Corriger la Fortune

16 11 2010

„Dreiunddreißig, die Nummer dreiunddreißig bitte!“ Wie die Stimme des Losbudenverkäufers schnarrte Klöppwitz in sein Mikrofon. Ein verschüchterter älterer Mann mit Schirmmütze und schütterem Schnäuzer meldete sich. „Hier“, stotterte er, „bitte sehr, die Nummer da, hier.“ Klöppwitz sah kurz auf die Losliste und hakte sie ab. „Dann haben wir hier einmal die Stufe drei mit Verlängerung. Herr Schrettler?“ Der Alte schluckte aufgeregt. „Bitte, ja. Schrettler, bitte sehr, hier.“

Doch der Amtmann schien gar nicht mehr zu hören, er war in Fahrt und schnurrte mit Schmiss in der Stimme den Verwaltungsakt herunter. „Ergeht folgender Beschluss: die monatlichen Einkünfte belaufen sich auf sechshunderttausend Euro netto, zuzüglich Jahresprämie in Höhe von zweieinhalb Millionen Euro, für die Dauer von drei Jahren, keine Überprüfung in der Zwischenzeit, sofortiger Vollzug. Gegen diese Entscheidung kann Widerspruch…“ „Sechsmal Tausend, ich meine, Hundert, das ist doch, bitte!“ Schrettler keuchte. „Sie müssen sich irren, Herr!“ Aufgeregt wedelte er den Kontrollzettel durch die Luft. „Sie müssen doch wissen, ich war Karosseriebauer, hier…“ Er senkte die Stimme und den Blick. „Gekündigt nach dreißig Jahren.“ Klöppwitz lachte. „Jetzt trinken Sie erst mal einen Schnaps auf den Schreck, und dann bringen Sie Ihrer Frau einen Blumenstrauß mit, ja?“

Ich fuhr mit dem Bleistift die Liste entlang. „Die Gerechtigkeit meint es manchmal gut mit den Leuten, nicht wahr?“ Klöppwitz nickte. „Das ist auch der Sinn der Sache: soziale Gerechtigkeit muss gerecht sein und nicht nur die Gesellschaft als abstrakten Apparat stützen.“ Er zog eine Rolle Pfefferminz aus der Schreibtischschublade. Ich nickte ihm zum Dank zu und nahm ein Bonbon. „Aber Sie werden sehen, dass es nicht immer so leicht geht.“ Klöppwitz setzte eine ernste Miene auf und griff zum Mikrofon. „Vierunddreißig, bitte!“

Der fettige Mann in dem leicht angestoßenen Nadelstreif löste körperlichen Ekel aus, wie er so breitbeinig an den Tresen trabte. „Schobert, Stufe vier.“ „Jetzt sieh zu“, pfiff der Arrogante ihn an. „Ich verplempere hier nicht die Zeit mit einem kleinen, kündbaren Weichei!“ „Siebzehntausend Euro im Monat, dazu elftausend an Beteiligungen, Kapital beläuft sich auf…“ „Das weiß ich ja wohl besser, Du Nachteule!“ Schobert schnappte den Zettel und stob ohne einen Gruß heraus. Klöppwitz blickte mich an. Er musste tief durchatmen.

„Wir hatten das ja anders geplant“, erzählte er in der Pause. „Eigentlich sollte es nur für mehr Transparenz sorgen: jeder Steuerzahler sollte wissen, wohn seine hart erarbeitete Kohle geht. Bis jetzt wird Ihnen die Kohle einfach abgenommen, und dann dürfen Sie sich freuen, wenn Politiker irgendwelche Bahnhöfe verbuddeln wollen oder Atomsuppe quer durch Deutschland rollen lassen. Das kippt in eine Umverteilungsmaschinerie. Sie wissen gar nicht, was damit getan wird.“ „Diese Formulare habe ich in Erinnerung.“ Tatsächlich war mit das Braungrau immer als besonders üble Farbe erschienen. „Nur hätte man den angekündigten zweiten Schritt der Transparenz tun sollen: die Bürger fragen, ob sie mit dieser oder jener Ausgabe auch einverstanden sind.“

„Sechshundert Euro, dazu die anteiligen Kosten an der Kaltmiete. Ihre Tochter hat sich noch nicht gemeldet, Frau Diehler. Sie wissen, dass Sie als einzelne Personen an der Lotterie teilnehmen und nicht als Bedarfsgemeinschaft?“ Die Frau nickte stumm, faltete den Zettel und griff nach ihrem Einkaufsbeutel. „Es ist diese Lethargie“, seufzte Klöppwitz. „Sie können mit den Leuten machen, was Sie wollen, die mucken nicht einmal mehr auf, wenn Sie ihnen alles nehmen, was ihnen zusteht, und sie dann rausschmeißen. Ein ganzes Volk duckt sich weg. Und nur auf denen trampelt man herum, die sich nicht mehr wehren können.“ „Es ist die alte Taktik, das Volk zu teilen, um es zu beherrschen.“ Er wiegte den Kopf. „Mag sein, mag nicht sein. Aber haben Sie schon einmal auf die Reaktionen geachtet und bemerkt, was man den Ärmsten in dieser Gesellschaft vorwirft? Einkommen ohne jede Bereitschaft zur Arbeit, keine erkennbare Neigung, das System durch Eigeninitiative zu verändern, Abkoppelung aus den Sicherungsmechanismen wie Sozialversicherung oder Krankenversicherung. Die Mittelschicht lässt sich leicht zu dieser Haltung bringen, das erfordert nicht besonders viel. Aber wissen Sie, was das heißt? Sie unterstellen den Armen alles, was sie auch der selbst ernannten Elite ankreiden. Sie lassen ihren Zorn auf die Täter an den Opfern aus. Eine Neiddebatte, die man mit den Herrschenden nie zu führen wagte.“ Wieder griff ich zu den Pfefferminzdrops. „Das mag sein. Aber was führt Sie zu diesem Schluss?“ „Noch im Angesicht dieser Bundesbehörde sind die Reichen von der Gier gesteuert“, versetzte Klöppwitz. „Wir sorgen auch dafür, dass diejenigen, die bisher die Armen als Schmarotzer und Parasiten bezeichnet haben, in kürzester Zeit kuriert waren. Wir haben die jeweilige Arbeit von der Entlohnung entkoppelt. Ein guter Schritt in Richtung Grundeinkommen. Und so stellen wir fest: manchen geht es um die Arbeit – manchen geht es ums Geld.“

„Sie müssen diesem Ekelpaket siebzehntausend Euro auszahlen“, sagte ich gedankenverloren und glitt weiter die Liste hinab. Klöppwitz grinste. „Zwei Wochen, danach pfänden wir sein Vermögen und hetzen ihm die Steuerfahndung auf den Hals, und dann kriegt er fünf Jahre Hartz IV mit Ein-Euro-Jobs. Vergessen Sie nicht, der Mann war mal Investmentbanker.“





Den Abgehobenen

27 02 2010

für Johann Wolfgang von Goethe

Wer hoch zu Ross das Volk durchreitet,
der klagt wohl übers Schlechte.
Wer absteigt, da er besser schreitet,
erblickt auch das Gerechte.

Da ihm die Welt gering erscheint,
so führt der Große Klagen.
Sie ist nicht böse, wie er meint,
sie hat ihr Los zu tragen.





Der Prozess

23 02 2010

„Das werden Sie noch bitter bereuen! Meine Anwälte werden Sie fertig machen, das schwöre ich Ihnen! Sie werden sich noch umgucken!“ Ein unartikulierter Schrei ließ mich zusammenzucken. Die Tür flog auf. Stadtbaurat Klarwasser taumelte auf den Flur, die Hand vor das Gesicht gepresst. „Kommen Sie bitte“, erscholl die bekannte Stimme aus dem Amtszimmer. Ich trat ein.

„Ein Stück Kandis oder zwei?“ Blume goss Tee in die Tassen. Er lächelte verkniffen. „Nicht, dass man uns noch spätrömische Dekadenz vorwirft.“ Der bullige Mann mit dem kahlen Schädel knetete die Finger. „Gehen Sie nur“, ermunterte der Beamte ihn, „machen Sie eine halbe Stunde Pause. Sie sind ja schon den ganzen Tag im Einsatz.“ Der Boxer stand schwerfällig auf und schlurfte zur Tür. „Herr Kagalin übernimmt bei uns die unzufriedenen Kunden. Sie verstehen?“ „Man sagte mir“, gab ich zurück, „dass Ihre Klienten oft nicht einverstanden seien.“ Er lächelte wieder. „Ja, so kann man das auch ausdrücken. So auch.“

Die Zustände hatten ein Einlenken erforderlich gemacht. Immer neue Datensätze waren auf der Bildfläche erschienen, die Steuerzahler waren kaum mehr nachgekommen – da hatte der Gesetzgeber plötzlich beschlossen, dass auch eine Selbstanzeige nicht vor empfindlicher Strafe schützen dürfe. „Die Regierungsparteien haben nicht schnell genug reagiert“, erinnerte sich Blume, „und stereotyp eine Strafverschärfung beschlossen – und den Rest musste dann das Verfassungsgericht erledigen.“ „Wie immer eigentlich“, bestätigte ich. „Dann kam die Regelung, dass die Straftäter zum Bezug von Transferleistungen verurteilt würden.“ „Wir hatten auf einmal sehr viel zu tun.“ Blume schilderte die Entwicklung durchaus lebhaft. „Besonders, dass auf einmal die Bankangestellten kleine Boni erhielten, wenn sie Steuerhinterzieher gemeldet haben. Das brachte uns natürlich jede Menge neuer Fälle.“

Drüben gab es einigen Lärm. Holz splitterte. Ein unterdrückter Schrei. „Das war unser Kollege. Da sitzt mal wieder der Doktor Göllesheimer aus der Finanzberatung Göllesheimer Hunneberg Lücksen. Ein unangenehmer Zeitgenosse, sage ich Ihnen.“ Die Tür öffnete sich. Der Athlet steckte fast schamhaft den Kopf herein. „Juri Wassiljewitsch macht Nase kaputt“, grunzte der grobschlächtige Mann. „Gut, gut!“ Blume blätterte in einer Akte. „Dann schicken Sie ihn nach unten und vergessen Sie ihn im Wartebereich.“

„Sie haben sich wohl auf Verfolgungsbetreuung spezialisiert?“ „Nicht ganz“, wehrte Blume ab. „Einen Großteil unserer Maßnahmen bestreiten wir mit einer perfektionierten vertreibenden Hilfe.“ Darunter konnte ich mir nun so gar nichts vorstellen. „Denken Sie sich einen Kandidaten wie den Doktor Göllesheimer: vollkommen weltfremd, kann nicht einmal einen Überweisungsträger ohne fremde Hilfe ausfüllen, und der soll nun für ein kompliziertes Antragsformular innerhalb eines Tages einen Stapel Unterlagen beibringen. Kann er natürlich nicht, schafft er auch gar nicht, weil die meisten dieser Unterlagen für die Ausfertigung mehrere Wochen benötigen. Er muss nun also jeden Tag hier ankommen, sich in die Warteschlange stellen, dann hat er ungefähr eine halbe Stunde, um einen Tag Fristverlängerung zu erbetteln, das macht er täglich – sechs, acht Wochen lang. Ist er fertig, stecke ich das ganze Konvolut vor seinen Augen in den Reißwolf und teile ihm mit, dass ich alle diese Unterlagen bis zum folgenden Tag wieder auf dem Tisch liegen haben will. Dreimal hintereinander, und der Mann ist durch.“ Ich schüttelte mich. „Wissen Sie, woran ich denke?“ Blume lächelte wieder sein harmloses Lächeln. „Kafka? Ja, durchaus. Das ist auch Sinn der Sache. Damit die Delinquenten begreifen, worauf sie sich einlassen, besser: einzulassen haben. Da ihnen ja keine andere Wahl bleibt. Wir reden hier nicht über einen absoluten Strafzweck, negative Spezialprävention, es soll wehtun. Sie werden ins Getriebe geworfen, sie wissen, dass sie absolut nichts tun können, um dem Gesetz zu genügen, aber: sie müssen es weiter versuchen. Wir nehmen unseren Opfern vorher auch noch die geringsten Dinge, sie sollen ja auf dem Stand sein, wie ihn ein Almosenempfänger erlebt. Sie haben nichts mehr, und sie wissen, dass es hier ums nackte Überleben geht.“

Er hatte immer noch das hintergründige Lächeln im Gesicht. Mich fror. Wieder und wieder blätterte er in der Akte hin und her, als fände er eine Antwort zwischen zwei Seiten. „Sie werden plötzlich in die Mühlen der Verwaltung geschmissen. Man sagt ihnen, sie seien verurteilt – allerdings nicht, was der Sinn des Urteils sei. Sie sind zwar noch auf freiem Fuß, aber sie müssen unsinnigen, sinnlosen, vor allem: völlig beliebigen Repressalien gehorchen. An einem bestimmten Wochentag lässt man sie ein Papier aus einem weit entfernten Amt holen und in einer anderen Dienststelle abstempeln, obwohl das alles auch hier in jedem Schreibtisch liegt. Am Ende geht es nicht anders, dann zahlt man ihnen die Miete und gibt ihnen ein bisschen Geld, damit sie nicht verhungern – sie sind inzwischen schwer magenleidend, es gibt keinen Grund mehr für sie, anständig zu essen – aber dann sind sie schon nicht mehr dieselben. Sie sind gebrochen. Wir brechen sie.“ Ich stellte die Tasse ab. „Damit sie beschädigt sind? traumatisiert und entwürdigt?“ Blume klappte den Aktendeckel zu. „Damit sie merken, dass das System mehr Macht hat – und nicht sie die Macht über das System.“ Er goss Tee nach. Und lächelte.





Homo homini lupus

20 02 2010

Der Mensch ist gut. Wenn man von sich ausginge,
wie viel an Gutem, Edlem wär zu finden
im Anderen. Es hülfe zu verbinden,
was Bild und Ideal im Sinn der Dinge.

Und doch, man glaubt nicht. Was auch zu ihm dringe,
will er nicht hören. Er gleicht einem Blinden,
der, um sich vom Gewissen zu entbinden,
den Kopf des Andern legte in die Schlinge.

Der Mensch hält sich für gut. Nur sich alleine.
Er glaubt nur einem: seinem Heilgenscheine.
Die Mitwelt hält er doch für ein Verbrechen.

Und wäre er so gut, wie er sich meine,
so hätte er die Größe, freizusprechen,
was er verdammt in Angst, Schuld, Scham und Schwächen.





Vertrauen gegen Vertrauen

5 03 2009

Zwei Pfandbons. Nur 1,30 Euro hatten die ganze Öffentlichkeit in Aufruhr versetzt. Dass so was von so was käme, sagten die einen. Die anderen sagten das auch, meinten es aber ein bisschen anders.

Die nationale Vertrauenskrise drohte. Denn uneingeschränktes Vertrauen sei einer Supermarkt-Kette nicht mehr zuzumuten, wenn der Verdacht bestünde, dass es sich bei der Verdächtigung um einen Verdacht handelte; dies sah das Gericht als erwiesen an, und um mehr ginge es auch nicht, ließ es verlauten. Eine strafrechtliche Würdigung wäre ohnedies nicht zu erwarten, da der Streitwert zu vernachlässigen sei angesichts des 30-jährigen Arbeitsverhältnisses.

So begann die öffentliche Debatte zunächst auch durchaus moderat in justizinternen Kreisen. Nach einem Essay, den Franz Josef Wagner, das moralische Gewissen der Bundesrepublik, publiziert hatte, wurde allerdings die Frage laut, ob dies einen im Rechtsdenken nicht erlaubten Analogieschluss darstelle. Die Juristen verwahrten sich: die Formel Wer lügt, stiehlt auch sei in keiner Sache zum Tragen gekommen. Im Gegenteil sei erwiesen, dass, wer zwar nicht gelogen habe, doch verdächtig sei, des Stehlens verdächtigt werden zu können.

Der neue Straftatbestand wurde demnach als Vertrauensbruch bezeichnet. Nach allgemeiner Lehre war der Versuch dann gegeben, wenn die Vornahme des Vertrauensbruchs unmittelbar einseitig angesetzt wurde. Einen Aspekt der Strafrechtslehre beleuchtete der international bekannte Jurist Franz Josef Wagner mit seiner Arbeit über die moralische Würdigung des Betruges. Sie sei nicht gegeben, gleich doppelt nicht, wenn ein Betrug gar nicht nachgewiesen werden könne.

Keine drei Tage später schwoll die Diskussion an. Der Auslöser waren Ermittlungen gegen zahlreiche Banken, darunter auch Landesbanken, deren Management vorgeworfen wurde, Gelder veruntreut zu haben. Ein zähes Ringen begann. Der verhältnismäßig hohe Streitwert ließ strafrechtliche Schritte erwarten – arbeitsrechtliche Konsequenzen stellte die Rechtsprechung ins Ermessen der Bankvorstände, denen aus bisher nicht geklärten Umständen Beweisstücke für einen Verdacht wegen Vertrauensbruchs abhanden kamen. Ein weiterer Schritt zu Ordnung und Frieden im gesunden Rechtsempfinden war damit unternommen.

Natürlich waren die linkspopulistischen Kräfte nicht zufrieden und strengten eine Untersuchung der Tatumstände an. Der Streitwert, der immerhin der gesamten Weltbevölkerung gehöre, auf mehrere zukünftige Generationen hochgerechnet, sei doch eher gering, urteilte die Justiz. Der international bekannte Wirtschaftswissenschaftler Franz Josef Wagner kommentierte dies als ethisch vertretbare Lösung. Immerhin, so Wagner, sei Besitzwahrung kein Privileg der Privatwirtschaft; auch die unter staatlicher Kontrolle stehenden Banken besäßen das Recht, die Fehler des Kapitalismus zu begehen.

Ein launiges Intermezzo lieferten sich Peer Steinbrück und die Linke. Die Beschuldigung gegen den Bundesfinanzminister lautete, dieser habe weite Teile des Etats veruntreut und durch unvorhergesehene Kreditaufnahmen das Vertrauen missbraucht. Noch am selben Tag sprang die Kanzlerin ihrem Minister in die Seite, indem sie ihm vor aller Welt das Vertrauen entzog – da ein nunmehr nicht mehr vorhandenes Vertrauen auch nicht gebrochen werden konnte, war Steinbrück aus dem Schneider. Die Koalition rieb sich die Hände. Und verfuhr weiter wie bisher.

Doch auch vom rechten Rand kam Kritik. Das Geld sei nicht Eigentum der Banken, sondern Volksvermögen. Die Expertenkommission arbeitete den Fall noch einmal durch und befand, dies sei vor dem Emmely-Präzedenzfall eine klare und verlässliche Aussage. Da auch die Pfandbons nicht der Kassiererin gehört hatten – und nicht einmal dem Einzelhandelskonzern selbst, sondern dem unbekannten Pfandgeldeigner – könne man hier die strafrechtliche Verfolgung ausschließen.

Die Wogen glätteten sich, als feststand, dass den Bankmanagern eine Nähe zur Gewerkschaft nicht nachgewiesen werden konnte. Keiner von ihnen hatte einem Betriebsrat angehört. Zur Beruhigung bezahlten die Bankhäuser sie mehr und mehr mit Pfandboni.

Der international bekannte Ontologe Franz Josef Wagner unterstrich in seinem Vortrag, den er anlässlich der Gründung der von Tengelmann ins Leben gerufenen Stiftung für Menschenrechte hielt, die Unterschiede von Pfandbons und Bankkrediten. Als materielles Gut sei ein Bon nicht mehr in der Zuhandenheit, das Geld aber mitnichten weg. Es sei nur umverteilt worden. Schlüssiger hatte bislang kein international bekannter Paläobiologe Heidegger erleuchtet. Sogar Klaus Zumwinkel bekannte, sein Vertrauen in die rechte Hälfte des Staates sei nun wiederhergestellt.

Allein die Zweifel blieben in Kaiser’s neuen Kleidern hängen. Man zögerte. Vor allem von Umverteilung sprach man nicht gern. Einen sozialistischen Anstrich wollte man sich nur ungern geben. Der international bekannte Fußballexperte rehabilitierte sich angesichts eines Urteils, das einen arbeitslosen Schwarzfahrer mit einer empfindlichen Strafe belegte. Dies sei kein Sonderfall, so der international bekannte Kirchenhistoriker, sondern nur eine juristische Fußnote; dennoch sei ein Beförderungserschleicher kräftig anzupacken – wer auf Volkes Kosten Omnibus fahre, schädige im Gegensatz zu den Banken die Allgemeinheit und könne gar nicht genug Härte zu spüren bekommen. Der Vertrauensverlust war überwunden. Unbedingte Ehrlichkeit hatte einmal mehr gesiegt über die moralischen Konstruktionen einer Öffentlichkeit, die sich nur auf Kontrolle verlassen wollte.

Wäre da nicht der Bon über acht Cent gewesen, den Wagner im Flaschenrückgabeautomaten gefunden und in die Tasche gesteckt hatte. Das Überwachungsvideo dokumentierte es lückenlos. Der Vertrauensbruch ließ sich nicht mehr kitten, denn es blieb nicht bei einem Versuch – von der Kasse weg wurde der international bekannte Menschenrechtsaktivist abgeführt.

Noch schwelt der Rechtsstreit. Der Staatsanwalt forderte bereits, das Opfer in die Schlagzeilen zu bringen. Lebenslänglich. Auf Bewährung.