„Sofort eine Million neuer Arbeitsplätze? und dreißig Prozent Mehrwertsteuer?“ „Eben.“ „Das ist doch, entschuldigen Sie mal, das ist doch der größte Blödsinn, den je ein…“ „Ihnen kann das doch völlig egal sein, wir fordern es doch nicht von den Deutschen.“ „Aber von Griechenland, und da macht das doch erst recht keinen Sinn.“ „Deshalb fordern wir es ja.“
„Wie soll man denn eine Million Arbeitsplätze aus dem Boden stampfen?“ „Das ist mir doch egal.“ „Sie fordern also, obwohl Sie überhaupt nicht wissen, wie das realistisch umzusetzen wäre?“ „Das ist schließlich nicht unsere Aufgabe. Wir stellen nur die Forderungen, und die Griechen sind bisher immer so ein kreatives Volk gewesen, die können sich mal überlegen, wie sie mit den deutschen Forderungen zurechtkommen.“ „Und wenn die es gar nicht schaffen?“ „Das dürfte ein Problem sein, zum Glück nicht meins.“ „Sie sind ja komplett wahnsinnig.“ „Ja, warum?“ „Weil ich langsam den Eindruck bekommen, dass Ihr Wahnsinn Methode hat.“ „Nicht ganz, er ist die Methode selbst. Wahnsinn ist unsere Methode.“
„Ein methodisches Vorgehen auf der Basis von Wahnsinn?“ „Was stört Sie daran? Dass es nicht funktioniert?“ „Im Gegenteil, es funktioniert seit Jahren.“ „Dann verstehe ich nicht, warum Sie so aufgebracht sind.“ „Es ist absolut unvernünftig, sich in einer solche Situation so zu verhalten!“ „Ach was, das kommt Ihnen nur so vor. Wir gehen dabei äußerst planvoll vor und ziehen alle möglichen Konsequenzen in Erwägung.“ „Das müssen Sie mir erklären.“ „Ein kleines Kind im Supermarkt will Bonbons, es will sie unbedingt. Was wird es tun?“ „Schreien?“ „Schreien, sich auf den Boden werfen, die Gurkengläser aus den Regalen fegen. Warum?“ „Weil es dann die Bonbons kriegt?“ „Falsch. Die sind ja bloß ein Etappenziel. Wir arbeiten jedoch an einer längerfristigen Strategie und wollen uns ihren immerwährenden Erfolg sichern.“ „Also immer Bonbons?“ „Und jedes Stofftier, Eis, länger Aufbleiben, ins Schwimmbad, und so weiter, und so fort.“ „Dann bedarf es doch nicht unbedingt solcher extremen Aktionen wie die im Supermarkt.“ „Doch. Sie ist der Grundstein unserer Strategie. Wissen Sie, warum das Kind sich auf den Boden wirft und die Gurkengläser zerdeppert?“ „Weil es seinen Willen unbedingt durchsetzen will, ohne Rücksicht auf Verluste?“ „Wieder falsch. Weil es nicht verantwortlich ist.“
„Sie sind gar nicht verantwortlich, wenn Sie von den Griechen die Kürzung ihres Militärbudgets verlangen, gleichzeitig aber darauf bestehen, dass die deutschen U-Boote, die keiner braucht, weiter gekauft und bezahlt werden?“ „Natürlich nicht. Der Vorschlag ist, entschuldigen Sie, der größte…“ „Ich weiß. Wer so etwas öffentlich äußert, ist ein geistig zurückgebliebenes Arschloch.“ „Aber…“ „Doch, das sind wir. Und damit sind wir definitiv nicht mehr zurechnungsfähig.“ „Das kann doch nicht ihr Ziel sein.“ „Warum nicht? Wenn jemand nicht mehr zurechnungsfähig ist, und Sie wissen es, geben Sie ihm dann die Bonbons?“ „Ich weiß es nicht. Vielleicht. Doch, ja.“ „Weil Sie nicht wollen, dass Sie das Kind immer wieder in diese furchtbaren Situationen bringt und immer tiefer reinreitet und Ihren guten Ruf beschädigt. Sie sind verantwortlich für das Kind. Ihr Problem.“
„Also fordern Sie Dinge von Griechenland, die nicht oder nur sehr schwer überhaupt zu realisieren sind.“ „Keiner hält uns mehr für ansatzweise vernünftig – wir sind tobsüchtige, durchgeknallte Irre, denen man besser nicht zu nah kommt.“ „Sie setzen also ganz bewusst darauf, dass verschuldete Nationen Sie für wahnsinnig halten.“ „Richtig, wir streuen das Gerücht, dass ein paar unserer Minister mit Schaum vorm Mund regieren und regelmäßig in die Kabinettstischkante beißen.“ „Und mit welchem Erfolg?“ „Sie nehmen jeden unserer Vorschläge an und tun, was wir ihnen befehlen. Ihnen ist klar, sobald wir noch mehr am Rad drehen, wird es unter Umständen noch schlimmer.“ „Ist das überhaupt noch vorstellbar?“ „Denken Sie immer daran: wir sind unzurechnungsfähig. So viel blühende Fantasie können Sie als vernünftiger Mensch gar nicht haben, wie sich unser Wahnsinn gebärdet.“
„Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ist das denn glaubwürdig?“ „Warum nicht?“ „Wir schaden doch langfristig unseren eigenen Interessen, wenn wir diese Maßnahmen gegen Griechenland durchsetzen – wir sind doch nicht mehr glaubwürdig.“ „Eben. Aber es ist immerhin Verlass darauf, dass wir uns gleich bleiben. Worauf wird man eher vertrauen: darauf, dass ein Vernünftiger immer und überall die Nerven behält, oder darauf, dass ein Verrückter irgendwann eine Bombe schmeißen könnte?“ „Ich weiß nicht.“ „Drücken Sie einem verrückten eine Bombe in die Hand, das gibt Ihnen Sicherheit. Er wird nicht erst überlegen, ob er sich mit dem Ding selbst in die Luft sprengen könnte, und Sie können eine entscheidende Größe in der Rechnung vernachlässigen. Wir sind absolut unberechenbar, und deshalb sind wir ein so zuverlässiger Partner – im Gegensatz zu den anderen.“ „Und wenn die Griechen jetzt noch mal so eine Abstimmung machen und…“ „Geben Sie sich keine Mühe. Die Griechen sind nicht gefährlich.“ „Warum nicht?“ „Raten Sie mal: wer hat die Bombe?“
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