Stirb langsam

13 06 2013

„… sei das Fernsehprogramm der ARD wie geplant um 20:10 abgeschaltet worden, da man befürchtete, mit den derzeit zur Verfügung stehenden Geldern keine sinnvolle…“

„… müsse die GEZ-Gebühr selbstverständlich weiterhin in vollem Umfang gezahlt werden, da jeder Haushalt theoretisch, wenn es denn ein öffentlich-rechtliches Fernsehen in Deutschland gäbe, in der Lage wäre, dieses auch zu empfangen, woraus sich zwingend…“

„… die Einstellung des Sendebetriebs mit der mangelhaften Führung begründet worden sei. So habe man beispielsweise das Feiertagsprogramm regelmäßig durch die Wiederholung schlechter Actionfilme…“

„… müsse eine deutliche Straffung der Rundfunkanstalten nach sich ziehen. Um eine ausgewogene Parteienbeteiligung zu erreichen, schlage die Kommission die beiden gleichberechtigten Partner Bayern (CDU/CSU) und Restdeutschland (SPD)…“

„… im Bayerischen Rundfunk erst nach drei Tagen zur Kenntnis genommen worden sein soll. Der Sprecher des Münchener Hauses habe dies damit begründet, dass sie sich aus Gewohnheit aus dem laufenden Programm ausklinkten, wenn anarchistischer, unchristlicher oder demokratischer Schmutz und Schund über die…“

„… könne IM Friedrich eine zunehmende Gefährdung der inneren Sicherheit durch vermehrte Demonstrationen ausschließe, solange es noch die ProSiebenSat.1-Gruppe und ihre Comedysendungen…“

„… nun auch das ZDF abgeschaltet worden sei, da sich der Altersdurchschnitt des Publikums langsam dem Median für das Einsetzen von Altersdemenz…“

„… habe sich das vorläufige Ende des Staatsfernsehens nicht vermeiden lassen, da es zu viel Geld gekostet habe. Die Kanzlerin betone, man könne nicht gleichzeitig finanziell ausufernde Wahlgeschenke versprechen und gleichzeitig ein Vollprogramm mit…“

„… müsse man auch Abschied nehmen von Programmbestandteilen, die nicht mehr nötig seien. So könne man beispielsweise den Bildungsauftrag an Super RTL abgeben, da der Sender auch für junge Erwachsene und Senioren…“

„… eine Protestnote abgegeben. Die Sprecherinnen des Bündnisses, Manuela Schwesig und Ursula von der Leyen, hätten darauf bestanden, dass sie weiterhin zu Publikumsveranstaltungen eingeladen würden, auch wenn es keine Talkshows mehr…“

„… dass Sender wie Tele 5 neben kulturell bedeutsamen Persönlichkeiten wie Naddel und Peter Bond nicht auch noch Markus Lanz…“

„… sei eine marktoptimierte Filmwerbung ohne Wetten, dass…? kaum mehr…“

„… prangere Westerwelle die Kostenloskultur der Bevölkerung an, die sich in spätrömischer Dekadenz einfach vor den Fernseher…“

„… als erstes Sparziel vorgeschlagen, an den Weihnachtsfeiertagen die Wiederholungen sämtlicher Teile von Stirb langsam zu…“

„… sich die Zustimmung zur Politik der Bundesregierung schrittweise verringere. Ob dies an den nicht mehr täglich ausgestrahlten Nachrichten liege oder…“

„… sei so nicht kommuniziert worden, da es sich lediglich um ein informelles Gespräch auf dem Flur der Anstalt gehandelt habe. Darum habe die Leitung beschlossen, Stirb langsam in jedem Monat mindestens einmal zu…“

„… das Problem sofort zu lösen. Rösler habe vorgeschlagen, die öffentlich-rechtlichen Sender einfach zu privatisieren, so dass der Markt die…“

„… ob es nicht preiswerter wäre, den Tatort mittelfristig durch eine Wiederholung von Stirb langsam an jedem Sonntag zu…“

„… durch langfristige Verträge gebunden; darüber hinaus fühle man sich moralisch zur Rettung des Regenwaldes verpflichtet. Vermutlich wird eine Verlagerung der Werbung ins Internet nicht alle Forderungen des Publikums…“

„… im Zuge des Länderproporzes alle fünf Teile von Stirb langsam durch die unterschiedlichen Sendeanstalten abwechselnd oder nach dem Losverfahren oder…“

„… bestehe der Kunde darauf, die Werbespots ausschließlich in das durch eine Bezahlschranke abgetrennte Segment von BILD zu legen. Die Konsumenten würden nur hier den Premium-Content wirklich…“

„… werde Rösler als Anschlussverwendung für die entlassenen Fernsehangestellten…“

„… dass nun für die anstehenden Restrukturierungsmaßnahmen die Beiträge der GEZ nicht mehr ausreichten. Es sei von einer langfristigen Verdoppelung auszugehen, da die…“

„… ob von der Leyens Anspruch, alle TV-Redakteure, Techniker, Aufnahmeleiter und Markus Lanz zu Erziehern umzuschulen, nicht etwas…“

„… allerdings davon Abstand genommen habe, die Sanierung von ARD und ZDF durch Hartmut Mehdorn zu…“

„… sei das Budget des griechischen Staatsrundfunks ERT in Höhe von 300 Millionen Euro gelegen. Die Rundfunkkommission der Länder habe inzwischen eine wissenschaftliche Untersuchung eingeleitet, wie es möglich sei, mit diesen Beträgen überhaupt eine…“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CXCVII): Die Krise als Religion

24 05 2013
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Es braucht nicht viel, den Hominiden von der Überlegenheit des Metaphysischen zu überzeugen; meist reicht ein Sonnenaufgang, schon fühlt er sich unterlegen. Sobald sich der Alltag nicht mehr mit Bordmitteln bewältigen ließ – warum ist dieser verdammte Hirsch so schnell, warum kriegt die Frau drei Dinge gleichzeitig erledigt, warum schläft Nggrs Urahn seit Wochen im Freien und riecht so unangenehm – sucht sich der Einwohner des Paläolithikum kompetente Antworten, meistens bei eingebildeten Wesen oder Strukturen, die nicht im Klartext antworten und kaum ein gesteigertes Interesse am Dasein des Troglodyten zeigen. So wird auch schnell begreiflich, dass der Ägypter selten dem Ren huldigt, der Polarkreisanrainer kaum häufiger das Krokodil kultisch kategorisiert; man reserviert für die spirituellen Dinge das, was man kennt, aber nicht oder nur mangelhaft intellektuell durchdringt. Warum sich schnell erklären lässt, dass nur kurze Zeit später der Affe im Nadelstreif die Eurokrise als Religionsersatz hinnimmt.

Der durchschnittliche Europäer, ein zahlendes Mitglied der Mittelschicht, hat sich hübsch in seiner Existenz eingerichtet. Er bedauert das Ableben der anderen, hält sich selbst für unsterblich und wird nicht an den Gerüsten seiner Gesellschaft zweifeln, gleichwohl er die härtesten Kritiker seiner Lebensart für durchaus kluge Leute hält. Was bisher an Krise über ihn hereingebrochen ist, hält er für die Folge entfesselter Gier – nicht seiner Gier, so gut ging es ihm schließlich nie – und kommt damit zurecht, dass jetzt die Rechnung bezahlt werden muss, wie es diese komischen alten Männer und das Ding mit den Halsfalten in den Abendnachrichten von sich geben. Auf Sünde folgt Buße, mehr hat er nicht aus der ideologischen Indoktrination seiner Schulzeit behalten, und glücklicherweise hatte die Kultusministerkonferenz noch einmal die Kurve gekriegt, bevor sie den Begriff der Gnade in den Lehrplan hätten vitriolisieren können. Die Botschaft ist egal, allein es zählt der Glaube: vor uns steht ein Gottesgericht biblischen Ausmaßes, unabwendbar in seiner Art als Gottesgericht, und nach bester Tradition werden wieder einmal die bezahlen, die diesen ganzen Dreck nicht verursacht haben. Wir kapieren die Zusammenhänge nicht, also muss es, sagt unsere Führung, gerecht sein.

Das Tupperhirn setzt sich gar nicht erst den drängen Fragen der Menschheit aus – wer sind wir, wohin gehen wir, wer verbietet uns das Denken – sondern akzeptiert die Instanterkenntnis, die ihm seit ehedem eingehämmert wurde: was uns erhält, darf nicht falsch sein. Folglich gerät der ab Werk Verdübelte nichts ans Grübeln, da er die Risse im Gebälk seines sozioökonomischen Plattenbaus sieht. Wie uns die Erzählung des Abendlandes weismachen will, konnte die Folgen der Krise niemand sehen; sie verbarg sich auf der Rückseite der Medaille, sicherlich marktkonform, aber wer soll diesen Kausalkonnex schon kapieren. Die Schatten der Schulden erscheinen dem Subjekt wie eine primitive Götzenfigur: solange man an sie glaubt und sie fürchtet, ist sie lebendig und beherrscht alles, doch faktisch ist sie nichts als die Projektion von Allmachtsfantasien, die einer dazu bestimmten Kaste helfen sollen, den Basalkasten die Geworfenheit in der kapitalistischen Religion zu erklären. Sie haben sich ihren Gott nicht geschnitzt, sie dürfen nur daran glauben.

Denn die medialen Spulwurmaufzuchtstationen werden nie müde, uns das Schicksalhafte der ganzen Verstrickung vorzuweimern. Wie die Politik vergangener Jahrzehnte über uns hereingebrochen war, haben uns Parteiprogramme, Konzerne und Ideologien heimgesucht, für die keiner etwas gekonnt haben muss. Allenfalls die immanenten Dogmen, Austerität, Gelddrucken und noch mehr Abbau der gesellschaftlichen Strukturen, lassen sich aus der Heimsuchung zweifelsfrei ableiten, wie es der Führungstypus dieses Zeitalters erahnen lässt. Sie wissen nicht, was sie tun, halten aber sich selbst für alternativlos.

Seltsam sinnfreie Riten schwiemelt sich der durchschnittliche Depp zurecht und integriert sie in den Alltag des Volkes, wobei es egal ist, ob man zu Ehren des großen Watumba Würste in die Luft schmeißt oder jeden Tag regredierten Rübennasen lauscht, die die Börsennachrichten konzelebrieren. Die Krise dominiert den gesellschaftlichen Diskurs, sie lässt uns entscheiden, wer noch als Zweifler und wer schon als ungläubig gilt, und sie organisiert das größte säkulare Glaubensprojekt, seitdem es ein diesseitiges Heilsversprechen mit unbeschränkter Haftung gibt: die Hoffnung auf Wiederauferstehung in alter Gestalt, die Vergebung sämtlicher Sünden dank sozialisierter Buße, die Erlösung aus der ganzen Scheiße, obwohl wir sie tatkräftig verhindert haben. Halleluja. Das Dumme ist, dass die ganze Grütze danach wieder von vorne beginnen wird. Vermutlich sollten wir die Kapitalisten einfach mal ins Nirwana jagen.





Schuldenschnitt

20 03 2013

„Still, Frau Merkel. Einfach mal die Klappe halten. Ganz still. Sonst kann ich die Spitzen hier nicht schneiden. Meine Güte, können Sie nicht einfach mal nichts tun? Das fällt Ihnen doch sonst auch nicht so schwer?

Softe Wellen, Frau Merkel. Ganz soft. Kommt vorne rein und dann hinten wieder raus. Wie die Energiewende. Aber eher die gepflegte Variante. Und dann schneiden wir den Pony da vorne etwas ab, sagen wir mal: fünf Prozent, und dann sieht die Sache gleich viel besser aus. Ach, keine fünf Prozent? Hätte ich mir denken können, Frau Merkel. Hätte ich mir denken können.

Ein anderer Style. Ganz anders. Sie hätten sagen müssen: die oberen zehn Prozent bleiben nicht ungeschoren, Sie haben gesagt: aus Solidarität erlauben wir den unteren neunzig Prozent, die Schulden des obersten Promilles zu begleichen. Das rächt sich.

Wir könnten hier oben natürlich auch etwas kürzen. Sie kennen sich ja damit aus, Frau Merkel. Allerdings kürzen Sie ja nie oben, Sie schneiden ja unten ab, damit es oben schneller nachwächst. Das sieht grauenhaft aus. Das mache ich nicht, auf gar keinen Fall. Nein! Suchen Sie sich doch einen anderen Coiffeur, wenn es Ihnen nicht passt!

Also was jetzt, ab oder nicht ab? Können Sie sich langsam mal entscheiden, Frau Merkel? Wie, beides? Das geht nicht. Hören Sie mal, wir sind nicht in der Politik. Da funktioniert das vielleicht – Sie holen sich einen von diesen südeuropäischen Marionettenregierungen, der tanzt an in Berlin und erzählt Ihnen, wie toll sich das Land entwickelt, mehr als fünfzig Prozent Jugendarbeitslosigkeit, die Renten sind im Eimer und die Gehälter auch, die Wirtschaft verreckt gerade, aber sonst geht’s allen dufte, und weil sie gerade so schön am Sparen sind, dürfen sie noch mehr sparen, und weil’s ihnen damit so gut geht, dürfen sie als Belohnung unter den Rettungsschirm, den sie selbst bezahlen. Und daraus soll ich jetzt einen Haarschnitt machen. Obwohl Sie das selbst viel besser hinkriegen.

Das ist hier hinten etwas widerspenstig, Frau Merkel. Wie Ihre CDU. Schlechtes Management, manche stehen noch aufrecht. Meine Güte, ich kann es doch auch nicht ändern! Sind das meine Haare? Sie sind doch selbst verantwortlich für die Pflege! Was erwarten Sie von mir? Dass ich jeden Tag in der Bundestagsfraktion vorbeikomme und den Leuten den Kopf wasche?

Stillhalten. Ja, da ist ein Wirbel. Da muss ich jetzt ein bisschen frisieren. Sind Sie doch gewohnt, wenn der Schäuble auf Ihnen herumfrisiert, oder? Nehmen Sie’s locker, irgendwann ist er ja auch mal fertig mit dem Bundeshaushalt, da muss man sich halt an anderen Sachen abreagieren. Ach, hat er schon? Na, dann ist ja alles gut. Er hat Ihnen höchstpersönlich eine Frisur entworfen? Das ist ja interessant. Vermutlich ein Schuldenschnitt.

Sie sollten sowieso langsam mal sehen, dass Sie etwas gegen Ihr Doppelkinn unternehmen. Das kommt vom vielen Lügen, Frau Merkel. Den einen wächst die Nase, den anderen hängt das Kinn auf die Knie.

Expressive Farbverläufe gehen dies Jahr. Von Schwarz nach Rot haben Sie schon geschafft. Wir hätten da noch ein nettes Grün im Angebot. Aber bitte ohne Aufheller, Frau Merkel. Man kriegt das mit. Der Rösler hat’s probiert, und jetzt geht er gerade von Gelb nach Kackbraun. Lassen Sie das. Und nein, ich kann das nicht immer wieder überfärben, überfärben und überfärben. Irgendwann fällt’s nämlich auf. Arbeiten Sie gefälligst an Ihren Ausreden, Frau Merkel. Zwei Millionen können nur noch mit Hilfe von Armenspeisungen überleben. Die Leute haben ein Recht, einigermaßen gut belogen zu werden. Sonst werden sie vielleicht bald wütend. Ach ja, es sind zwei Millionen Deutsche, Frau Merkel. Hatte ich vergessen.

Wieso zittern Sie eigentlich, Frau Merkel? Weil Sie Bedingungen stellen? Warum eigentlich? Sie stellen Bedingungen für Zypern, um Geld aus dem Rettungsschirm zu bekommen, und Sie wissen genau: die deutschen Banken zittern mit Ihnen, weil die Kohle sofort nach Deutschland zurückfließt? Sie spielen also, genau genommen, mit den deutschen Banken, oder noch genauer: sie lassen deutsche Investoren Männchen machen? Damit die Spareinlagen, von denen Sie erzählt haben, dass sie sicher seien, nicht plötzlich ganz sicher futsch sind? Ja, da würde ich auch zittern, Frau Merkel. Da würde ich auch zittern.

Wir hatten das schon mal. Deutschland hatte sich da auch gerade mit ein paar Nachbarn wiedervereinigt, wenn Sie sich erinnern. Österreich war dabei. Es gab die, die freiwillig mitmachten, und die, denen wir es zeigen mussten, Frau Merkel. Sie haben offensichtlich kein Problem damit, den Zyprioten ihr Glück aufzuzwingen. Ihr Glück, Frau Merkel.

Ach, Sie möchten mit Ihrem neuen Schnitt auf die Titelseiten? Werden Sie, Frau Merkel. Werden Sie. Darauf können Sie sich verlassen.“





Ruhe jetzt

27 11 2012

„… zum Generalstreik in Deutschland aufgerufen habe. Der Protest gegen Inflation, Lohnkürzung und Sozialabbau solle die Bevölkerung…“

„… warne BA-Vorstand Alt deutlich vor einem Ausstand. Dieser könne über erhöhte Lohnkosten und eine dadurch verbesserte Binnenkonjunktur leicht zu Milliardengewinnen führen, die mehr Arbeitsplätze generiere, so dass die Bundesanstalt für Arbeit nicht mehr…“

„… lehne die SPD jeden Streikaufruf kategorisch ab. Zwar erkläre man sich mit den Forderungen der Streikenden weitestgehend solidarisch, könne aber keine Aktion unterstützen, die auch auf positive Resonanz seitens der Linken…“

„… habe Westerwelle die Streikabsicht als spätdemokratische Dekadenz bezeichnet. Er erwarte mehr Solidarität mit den Leistungsträgern der Gesellschaft; so habe bisher noch kein Millionär beschlossen, in den Ausstand zu…“

„… lehne die Linke jeden Streikaufruf kategorisch ab. Zwar erkläre man sich mit den Forderungen der Streikenden weitestgehend solidarisch, könne aber keine Aktion unterstützen, die auch auf positive Resonanz seitens der SPD…“

„… sich die EKD nicht an einem allgemeinen Arbeitskampf beteiligen wolle. Der Ratsvorsitzende Schneider habe zunächst beschlossen, einen Sonderweg für nicht christliche Beschäftigte zu suchen, habe dann jedoch davon abgesehen, da er damit einen Sonderweg für nicht christliche Beschäftigte hätte finden…“

„… unterstütze Rösler den Willen der Bevölkerung, sofern diese nicht durch Erwerbsarbeit von wesentlichen gesellschaftlichen Verpflichtungen…“

„… habe Schäuble die Griechen aufgerufen, weniger zu streiken und dafür mehr zu arbeiten, um durch gestiegene Lohnebenkosten die Schulden schneller zu…“

„… es als nervtötend bezeichnet habe, dass Markus Lanz zweimal wöchentlich mit einem neuen Showkonzept anrufe. Inzwischen habe er beschlossen, den Streik live im ZDF zu moderieren, was jedoch ohne Werbeeinnahmen nicht…“

„… sich die Grünen noch nicht entschieden hätten. Nach einer Urwahl wolle die Partei bekannt geben, ob sie für die Sozialdemokraten oder die Union ihre Streikpläne abzusagen bereit…“

„… keine anzustrebende Aktion für die Deutsche Bahn AG sei. Man erkläre sich zwar einverstanden mit der gesamteuropäischen Streikplanung, könne aber nicht versprechen, ob die Fahrgäste überhaupt bemerken würden, dass die Bahn mehrere Tage lang nicht pünktlich…“

„… ein legitimes Ziel für die Deutsche Bischofskonferenz, sofern dies nicht gegen die von Gott legitimierte Obrigkeit…“

„… das FDP-Bundespräsidium den Streik gutheiße. Aus naheliegenden Gründen engagierten sich die Liberalen allerdings nur für die Umsätze von Apothekern und…“

„… könne aus Rücksicht auf die Interessen der DAX-Konzerne eine Arbeitsniederlegung nicht toleriert werden. Dies stelle einen Eingriff in die Belange der deutschen Wirtschaft dar, der die Rolle als europäische Exportnation stark zu beschädigen geeignet sei; die Konsequenz sei eine harte Auseinandersetzung, die sich Angestellte und Arbeiter selbst zuzuschreiben hätten. DGB-Chef Sommer habe dies als Warnung an die…“

„… die erste Mahnwache in der Frankfurter Innenstadt aufgelöst habe. Die Proteste seien während des Auftritts von Xavier Naidoo relativ rasch beendet worden, da zahlreiche Teilnehmer über Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall…“

„… sich Steinbrück dafür ausgesprochen, den Bundestagswahlkampf bereits jetzt zu beginnen. Für Unverständnis beim linken SPD-Flügel habe jedoch gesorgt, dass der Kanzlerkandidat als Streikredner jeweils 25.000 Euro pro Auftritt…“

„… in eine existenzielle Krise gestürzt habe. So sei die deutsche Öffentlichkeit mehrere Wochen lang nicht vom Streik der Printmedien informiert worden, da Schirrmacher darauf bestanden habe, seine Aufrufe nur in der Druckausgabe der…“

„… sich nach einer Blitzumfrage 69% der Deutschen dafür ausgesprochen hätten, den Streik lieber wieder von Thomas Gottschalk…“

„… wolle ver.di dem Streik zwar zustimmen, bestehe jedoch darauf, dass sich die Angestellten der gewerkschaftseigenen Kantinenbetriebe dem Arbeitskampf nicht anschlössen, da ihnen sonst mit einer fristlosen…“

„… möge sich Gauck nicht damit beschäftigen. Nach Angabe des Bundespräsidialamtes plane das Staatsoberhaupt nach einer ausführlichen Selbstbespiegelung sowie einer mehrwöchigen Nabelschau, einem Egotrip und einer autistischen Phase, nur noch die eigenen…“

„… appelliere der DGB an die Beschäftigen in Spanien und Portugal, ihren Ansinnen Nachdruck zu verleihen, um das europäische Lohngefüge wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Gleichzeitig warne die Arbeitnehmerorganisation davon, sich außerhalb der Südländer zu…“

„… nicht grundsätzlich gegen einen Streik. Merkel rufe zu einer gemeinsamen Lösung auf, bei der alle Bürgerinnen und Bürger als Bürgerinnen und Bürger streiken dürften, solange die Arbeit dadurch nicht vernachlässigt…“





Billiger Jakob

25 07 2012

„Ist er eigentlich schon auf diesen Occupy-Demos gesichtet worden?“ „Nicht, dass ich wüsste.“ „Und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass sich Sigmar Gabriel um eine rasche Heiligsprechung bemüht?“ „Mir ist nichts bekannt.“ „Warum will er ausgerechnet jetzt die Banken regulieren?“ „Will er ja gar nicht.“ „Aber er ist doch der Ansicht, dass das jetzt schleunigst zu geschehen habe.“ „Also erstens ist das Wahlkampf – oder wird vielleicht mal welcher, wenn sie ihn lassen.“ „Und zweitens?“ „Zweitens hat er die Forderung erhoben. In der SPD bedeutet das regelmäßig, dass eine Sache in der Ecke liegt, bis man vor Schimmel nichts mehr sieht.“

„Finden Sie Ihre eigene Argumentation nicht ein bisschen sehr populistisch?“ „So populistisch wie Gabriel?“ „Was wollen Sie, er bemüht sich jetzt um eine praktische Umsetzung.“ „Da braucht’s dann ja nicht auch noch theoretische Kenntnisse. Übrigens habe ich diese Art der Entschlossenheit vermisst, als die Kohle für spanische Banken vom Bundestag bewilligt wurde. Die praktische Umsetzung seiner jetzigen Einsichten wäre da durchaus nicht verkehrt gewesen.“

„Im Grunde hat Gabriel doch Recht.“ „Das schon.“ „Man muss doch die Finanzbranche und die Versicherungen jetzt an die Kette legen.“ „Sehe ich auch so.“ „Und für Aufsicht sorgen, am besten auf internationaler Ebene.“ „Vollkommen richtig.“ „Sehr begeistert scheinen Sie nicht zu sein.“ „Wer hat denn diese neoliberale Geisterfahrt begonnen?“ „Aber er hat den Banken unanständige Gehälter vorgeworfen!“ „Ach, wie edelmütig. Zahlen denn diese Banken in der Chefetage nicht mehr als drei Euro fünfzig die Stunde?“ „Wie kommen Sie auf drei Euro fünfzig?“ „Weil das die unanständigen Gehälter sind, die das Land gerade schädigen.“

„Ist es nicht putzig, wenn ausgerechnet der Schubladenminister Schäuble ihm vorwirft, dass er die Bankenregulierung an der Verfassung vorbei in die Grütze geritten hat?“ „Durchaus berechtigt, finde ich. Als Innenminister war Schäuble ja für die Verfassung zuständig, meistens sogar dafür, dass sie ausgehebelt werden konnte.“ „Und das mit der Deregulierung?“ „Das war Sache der SPD, das ist auch richtig. Wenn das die SPD nicht gemacht hätte, würde Schäuble seinen Schattenhaushalt nie so gut hinbekommen haben.“ „Was versteht denn Schäuble eigentlich vom Bankwesen?“ „Nicht so besonders viel. Aber er erkennt Exzesse und Fehlverhalten, auch wenn sie für ihn zum normalen Geschäft zu gehören scheinen.“

„Warum hat eigentlich die SPD dem Rettungsschirm so begeistert zugestimmt? und dem Fiskalpakt?“ „Beim ESM könnte es sein, dass sie nicht so genau wussten, worum es dabei im Grunde ging. Beim Fiskalpakt bin ich mir aber nicht so sicher.“ „Das heißt, sie stimmen einer Maßnahme zu, deren Tragweite sie nicht überblicken?“ „Das war jetzt nur auf den ESM bezogen.“ „Und sie hebeln bei vollem Bewusstsein das Parlament aus?“ „Ich sagte doch, das gilt nur für den ESM!“ „Und sie beschließen, den Banken noch mehr Steuergeld ohne jede Gegenleistung in den Rachen zu schmeißen, damit die weiterzocken können? Ohne auch nur einen Gedanken an die Regulierung der Finanzbranche zu verschwenden?“ „Das verstehen Sie nicht. Es handelt sich um Wachstumsimpulse.“ „Der deutsche Arbeitnehmer hat doch gar nichts davon, mal ganz abgesehen von den deutschen Steuerzahlern.“ „Aber die Guthaben der finanziellen Oberschicht wachsen ein kleines bisschen schneller als erwartet. Meinen Sie nicht, wir sollten alle etwas mehr Dankbarkeit zeigen, wenn es Deutschland mit sozialdemokratischer Hilfe besser geht?“

„Warum macht er das?“ „Schauen Sie mal auf den Kalender.“ „25. Juli?“ „Billiger Jakob. Alles muss raus.“ „Dabei verschachert man doch als Sozialdemokrat sonst immer nur seine Ideale.“ „In Krisenzeiten muss man eben auch ins Schaufenster legen, was man gerade gar nicht auf Lager hat.“

„Als nächstes werden Sie mir sicher erklären, dass das alles ein abgekartetes Spiel ist, damit sich Merkel in ihrer dritten Amtszeit endgültig den Hals bricht.“ „Sagen Sie das ja nicht weiter!“ „Wie, das ist eine…“ „Erzählen Sie das niemandem – sonst werden Sie erschossen.“ „Also bitte, Sie reden ja nur…“ „Ich kann Ihnen nicht mehr verraten, aber die Liberalen sind längst umzingelt.“ „Was soll denn das heißen?“ „Der Seeheimer Kreis spaltet sich ab.“ „Dann wäre die SPD ja am Ende wieder sozialdemokratisch.“ „Es kommt noch besser – sie fusionieren mit der FDP!“ „Das kann doch nicht gut gehen, Merkel würde doch sofort eine Koalition mit denen… – Halt mal, das ist ja genial!“ „Eben. Einen plappernden Milchbubi als Vizekanzler kann man in Kauf nehmen, wenn man selbst nicht viel zu bieten hat. Aber eine solche Ansammlung an Knalltüten? Mutti wird ihrem Namen alle Ehre machen, die erste Sozialdemokratin in der CDU zu sein.“

„Man muss sich nur fragen, was eigentlich die Banken von Gabriels Verhalten denken sollen?“ „Sie meinen, ob der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands am Lachkrampf verstirbt? Die werden es gelassen hinnehmen.“ „Weil sie wissen, dass Gabriel sowieso nicht der nächste Kanzler wird?“ „Einmal das, und abgesehen davon, dass er sicher nicht Finanzminister in der nächsten Regierung sein wird, ist das für sie ein Signal, dass die SPD auf friedliche Koexistenz aus ist.“ „Weil sie gar nicht erst eine Kanzlerschaft anstrebt?“ „Weil sie im Wahlkampf bereits derart überzogene Forderungen aufstellen, dass es den Wählern klar ist, wenn gar nichts davon übrig bleibt.“

„Wäre es dann nicht ehrlicher gewesen, Gabriel hätte es mit einem Mea culpa begonnen?“ „Warum das denn?“ „Wer hat denn die Finanzmärkte bis zum Anschlag dereguliert und sich dafür auch noch von den Banken lobpreisen lassen? Wer hat den Sozialstaat in seine Bestandteile zerlegt? Wer hat jahrelang das beschleunigte Auseinanderklaffen der Volkswirtschaften in Europa nach Kräften gefördert und den Bürgern erzählt, das sei alles gar nicht so schlimm, solange es noch zwanzig Prozent Rendite auf Hedgefonds gibt und einträgliche Wetten gegen den Euro?“ „Was erwarten Sie denn von dem Mann – der kann doch nicht so einfach die Hosen herunterlassen?“ „Ich verlange einfach, dass dieser Fettsack glaubwürdig ist!“ „Ausgeschlossen.“ „Weil er sonst in der nächsten großen Koalition nichts zu melden hat?“ „Quatsch.“ „Stimmt ja, er kommt auch aus Hannover.“ „Ach was, denken Sie doch mal nach.“ „Ich komme nicht darauf.“ „Glaubwürdigkeit – Sie sind doch nicht mehr ganz bei Trost.“ „Warum denn nicht? Für einen richtigen Kanzler?“ „Der Mann ist Sozialdemokrat!“





Pest oder Cholera

18 07 2012

„Eine Zwangsanleihe? Für Reiche!? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst!“ „Warum nicht? Irgendwie muss man die Krise doch in den Griff bekommen.“ „Aber doch nicht so! Das grenzt ja an Stalinismus!“ „Da die Idee in der Ost-CDU so gut aufgenommen wird, will ich Ihnen nicht widersprechen.“

„Also jetzt mal im Ernst, das ist nur Wahlkampf, oder?“ „Meinen Sie? Damit würde sich jedenfalls die deutsche Einnahmenseite erheblich verbessern.“ „Schäuble sagt, dass das gar nicht nötig sei.“ „Er bezieht das vermutlich auf die Steuerhinterziehung bei seinen Parteifreunden.“ „Aber das geht doch wieder nur zu Lasten der Mittelschicht.“ „Weil man als Mittelschichtfamilie so gut wie immer über eine halbe Million Euro Kapital verfügt?“ „Nein, aber…“ „Ah, ich verstehe. Weil diejenigen, die in diesem Land noch so unvorsichtig sein, Steuern zu bezahlen, aus der Mittelschicht kommen.“ „Hören Sie mir doch mal zu – weil in Deutschland fast alles von der Mittelschicht getragen wird, um den Staat zu finanzieren!“ „Und das hat diese Regierung je zuvor gestört? Das wäre mir neu.“ „Man kann das doch nicht immer alles von der Mittelschicht nehmen! Das ist doch nicht gerecht!“ „Natürlich nicht. Was würden Sie vorschlagen, dass wir nur Arbeitslose und Niedriglöhner heranziehen, wenn sie mehr als 250.000 Euro pro Person auf der hohen Kante haben?“

„Es wären acht Prozent der Bevölkerung betroffen. Das geht doch nicht!“ „Sie haben völlig Recht. Man sollte das eine reichste Prozent einfach enteignen, aber das Geld ist vermutlich auch irgendwann aufgebraucht.“ „Quatsch, man müsste diese Zwangsanleihe viel breiter streuen.“ „Ich verstehe. Sie finden so eine Zwangsanleihe für Reiche auch okay, solange sie von den Armen bezahlt wird.“ „Das ist doch wieder nur reiner Populismus!“ „Wie wäre es, wenn wir dieses Modell auf Europa ausweiten?“ „Wie geht das denn? Sollen jetzt die Spanier und die Griechen ihre Vermögen zwangsweise hergeben, um den deutschen Staatshaushalt zu unterstützen?“ „Aber nein. Nur die deutschen Banken.“

„Wenn Sie Geld abschöpfen von den Reichen, dann sind das doch nichts anderes als eine neue Schuldenfinanzierung.“ „Seit wann stört das eine konservative Regierung?“ „Und wäre das nicht sinnlos, wenn Deutschland alleine so ein Instrument einführte, ohne die anderen Eurostaaten?“ „Seit wann hat diese Kanzlerin etwas gegen Alleingänge in der EU?“

„Am Ende werden diese Gelder doch wieder nur dazu verwendet, um die Wirtschaft bei Laune zu halten.“ „Wer hat Ihnen denn den Floh ins Ohr gesetzt?“ „Wenn die riechen, dass wieder genug in der Kasse ist, halten die schon von ganz alleine die Hand auf.“ „Ich dachte, Lobbyisten bezahlen?“ „Wenn Sie Energie erzeugen oder Hedgefonds, sind sie ohne Subventionen nicht überlebensfähig.“ „Dann sollten wir vielleicht doch Kürzungen im Sozialbereich durchsetzen. Oder bei der Bildung.“ „Wieso gerade da?“ „Weil es da die Reichen nicht so merken.“

„Wir müssen allerdings auch Ausnahmen zulassen.“ „Ausnahmen? Sie meinen sicherlich Härtefälle, wo man mit 200.000 Euro Ehrensold knapp unterhalb des Existenzminimums dahinvegetiert?“ „Blödsinn – eine fest definierte Untergrenze sollte eingezogen werden. Sonst wird die Bemessungsgrenze kontinuierlich abgesenkt, dann blutet die Mittelschicht irgendwann wirklich aus.“ „Sie haben vielleicht eine Fantasie! Meinen Sie nicht, durch freundschaftliche Kontakte der Politik ins Lage der Vermögenden würde man die Grenze eher kontinuierlich anheben?“ „Dann hätte der Staat doch gar nichts mehr davon.“ „Immerhin könnten wir dann vielleicht endlich mal wieder über Steuersenkungen reden. Das letzte Mal ist ja auch schon wieder Jahre her.“ „Sie nehmen die Sache wohl nicht besonders ernst?“ „Wie stellen Sie sich das denn vor? dass da ein Oberfinanzdirektor mit der Flinte aus dem Gebüsch hüpft und ‚Geld oder Leben!‘ kreischt?“ „Was macht das denn für einen Unterschied?“

„Wissen Sie, ich halte das für eine gute Idee, um die Linke auszuschalten.“ „Aber die würde doch sofort zustimmen, wenn die Zwangsanleihe käme.“ „Die würde aber auch sofort zustimmen, wenn die Regierung die Vermögenssteuer einführen würde, die sie die ganze Zeit fordern.“ „Weil das eine Idee der Linken war?“ „Nein, aus Genugtuung, dass die SPD mal wieder unter lautstarkem Protest der Merkel die Mehrheit rettet, obwohl sie die Sache für komplett falsch und gefährlich einstuft.“ „Das ließe ja zumindest darauf hoffen, dass wir den Mindestlohn noch erleben.“ „Na, so weit wollen wir noch nicht gehen – erstmal schauen wir zu, wie die Regierung den Reichen die Wahl zwischen Pest und Cholera lässt.“ „Vermögenssteuer und Anleihe, richtig?“ „Genau. Und raten Sie mal, wie die sich entscheiden werden.“ „Für eine Zwangsanleihe auf jeden Fall schon mal nicht.“ „Wieso nicht? Wir hatten doch sogar schon Kapitaleigner, die ihr Geld zum negativen Zinssatz dem deutschen Staat überlassen haben. Warum soll das nicht auch hier funktionieren?“ „Weil eine Steuer verlässlicher ist…“ „Witzbold!“ „… und auch wieder gesenkt werden kann, wenn die FDP…“ „Sonst geht es Ihnen aber gut?“ „Wie wollen Sie denn sonst die Reichen dazu bringen, ihre Kohle einfach herzugeben? Das machen die doch nie!“ „Sicher doch.“ „Sicher?“ „Sie kennen das doch von der Börse: Ihr Geld ist nicht weg, das hat jetzt nur jemand anders.“





Egoland

28 06 2012

„Das hatte ich jetzt richtig verstanden? Solange sie lebt?“ „Womit es wieder einmal bewiesen wäre: diese Kanzlerin fährt auf Sicht.“

„Scheinbar ist die Guteste im Fußballfieber?“ „Weil sie sich selbst Mut macht, nachdem sie endlich begriffen hat, dass sie nach der nächsten Niederlage raus ist?“ „An sich meinte ich nur diese Affinität zu Eigentoren.“ „Versuchen wir es lieber mit dem klassischen Autofahrergleichnis. Das ist die einzige Metapher, die der Deutsche akzeptiert.“ „Danach wird sie dem Gegenverkehr aus Prinzip nicht ausweichen.“ „Wie sich das eben für eine Geisterfahrerin gehört.“

„Merkel widerspricht sich selbst doch selbst.“ „Das wäre noch zu hinterfragen, vor allem vom Ende aus gesehen – entscheidend ist ja, was hinten rauskommt.“ „Nach einer Laufzeitverlängerung um jeden Preis, der Beibehaltung der Wehrpflicht und der Weigerung, auch nur einen Cent an Griechenland zu zahlen, könnte man die Haltung der Bundeskanzlerin als dialektisch erfolgsorientiert ansehen.“ „Und dann wäre ein Einknicken in der Frage der Schuldenverteilung anständig.“ „Der Punkt ist, dass sie ihr Versagen nicht einmal mit machtpolitischen Phrase verkaufen kann.“ „Glaube ich nicht. Der Punkt wird sein, dass sie das Versagen der Regierung nicht wird wegmoderieren können.“ „Weil sie sich zu oft geirrt hat?“ „Weil sie es keinem Minister in die Schuhe schieben kann.“

„Warum macht man so eine Erklärung?“ „Als kleinen, sympathischen Aussetzer?“ „Sie meinen so wie damals, als sie sich ganz christlich über die völkerrechtswidrige Ermordung von bin Laden freute?“ „Wäre denkbar. Allerdings muss man dabei beachten, dass die Kanzlerin von Wirtschafts- und Finanzpolitik spricht.“ „Angie gegen den Rest der Welt?“ „Verkehrs- und Sozial- und Kultur- und Innenpolitik ist doch für die FDJlerin dasselbe: Machterhalt.“ „Sie war für das bisschen Vakuum, das Sarkozy hinterlassen hat, offensichtlich nicht schnell genug.“ „Und Hollande scheint zu wissen, was gespielt wird. Der Luftraum für weitere Eskalationen wird langsam knapp.“ „Ich begreife es trotzdem nicht: sie lügt entweder mit dem Rücken an der Wand oder sie hat längst jede Bodenhaftung verloren und lebt ihre Wolkenkuckucksträume im Egoland aus, wo man sich die Wirklichkeit aus kleinen Klötzchen zurechtbastelt.“ „Sie passt sich dem Niveau ihres Koalitionspartners an.“ „Es scheint der Masterplan der Kanzlerin zu sein, dass sie eine nicht demokratisch legitimierte Finanzjury als Ersatzregierung installieren will und kurz zuvor noch verkündet, gegen die Ziele der Zentralisten angehen zu wollen. Ein Besoffener, der seine Schuhe nach dem Mond schmeißt, um das Licht auszuknipsen, könnte nicht glaubwürdiger sein.“ „Sie müssen das mit dem christlichen Dualismus immer im Hinterkopf behalten. Merkel weiß zwar, dass sie die Axt an die Demokratie legt, aber sie macht ihre Bedenken vorher noch transparent.“ „Dann ist es das neoliberale Erfolgsmodell: wenn alle sich im Rahmen der unabänderlichen Möglichkeiten um Konkurrenzfähigkeit auf den demokratiekonformen Märkten bemühen, dann werden nach der Theorie am Ende auch alle Sieger im Wettbewerb, weil alle Exportweltmeister sind und bei allen anderen Guthaben besitzen, so dass es überhaupt keine Schulden gibt.“ „Sie rauchen das Zeug von Westerwelle, oder?“

„Keinem ist es aufgefallen: diese Kanzlerin warnt vor Scheinlösungen und Augenwischerei.“ „Lustig, dann hat sie zur Kenntnis genommen, dass die Euro-Krise nichts ist als eine Refinanzierung von Spekulationsverlusten? Welches Kasino würde einem, der sich an der Roulette um Kopf und Kragen spielt und von der Bank den Einsatz erpressen will, freundlicherweise die Kohle wieder in die Hand drücken? Nebst Zinsen?“ „Sie hat in ihrem moralischen Eifer sicher Bonds mit Boni verwechselt.“ „Den Unterschied hat ihr Ackermann erklärt?“ „Das ist die Logik aus dem Kinderland der bunten Klötzchen: wenn Merkel rechtzeitig einen Schuldigen für die Insolvenz der Bundesrepublik benannt hat, dann sind die anderen Verursacher aus dem Schneider.“ „Da werden sich die Zocker aber mal freuen, dass ihre Handpuppe so viel Macht demonstriert hat.“ „Das sieht schließlich nach Verantwortungsbewusstsein aus und verdient tiefen Respekt.“ „Irrtum ausgeschlossen?“ „So sicher, wie die Mauer in hundert Jahren noch steht.“

„War das eine etwas verfrühte Eröffnung des Wahlkampfes?“ „Bestimmt nicht. Dazu hätte sie ja wissen müssen, wovon sie spricht.“ „Im Leben nicht!“ „Eben. Und vielleicht identifiziert sie sich auch inzwischen so sehr mit dem Euro, dass Sie dessen Exitus für sich selbst in Anspruch nimmt.“ „Sie wird uns sicher nicht verlassen, ohne uns an den größten Geheimnissen teilhaben zu lassen.“ „Als da wären?“ „Wie man durch Sparen die Wirtschaft ankurbelt. Und wie Exportwirtschaft ohne Kapitaltransfer funktioniert. Der Nobelpreis dürfte ihr sicher sein.“

„Meinen Sie, irgendjemand würde noch einmal mit Nachsicht über diese Kanzlerin urteilen?“ „Nur über ihre Leiche.“





Bolschewiki

3 11 2011

„So viel verdienen Sie? Mehr nicht?“ Der Sekretär musste an sich halten, um nicht hämisch zu grinsen. Aber genau das hatte ich erwartet. Nach Abzug der Steuern blieben mir im Monat gerade die Miete für den Stutzflügel, einige Kisten Wein und ein Paar Socken. „Sie sind ja nicht alleine damit“, tröstete er mich. „Und deshalb sind Sie hier auch richtig. Wir brauchen Leute wie Sie, wenn wir erfolgreich sein wollen. Wir brauchen Ihre Schicht, wenn wir diese Gesellschaft ändern wollen.“

Etwas irritierte mich daran, diese Worte zu hören, hier im teuer, geradezu üppig ausgestatteten Büro eines Parteisekretärs. „Nein“, korrigierte er, „wir sind ja gar keine Partei! Wenigstens nicht das, was Sie bisher als Partei angesehen haben. Wir sind eine neue soziale Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die herrschenden Verhältnisse zu bekämpfen, bevor uns die Herrschenden den Kampf ansagen.“ „Ich verstehe“, antwortete ich, „weshalb haben Sie es dann Schicht genannt, nicht Klasse?“ Er klappte meinen Aufnahmeantrag zu und musterte mich eindringlich. „Wir sind Mittelschicht, nicht Mittelklasse. Der Unterschied dürfte Ihnen sicher einleuchten.“ „Darum nennen Sie sich Bolschewiki und hoffen, dass keiner den Zusammenhang sieht?“

Der Sekretär hatte das Antragsformular mit aller Sorgfalt geknifft und gestempelt. „Eine Gesellschaft ist nur überlebensfähig, wenn sie von der Mehrheit getragen wird. Und wenn ich Mehrheit sage, dann meine ich damit die Stützen dieser Gesellschaft, die sich auch ideell an ihr beteiligen.“ Er legte den Locher millimetergenau an, zögerte aber noch, den Hebel zu drücken. „Ich nehme an, Sie meinen damit die vorbehaltlose Unterstützung einer gerade herrschenden Staatsdoktrin? Das wird Ihnen nicht viel nützen; solche Lehren sind unbeweglich und ändern sich dementsprechend langsam.“ Mit einem Ruck lochte er das Papier, so heftig, dass er sich selbst am meisten darüber erschrak. „Das mag ja stimmen, aber bedenken Sie, dass wir kurz vor dem Ende der herrschenden Verhältnisse stehen – wenn sich alles über Nacht ändert, dann möchte ich den sehen, der nicht im Schwung der Revolution alles umstürzt, was eh nicht mehr zu halten sein wird.“

Die kostbaren Teppiche, die Tapeten, die schweren Samtportieren standen im Widerspruch zu dem proletarisch schlichten Sekretär, wie er in Hemdsärmeln vor mir saß und mit der Geduld eines Elefanten die herausgestanzten Konfettikreise auf dem Schreibtisch auffegte und einzeln in den vergoldeten Papierkorb balancierte – es hatte etwas Ärmliches an sich, wie er dort saß, als hätte man ihn in eine fremde Rolle hineingezwängt, die er ganz gegen seine Überzeugung spielte. „Die Menschewiken haben den Fehler begangen, immer schon den Fehler begangen, auf Reformen zu setzen. Dabei kam es meistens zu einem tragischen Irrtum: sie haben sich für die neue Sache eingesetzt, sind auf die Straße gegangen und fanden sich plötzlich im Kugelhagel der Polizei wieder. Man kann Reformen nicht erzwingen, denn sie sind eine Maßnahme von oben, und die Volksaufstände kamen von wo?“ „Von unten“, sagte ich. Er nickte. „Von unten. Wir werden also von oben angreifen und eine Änderung des Systems erzwingen, wenn die Krise ihren Höhepunkt erreicht haben wird.“ Ich lächelte. „Wenn Sie vorhaben, das System aus sich selbst heraus zu ändern, warum führen Sie dann im Fall einer Machtübernahme nicht einfach Reformen durch? nämlich die, für die das Volk bereits jetzt demonstriert?“ Er runzelte die Stirn. „Sie sind ja doch einer von diesen Unterschichtlern!“

Da griff ich einfach zu dem bereits gestempelten und gelochten Papier, bevor der Sekretär es in seine Mappe einheften konnte. Der Antrag lag einen Augenblick lang zwischen meinen Fingern, ehe ich ihn ruckartig wieder auf den Schreibtisch schleuderte. Scharf musterte ich ihn. „Woher kommt Ihre Abneigung gegen die Unterschicht? und was versprechen Sie sich davon? “Wir sind keine Unterschichtler“, antwortete er trotzig, „wenigstens nicht im klassischen Sinne. Wir sind, der Name deutet es bereits an, eine Bewegung neuen Typs.“ Noch hatte er den Antrag nicht wieder an sich genommen. „Sie sehen es an sich selbst, das Problem ist die beginnende Unterschicht. Man korrigiert seine Selbstwahrnehmung nach oben, da diese Gesellschaft auf einem gefährlichen Trugschluss beruht: wenn man Minderheiten nur stark genug diskriminiert, wird man nie selbst einer angehören.“ „Sie meinen also, dass sich die Armen wider besseres Wissen zur Mittelschicht rechnen, ist eine Bedrohung?“ „Nicht generell“, wehrte er ab, „nicht im allgemeinen Sinn – der Alltagsrassismus macht es natürlich notwendig, dass man sich selbst nicht als bedürftig zu erkennen gibt. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Nicht in einer sozialen Bewegung, die doch mehrheitsfähig sein muss.“ Ich nahm ihm den Antrag wieder aus der Hand. „Das müssen Sie mir aber erklären.“ Er seufzte. „Die Schwachen sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, sie können sich keine Busfahrkarte leisten, um zu den Demonstrationen zu reisen, und sie haben auch nicht die Zeit und die Mittel, um sich zu organisieren. Bis auf die Wenigen, die sich zur Mittelschicht rechnen. Die sind das Problem.“ Schon wollte ich das Formular entzweireißen, doch er fiel mit instinktiv in den Arm. „Sie müssen das verstehen“, sagte er fast flehentlich, „wir können uns das nicht leisten! Schauen Sie in die Historie, jeder gesellschaftliche Umbruch ist doch noch immer aus der Mittelschicht gekommen – was wird uns erwarten, wenn wir es diesmal nicht selbst schaffen?“





Und alle Fragen offen

22 08 2011

„Deshalb gleich zu Anfang unsere wichtigste Frage: Wie kommen wir aus der Krise?“ „Ja, das ist richtig und das muss man auch so sagen, wir haben das immer schon, und da können wir auch als die Partei, die sich von Anfang an ausgesprochen hat für eine stärkere und vor allem, dass wir jetzt endlich auch Maßnahmen ergreifen, die man dann aber auch umsetzen muss, denn es hilft ja nicht, dass man dann immer nur darüber redet, man muss dann endlich jetzt auch mal etwas ganz konkret, so wie wir das auf unserem letzten Parteitag im Juni beschlossen haben.“ „Ja, aber wie kommen wir aus der Krise?“

„Schauen Sie, wir können jetzt ja nicht so an die Märkte herangehen und sagen: ‚Wir gehen an die Märkte heran‘, und dann haben wir letztlich nichts erreicht, weil das eine internationale, und auch die Fiskalpolitik, Steuern und auch die gemeinsamen Finanzen in der Eurozone, wobei das ja noch gar nicht raus ist, ob wir hier eine Einigung erzielen, die die Märkte dann, wenn wir das – ich betone: wenn wir überhaupt ohne nochmaligen, ohne einen Rettungsschirm, der zum jetzigen Zeitpunkt natürlich auch vollkommen undenkbar, und da möchte ich dann noch mal die Kanzlerin zitieren, dass wir da so schnell wie möglich zu einer gemeinsamen Lösung finden werden, die wir auch als internationale Partner, hier in Europa und dann auch in der gemeinsamen Eurozone.“ „Und wie kommen wir dann aus der Krise?“ „Wir können jetzt zwei Wege einschlagen. Der eine Weg, das ist auch der, den die Kanzlerin, und die Koalition sieht ja im Moment so aus, dass das wieder nicht klappt, also werden wir noch ein paar Wochen länger warten, bis wir eindeutige Ergebnisse, die dann auch zehn bis maximal fünfzehn Milliarden mehr kosten, weil dadurch die Märkte leichter wieder Vertrauen fassen, dass wir es diesmal, und das hoffe ich sehr, dass wir es, diesmal wenigstens, auch ernst meinen, und diese fünfzig, maximal sind es dann vierhundert Milliarden Euro, die müssen dann auch reichen, weil wir ja sehen, dass wir das ohne eine entschlossene Regierung gar nicht können.“ „Gut, und wie kommen wir aus der Krise?“ „Weil wir als eins der Länder in der Eurozone, die auch mit dem Binnenkonsum, auch mit der Staatsquote und einem Anteil von, das sind aktuelle Zahlen, ungefähr genau, maximal bis zu mindestens 6.000 Punkte, und wir müssen auch sehen, dass wir die Märkte, die ja selbst abhängig sind von den Rohstoffen, vom Parketthandel an internationalen und teilweise sind es ja auch Handelsplätze außerhalb von Deutschland und London, und da müssen wir dann sehen, ob die Reaktion bei Offshore-Investments überhaupt etwas bringen, sonst ist das für uns keine Lösung, weil wir damit auch keinen deutschen Sonderweg riskieren.“

„Wie werden wir aus der Krise kommen?“ „Ich weiß nicht, was die Kanzlerin und Herr Sarkozy da im Einzelnen verabredet haben, damit diese Titel so schnell abstürzen, aber es war ja auch ein Schritt in die richtige Richtung, weil wir jetzt sehen, dass wir ohne eine vorgefertigte Lösung für die Probleme, die sich aus einem weiteren Rettungsschirm, den wir von Anfang an nicht ohne eine Einigung mit den EU-Ländern, mit den Partnern in der Eurozone, aber auch mit der EZB und den Kreditgebern, weil wir die Zinsen da nicht bestimmen, dazu müssten sich die Märkte bewegen, und es sieht im Moment nicht aus, als würde hier nur eine internationale, von allen angestrebte Lösung, die auch die Partner in der Eurozone, und auch die EU-Ländern, aber das wird sich letztlich zwischen Herrn Sarkozy und der Kanzlerin abzeichnen.“ „Wie kommen wir aus der Krise?“ „Lassen Sie mich da einen Aspekt ganz bewusst hervorheben, den seit der Kreditklemme der deutschen Banken, und das betrifft ja auch unsere eigene Finanzpolitik, die Zinspolitik, Basel III, weil auch der Stresstest nicht immer so, wie wir uns das gewünscht hätten, wenn die Anleger hier das Sagen hätten, aber das können wir nicht mit der Politik regeln, das sind Eingriffe in Regulierungen, die die Märkte dann so regulieren, dass wir wieder in eine Krise kommen, weil wir die Regulierung, für die die Anleger ja den Staat, der hier mit Recht eine Schutzfunktion, die wir brauchen.“ „Konkret: Wie kommen wir aus der Krise?“ „Wie gesagt, das sind die Aufgaben, die jetzt anstehen, für die Koalition, aber auch die Kanzlerin muss jetzt Farbe bekennen – und das auch in der Eurozone, in den bilateralen, in den trilateralen und in multilateral-internationalen Gesprächen innerhalb der EU und Europa, was die gemeinsame Haushaltspolitik mit sich bringen wird.“ „Wie kommen wir aus der Krise?“ „Dazu brauchen wir drei Dinge, erstens das Vertrauen der Märkte, die uns mit täglich neuen Hiobsbotschaften versorgen, dass wir im Moment auch eine leichte Rezession haben, solange der Aufschwung noch anhält, und zweitens, weil wir die Sache schnell entscheiden müssen.“ „Wie kommen wir aus der Krise?“ „Indem wir das nicht überstürzen, sondern uns auf dem kommenden EU-Gipfel mit allen internationalen Partnern in der EU, aber auch die Eurozone, soweit wir eine Union nicht als Transferunion, die sie faktisch ist, für eine effektive Stärkung, die dem Nullwachstum etwas entgegensetzen könnte.“ „Und wie kommen wir aus der Krise?“ „Mit diesen Mechanismen im Gepäck dürfen wir nicht weiter warten, die Kanzlerin als Regierungschefin muss jetzt handeln, und es gibt hier, und die Koalition weiß das, und sie müsste es auch wissen, nur eine Frage: Wie kommen wir aus der Krise?“ „Vielen Dank für das Gespräch.“ „Bitte, keine Ursache.“





Spiel die Krise

13 07 2011

Die Wand leuchtete plötzlich grell auf – rote, gelbe, grüne Quadrate blinkten wild durcheinander, eine Fanfare trötete, und die bekannte Stimme schrie aus dem Lautsprecher: „Risiko!“ Siebels knipste die Effekte aus und lehnte sich in seinem Regiestuhl zurück. „Etwas altbacken“, kritisierte er. „Gut, es hat einen gewissen Touch von Seriosität, für die älteren Zuschauer bestimmt auch einen hohen Wiedererkennungswert, aber ob sich das durchsetzt in der heutigen Fernsehlandschaft? Seien wir doch mal realistisch – es ist einfach zu gut.“

Purrwinkel schaltete die Blinklichter ab. „Wir müssten wenigstens eine Art Falltürsystem haben“, forderte er. „Falltürsystem?“ Ich begriff nicht, worum es sich handelte; er erklärte es mir. „Sie haben verschiedene Risikostufen, Zufälle, eine Art von Unwägbarkeit, die komplett außerhalb Ihrer eigenen Deutungsmuster steht.“ „Sie meinen“, grübelte ich, „man gibt nur richtige Antworten und verliert trotzdem?“ Purrwinkel nickte begeistert. „Genau das ist damit gemeint! Es ist lebensnah und wirklich gut für dies Thema geeignet.“ „Siebels“, fragte ich den Fernsehmacher, „was haben Sie sich denn da wieder ausgedacht? Eine politische Show? Ein Quiz um den Sozialstaat mit eingebautem Verfassungsbruch?“ Doch der alte TV-Hase winkte ab. „Viel einfacher. Die Euro-Krise als Quiz.“

Inzwischen hatte Purrwinkel eine Reihe bunter Kärtchen an diverse Flipcharts geklebt. „Der Titel ist entscheidend“, verkündete er. „Der Titel wird unter anderem darüber entscheiden, wer sich diese Quizshow ansehen wird.“ „Zunächst mal sollte man darüber nachdenken, wer denn das Ding moderiert und wer als Kandidat daran teilnimmt“, befand ich. Doch Siebels winkte ab. „Unerheblich. Wenn wir einigermaßen realistisch vorgehen, brauchen wir keinen Moderator – sehen Sie bei der Krise einen der Verantwortlichen, der es für nötig hielte, seinen Kopf hinzuhalten?“ Ich schwieg betroffen. Siebels nickte, sichtlich zufrieden. „Mit den Kandidaten machen wir es uns einfach, das heißt, der Sender zahlt genau das, was er immer zu zahlen bereit ist, wenn er keinen Sponsor findet: nichts.“ „Also mit Laiendarstellern?“ „Richtig“, bestätigte Siebels. „Wir nehmen die ganz besonders dummen. Die aus dem Bundestag.“

„Sie wollen ernsthaft eine Quizshow mit Bundestagsabgeordneten machen?“ „Wo findet man mehr Vollidioten auf einem Haufen“, gab der Fernsehproduzent ungerührt zurück. „Diese Leute beschäftigen sich den ganzen Tag lang mit sich selbst, sie haben weder ein Interesse an den politischen noch an den wirtschaftlichen Zusammenhängen der Finanzkrise – größtenteils sind sie bereits mit damit überfordert, wie der Euro funktioniert, da darf man sie nicht auch noch mit intellektuellen Spitzenleistungen quälen.“ „Aber das machen doch die Leute auf der Straße nicht viel besser“, insistierte ich. „Mag sein“, grinste Siebels. „Aber die kommen selten in die Verlegenheit, einen Rettungsschirm durchs Parlament zu winken.“

„Wir hätten einmal PENG und einmal BÄM“, brachte sich Purrwinkel in Erinnerung. „Und dann wäre da auch noch Futsch – die Euro-Show.“ Siebels rieb nachdenklich sein Kinn. „Was sagen Sie dazu?“ „Es klingt alles ein bisschen sehr billig“, sagte ich. Er nickte. „Richtig, das wäre schon mal ein Argument dafür. Arbeiten Sie weiter in dieser Richtung!“

Purrwinkel reichte mir einen Helm. „Setzen Sie mal auf“, ermunterte er mich. „Drückt er? Macht nichts, er dürfte den meisten Kandidaten nicht passen. Und dann bitte hier auf dem Drehsessel Platz zu nehmen.“ Ich setzte mich in das wackelige, ausrangierte Sitzmöbel. „Die Sprechgarnitur ist angeschaltet, wir können mit dem Probedurchlauf beginnen. Und – Action!“ Schon begann die Wand wieder in allen Farben zu blinken. „Wählen Sie eine Frage“, rief Siebels herüber. „Sie haben das Schema aus – oh, zu spät.“ Da rauschte das System herunter, Purrwinkel klappte ein Notebook auf und stellte es auf den Klapptisch neben mich. „Wir müssen ein wenig improvisieren, tut mir Leid. Aber dafür sieht es ja auch lebensecht aus.“ „Ich nehme Faule Griechen 60.“ Purrwinkel fummelte am Klapprechner herum und las die Frage vor. „Wer hat mehr Urlaubstage, die Deutschen oder doch die Griechen?“ „Entschuldigen Sie mal“, protestierte ich. „Das ist eindeutig suggestiv, so kann man nicht fragen!“ „Stimmt“, bestätigte Siebels. „Sie kennen ja die Vorgaben des Senders.“ „Dafür kennt der Sender die Antwort nicht“, feixte Purrwinkel. „Die nächste Frage, bitte!“ „Spanische Faulpelze“, las ich, „Spaghettis – Moment mal, Froschfresser?“ Siebels steckte sich eine neue Zigarette an. „Wir wissen nicht genau, wann die Pilotsendung ausgestrahlt wird“, erklärte er. „Kann gut sein, dass dann der europäische Wirtschaftsmotor auch schon bis zum Hals in der Pleite steckt.“ „Gut, dann nehme ich Froschfresser 80!“ Die Wand blubberte auf vor lauter Farbenrausch, und da war auch schon die vertraute Stimme aus dem Lautsprecher: „Risiko! Risiko!“ Siebels schob die Brille auf die Nase und las die Frage vor: „Wem schiebt der EU-Rettungsschirm die ganze Kohle in den Rachen?“ „Den Banken“, echote ich. Die Wand schien rein zu implodieren. Die Fanfaren schäumten fast über. „Gewonnen“, verkündete Purrwinkel strahlend. „Gewonnen!“ „Gewonnen? Was denn?“ „Sechs Monate“, warf Siebels trocken ein. „Aufschub. Sechs Monate. Dann geht die ganze Scheiße wieder von vorne los. Vergessen Sie nicht, die Sache ist lebensecht.“