Einstellungssache

3 03 2015

„Gut, wir könnten das Verfahren abkürzen.“ „Ich bin sowieso unschuldig.“ „Die Beweislage sagt allerdings etwas ganz anderes.“ „Machen Sie das mit meinem Anwalt aus.“ „Sie verstehen nicht, ich könnte Ihnen auch einen Freispruch anbieten.“ „Ich habe doch gesagt, dass ich unschuldig bin!“ „Eben, deshalb könnte ich Ihnen aber keinen… warten Sie, ich muss das anders erklären. Wissen Sie, was eine Einstellung ist?“ „Ich jedenfalls habe eine.“

„Nein, das ist es nicht. Ich meine die Einstellung des Verfahrens.“ „Dann machen Sie doch, Sie altes…“ „Contenance, bitte. Wir werden hier eine gemeinsame Lösung…“ „Bin ich die Bundesmutti!? Pack Deine Scheißakten, ich werde ohne meinen Anwalt jedenfalls kein Wort mehr sagen!“ „Dann stelle ich das Verfahren auch nicht ein.“ „Wollen Sie mich etwa erpressen?“ „Ich bediene mich hier ausschließlich rechtsstaatlicher Mittel.“ „Eben, das ist doch eine linke Tour!“ „Sie haben das immer noch nicht verstanden. Sie werden ein vollumfängliches Geständnis ablegen…“ „Bei Ihnen piept’s wohl!?“ „… und ich könnte das Verfahren dann einstellen.“ „So blöd müsste ich sein! Freispruch wegen erwiesener Schuld? Sie haben doch nicht alle…“ „Kein Freispruch, sondern eine Einstellung.“ „Das ist doch dasselbe.“ „Eben nicht. Sie zahlen eine Geldbuße und…“ „Mein Reden, die reine Erpressung!“

„Na, meinetwegen. Was liegt gegen mich vor?“ „Der Staatsanwalt erhebt Anklage wegen versuchten Totschlags in einem besonders…“ „Totschlag!? diese Missgeburt lebt doch noch!“ „Sie haben es immerhin versucht, und damit fängt es an. Hinterher kommen in Tatmehrheit noch ein Diebstahl, ein paar Fahrlässigkeitsdelikte und…“ „Ich fahre immer lässig, wenn ich genügend getrunken habe. Hähähä!“ „… Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.“ „Die Bullensau hat mich angefasst!“ „Der Herr Polizeiobermeister Krusche hatte hinterher ein angebrochenes Jochbein.“ „Sein Pech.“ „Wollen Sie die Sache jetzt vom Tisch kriegen oder nicht?“ „Wie denn, wenn sich hier alle gegen mich verschworen haben?“ „Das nennt man Beweiserhebung.“ „Mir egal, wie Sie zu Ihren Mafiamethoden sagen, ich bin unschuldig!“

„Wenn Sie wegen der Schläge gegen den…“ „Der soll mal schön still sein, diese Kuffnucke!“ „Wo sie es sagen: wir haben mehrere voneinander unabhängige Zeugenaussagen…“ „War ja klar, dass Sie sich so was kaufen!“ „… dass Sie den Geschädigten auf rassistische Art beleidigt haben.“ „Wieso rassistisch? das ist doch eine Tatsache, dass das ein Nigger war!“ „Der Migrationshintergrund des Geschädigten tut hier überhaupt nichts zur…“ „Diese Bimbodreckfresse hat doch angefangen!“ „Wir könnten für diesen Fall vielleicht eine Einigung erzielen,wenn wir uns auf eine gefährliche Körperverletzung erkennen.“ „Wieso gefährlich, ich kann doch keiner Fliege etwas zuleide tun.“ „Das liegt in der Natur der Tat.“ „Ach was, das ist doch alles Einstellungssache.“ „Denken Sie.“

„Sie haben doch ein paar Fahrlässigkeitsdelikte auf dem Zettel, dann machen wir doch mal den Versuch einer fahrlässigen Tötung aus der Sache mit der Lakritznase.“ „Sie haben – auch hier liegen mehrere identische Zeugenaussagen vor – zuvor den Kofferraum geöffnet, einen Wagenheber entnommen und damit den Geschädigten mehrmals auf den…“ „Wo würden denn Sie den Wagenheber aufbewahren, etwa in der Garage?“ „Das ist doch überhaupt nicht der…“ „Jetzt wird man von Euch Hackfressen also auch noch kriminalisiert, wenn man sein Auto vorschriftsmäßig ausrüstet, wie!?“ „Beruhigen Sie sich, das ist doch gar nicht der…“ „Pass mal gut auf, Du Schwuchtel: mein Anwalt hat Deine Privatadresse!“ „Dann vielleicht eine Körperverletzung mit bedingtem Vorsatz?“ „Okay, darüber ließe sich reden.“

„Wir würden natürlich bei der Strafzumessung auch im unteren Rahmen bleiben.“ „Wieso das denn, ich werde doch freigesprochen?“ „Sie haben es immer noch nicht verstanden. Wir könnten Sie natürlich auch bestrafen.“ „Ohne Geständnis?“ „Klar. Aber wenn Sie gestehen, dann werden Sie nicht verurteilt.“ „Ich gestehe, dass ich schuldig bin, und deshalb bin ich unschuldig?“ „So ähnlich.“ „Aber dann ganz sicher keine Körperverletzung. Eher ja wohl den Diebstahl.“ „Immerhin handelt es sich um…“ „Ich war besoffen.“ „Dann sind Sie möglicherweise schuldunfähig.“ „Und kann das nicht gestehen? Warum muss das alles immer so kompliziert sein?“ „Ich mache die Gesetze nicht.“ „Erholt sich der Neger denn…“ „Bitte!“ „Also dieser Typ mit negroidem Hautfarbenhintergrund, ist der wieder raus aus der Klinik?“ „Die Reha verläuft bisher gut.“ „Dann könnte man es doch auf Notwehr…“ „Das ist kein Straftatbestand.“ „Ja, aber das war wirklich Notwehr! Dieser Schwarzfuß stand im Weg, als ich…“ „Körperverletzung.“ „Vielleicht eine fahrlässige Gefährdung im Affekt.“ „Und was machen wir mit der rassistischen Beleidigung?“ „Sprachschwierigkeiten durch mangelhaft verlaufende Integration?“ „Tätliche Beleidigung?“ „Eher eine einfache Beleidigung.“ „Aber vorsätzlich.“ „Logisch, glauben Sie, ich rede aus Spaß mit so einer verdammten…“ „Vorsätzliche Beleidigung.“ „Meinetwegen, vorsätzlich.“ „Okay, fürs Protokoll: Sie sind geständig.“ „Ja doch!“ „Gut. Sagen wir mal…“ „Was denn noch!?“ „Fünftausend?“ „Hm. Gut.“ „Dann sind Sie unschuldig.“ „Und äääh… wie geht’s jetzt weiter mit…“ „Gar nicht. Ist ja eingestellt, die Sache.“





Kreuzweise

12 09 2011

„Wir sehen hier keinen Grund, den Herrn Edathy zur Ordnung zu rufen. Nein, auf gar keinen Fall. Herr Edathy ist bei uns als Bundestagsabgeordneter angestellt und nicht als Social-Media-Experte.

Von einem Rücktritt kann überhaupt keine Rede sein, mein Lieber. Ausgeschlossen. Herr Edathy hat lediglich ein paar Fotos publiziert, was angesichts der zweifelsfrei aus dem Konrad-Adenauer-Haus gesteuerten Hetzkampagne in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Reaktion steht. Natürlich muss sich die SPD hier wehrhaft zeigen – man darf doch auf Erpressungsversuche dieser Art überhaupt nicht eingehen. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wenn Sie hier meinen, Sie müssten Herrn Edathy in die Pfanne hauen, dann sollten Sie sich mal ansehen, was Unionspolitiker im Internet mit minderjährigen Mädchen – das war legal? Das sagen Sie. Für uns gelten hier ganz andere Maßstäbe, merken Sie sich das. Im Übrigen hat Herr Edathy die betreffenden Inhalte nur deshalb so schnell gelöscht, weil er sich ganz und gar im Recht befindet. Denken Sie doch mal nach, bevor Sie Gerüchte in die Welt setzen!

Halbherzige Entschuldigung? Worauf wollen Sie denn da hinaus, Herr Edathy hat sich überhaupt noch nicht entschuldigt. Nein, sieht er auch gar nicht ein. Das ist ja auch eine Zumutung – möchten Sie etwa den ganzen Tag lang mit irgendwelchen Leuten herumärgern, die sich nicht einmal richtig anonymisieren können? Wie, Klarnamenspflicht? Wirklich? Dann sind wir auch dafür. Natürlich, das ist absolut notwendig. Unabdingbar! Sehen Sie mal, wenn man unter seinem eigenen Namen irgendwo postet, dann gibt es nämlich auch nicht immer diese unappetitlichen Beleidigungen. Ach was, juristisch im Recht – man muss schließlich Jurist sein, um das beurteilen zu können. Und genau deshalb sollten wir uns von dieser regierungstreuen Journaille auch nicht in die Enge treiben lassen! Gegebenenfalls werden wir Mitte nächster Woche handwerkliche Fehler zugeben, aber Sie werden uns nicht beim Vorsatz erwischen, klar!?

Wegen der kritischen Distanz zum Thema, verstehen Sie? Die Sozialdemokraten machen sich nicht einfach gemein mit einer Sache. Wir ergreifen nicht Partei, schließlich sind wir selbst eine – auch wenn das nichts besonders Ergreifendes ist. Nein, die SPD wahrt einen gesunden Abstand. Im Sozialausschuss haben wir beispielsweise einen, der nach entbehrungsreichen Jahren im Eliteinternat die Aktienpakete seines Vaters geerbt hat. Der kennt sich wirklich aus. Für die Filmförderung haben wir extra einen Taubblinden aus Hessen aufgespürt. Und Herr Edathy macht eben Rechtsausschuss.

Was werfen Sie denn dem Mann überhaupt vor? Der macht doch auch nur, was alle machen. Und er hat doch ganz recht, man könnte ein Drittel des Internets damit absperren. Schließlich gibt es Gesetze, und die muss man einfach mal anwenden. Es kann doch nicht sein, dass in diesem deutschen Internet jeder einfach so machen kann, was er will? Da muss man doch einschreiten können? Weil wir mit den modernen technischen Mitteln längst nicht mehr diese enorme Fülle an Straftaten in den Griff bekommen. Schauen Sie, da hat die Kanzlerin eben doch recht: es gibt Dinge, über die braucht man nicht zu diskutieren, die muss man einfach mal machen. Wie jetzt das mit dem Haushalt.

Das war doch gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Außerdem hat er doch ganz klar gesagt, man könne ihn mal, und nicht: man solle ihn mal. Sie messen hier schon wieder mit zweierlei Maß, und das muss man sich doch nun wirklich nicht von jedem dahergelaufenen Idioten – hören Sie mal, wenn es Ihnen nicht passt, wie wir als demokratische Partei mit den Bürgerinnen und Bürgern im Land umspringen, dann gehen Sie doch nach – ach so, stimmt.

Sicher; wir sind immer noch die Partei mit der stärksten Sozialkompetenz. Sonst hießen wir ja Asozialdemokraten. Bei uns wissen wir noch, was das heißt: Nestwärme. Falls Sie sich die Heizung noch leisten können. Nestwärme, mein Lieber, ist durch nichts zu ersetzen. Familie. Stallgeruch. Gut, ist bei uns eher Schweinestall, aber man kann sich daran gewöhnen. Wir setzen auf Solidarität und dass sich Minderheiten behaupten können – in der SPD finden sich Gleichgesinnte, wir unterstützen das vollinhaltlich. Und im Vertrauen, ohne Herrn Edathy käme sich Herr Sarrazin in der SPD schon ein bisschen alleine vor. Vor allem, was die Diskussionskultur angeht.

Wir werden selbstverständlich zu ihm stehen, das ist ganz klar. Wir lassen nicht einfach jemanden fallen, nur weil er plötzlich in der Öffentlichkeit angegriffen wird. Das werden Sie bei uns nicht erleben. Schließlich ist Herr Edathy noch nie Ministerpräsidentin gewesen und will es auch nicht werden. Wir werden uns allerdings etwas überlegen müssen, wie wir mit der Sache umgehen können. Gut möglich, dass wir Herrn Edathy vorübergehend in den Innenausschuss versetzen. Er wollte sich sowieso mal verändern. Wir wissen noch nicht, wie er sich entscheidet. Kanzlerkandidat wäre sicher nett. Das machen ja momentan alle mal in der SPD. Oder er übernimmt den Arbeitskreis Tourette. Oder eben als Kontaktmann ins Goethe-Institut. Soll ganz ergötzlich sein da.

Also denken Sie daran, Ihre SPD schreibt hier die Gesetze, da muss sie sich nicht auch noch daran halten. Sie kennen das sicherlich aus Erfolgen wie Griechenland II, Basel III oder Hartz IV. Und wenn Sie demnächst mal in der Verlegenheit sind – wählen, mein Lieber, das können Sie uns mal. Kreuzweise.“