Farce.

Statistik ist der Rückweg des Menschen in seine selbst verschuldete Unmündigkeit. Wir glauben mit Vorliebe das, was wir nicht sehen und nicht einmal ansatzweise begreifen, immer vorausgesetzt, man erklärt es uns so, dass wir es nicht einmal ansatzweise verstehen. Denn Erfahrung heißt nicht zwangsläufig, dass sie ohne die leichte Eintrübung des Denkapparates einherging. Wer nur sieht, was ihm sowieso in den Kram passt, der schwiemelt sich auch ohne Not das richtige Ergebnis zurecht. Und was heißt schon Theorie? Braucht eine Ideologie belastbare Nachweise, um Groupies in die erste Reihe der Verteidigung zu schubsen?

Bestünde die heutige Gesellschaft nur aus Milliardären und Obdachlosen, ihr sollte es im Durchschnitt gut gehen, da jeder ein annehmbares Sümmchen auf dem Konto hätte. Der Wasserstand sagt eben nichts aus, denn selbst bei Sturmflut hockt der Betrachter noch immer in Sicherheit auf seinem Kahn, sieht die Bordwand und stellt keinen Unterschied fest, weil es den Enten allenfalls bis an den Hintern reicht. Und so sind auch Fingerspiele mit Zahlen de facto purer Unsinn, auch und gerade dann, wenn die Zahlen es hergeben. Was an reiner Zahl in dieser Welt existiert, mag als Abstraktion taugen, als Beschreibung jedoch nicht, denn die Zahl erreicht einen Beigeschmack von Absolutheit, der als kreativer Umgang mit der Realität selten etwas mit dem Wachzustand gemein hat. Wer frisst und säuft, dem geht’s nicht nur pekuniär gut, er nippelt vermutlich auch signifikant früher ab. Was also beschreibt die Glückhaftigkeit des Nettoeinkommens weniger als der pure Phänotyp?

Wer dem Gefasel der Zahlen auf den Leim geht, hat meist den Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation eh nicht kapiert; wo die Wissenschaft die Storchenpopulation sieht, walkt der Boulevard sein Hirnmüsli durch und verkündet präpubertär die Bedingtheit zwischen Klappern und Kopulation. Käme er auf den Gedanken, dass beides sich in den Neubaugebieten auf renaturiertem Land zuträgt, er wüsste wohl, wo junge Grüne ihr Stückchen Wiese zubetonieren, um elitäres Familienleben zu spielen.

Wir glauben der Zahl blind, es interessieren nur die Prozente, nicht aber Verfahren und Volatilität der Werte, geschweige denn ihre Vergleichbarkeit und Einordnung in der tatsächlichen Welt. Wie viel Prozent aller Statistiken sind bloß hilfsverbale Absonderung von Volleulen, selbst wenn sie stimmten? Gaukeln nicht 54,4465% aller Statistiken eine Genauigkeit vor, die durch zu rechtfertigen ist? Wird nicht die Statistik, wenn sie an prominenter Stelle den Rückgang der Fahrraddiebstähle um 50% preist, herzlich witzlos, wenn es davon im letzten Jahrzehnt eh nur einen gab? Ist nicht das mathematische Kompetenzimitat gezuckerter Brei für die bürgerlichen Säuglinge, die besser schlafen sollen?

Der Fehler der Statistik ist die nur auf Empirie basierende Erkenntnis, die in der quasireligiösen Ausrichtung auf die Zukunft das Vergangene zementiert. Deutschlands Apfelesser verzehren pro Kopf und Tag ein Pfund Früchte? Flugs richtet sich der Ökobauer auf vermehrte Ernten ein, verklappt eine Extraschicht auf dem EU-Berg und wundert sich, dass die zeitweilige Mode des Apfelessens keinen Niederschlag in den folgenden Jahren findet, während der Konsument längst bei Birne und Kiwi angekommen ist. Das heitere Zahlenfeuerwerk projiziert seine Mutmaßungen in eine Zeit, die nicht lenkbar ist, weil die Wirklichkeit sich nicht an Statistiken hält – was wäre, wenn nur auf Grund des Geburtenanstiegs die entsetzte Generation von Eltern alsbald das Zweitkind aus der Planung striche, keiner mehr Kinder in die Welt setzte und damit die aktuelle Statistik in die Tonne träte? Nur ein Rückkoppelungseffekt, wer rechnet auch damit.

Und wie vermittelt man auf Niedrighirnniveau die Segnungen der arithmetischen Jonglage? Gibt man dem Chirurgen zu verstehen, dass zehn Prozent der Eingriffe in die Hose gehen, dann kneift er und lässt der Natur den Lauf. Teilt man ihm mit, dass die Operation zu 90% gut verläuft, greift er sofort nach Messer und Gabel. Was auch immer bedeutsam aussieht – wie gut verlaufen denn andere Eingriffe, und war nicht die Trefferquote vor einem Jahrzehnt noch besser? – muss noch lange keine Bedeutung haben für eine Welt, die nicht aus luftleeren Blasen besteht. Statistik ist, darin der Soziologie ähnlich, eine Terminologie, die nur dafür erfunden wurde, sich selbst zu erklären. Wenn überhaupt. Wir werden unsere 1,3 Kinder befragen und die 0,85 Hunde pro Haushalt.





Morgen-Grauen

24 05 2011

„… eine Kostenexplosion bevorstehe, wie die Wirtschaftswissenschaftler anhand vorliegender Daten errechnen. So steige allein bis 2230 der Bananenpreis im deutschen Einzelhandel auf…“

„… ließe sich Pflege nur noch dann finanzieren, wenn die Sätze bis 2013 so angehoben würden, dass sich Pflege dann nur finanzieren ließe, dass die Sätze bis 2015 so angehoben würden, dass die…“

„… da eine zu erwartende Schwächung der Wirtschaft vor allem durch die unangemessene Stärkung anderer EU-Länder zustande käme, was sich voraussichtlich bis 2036 verheimlichen lasse, dann aber auf dem CDU-Parteitag eine…“

„… steht Deutschland unmittelbar vor dem endgültigen Untergang, wenn in einer drohenden Rezession nicht äußerste Lohnzurückhaltung…“

„… müssten für halbjährlich sich erneuernde Euro-Rettungsschirme auch die Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen angehoben werden, damit sich nach einer Abschwächung das heutige Niveau ungefähr 2045 wieder…“

„… zeichne sich ein eindeutiger Trend ab. Zwar sei dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung innerhalb der letzten Jahrzehnte noch keine einzige zutreffende Prognose für das jeweils kommende Quartal gelungen, man habe aber durchaus konkrete Vorstellungen, wie sich die Rentenentwicklung der künftigen Jahrhunderte…“

„… bis spätestens 2012 ein Zusammenbruch der staatlichen Ordnung durch Falschparker, Atheisten und Ausländer zu erwarten sei, dem nur durch den Einsatz der Bundeswehr im Inneren noch…“

„… da von der Leyen an den Ausgaben für Behinderte bis 2030 soviel sparen könne, dass es hinterher keine Behinderten mehr…“

„… sich Pflege dann nur noch finanzieren ließe, wenn die Sätze bis 2015 so angehoben würden, dass sich Pflege dann nur noch finanzieren ließe, dass die Sätze bis 2025 so angehoben…“

„… argumentierte Rösler, der FDP gehe nicht mit jeder Wahl, sondern nur turnusmäßig alle vier Jahre – der Urnengang in Bremen habe ja zuletzt 2007 stattgefunden und nicht auf dem jüngsten Parteitag der Liberalen – gut ein Viertel der Stimmen verloren, so dass bei einem anhaltenden Trend mit der absoluten Mehrheit bis 2089…“

„… drohten den Energiekonzernen durch die Erschöpfung der Uranvorkommen ab 2175 enorme Verluste, die die Bundeskanzlerin durch schnelle, unbürokratische Zahlungen zu dämpfen verspreche. Ob ihr nicht klar ist, dass es sich dabei um ein Mehrfaches des Bundeshaushalts handelt, wurde nicht bekannt, sicher ist nur, dass diese Zahlungen während der Halbwertszeit von Plutonium zu…“

„… wenigstens auf die Einhaltung der nötigsten Standards, damit Deutschland das Korruptionslevel von 2067 bereits drei Jahre früher erreichen…“

„… müsse bis 2075 die Einkommensteuer so deutlich angehoben werden, damit die aus der Anhebung der Einkommensteuer resultierenden Ausfälle durch Einkommensteuerhinterziehung…“

„… da sich Pflege nur noch dann finanzieren ließe, wenn die Sätze ab 2080 so angehoben würden, dass sich Pflege dann nur noch finanzieren ließe, dass die Sätze bis 2265 angehoben und…“

„… ist Deutschlands endgültiger Untergang absehbar, wenn in der Talsohle mit staatlichen Konjunkturprogrammen die Lohnzurückhaltung…“

„… Kernkraftwerke in Deutschland keinesfalls vor 2070 zu bauen, da dann die nächste statistisch nur alle 100.000 vorkommende Kernschmelze auch schon überstanden sei, so dass von der zukünftigen Gesundheitsgefährdung keine Gefahr mehr…“

„… ließe sich eine Vorhersage über Brüderle nur bis maximal 2,8‰…“

„… dass man den lohnbedingten Kostendruck, der ab 2060 auf den Sozialleistungen lasten werde, nur dann wirksam bekämpfen könne, wenn bis 2013 alle Löhne und Gehälter präventiv halbiert würden, zumindest bis zu einem Jahresbrutto von 40.000 Euro – ab einem monatlichen Netto von 500.000 Euro müsse man durch wirtschaftliche Anreize dafür sorgen, dass die Leistungsträger nicht ins Ausland…“

„… dürfte der demografischen Entwicklung der Bevölkerung in Bezug auf ihre Altersstruktur schon dadurch Rechnung getragen werden, wenn bis 2026 der Anteil an Werbung für Inkontinenzwindeln und Gebissreiniger auf die Hälfte der Sendezeit in den gebührenfinanzierten Fernsehsendern…“

„… wenn die Pflegesätze so angehoben würden, dass sich Pflege nicht mehr finanzieren…“

„… kündige sich bis 2023 keine Finanzkrise an, es sei denn, sie sei wieder so unvorhersehbar wie die anderen, die stets nur von Laien und…“

„… muss Deutschland mit dem endgültigen Untergang rechnen, wenn die ersten Keime des Aufschwungs nicht auch durch brutalstmögliche Lohnzurückhaltung…“

„… dem Parteivorsitzenden ein Ultimatum gestellt Rösler zeigte sich dennoch zuversichtlich, man werde bis spätestens 2013 herausgefunden haben, was die FDP sein solle, wozu man sie brauche und was sie im Bundestag zu suchen…“

„… äußerte sich pessimistisch, sollte das Jobwunder der Bundesregierung anhalten, sei bereits 2034 die Stelle des Bundespräsidenten von einem Niedriglöhner besetzt, der keine…“

„… wenn sich die Demokratiebewegung auch schneller als erwartet in Europa ausbreiten würde, so ist mit einem Ende der jetzigen Verhältnisse erst 2140 zu rechnen. Voraussetzung, so Innenminister Friedrich, sei eine sofortige Wiedereinsetzung der Vorratsdatenspeicherung auch für Delikte, die im Strafgesetzbuch noch nicht als Verbrechen…“

„… ist Deutschland dem endgültigen Untergang geweiht, sollte angesichts der boomenden Konjunktur nicht äußerste Lohnzurückhaltung…“

„… auf einer Pressekonferenz bekannt, ab jetzt keine Prognosen mehr auf der Basis wirtschaftswissenschaftlicher Instrumente und Verfahren mehr zu erstellen. Die Wettervorhersage sei auch ohne methodologische Verwässerung schon kompliziert genug, um sie nicht noch…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (I): Bedeutende Deutsche

3 04 2009

Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer


Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Sie haben die Deutschen befragt, und die Deutschen haben geantwortet. Sie halten Helmut Kohl für den bedeutendsten Deutschen seit 1949. Kann natürlich sein, dass Barbara Salesch und Bill Kaulitz gar nicht zur Debatte standen. Aber anders ist das auch nicht zu erklären. Sonst hätten sich die vermutlich Gold in den Einzeldisziplinen teilen müssen: scheiße aussehen, Scheiße erzählen und dabei das Volk verblöden lassen.

Wahrscheinlich haben sie den Saumagen für seinen Friedensnobelpreis gewählt, aber der war ja schon vor 1949. Oder für seine Verdienste um die Sprechblasenzucht, bevor sein Ostmädel sich von der Leine losbeißen konnte. Oder es war eine von den Statistiken, bei denen man vorsichtshalber nur die mit 25 Jahren Anlauf regredierte Unterschicht befragt hat, zwischen zwei Folgen Hilfe-ich-bin-ein-Versager und Promi-Poppen im Soziopathen-Sender, den der badische Bratwurst-Bismarck noch schnell aus der altdeutschen Scholle gekloppt hat.

Aber vermutlich haben sie ihn nicht wegen Flick und Bitburg hochgejubelt oder weil er uns den Euro eingebrockt hat. Für blühende Landschaften haben sie ihn gewählt, für die Begrüßungsrubel und weil wir mit ein paar Millionen Sozialschmarotzern in diesem unserem Lande den kollektiven Freizeitpark erst so richtig toll finden können. Weil sie alle inzwischen eingesehen haben, dass der Spendenkanzler irgendwann einfach eine zweite Landeshälfte als Aussitzfläche brauchte – da kamen wir zu spät, und jetzt bestraft uns das Leben.

Und natürlich für die enorme Rechtssicherheit haben sie ihn zum Bedeutungsträger gemacht, für die Sicherheit nämlich vor dem Recht – das kommt ganz bestimmt nicht, keine Bange. Die Stasi-Unterlagen hat es ja schon mitgenommen in einem kleinen Zwischendurch-Blackout.

Warum die nicht gleich Strauß gewählt haben? Vielleicht wussten sie nicht, welcher aus der ganzen Mischpoke gerade dran war. Oder Roland Koch hatte noch keine Quittung von Ferrero bekommen über seine German Kleinigkeit.

Wobei, eigentlich kann einem das ja auch egal sein. Der Aushilfs-Adenauer wird irgendwann von der Geschichte entsorgt. So oder so. Die erste, die seinen Rekord im Sesselkleben einholt, wird Ulla Schmidt sein. Dagegen ist der Highlander ein Dreck. Wenn die übernächste Generation ihre Liegezeit in der Doppelgrabhälfte hinter sich hat, wird die immer noch marodierend durch die Lande reiten, das Gesundheitssystem zum Geldwaschsalon umfrisieren, wie ihn sich der alte Pfalzbatzen in seinen schwärzesten Kassenzeiten gewünscht hätte, und in den Kliniken, die dann von innen so aussehen werden wie heute die Schafställe in Anatolien von außen, gibt es vermutlich Zwei-Klassen-Medizin: Behandlung nur noch gegen Parteibuch. Die Oggersheimer Blitzbirne hatte sich ja noch am Rückgrat auf dem Stuhl festschrauben lassen – können Sie bei der Schmidt vergessen, da ist nicht viel zum Schrauben, die hat sich die Füße einbetonieren lassen. Im Gesundheitsministerium. Wahrscheinlich der Pharmareferent von der Mafia.

Oder nehmen Sie die Menge an heißer Luft, die ein einzelner Mensch produzieren kann. Alles Geschichte seit Ursula von der Leyen. Das muss geschlechtsspezifisch sein. So viel Schwachsinn ohne Pointe kriegen Sie als Mann einfach nicht hin, da muss die echte deutsche Frau ran. Die wird den Altkanzler einholen, ach was: überrunden wird sie ihn dem Gefasel um Notruf im Kinderkrippenchat und Kinderpornos im Ministerium für die Zensur gegen ihre Wähler. Wie kriegt eine einzige Frau nach sieben Kindern noch so viel Unsinn raus? Da würde der Weiße Hai nicht mal gegen Bezahlung die Zähne reinhauen. Würde ich aber auch nicht, wahrscheinlich spritzt dann Ersatzflüssigkeit raus.

Und die geistig-moralische Rolle rückwärts? Die kann der Schäuble besser. Das ist mal sicher. So macht man Datenschutz, dagegen waren doch das bisschen Stasi 1.0 und die Bundeslöschtage echt Peanuts. Wenn die Saudis mal wieder eine Tüte Panzer brauchen, das kriegt unser reinkarnierter Rollbraten gewuppt, glauben Sie’s.

Ich sag’s Ihnen, dieser Kanzler war die größte Prüfung für den zubetonierten Bombenkrater zwischen Oderbruch und Nordsee. Und Sie werden sich nach Kohl alle noch mal zurücksehnen. Mein Ehrenwort.