„Und wenn die Pflegekraft, die mit dem Lastenrad fünf Kilometer bei Glatteis bis zum nächsten Bus fahren müsste, um ihre defekte Waschmaschine zur Nachtschicht mitzunehmen, den Dienstwagen nicht auch privat nutzen dürfte, um ihre neunzigjährige Mutter in der übernächsten Kreisstadt rechtzeitig aus dem Bett zu holen, dann finden Sie das okay?
Wir können das Dienstwagenprivileg nicht so einfach abschaffen, das würde erhebliche Folgen für Autoindustrie und Gebrauchtwagenmarkt nach sich ziehen. Natürlich ist das ein erheblicher Vorteil für die betreffenden Mitarbeiter, so war das ja auch gedacht. Stellen Sie sich mal vor, man würde denen einfach so die Gehälter erhöhen – damit würden die Steuern ansteigen, und manche würden sich gar kein eigenes Auto mehr kaufen, wir haben total überfüllte Busse, und die, die sich ein eigenes Auto kaufen wollen, finden nur noch normale Modelle auf dem Markt. Also da können wir schon mal gar nichts sparen, für die Kindergrundsicherung müssen Sie sich schon etwas anderes ausdenken.
Pendlerpauschale geht auch nicht, da holt man als Geringverdiener ja kaum etwas raus. Ist ja auch logisch, wenn man nicht so viel von der Steuer absetzen kann, deshalb hatten wir die ursprünglich nur für die oberen Gehaltsklassen gedacht. Wobei die anderen davon trotzdem profitieren, also müssten wir sie eigentlich für die Geringverdiener als erstes abschaffen, weil sie da gar nichts nützt. Sie müssen nicht immer denken, unsere Politik sei unsozial. Wir tun halt auch etwas für Reiche.
Diese zwanzig Milliarden sparen wir doch nicht ein, weil uns das Spaß macht. Es ist nur halt klar, dass das solidarisch geschehen muss, das heißt, die Einsparung muss auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Und da es nun mal viel mehr Arme als Reiche gibt, müssen wir das eben proportional so verteilen, dass sich die Ärmeren mehr beteiligen. Das ist nun mal soziale Marktwirtschaft, die nur mit dem angepassten Steuersystem funktionieren kann, oder wollen Sie jetzt eine Vermögenssteuer durch die Hintertür einführen? Das werden wir auf keinen Fall dulden, weil das Anstachelung zum Rassenhass gegen eine Bevölkerungsgruppe ist, mit anderen Worten: Rassismus gegen Reiche. Sie brauchen gar nicht so zu gucken, wir meinen das ernst. Oder ist ihnen nicht etwa nicht bewusst, dass die einseitige Besteuerung von Vermögen ausschließlich die betrifft, die überhaupt Vermögen besitzen? Und das geht schnell los, Sie müssen bloß zur Mittelschicht gehören, kleines Häuschen, Privatflugzeug, schon steht bei Ihnen nachts die Steuerfahndung vor der Tür und will Ihre Kontoauszüge sehen. Wollen Sie das wirklich, dass wir wieder eine nationalsoziale Marktwirtschaft kriegen?
Das ist überhaupt nicht übertrieben, Sie können viel schneller davon betroffen sein, als Sie denken. Noch ist es ja so, dass Vermögen geringer besteuert wird als Arbeit, aber das hat auch seinen Grund: ein Vermögen machen Sie nur einmal im Leben, durch Erben, Verkauf von Erbe, Gütergemeinschaft mit einem Erben, viel mehr Chancen lässt Ihnen diese brutale, kapitalistische Konkurrenzgesellschaft ja nicht. Arbeiten können Sie ständig, ein Leben lang, und wenn Sie von dem, was Sie verdienen, immer ein bisschen zur Seite legen, sind Sie am Ende des Lebens sehr wohlhabend. Oder Ihre Bank, kommt immer darauf an, was Sie mit der Kohle machen. Und deshalb sollten Sie sich genau überlegen, ob Sie einen radikalen Systemwechsel wirklich wollen, weil Sie sonst mit Ihrer Arbeit so reich werden, dass Ihnen am Ende die Steuer das gesamte angesparte Vermögen wieder auffrisst. Finden Sie das gerecht?
Deshalb müssen wir trotz höherer Einnahmen auch die schlimmsten Löcher im Haushalt stopfen, bevor wir die Zukunft aufs Spiel setzen mit dem Wachstumspaket für die Wirtschaft, nein: bevor wir mit der Zukunft des Wachstumspakets die… – Also wir brauchen in Zukunft ein Wachstumspaket, das die Wirtschaft entlastet, weil die ja nicht bestraft werden darf, dass sie in dieser Krise so extrem hohe Gewinne macht. Das ist so, als würden Sie ein paar Millionen erben, und die Steuer nimmt Ihnen alles sofort wieder weg, weil Sie dafür nicht gearbeitet haben. Die Wirtschaft? die hat auch nicht für die Gewinne gearbeitet, zumindest nicht mehr als vorher. Aber für die Krise konnten die Konzerne nichts, man muss konjunkturell schlechte Zeiten eben ausnutzen, damit man in besseren Zeiten mit Lohnsenkungen und Massenentlassungen sein Vermögen konsolidieren kann. Ungefähr so hat der Finanzminister das verstanden, deshalb will er das auch im Bundeshaushalt umsetzen.
Wir brauchen ja jede Menge Geld, denken Sie beispielsweise an neue Atomkraftwerke, wenn das mit der Windkraft nicht klappen sollte, weil sich die Bayern querstellen. Oder Autobahnen. Wenn wir Vermögenden schon die Pendlerpauschale bezahlen und Benzin subventionieren, müssen die doch auch irgendwo fahren können. Sonst würde eine solche Investition überhaupt nichts bringen, und das will doch keiner. Einfach nur immer mehr Geld an die arbeitende Bevölkerung ausschütten, das bringt auf Dauer nichts, weil dann ja die Vermögenssteuer droht, aber das wussten Sie ja schon.
Wir schlagen vor, wir machen das jetzt mal mit der Umverteilung, wie Sie die vorschlagen haben, aber eben in der gewohnten Richtung. Von unten nach oben. Das gibt den Armen viel mehr Anreize, auch zu den Vermögenden gehören zu wollen, und dann wenn Sie unbedingt Verzicht predigen, können Sie ja mal mit gutem Beispiel vorangehen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss jede Menge Lottoscheine ausfüllen.“
Satzspiegel