Gernulf Olzheimer kommentiert (CXXXIV): Fanatiker

13 01 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Leben geht bisweilen verschlungene Wege. Während einer als randständige Existenz glücklich am Abend sein Saftglas auf die Republik leert, nagt der andere vor Wut Löcher in den Flokati. Manchen ereilt sein Schicksal beim Sturz vom Wickeltisch, manche ersaufen sich ihren Schaden in langen Nächten, und viele wuchsen fern jeglicher Bildung auf, um ihr Lebensziel im Furor zu verwirklichen: Fanatiker, die ihr Niedrighirnniveau gegen den Rest der Meute verteidigen, da sie genau wissen, dass den Deppen die Welt gehört, wenn man sie nicht zeitig genug aus dem Verkehr zieht.

Der Fanatiker als solcher ist eine religiöse Person, ob er will oder nicht; Vernunft existiert nicht in seinem Resthirn, höchstens die überwertige Idee, die seine Triebsteuerung von Kurzschluss zu Kurzschluss peitscht. Der durchschnittliche Seppel vermag seine Alltag noch in den Niederungen des fliehenden Sinns einigermaßen zu strukturieren, des Frömmlers Hirnplüsch bleibt mit dem Leitgedanken niedermolekular verzahnt und spiegelt kollektiv die Fährnisse des Daseins, Schnitzel, Strumpf und Steuererklärung, an seinem erzwungenen Zentrum. Rasse, Fußballverein oder die Reinerhaltung der deutschen Hundezucht, was immer ihn antreibt, verzieht ihm den Rahmen. Der Fanatiker verbeult sich sein Werteraster an der Wirklichkeit, die er mit eingelegter Lanze wegfegen will. Nachrichten, die Wirklichkeit habe einem kognitiv suboptimierten Schreihals schon einmal nachgegeben, entbehren bis dato einer belastbaren Quellenangabe.

Denn der Fanatiker ist bedauernswerterweise nur ein verhinderter Nihilist. Er glaubt, deshalb muss er dran glauben – während er eigentlich die Umwertung der Wirklichkeit im Hirn hat, bröselt es ihm jegliche Bodenhaftung unter den Füßen weg. Wie ein Insekt um eine Sechzig-Watt-Birne drohnt, kreist auch der Empörer (und mit ähnlicher Ich-Ausstattung im Gepäck) um seine Wahnvorstellung, in der Freimaurer kleine Kinder fressen, die Zahnfee die Ostereier klaut und Mondlandungen in einer Seifenfabrik in Kötzschenbroda stattfinden. Ein Ich im engeren Sinne bedarf es für den Beknackten nicht, um Schrott vor aller Welt als Wert zu vertreten, ein automatisiertes Bewusstsein reicht vollkommen aus, denn alles das, was dem Dummklumpen noch unter der Kalotte suppt, ist eng. Fanatismus ist eine Angelegenheit des Entweder-Oder, Werte zwischen Gut und Böse haben in der Einfachheit seiner Birne keinen Platz. Und das ist gut für die Embryonalintelligenz, der Fanatiker belastet sich weder mit Kompromissen noch mit dem mählichen Fortschreiten des Seins. Zeit existiert nicht in diesem Konzept. Wozu auch.

Mit der nötigen Ausstattung lässt sich alles dogmatisch in die Restwelt einprügeln, Rohkost wie Rassenwahn, Homöopathie oder Militarismus, solange genug Humorlosigkeit vorhanden ist. Wenn dem Hitzkopf schon selbst die Schwarmgeister die Eiweiße unterm Pony koagulieren lassen, trägt er seine Infektion bereitwillig weiter. Es hat für einen gesunden Narzissmus eben nicht gereicht.

Von besonderer Widerlichkeit ist der bekehrte Fanatiker. Er, der Reinstoff des intellektuellen Heckenpenners, demonstriert auf wunderbare Weise die Dämlichkeit des Hominiden, der seine Tatkraft aus jeglicher sozialen Zusammenrottung zu ziehen vermag, die ihm nicht ausdrücklich verklickert, dass er auf der Spulwurmaufzuchtstation besser aufgehoben wäre. Sein Vorurteil ist so austauschbar wie eine Windel, der Inhalt bleibt von ähnlicher Art: heute noch gottesfürchtiger Missionar der einen Religion, morgen schon demütiger Zeuge einer anderen. Der Hass auf alles, was sich hassen lässt, ist so austauschbar wie die verschwiemelten Rechtfertigungen für den Rechthaber. Wer ihm gestern noch als halb garer Kantonist erschienen war, den brandmarkt der Bescheuerte heute schon als verbohrten Idioten, der noch an das falsche zu glauben wagt. Jede Wette, er wird ihn nach dessen Bekehrung ebenso fröhlich in die Arme schließen. Und er wird ihm genug von seinem verbohrten Hass auf alles andere abgeben. Denn jeglicher Fanatismus, so gläubig er aus seiner Zwangsjacke greint, ist nichts anderes als sein Gegenteil. Der Prinzipienreiter kämpft für die Freiheit, andere zu unterjochen, und wirft Bomben für seine Wahrheit, um den Andersdenkenden das Maul zu stopfen.

Es ist unnütz, dem Rigoristen einen Spiegel vorzuhalten – eher ließe sich eine Waschbetonwand durch kontinuierliches Anschreien zerbröseln, als dass ein Fanatiker aus den Katastrophen der Vergangenheit auch nur das Geringste zu lernen bereit wäre. Meist bemerkt der Bescheuerte nicht einmal, dass es sich bei den Durchgeknallten um autoritäre Charaktere der eigenen Strickart handelt. Er ahnt dumpf, dass seine Triebunterdrückung ihn ins Verderben führt, denn auch bei Licht besehen gibt es für ihn kein höheres Ziel, denn für diese Komplettverdeppung als Blutzeuge der Wahrheit zu sterben. Man sollte ihnen diese Gefälligkeit nicht vorenthalten. Schon aus gelebter Toleranz.