„Wie sieht das denn hier wieder aus! Herrgott, man kann nicht mal auf Dienstreise gehen, das ist ja wie Dresden 1945! wobei, da hat sich keiner hingestellt und gefordert, gleich die ganze Stadt abzureißen. Nur hier im Bundesnachrichtendienst meinen wieder alle, sie müssten das mit dem Aufräumen übertreiben.
Was ist denn das da für ein Haufen? sind das da die Telekommunikationsdaten, die wir überprüfen lassen wollen sollten? Wieso liegen die da immer noch herum? Was ist denn das da unten? Wie, ein Telefonbuch – ja, das sehe ich selbst, aber warum haben Sie das Telefonbuch da unten in die Kiste gepackt? Da finden wir es doch nie mehr wieder, dann schimpft die Datenschutzbeauftragte wieder, weil wir nicht mehr wissen, wo wir abgehört haben, und dann steht in der Zeitung: schwerwiegende Gesetzesverstöße wegen Selektorenlisten. Passen Sie doch auf, wo Sie das hinlegen, am Ende schmeißt das einer weg, dann haben wir gar kein Telefonbuch mehr, und dann hängen die uns noch Vertuschungsabsichten an!
Und Sie haben die unbeteiligten Personen nicht abgeheftet. Nein, nicht die Personen, die Kontakte zu den Personen, wobei, das waren Personen, die wir nicht hätten abhören dürfen, aber die anderen, also die Personen, die wir dann, Sie wissen schon – Sie hatten keine Aktendeckel mehr? Na bitte, das muss sogar ein Gericht akzeptieren, dass wir da gar keine andere Wahl hatten. Gut, wir hätten natürlich auf das Abhören nicht beteiligter Bürger verzichten können, aber was hätten wir dann mit den ganzen Aktendeckeln gemacht? Wir hatten ja welche, so ist es nicht, aber wo soll man die einlagern? Sie sehen ja selbst, hier sieht’s aus wie bei Schindlers unterm Sofa.
Und das ist der Korb mit den Papieren, die wir gar nicht haben? Den hatte ich mir immer viel kleiner vorgestellt. Drei? Wieso drei Körbe? ach so, ja. Und die beiden anderen haben sich gar nicht mehr wieder angefunden? Wie praktisch! Also wie gehen Sie jetzt vor? Alles kopieren, klar. Und dann aber sorgfältig vernichten, das Zeug nimmt ja doch recht viel Platz weg. Solange die aus unseren nicht rechtskonform abgelaufenen Beobachtungen gewonnenen Erkenntnisse bei uns im Haus bleiben, kann ich da keine Gefahr sehen. Wir müssen das ja nicht gerichtlich verwerten.
Nein, das hatten Sie falsch verstanden. Wir haben den Neubau ja angelegt, weil wir viel zu viel Papier haben. Nicht, damit wir noch mehr zu viel Papier haben können. Wozu wir das brauchen? Wir müssen uns doch mit irgendwas beschäftigen. Wenn wir alle unser Gehalt nur bekämen, weil den lieben langen Tag gar nichts täten, das wäre doch auch nicht in Ordnung. Wie wollen Sie denn das dem Steuerzahler erklären? Ja, da gucken Sie!
Sicher kann man das Zeug noch irgendwie hausintern nutzen. Wenn die Kollegen von der NSA zu Besuch kommen, kann man denen wenigstens etwas anbieten. Gut, hier ist momentan nicht so viel Platz, aber die brauchen nur kurz vorbeizuschauen, dann gucken sie, ob sie gerade etwas gebrauchen können, und wir müssen uns um nichts kümmern. Das bleibt ja quasi in der Familie. Natürlich kann man das alles noch ein bisschen professioneller machen, das geht immer, aber wir sind schließlich ein Geheimdienst. Da muss etwas Tarnung sein.
Sonst könnte hier der Untersuchungsausschuss einfach so reinmarschieren und die – und das sagen Sie erst jetzt!? Ich weigere mich bald, dieses Haus zu verlassen, wenn hier immer alles drunter und drüber geht! Sie können doch hier nicht einen ganzen Untersuchungsausschuss durch den BND marschieren lassen, Menschenskind! die haben hier nichts zu suchen! Doch, haben sie eben doch, und genau das ist ja das Problem! Wenn die einfach so in die Listen gucken, das kann katastrophale Folgen nach sich ziehen! Sie haben ihnen die beiden Stapel am Eingang gezeigt? Die mit dem ganzen Altpapier dazwischen? Na, das ist ja gerade noch mal gut gegangen! Ich sag’s Ihnen, man kann einfach nicht vorsichtig genug sein!
So, und jetzt brauche ich erstmal einen schönen starken Kaffee mit Milch und – was haben Sie denn mit meinem Schreibtisch gemacht!? Der ist ja total leer! Wie, Putzfrauen? Die EDV-Abteilung? Was macht denn die EDV hier an meinem Schreibtisch? Das waren alles Papiere, die maximal 90 Tage aufgehoben werden dürfen, und die wurden bereits nach, lassen Sie mal nachrechnen: also noch keine zwei Jahre waren die alt. Kann man die Streifen nicht wieder zusammensetzen? Müllverbrennung? Natürlich weiß ich, dass man aus der Abwärme Strom gewinnen kann, aber womit sollen wir denn jetzt arbeiten? Ich kann mich doch jetzt nicht an den Schreibtisch setzen und warten, dass irgendwas passiert? und vor allem, seit wann gehen Sie in meiner Abwesenheit an meinen Schreibtisch? Sie haben ja sogar die Schublade – nee, die klemmt nur, blinder Alarm, aber was ist das denn? Ja, das lag da. Ich habe das da jedenfalls nicht reingelegt. Ein Grundgesetz? Ist das überhaupt legal?“
Satzspiegel