„Guten Tag Herr! Und Frau! Hunke, Möller!“ Hildegard zog die Braue empor. „Du hast Dich in der Tür geirrt“, mutmaßte sie. „Das glaube ich kaum“, erwiderte ich, „es ist Karte 8 und dies ist Haus 8 – ansonsten bliebe ja die Tür verschlossen.“ Ich trat in den Flur der Hütte und tastete nach dem Lichtschalter. „Vor der! Ersten! Bestätigung, des! Lichtschalters. Karte. in die! Gebäude, Sicherung einführen!“ „Das Ding spinnt“, befand Hildegard. „Es ist nur ungewohnt“, meinte ich. „In zehn Jahren werden wir vollautomatische Ferienhäuser ganz normal finden und unseren Jahrestag immer hier feiern.“ Sie blitzte mich an. „Sollte diese Bude sich nicht zusammenreißen, dann feiern wir nicht einmal den nächsten Jahrestag!“
Offenbar schien uns das Haus auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Kaum hatte ich die Tasche abgestellt und das Bad betreten, um mir die Hände zu waschen, knipsten sich die Lichter automatisch an und aus, wo immer ich mich bewegte. Ein Spot folgte mir über den Flur. „Das ist mir unheimlich!“ Hildegard schauderte. „Für den Umweltschutz ist es doch aber gut“, widersprach ich ihr. „Die Steuerung verhindert, dass das Licht unnütz brennt. Das spart Energie.“ Dummerweise beschloss das Ding, mich nach dem Schließen der Tür komplett zu ignorieren. Die Dusche nahm ich also im Dunklen.
Die Maschine röchelte und spotzte. Wenigstens war ausreichend Kaffee im Haus. Doch wo war das Geschirr? Die oberen Schränke: leer, die unteren: nichts zu finden. „He“, rief ich. „Geschirr, wo?“ „Wusste ich doch, dass dies Haus nicht alle Tassen im Schrank hat“, moserte Hildegard. Erst im Geschirrspüler wurden wir fündig. „Das holst Du raus!“ Sie weigerte sich vehement, die verklebten Becher auch nur anzufassen. „Meinetwegen“, seufzte ich. „Dann werde ich das Zeug eben mit der Hand abwaschen.“ „Abwaschen! Spül, Programm! Intensive Reinigung!“ Die Körbe rollten nach innen, die Tür klappte wie von Geisterhand zu, und schon rauschte es im Innern des Küchengeräts. Ich verstand nichts mehr. „Und wie trinken wir jetzt unseren Kaffee?“ Zwei Cocktailschalen aus der Hausbar waren das einzige, was Hildegard auf die Schnelle auftreiben konnte. „Wenigstens sieht es mondän aus“, kicherte sie.
Während ich am Kaffee nippte, rief mich Hildegard ins Wohnzimmer. „Komm doch mal!“ Entzückt stand sie vor dem großen Westfenster, der den Ausblick auf einen prächtigen Sonnenuntergang gewährte. „Ist das nicht romantisch?“ „So kenne ich Dich gar nicht“, sagte ich verwundert. „An unserem letzten Jahrestag hast Du Dich beim Oberkellner beschwert, weil der Wein eine Spur Kork hatte, und das Jahr davor…“ Knatternd kam der Rollladen herunter. „Sie haben, es! Angenehm! Warm mit! Wärme, Dämmung und! Sichtschutz! Nach Einbruch der! Dunkelheit, ist! Ihr Haus, Herr! Und Frau! Hunke, Möller! Sicher!“ Ich grollte. „Sofort aufmachen! Hoch damit, aber etwas plötzlich!“ „Sie können, morgen! Wieder das, Berg! Panorama genießen!“ Ich ballte die Faust. „Warte, Du Mistding. Ich werde mich beschweren.“
Hildegard trug den Koffer ins Schlafzimmer und wuchtete ihn aufs Bett, vielmehr: sie versuchte es, denn kaum hatte sie die Türschwelle passiert, da flogen die Schiebetüren des Kleiderschranks auf und eine Schublade schoss hervor. Das Ding traf sie genau vor dem Knie. „Socken und! Unter, Wäsche! Wünschen Sie einen! Kleider, Bügel: Herr! Hunke, Möller!“ Hildegard humpelte zum Sessel. „Dieses Drecksding“, zischte sie schmerzverzerrt hervor, „ich lasse mir doch von einem Kleiderschrank nicht befehlen, wo ich meine Unterwäsche aufbewahre!“ „Es war doch nur gut gemeint“, versuchte ich sie zu besänftigen. Erfolglos. „Und ich bin auch nicht Herr Hunkemöller, kapiert?“ Das Möbel reagierte prompt: „Danke sehr! Herr! Hunke, Möller!“
Der Fernseher schaltete sich automatisch ein, als wir uns auf der Couch niederließen. „Wie praktisch, dass sich der Ton nicht abschalten lässt.“ Meine Laune war auf dem Nullpunkt, Hildegard war nicht ganz so entspannt wie ich. „Die Fernbedienung liegt neben der Glotze“, wies sie mich auf den kleinen Kasten in der Schrankwand hin. „Du wirst Dich schon erheben müssen.“ Ich erhob mich, mit dem Ergebnis, dass sich die Flimmerkiste nun auch wieder automatisch ausschaltete. „Was soll denn das bedeuten“, stöhnte ich. „Kann denn in diesem Haus nicht irgendwas vernünftig funktionieren?“ Für den Umweltschutz ist es aber gut“, höhnte sie. „Die Glotze verhindert, dass jemand sie benutzt. Das spart Energie und jede Menge Hirnzellen.“
Die Mikrowelle funktionierte nicht, dafür ließ sich der Herd nicht bedienen. „Wenn ich es nicht besser wüsste“, mutmaßte Hildegard, „würde ich sagen, man muss einen Groschen einschmeißen.“ Ich drehte an den Knöpfen. Da war sie wieder, die vertraute Plastikstimme. „Sie hatten! Ohne, die! Verpflegung! Gebucht, Herr! Und Frau! Hunke, Möller! Der Herd wird! Sich, erst ein! Schalten! Lassen! Wenn Sie! Herr! Und Frau! Hunke, Möller! In der Zentrale…“ „Geschenkt!“ Entnervt schmiss ich die Butter in den Kühlschrank. Es reichte.
Das Kaminfeuer verbreitete einen behaglichen Schein im Wohnzimmer. Hildegard hatte sich in die Wolldecke eingewickelt und lehnte sich gegen meine Schulter. „Darauf hätten wir gleich kommen sollen“, sagte sie schläfrig und schloss die Augen. „Und wenn wir morgen vor die Tür wollen?“ Ich betrachtete Karte 8 und legte sie auf den Tisch neben den Korkenzieher. „Dann werde ich eben die Sicherung wieder reindrehen.“
Satzspiegel