Ein Stück Heimat

28 07 2015

„Und Sie können Arabisch? also schreiben, so mit der Sprühdose? Nein, keine Angst – das zählt nicht als Beweismittel, unsere Ermittlungsbeamten kennen sich überhaupt nicht mit dem Krickelkrakel aus, das ist alles fremdes Zeugs, und Ausländer sehen ja auch alle gleich aus. Keiner wird Sie bei einem Brandanschlag erwischen, wenn Sie sich an die Anweisungen halten.

Die Hauptsache ist ja, Sie sind irgendwie muslimisch oder so, ich kenne mich jetzt auch nicht damit aus, aber bei Ihnen in der Region sind doch die meisten irgendwie Islamisten? Wie gesagt, keine Ahnung mit den Feinheiten. Wenn Sie vor dem IS geflohen sind, dann haben Sie ja wenigstens schon mal Kontakt mit Extremisten gehabt. Das ist schon viel wert. Unsere Innenminister hatten das alles nicht, und die haben natürlich viel mehr Ahnung.

Unser Deal sieht so aus: Bleiberecht, dazu eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, erstmal in Teilzeit, weil Sie als Terrorist ja meist nur in den Nachtstunden tätig sind – Bereitschaft können wir Ihnen nun mal nicht zahlen, aber da können Sie ja andere schöne Sachen machen, Beten zum Beispiel – und Sie werden von unseren Führungsoffizieren bei Ihren Anschlägen begleitet. Ganz professionell natürlich. Auch wenn Sie hier als Sachverständige für Terror arbeiten, die Befehlsgewalt bleibt bei uns. Damit Sie gleich merken, es ist Deutschland hier. Nur wenn’s schiefgeht, dann sind Sie natürlich dran. Aber das hatten Sie ja in der Stellenanzeige so gelesen, gell?

Wir versorgen Sie dann mit neuen Einsatzorten, so alle drei bis vier Tage einen, es kann aber auch mal mehr werden. Dann erhalten Sie einen Freizeitausgleich, und wir arbeiten sowieso mit Zeitkonto, das heißt, Sie könnten eventuell auch mal ein paar Tage frei haben, wenn zum Beispiel der Innenminister gerade Ihren Einsatzort bereist. Da können wir ja nicht riskieren, dass er von Ihren Splitterbomben zerfetzt wird.

Generell erkennen wir eine im Heimatland abgeschlossene Berufsausbildung an, aber wir müssen schon darauf achten, dass sie gleichwertig ist. Wenn Sie jetzt beispielweise in Sprengtechnik kein Diplom haben, das lässt sich nachholen, aber terroristische Grundkenntnisse sollten schon vorhanden sein. Und interkulturelle Kompetenz. Deshalb haben wir Ihnen ja dies Angebot gemacht: Sie als Muslim wissen am ehesten, wie man ein Asylantenheim abfackelt. Das ist doch für Sie, ich sage mal, ein Stück Heimat, nicht wahr?

Manchmal sind auch so kleine Aufträge darunter. Mal ein Auto in die Luft jagen, mal einen Politiker am Telefon bedrohen, das findet sich. Da haben Sie dann auch ausreichend Zeit für Ihre Hauptbeschäftigung.

Dass wir Sie sozialversicherungspflichtig beschäftigen, ist ja nicht aus Gutmenschentum. Wir haben nur keine Lust, dass Sie uns hier mit Ihrer ganzen Mischpoke auf der Tasche liegen – Sie können ruhig etwas tun für Ihr Geld. Und unser Koalitionspartner in Bayern ist auch sehr dafür, dass sie hier schnell in den Niedriglohnsektor integriert werden. Zumal mit einem Arbeitsplatz, den Sie keinem normalen Menschen wegnehmen. Das ist sehr wichtig. Also für die CSU. Also für die nächste Landtagswahl.

Wie schon gesagt, ein paar Kenntnisse sollten Sie schon mitbringen. Wenn Sie jetzt nicht aus dem Stand eine Kochtopfbombe bauen können, das ist nicht schlimm, aber so ein einfacher Sprengsatz mit Zeitzünder, das sieht man doch in jedem amerikanischen Actionkrimi, da treten ein paar Studenten zum Islam über und lernen im Internet Diplomterrorist, da werden Sie das ja wohl auch auf die Reihe kriegen, oder? Wir können Ihnen doch nicht alles beibringen!

Sie müssten natürlich auch mal über Ihren Schatten springen, so ist das nun mal auf dem Arbeitsmarkt. Anschläge während des Ramadan sind hier üblich, da unterscheiden wir uns nicht so von den islamistischen Organisationen – Ihr V-Mann wird sich da aber noch mal genau mit Ihnen abstimmen. Sie müssen ihm nur genau erzählen, worum es geht. Die Jungs sind meistens nicht die hellsten Lampen im Laden.

Erwarten Sie nicht, dass jeder Brandanschlag sofort in den Abendnachrichten kommt. Für Eitelkeit ist in Ihrem Job nicht viel Platz, Sie müssen schon mit ein bisschen Idealismus an die Sache rangehen. Und dann werden Sie auch sehen, dass wir sehr viel Potenzial haben, weil die Öffentlichkeit manchmal recht langsam reagiert und nicht immer so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Die Politik auch, aber das lassen Sie mal unsere Sorge sein. Sie bekommen Ihre Einsätze, dann hauen Sie da auf den Putz, und dann sehen wir schon, ob sich die Stimmung dreht. Und wie weit.

Aber egal, Sie sollen das in Eigenverantwortung regeln, dazu stellen wir Sie ja ein. Und Sie werden hier ein gutes Team finden. Lauter Leute wie Sie. Nicht alle aus Syrien, aber Leute wie Sie. Unser Innenminister vertraut Ihnen. Denn was wäre er ohne Terrorismus?“





Ernsthafte Überlegungen

6 04 2015

„Und dann öffnen wir die Briefe, ab Juli werden zusätzlich alle Bankkonten überwacht, und dann werden wir das Hausbuch wieder einführen. Es war ja nicht alles schlecht an der DDR. Natürlich haben wir dann viel mehr Sicherheit, davon können Sie ausgehen.

Ach was, das ist doch alles Blödsinn. Denken Sie doch mal, wie viele Sicherheitskräfte wir dann bräuchten, wenn wir wirklich für sämtliche Linienbusse in Deutschland – ja, jetzt gucken Sie, aber das müsste der Gesetzgeber doch wissen, wenn alle innereuropäischen Flieger kontrolliert werden, was ist denn dann mit den innerdeutschen Flügen? Und die anderen Verkehrsmittel, sollen die etwa völlig ohne präventive Personenkontrolle bleiben? Was waren denn die Terroranschläge von London und Madrid? Und Boston? Sollen wir denn den fußläufigen Verkehr völlig straffrei für alle rein theoretisch zum Massenmörder geeigneten Leute öffnen, nur weil wir es für unwahrscheinlich halten, dass es da so schnell wieder eine Katastrophe gibt? Und wenn der nächste Co-Pilot dann in einer deutschen Fußgängerzone auf die Idee kommt, ein paar Tausend unschuldiger Verkehrsteilnehmer mit in den Tod zu reißen, dann wollen Sie es nicht gewesen sein, wie!?

Wobei Sie es doch hätten merken müssen. Wenn de Maizière schon ankündigt, er wolle ernsthaft überlegen, die Ausweiskontrollen wieder einzuführen – nein, echt! De Maizière in einem Satz mit ‚überlegen‘, das ist doch der Brüller! und dann auch noch ‚ernsthaft‘! Sie, wir haben uns hier fast in die Hosen gemacht!

Nein, ist natürlich alles nur Theater. Wie bei der De-Mail, die gibt’s eigentlich gar nicht. Weiß halt nur keiner, deshalb demonstrieren die immer noch dagegen. Oder dass wir die Daten von den Krankenkassen an die – nein, das kommt ja erst noch. Aber wie gesagt, diese ganze Speicherung, Mindestspeicherung und Minderheitenspeicherung und sonst was, das kann man ja gar nicht machen, und deshalb hat bei denen da oben im Ministerium auch ein Richtungswechsel eingesetzt.

Weil das nämlich gar nicht geht. Die wissen doch auch, wenn man heute am Münchener Hauptbahnhof sämtliche Bahnsteige mit Videokameras ausrüstet, dann kommt man nie am Flughafen an. Und die ganzen Videobänder auf Zufallsfunde untersuchen, Sie – damit kann man die Jugendarbeitslosigkeit in der EU auf Jahrhunderte quasi über Nacht wegfegen! Wollen Sie das? Eben, die Industrie lässt sich auch nicht so einfach ein Druckmittel aus der Hand nehmen, und die Anleger wollen auch lieber noch ein paar mehr Arme als ein paar noch mehr Reiche. Geht ja gar nicht. Und dann müssen Sie ja irgendwann auch noch irgendein Ermittlungsergebnis präsentieren, damit die Polizei nicht merkt, dass da in den U-Bahn-Stationen statt der echten Videokameras… Sie, was meinen Sie, warum die Attrappen im Internet so billig zu haben sind? Glauben Sie etwa, die stellen das alles für den besorgten Endverbraucher her?

Das ist alles Schwindel, alles! Die ganze Bundesregierung, die ganze Politik weiß das, und alle halten dicht! Sie, wenn die nicht dichthalten würden, das würde doch Arbeitsplätze kosten. In der Videokameraattrappenindustrie alleine, und in der Telekommunikationsbranche, da braucht man ja ab und zu ein paar Aufsichtsräte, die Speicherung und Abhöraktionen inhaltlich mittragen. So eine Legislaturperiode dauert ja auch nicht ewig. Und alle halten sich daran.

Gut, es halten sich nicht alle daran. Manchmal gibt es auch Pannen, und die sind dann für den aufmerksamen Wähler auch als solche zu erkennen. Dobrindt? wieso Dobrindt? Ja gut, Dobrindt. Der hat das mit der Maut aus Versehen ernst genommen, weil sie ihm nicht gesagt haben, dass es sich um Bewachungsattrappen handelt, die nicht gewartet werden und kein Personal brauchen, weil keine Maut kontrolliert wird, und genau deshalb ist das System auch kostenneutral. Oder wenigstens nicht sehr viel teurer als die Experten befürchten. Da sehen Sie mal, was passieren kann, wenn wir nicht alle sicherheitspolitisch auf einer Linie sind. Die größten Fehler können da eintreten!

Deshalb müssen wir auch in Zukunft ein ganz neues Konzept in Deutschland einführen, ein Überwachungsüberzeugungsprogramm nämlich. Sie kriegen so einen Anstecker, den montieren Sie gut sichtbar auf Ihrer Kleidung, und dann werden Sie mit Funk, oder irgendwie so, ich weiß es auch nicht, und dann sind wir alle völlig sicher. Brandanschläge im Reichstag, Bomben auf dem Weihnachtsmarkt, das wird es alles nicht mehr geben. Und dann werden Sie von den Masten, die eigentlich für die Autobahnmaut…

Darum ja Überwachungsüberzeugung. Mit der Zugangserschwerung hat die letzte zu große Koalition doch schon gute Erfahrungen gesammelt, das lief doch prima. Ist nichts passiert, aber das hat wenigstens geklappt. Und wenn Sie jetzt denken, das ist alles Humbug: Sie haben es verstanden. Sie fühlen sich überwacht, und schon ist der Terror aus Deutschland verschwunden. So einfach ist das. Jetzt fühlt sich die Bundesregierung ernsthaft überlegen. Wem auch immer.

Das kann ich Ihnen nicht sagen, und es ist auch nicht wichtig. Die Fluggesellschaften sind nun mal keine Staatskonzerne. Wenn es da Probleme gibt, haben denn die anderen nicht auch gute Ermittlungsbehörden? Oder bilde ich mir das jetzt nur ein?“





Um Gottes Willen

3 09 2012

„Beobachten Sie Ihn, vielleicht gibt es sich ja von selbst. Das ist erstmal nur eine Jugendfreizeit, und junge Leute sind nun mal leicht zu neue Ideen zu begeistern. Wenn Sie dann später das Gefühl haben, dass er seinen alten Freundeskreis vernachlässigt oder ganz andere Wertvorstellungen vertritt, als Sie ihm das beigebracht haben, dann können Sie sich immer noch bei uns melden. Vor allem sollten Sie die Regel weiter durchhalten: einmal pro Woche in die Kirche ist okay. Mehr nicht.

Diese Bundesverfassungsrichter wieder! Gut, die Kampagne gegen islamistische Jugendliche – nein, nicht gegen die Jugendlichen, sondern gegen den Islamismus als solchen, das wurde dann aber eine Kampagne gegen – ist ja auch egal, jedenfalls war das Diskriminierung, und jetzt müssen wir eben alle gleich behandeln. Wie, der Innenminister? Na, den hätten sie auch gleich behandeln müssen, gleich nach dem Amtsantritt, aber jetzt dürfen wir nicht mehr nach Religionen unterscheiden. Jetzt müssen sie alle bei uns anrufen. Was das soll, weiß zwar keiner mehr, aber das ist ja auch egal.

Radikalisierungsberatung? Ja, ich höre. Die neuapostolische Kirche? Die sind nicht direkt anglikanisch, aber sie haben nichts für die Ökumene übrig. Das liegt bei uns im Schubfach mit der armenischen apostolischen Kirche und der syrisch-orthodoxen Kirche von Europa. Da war halt noch Platz. Ich schicke Ihnen gerne mal einen Info-Flyer zu, da können Sie dann nachschauen, ob das etwas für Sie ist. Sie sind konfessionslos? Ach so, verstehe, Sie haben einen Migrationshintergrund. Und da haben Sie den Theravada-Buddhismus her? Nein, ist schon richtig so. Weil, wenn Sie jetzt zum Beispiel vorhätten, neuapostolische Terroristen zu werden, dann wäre ich Ihr Ansprechpartner.

Das ist natürlich zuerst eine Kampagne gegen schleichende Religiosität. Erst ist es spielerischer Kindergottesdienst, dann kommt der Pfarrer in die Kita, Erstkommunion, und schon wollen die Kurzen Messdiener werden. Nein, finde ich jetzt nicht direkt schlimm, wenn sich das in Grenzen hält, aber man muss eben aufpassen, dass das nicht überhand nimmt. Sonst haben wir demnächst eine Bibelszene hinter dem Bahnhof. Man merkt das zwar nicht so, aber wir haben eine Trennung von Religion und Staat. Auch wenn das manchen nicht passt.

Radikalisierungsberatung, guten Tag? Nein, da sind Sie falsch verbunden. Der Verfassungsschutz untersteht zwar auch dem Bundesinnenminister, zumindest theoretisch, aber wir sind nicht zuständig für Terror gegen religiöse Minderheiten. Wir sind nur zuständig, wenn die religiösen Minderheiten oder auch religiöse Mehrheiten andere religiöse Minder- oder mehr oder minder Mehrheiten terrorisieren. Wenn Sie terrorisiert werden, dann tut uns das Leid, aber da müssen Sie sich bitte direkt an die Bundesregierung wenden. Oder fragen Sie Ihren Anwalt, der weiß da noch besser Bescheid.

In der Werbung ist das doch nicht anders. Sie wollen möglichst sympathisch auftreten, Sie wollen als Marke souverän und werthaltig erscheinen, Ihr Produkt setzt Maßstäbe – darum nehmen Sie nur die klügsten Leute aus der besten Agentur. Wir haben Friedrich. Deshalb hat unsere Aktion eine klare psychologische Stoßrichtung. Angst.

Natürlich Angst. Sonst kriegen Sie die Leute zu nichts. Das ist eine Sicherheitspartnerschaft, und wie macht man eine Sicherheitspartnerschaft, wenn es nicht ausreichend Unsicherheit gibt? Dazu braucht man Angst. Nicht vor dem einzelnen, der ist ja ganz nett, der grüßt immer im Treppenhaus, die Kinder sind auch sauber und ordentlich gekleidet, die Erwachsenen arbeiten, alles im Lot. Aber die sind irgendwie anders, auch wenn man genau weiß, dass sie nicht anders sind. Die sind anders, weil die alle anders sind. Und wenn nicht, dann reicht es, dass wir sie als anders wahrnehmen. Und schon sind das keine normalen Menschen mehr. Das sind Fremde. Schläfer. Terroristen. Die gehören eigentlich mit Stumpf und Stiel –

Radikalisierungsberatung, grüß Gott? Haben Sie Ihrer Tochter erklärt, dass das möglicherweise mit starken Einschränkungen ihrer Freiheit verbunden sein wird? Vor der Ehe sowieso nicht, das ist klar, aber in der Ehe gelten auch strikte Regeln. Keine Verhütung. Und sie wird dann ihren Mann fragen müssen, ob sie in ihrem Beruf weiterarbeiten darf, falls sie überhaupt noch wird arbeiten dürfen. Einer muss sich ja um die Kinder kümmern, das macht eben nicht der Mann. Gut, das hört sich jetzt etwas überraschend an, aber beruhigen Sie sich, manche nehmen es in der Praxis etwas lockerer. Und die Frauen sind beim Vatikan etwas im Wert gestiegen, sie rangieren knapp oberhalb von Haustieren. Halb so schlimm, wenn man’s nicht anders gewohnt ist.

Wo waren wir stehen geblieben? Richtig, in der Parallelgesellschaft. Wir müssten eigentlich überall Terrorcamps wittern, wo sich zwei oder drei potenziell verdächtige Personen innerhalb derselben Stadt befinden. Haben Sie sich schon mal gefragt, was auf dem Katholikentag so alles erzählt wird? Wenigstens müssen Sie uns das nicht beibringen, wir haben immer noch genug Know-how, wie man Beweise schafft und Beweise verschwinden lässt.

Radikalisierungsberatung? Nein, das haben Sie falsch verstanden. Wir helfen, ja, aber wir sind – nein, wir sind gegen die Radikalisierung. Dagegen. Tut mir Leid, damit kann ich nicht dienen. Aber rufen Sie doch einfach mal bei der CSU an.“





Für zu leicht befunden

17 07 2012

„… gebe es laut Innenminister Schünemann (CDU) eindeutige Anzeichen für das Abgleiten in den Islamismus. So sei ein Gewichtsverlust durch veränderte Essgewohnheiten oder eine längere Reise in Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung als ernstes Symptom zu betrachten, außerdem eine intensive Beschäftigung mit dem Leben nach dem Tod, plötzlicher Reichtum oder plötzliche Schulden oder eine…“

„… historisch keinen Beweis dafür, dass unterernährte Muslime zu Deutschland gehörten. IM Friedrich habe jedoch eingeräumt, dass die im deutschen Asylbewerberleistungsgesetz verankerte Unterernährung möglicherweise zu Fehlschlüssen seitens der regierenden Sicherheitskräfte…“

„… noch kein Anzeichen für Islamismus. Die Kanzlerin habe sich zwar in mehreren überwiegend muslimischen Staaten hintereinander aufgehalten, dies sei jedoch nur wegen der Staatsbesuche in…“

„… dass eine größere Anzahl von Millionären bei der Steuerprüfung jäh verarmt seien. Ob dies bereits auf eine islamistische Verbindung hindeute, sei jedoch noch nicht…“

„… müsse man die Knabenbeschneidung als Ausdruck der Religionsfreiheit tolerieren, auch wenn sie mit dem christlichen Abendland nicht…“

„… unterstreiche Schünemann, dass bereits das Leugnen von Anzeichen für die Radikalisierung ein klarer Beweis für die…“

„… das Tragen eines Nachthemdes und einer Häkelmütze noch nicht grundgesetzwidrig sei. Die Innenministerkonferenz habe beschlossen, das Bundesverfassungsgericht schnellstmöglich durch eine bessere…“

„… den Fall mehrerer Kinder, die im Umfeld des bereits zweimal wegen Kindesmissbrauchs vorbestraften Gemeindepfarrers Alois G. (59) Symptome einer Anorexie zeigten. Es sei dem Geistlichen nicht nachzuweisen, dass er während der Firmkatechese muslimische Propaganda…“

„… internationale Proteste hervorgerufen habe. Das aus Pakistan stammende Model sei während der Berlin Fashion Week auf dem Laufsteg verhaftet worden, da sie vom Sicherheitspersonal für zu leicht befunden…“

„… die Meditationsveranstaltung Leben – und dann? auf Betreiben des baden-württembergischen Landeskriminalamtes abgesetzt worden sei. Es habe zwar keine Anzeichen für eine schleichende Islamisierung des Vortragenden gegeben, zur Vorsicht sei Generalvikar Klemens D, (61) jedoch sofort…“

„… durch ein Spezialeinsatzkommando unter Einsatz von Blendgranaten gefangen genommen worden. Detlef H. (44) habe den Lotteriegewinn gesetzeswidrig nicht beim Innenministerium zur Überprüfung…“

„… sowohl Diät-Tipps als auch orientalische Pluderhosen in derselben Ausgabe gebracht habe. Brigitte werde ab sofort nicht mehr als frei verkäufliche Zeitschrift…“

„… als ersten Erfolg zu verzeichnen. Nachbarn hatten den als streng religiös bekannten Mann dem Verfassungsschutz gemeldet, nachdem dieser in einer Bußübung fast zehn Kilogramm Gewicht verloren hatte. Beim Zugriff habe sich Swami Nathuram Gopalnath gerade auf dem Nagelbrett…“

„… müsse man selbstverständlich auch alle nicht magersüchtigen Muslime für sehr gefährlich halten, denn diese könnten eine Essstörung vor den Augen der Öffentlichkeit aus Hinterlist…“

„… dürfe man die Burka als Ausdruck der Religionsfreiheit auf keinen Fall tolerieren, da sie mit dem christlichen Abendland nicht…“

„… werde die Klosterverwaltung das 14-tägige Heilfasten nur noch für Gäste mit nachgewiesener römisch-katholischer…“

„… versehentlich auch Bartwuchs als generell islamistisch eingestuft hatten. Thierse sei vom Bundeskriminalamt als feindliches…“

„… legte Schünemann großen Wert auf die Feststellung, nicht die Hakennase sei ein Anzeichen für eine gefährliche Tendenz, sondern die Tatsache, dass man eine Hakennase bereits für ein Anzeichen einer nicht christlichen…“

„… sei ein rasierter Schädel oder das Tragen von Kampfstiefeln noch kein Merkmal offener Verfassungsfeindlichkeit. Tausende von Skinheads seien bereits polizeibekannt, so BKA-Präsident Ziercke, allerdings habe kein einziger von ihnen je islamistisch motivierte Straftaten…“

„… den seit 1964 in Nürnberg lebenden Theoklitos D. (68) für einen Türken gehalten hatten. Er hatte sich verdächtig gemacht, da er als mutmaßlicher Nichtdeutscher eine Portion Würstel mit Kraut…“

„… ein Kopftuch bei einer jungen Muslimin deutscher Staatsbürgerschaft regelmäßig als Symbol einer extremistischen, gewaltbereiten Gesinnung zu werten, bei einer aus Schlesien stammenden Rentnerin jedoch als Ausdruck einer traditionellen und heimatverbundenen…“

„… sich Papst Benedikt XVI. in letzter Zeit auffällig oft mit jenseitigen Dingen beschäftige, ein nicht der westlichen Herrenmode entsprechendes Gewand trage, seit seiner Amtseinführung plötzlich über große Reichtümer verfüge und sehr oft auf Reisen…“

„…habe keinen Beweis erbringen können, dass er den Geldbetrag legal mit sich führe und sei darum vorerst als Terrorist inhaftiert worden. Schünemann habe dennoch beteuert, dass es sich dabei nur um ein großes Missverständnis…“





Letzte Allgemeine Verunsicherung

8 03 2012

„Ich wollte nur mal nachfragen, ob Sie vielleicht schon etwas Neues im Programm haben. Der Kollege Gschwendner ist ja auf Entziehungskur, da übernehme ich den Job. Ist die aktuelle Kollektion denn schon draußen? Herr Friedrich ist etwas unter Zeitdruck.

Wir bräuchten da eine Gefahrenlage, gerne auch unspezifisch. Torpedoangriff auf den Reichstag oder so was. Darf ruhig etwas diffus sein. Wie diese Bombendrohung auf dem Weihnachtsmarkt, aber etwas weniger saisonal. Meinetwegen Flugverkehr, das hat mit dem Ausland zu tun. Oder Moscheen. Nein, die haben nichts mit dem Ausland zu tun. Die hier in Deutschland. Steht doch an jeder Ecke eine. Nazis? Mann, verstehen Sie doch – deshalb veranstalten wir doch den ganzen Zauber hier. Wir brauchen ein paar Schlagzeilen, in denen diese Neonazis nicht vorkommen. Gefahrenschlagzeilen aus dem Innenministerium. Und jetzt kommen Sie.

Cyberabwehrzentrum? Haben wir das denn schon? Ach so, ja. Und wo ist da die Gefahr? Hat mit diesem Internet zu tun? Verstehe. Aber da müssten Sie noch eine Schippe drauflegen, sonst löst das keine Panik aus. Ich meine, dass Herr Friedrich irgendwas unternimmt, das löst generell schon Panik aus, aber nicht so, wie es sein soll. Da bräuchten wir schon eine gewisse Steigerung. Ah, das Cyberabwehrzentrum funktioniert nicht? Das wäre in der Tat eine gute Schlagzeile, nur: das hat eigentlich auch keiner erwartet. Nicht mal diese Leute im Cyberabwehrzentrum.

Das mit den Autobränden, könnten wir da ein Upgrade bekommen? Sie wissen doch, wir hatten im letzten Wahlkampf schon mal eine Basisversion. Wenn man das jetzt mit den regionalen Statistiken vom Bundeskriminalamt unterfüttern würde, hätten wir da eine Chance? Gutsbezirk Kaufunger Wald, da war der letzte Autobrand in 1965, und jetzt im Januar hatte bei einem Dienstfahrzeug der Vergaser Feuer gefangen. ‚Regional teilweise 100% Steigerung von Autobränden‘, das wäre doch mal eine gute Nachricht, oder? Ach, haben Sie gerade nicht im Programm? Volkswirtschaftliche Schäden vielleicht? Wirbelsturm ist natürlich immer gut, aber wie kriegen wir da die Kurve zum Terror?

Schauen Sie, der Herr Friedrich ist ja sehr für diese neuen Sicherheitsgeräte. Kann man da nicht was machen? Komplettausfall? Wie meinen Sie das? Alle Sicherheitsmaßnahmen fallen aus? Ist das nicht ein bisschen zu realistisch? Ich meine, wenn es jetzt zu einer Massenhysterie kommt, was machen wir dann? Sie meinen, wir sollten erst hinterher bekannt geben, dass alles ausgefallen ist? Und es hat zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden? Aber was machen wir dann, wenn wir gefragt werden, warum keine Gefahr bestanden hat? Dann bräuchten wir diesen ganzen Sicherheitskram ja gar nicht, oder? Und wie erklären wir dann, dass wir das nicht haben verhindern können? Nein, das wird auch nichts.

Lassen Sie das besser mit den Griechen, das wird nichts mehr. Die Bundeskanzlerin ist schon zu sehr verärgert, die wird sich noch einen Aufschlag nicht mehr gefallen lassen. Könnten wir das nicht wenigstens irgendwie verbinden? Griechische Staatstrojaner? Chinesische Wirtschaftsspionage, die wegen Sicherheitsmängeln ausfällt? Oder können wir diese Warnstreiks nutzbar machen?

Ja, das wissen wir auch. Das mit den kausalen Zusammenhängen, das ist bei ihm immer so ein Problem. Da ist er wie ein Kompass, der verlässlich nach Süden zeigt – Sie gehen einfach nach Norden. Er wittert die Zusammenhänge, wo sie überhaupt nicht bestehen, aber da, wo wirklich welche sind, weigert er sich standhaft, sie zu bemerken. Es ist doch einigermaßen schwierig mit ihm. Letzte Woche wollte er uns beweisen, dass ohne Vorratsdatenspeicherung keine Integration möglich ist, weil man alle Einwohner in einer gemeinsamen, diskriminierungsfrei gemischten Datei bräuchte.

Straßenlaternen? Stullenpapier bei der Linken gefunden? Demokratiefeindlichkeit im Kanzleramt? Das mit den Muslimen können wir doch auch nicht ewig so weitermachen. Perspektivwechsel? Wie meinen Sie das denn? Dass sich die jungen Muslime in Deutschland zunehmend ausgegrenzt vorkommen? Dass das eine gute Nachricht sei? Ja, für den Innenminister schon, aber wo bleibt das Gefahrenpotenzial? Ach, Sie meinen, er sei eine Gefährdung für den Islam in Deutschland?

Jetzt denken Sie doch mal nach! Irgendwas müssen Sie doch auf Lager haben! Meinen Sie, ich könnte was dafür, dass Sie monatelang nur Wahlkämpfe ausgestattet haben? Wofür bezahlen wir Sie überhaupt? Haben Sie denn überhaupt keine Ideen? Eine Gefährder-Datenbank, in der man schon landet, obwohl noch kein konkreter Verdacht auf eine Gefahr vorliegt? Und dann nehmen wir als Gefahr, dass der automatische Abgleich mit den illegal besorgten Fotos bei Facebook wegen eines Hackerangriffs nicht geht?`Jetzt denken Sie doch mal nach, das kann doch nicht funktionieren! Völlig ausgeschlossen, so komplexe Zusammenhänge kriegt Herr Friedrich doch nie unfallfrei raus.

Wie lange werden Sie brauchen? Und das ist dann aber auch erstklassige Ware, ja? Also wir bräuchten schon eine wirklich gute Strategie, weil wir sonst gar nichts mehr durch den Bundestag bekommen. Halten Sie sich ran. Spitzenmaterial. Und wenn uns gar nichts anderes mehr bleibt – in der letzten Not haben wir immer noch die Schweinegrippe.“





Tod? Sicher!

8 02 2012

„Sockenpflicht in Sandalen?“ „Poppt gar nicht.“ „Anschnallgurt in der Wahlkabine?“ „Dann doch lieber Helmpflicht beim Wählen.“ „Blödsinn, die meisten lassen doch eh ihren Kopf zu Hause.“ „Ja Leute, jetzt mal etwas voran – der Innenminister will morgen vor die Presse, da müssen wieder ein paar Vorschläge auf den Tisch, sonst kommt er nicht in die Schlagzeilen!“

„Man müsste ein Gesetz gegen Streuzucker…“ „Bei den klimatischen Bedingungen derzeit doch wohl eher eines für Streusalz.“ „… und für mehr Süßstofftabletten…“ „Aber das ist doch auch nicht gesund. Außerdem weint die Aigner wieder, wegen ihrer Zuckerrübenzüchter.“ „… im Kaffee.“ „Der ist doch eh gesundheitsschädlich, den sollte man auf der Stelle ganz verbieten.“ „Das macht aber der Gesundheitsminister.“ „Der macht doch nie etwas.“ „Ja, aber wenn er machen können würde, dann täte eben er, was er sollen müsste.“ „Jetzt lassen Sie den Kollegen halt mal ausreden!“ „Wenn man die Milch erst eingießt, und dann keinen Zucker, dann braucht man keinen Löffel und sticht sich auch nicht die Augen aus.“ „Entschuldigung, das würde Friedrich nie öffentlich sagen.“ „Zu beknackt?“ „Nein, aber keiner traut ihm derart komplexe Gedanken zu.“

„Keine scharfen Papierkanten mehr.“ „Müssen wir jetzt das Schreibpapier rund feilen?“ „Wie wäre es mit Klarsichthüllen?“ „Das schafft Arbeitsplätze, und es sieht auch so schön ordentlich aus.“ „Aber an den Klarsichthüllen kann man sich doch auch wieder schneiden, oder?“ „Heftklammern werden nur noch in gebogenem Zustand verkauft.“ „Und wenn man damit etwas heften will?“ „Sie wollen hier wohl zu terroristischem Fehlverhalten aufrufen, was?“ „Ist das schon Fehlverhalten, nur weil ich terroristisch unwirksame…“ „Sie wissen genau, was ich meine!“ „Büroklammern nur noch im aufgebogenem Zustand.“ „Aber dann kann man sich doch erst recht daran stechen.“ „Dann nur noch in zugebogenem Zustand.“ „Oder alles verlötet.“ „Dann kann man damit aber nichts mehr…“ „Dann nehmen Sie eben Reißzwecken, verdammt!“ „Sie wollen uns wohl alle umbringen?“

„Hier, Tapeten!“ „Kann man die denn mit Büroklammern anbringen?“ „Mit Reißzwecken vielleicht.“ „Die müssen doch irgendwie an der Wand halten.“ „Haben Sie mal von Tapetenkleister gehört?“ „Ist der nicht giftig?“ „Warum?“ „Dann ist er nicht kindersicher.“ „Wer würde denn auch seine Kinder tapezieren lassen?“ „Wahrscheinlich lecken bei ihm immer die Kinder die Tapeten ab.“ „Oder er klebt seine aus Versehen an die Wand.“ „Man muss doch die Tapeten – also falls man an denen leckt – meine Güte, denkt denn keiner an die Kinder!?“ „Sie lecken also an Ihren Tapeten und wollen, dass wir dabei an die Kinder denken?“ „Nein, das, äääh…“ „Warum kommen Sie uns dann mit so einem Unfug?“ „Falls Kinder an der Tapete lecken, dann muss man doch etwas tun!“ „Falls, ja. Aber warum denn vorher?“

„Sockenpflicht in Sandalen?“ „Das hatten wir schon.“ „Aber mit den Vorschlägen kann man einen Innenminister wenigstens eine ganze Woche lang beschäftigen.“ „Welchen Unterschied macht das?“ „Dann geht er einem sieben Tage lang nicht mit irgendwelchem Sums auf den Geist.“ „Gut, also Straßenverkehr?“ „Immer her damit.“ „Gurtpflicht beim Autowaschen?“ „Oder beim Staubsaugen im Wageninnern.“ „Wieso?“ „Weil’s der Innenminister sagt.“ „Oder Helmpflicht für Dreiradfahrer?“ „Wie wär’s mit Mindestlesedauer für Verkehrsschilder?“ „Oder: höchstens drei Verkehrsschilder pro Minute lesen.“ „Wie wird das bestraft?“ „Was bestraft?“ „Die Zuwiderhandlung.“ „Muss man die nicht erst einmal feststellen können.“ „Nö. Hauptsache, man kann alles unter Strafe stellen.“ „Blinkpflicht vor dem Stoppschild?“ „Blinken statt Stoppschild?“

„À propos Internet, hätte man da nicht auch eine Menge…“ „Man könnte beispielsweise Betrug im Internet verbieten.“ „Oder Verleumdung.“ „Das ist doch sinnlos, die sind doch außerhalb auch schon verboten.“ „Aber noch mal ist doppelt gut.“ „Und doppelt hält besser.“ „Und Friedrich wird den Unterschied merken?“

„Können wir nicht einfach alles, was verboten ist, verbieten?“ „Und das ist dann sicher?“ „Hat keiner behauptet.“ „Gibt es eigentlich ein Gesetz gegen Terrorismus?“ „Müsste man mal schauen.“ „Auch im Internet?“ „Anschnallgurte im Internet!“ „Lieber Schutzhelm.“ „Oder doch keine scharfen Papierkanten.“ „Wieso?“ „Lassen Sie sich ihr Internet nicht ausdrucken?“ „Diese Tapeten auf den Browserseiten, sind die selbstklebend?“ „Sie meinen die Bildschirmhintergründe?“ „Die lädt man doch auch runter.“ „Aber die sind nicht…“ „Immerhin lecken da keine Kinder dran.“ „Wissen Sie das auch sicher?“ „Kann man dieses Internet eigentlich auch in Klarsichthüllen verpacken?“

„Und die Terroristen?“ „Kann man denen das Papier wegnehmen?“ „Lieber die Klarsichthüllen.“ „Nein, die Reißzwecken sind gefährlich.“ „Wir brauchen sofort ein Gesetz, dass man Reißzwecken nur noch mit Schutzhelm und Sicherheitsgurt anfassen darf.“ „Und kindersichere Tapeten sind nur in Begleitung angeschnallter Büroklammern zulässig.“ „Großartig. Und die Terroristen?“ „Tragen die Sandalen?“ „Die werden uns bei einem so unfähigen Sicherheitsminister irgendwann alle in die Luft jagen.“ „Sicher?“ „Bombensicher.“ „Gut, das nenne ich eine echte Perspektive.“ „Wie verkaufen wir das dem Innenminister?“ „Irgendwas mit Tod. Und sicher.“





Innerste Sicherheit

16 05 2011

„Aber das ist doch Irrsinn! Wir können doch nicht die Polizei abschaffen.“ „Wir schaffen ja auch nicht die Polizei ab.“ „Aber die Polizisten.“ „Wird denn ein einziger Polizist arbeitslos?“ „Natürlich nicht, aber…“ „Na also. Dann verstehe ich Ihr Gejammer nicht. Bürgerwehren sind doch eine gute Sache für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit.“

„Es geht nicht um weniger Polizisten, es geht darum, dass es nicht mehr sind.“ „Warum sollten es denn mehr werden? Wir haben doch gar kein Geld dafür.“ „Natürlich nicht, es wird ja längst alles in lückenlose Überwachung mit…“ „Wenn wir alles lückenlos überwachen, können wir Straftaten viel besser aufklären, das wissen Sie genau.“ „Ich weiß genau, dass Sie genau wissen, dass das falsch ist. Eine Komplettüberwachung hilft nicht, weil es immer technische Wege gibt, sie umgehen.“ „Dann werden wir sie verstärken.“ „Sinnlos, denn es wird keine Senkung der Kriminalität geben.“ „Das ist noch gar nicht bewiesen.“ „Warum helfen dann Videokameras nicht, Raubüberfälle zu verhindern?“ „Wir können eben nicht überall Videokameras hinbauen. Dazu fehlt uns das Geld.“ „Es sollen auch nicht überall Videokameras hin, weil die nicht helfen. Wer soll denn das ganze Material überhaupt überwachen?“ „Bald werden die Kameras das alles automatisch können, sie werden potenzielle Straftäter vor potenziellen Straftaten erkennen und dann…“ „Potenziell verhaften?“ „Das muss doch gar nicht sein, schließlich haben wir doch die Täter dingfest gemacht.“ „Aber die haben doch noch gar keine Straftat begangen!“ „Weil wir sie durch die Videoüberwachung verhindert haben. Die moderne Technik hilft, die Kriminalität zu senken.“

„Wäre es nicht viel einfacher, einen Teil der ganzen Technik wieder abzubauen und Polizisten einzustellen?“ „Das geht schon deshalb nicht, weil es so viele Polizisten, wie wir für den vollwertigen Ersatz der Überwachungstechnik bräuchten, gar nicht anstellen könnten. So viele gibt es nicht!“ „Das hat auch keiner verlangt – die ganze Technik ist sowieso überflüssig, also warum sollte man Sie ersetzen?“ „Wir brauchen aber auch eine lückenlose Aufklärung von Straftaten, ganz abgesehen von erheblich schärferen Strafen für…“ „Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Es ist gar nicht Aufgabe der Polizei, über Strafen zu entscheiden.“ „Aber machen Sie das doch mal dem Mann auf der Straße klar – die Polizei fängt einen Straftäter, aber man weiß gar nicht, wie der bestraft wird. Haben Sie eine Ahnung, was die Zeitungen schreiben?“

„Warum kann man nicht einfach mit mehr Polizeipräsenz gegen Straftäter vorgehen?“ „Weil es so viele Polizisten gar nicht gibt.“ „Dann muss man sie eben ausbilden.“ „Aber das kann doch keiner bezahlen!“ „Innere Sicherheit kostet nun mal Geld – Videokameras und Vorratsdatenspeicherung sind auch nicht kostenlos.“ „Wenn wir jetzt plötzlich die Mindestspeicherdauerdatenpflicht abschaffen, dann haben wir auch nicht auf einmal doppelt so viele Polizisten.“ „Das hat auch keiner verlangt, wir werden die Polizisten ausbilden und beschäftigen und…“ „Und deshalb lehne ich es auch ab, die Mindestdatendauerspeicherung abzuschaffen.“ „Es gibt doch noch gar keine Vorratsdatenspeicherung.“ „Das ist doch das Problem: gäbe es sie, könnte man nachweisen, dass sie auch nicht unwirksamer ist als die Polizisten, die keine Straftaten verhindern, weil sie nicht eingestellt werden.“

„Aber wozu brauchen wir Bürgerwehren?“ „Man kann doch den Kriminellen nicht die Straße überlassen – es geht doch ums Prinzip!“ „Ich dachte, es ginge um innere Sicherheit?“ „Natürlich, es muss doch innerste Sicherheit herrschen.“ „Innerste? Ich dachte, wir wollten äußerste?“ „Die ist zugleich gut gegen die innere Unsicherheit.“ „Also die innerste Unsicherheit?“ „Auf jeden Fall geht es ums Prinzip. Wir haben so viele Fälle von Betrug, es werden Frauen unterdrückt, die Kinder gehen nicht ordentlich zur Schule und werden arbeitslos, da müssen wir als Staat einschreiten und können nicht einfach zusehen.“ „Und wie schreitet man als Fußstreife gegen Betrug und häusliche Gewalt ein?“ „Durch Polizeipräsenz. Wir als Staat haben eben das Gewaltmonopol, deshalb wird es diese Straftaten in Zukunft auch nicht mehr geben, wo wir unsere hoheitlichen Aufgaben wieder mehr wahrnehmen.“ „Und Sie glauben, dass sich das mit privatisierten Schutztruppen erledigen lässt?“ „Aber ja, diese Menschen haben doch viel Erfahrung. Sie könnten durch verstärkte Präsenz in den Vierteln, in denen sie wohnen, für verstärkte Präsenz sorgen. Natürlich freiwillig.“ „Also die Bürgerpolizisten sind freiwillig da präsent, wo sie ohnehin präsent sind – was bringt das für die Sicherheit?“ „Es kann zumindest nicht schlimmer werden.“

„Warum wollen Sie eigentlich unbedingt eine private Truppe losschicken?“ „Weil wir einfach nur die Interessen der…“ „Diese Bürgerwehr hat doch für den Ernstfall überhaupt keine Befugnisse.“ „Das ist doch nicht das Problem. Wir können uns doch nicht den Kriminellen unterwerfen, die teilweise ganze Stadtviertel kontrollieren, in denen die Kinder nicht mehr zur Schule gehen.“ „Nur vertritt so eine Truppe überhaupt nicht das Gewaltmonopol des Staates.“ „Das ist doch gar nicht wichtig, die Hauptsache ist: wir sind präsent.“ „Wenn ich nur ein bisschen Aufmerksamkeit erregen will, wozu stelle ich dann Hilfspolizisten ein, die bei einer Straftat weder einschreiten noch ermitteln, weil sie keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen dürfen.“ „Und?“ „Sie könnten stattdessen auch irgendeine Kamera in die Gegend stellen, die ist auch präsent und verhindert keine Straftaten.“ „Haben Sie das Prinzip jetzt begriffen?“ „Es kann doch nicht sein, dass es keine innere Sicherheit gibt, nur weil der Staat sich weigert, das erforderliche Personal zu finanzieren.“ „Wir tun ja etwas dagegen. Aber Sie weigern sich ja beharrlich, die Bundeswehr im Innern zuzulassen.“ „Was hat denn jetzt die Bundeswehr damit zu tun? Die soll doch auch abgeschafft werden?“ „Man könnte sie ja im Zuge der Neustrukturierung auch privatisieren, oder noch besser: durch unsere Präsenzkräfte aus den Problembezirken verstärken und schließlich ganz durch sie ersetzen.“ „Mit welchem Ziel soll das denn passieren?“ „Dann hätten wir nicht mehr das Problem, dass es sich um hoheitliche Aufgaben handelt.“ „Sie wollen eine Bürgerbundeswehr?“ „Sagen wir lieber, eine Bundesbürgerwehr. Das käme den Aufgaben unserer Kräfte viel näher.“ „Wozu soll diese Truppe denn nun da sein?“ „Wir gehen gegen den Feind im Innern vor. Dazu bedarf es ja schließlich einer gut ausgebildeten Armee.“ „Der Feind im Innern? Was hat man sich darunter denn nun wieder vorzustellen?“ „Wir haben hier sozusagen den Open-Air-Vollzug. Bisher kamen wir kaum in die Problembezirke rein, mit unserem Konzept kommt der Feind gar nicht erst mehr raus.“ „Das klingt nach Straflager.“ „Es ist ja auch für die entsprechenden Zielgruppen gedacht. Hartz-IV-Gruppierungen, Nichtdeutsche und ähnliche Straftäter. Das sind die Keimzellen der Zersetzung, gegen die wir Präsenz zeigen müssen.“ „Und wozu eine Bürgerwehr?“ „Sollen wir die Bezirke denn einzäunen?“ „Wäre eine Möglichkeit – wozu eine Bürgerwehr?“ „Sie wissen ja, eine Feuerwehr hilft gegen Feuer und die Gefahr, die von ihm ausgehen könnte, wenn man es nicht rechtzeitig bekämpft und auslöscht. Und eine Bürgerwehr…“





Wer’s glaubt, wird selig

1 02 2010

„Und Sie haben sich das ernsthaft überlegt? Keine Zweifel?“ „Nein, wir sind uns vollkommen sicher. Zumal wir auch unseren Anhängern damit eine gute Perspektive geben.“ „Eine Perspektive?“ „Ja, eine Perspektive. Das Bedürfnis nach Spiritualität, nach kultischer Durchdringung des ganzen Lebens und nach einer höheren Macht, nach einem Fundament, das wohnt doch dem Menschen inne. Es mag wohl die geben, die nicht an Geister oder Götter glauben, die keine höheren Wesen anbeten, aber selbst die wollen doch einen Sinn in ihrem Dasein sehen.“

„Nehmen Sie es mir nicht übel – Sie ahnen ja nicht, wie die Amtskirchen und ihre politischen Unterorganisationen sich gegen die Konkurrenz abzuschotten versuchen, ich könnte Ihnen da so manche Sache erzählen – aber ich muss doch noch mal genauer nachfragen: Sie wollen also wirklich Terrorismus als Religionsgemeinschaft eintragen lassen?“ „Ja, das haben Sie richtig verstanden. Wir glauben an den Terrorismus.“ „Sie beanspruchen, ein vollkommen konsistentes weltanschauliches Lehrgebäude zu besitzen?“ „Keinesfalls. Soweit ich weiß, kann das keine der bekannten Weltreligionen. Warum sollten ausgerechnet wir das besitzen?“ „Aber eine Religion muss doch eine bestimmte Logik verkörpern.“ „Wozu? Haben nicht bereits die Vorsokratiker die Mythologie in ihrer gefährlichen Lückenlosigkeit als Menschenwerk entzaubert?“ „Wie dem auch sei – jedenfalls muss das Hand und Fuß haben, was Sie den Leuten verkaufen!“ „Warum denn verkaufen? Wir sind keine billige Sekte wie Scientology oder der Laden von dieser Barbiepuppe mit dem Dachschaden, wie heißt sie doch gleich – wir sind eine Glaubensgemeinschaft, die ihren Anhängern Trost und Halt gibt.“

„Welchen Gott beten Sie an?“ „Keinen. Auch keine Geister, Engel oder sonstige Jenseitswesen.“ „Und Sie wollen eine Religion sein? Ich bitte Sie!“ „Und der Totemismus? der Buddhismus? Zen? Daoismus?“ „Jaja, ist ja gut. Ich habe es kapiert. Was lehren denn Ihre Priester, wenn Sie…“ „Es gibt keine.“ „Jetzt erzählen Sie mir nicht, es gäbe keine Priester – was für einen Hokuspokus veranstalten Sie da? Das ist doch keine Religion!“ „Verzeihung, sehen Sie auch das Judentum nicht als Religion?“ „Was hat das damit zu tun?“ „Wie Sie wissen dürften, ist ein Rabbiner ein Kenner und Interpret der Tora, aber kein Priester.“ „Wen haben Sie denn dann? Heilige?“ „Verehrungswürdige Personen.“ „Und wer ist das?“ „Beispielsweise Polizisten.“

„Es muss doch aber einen Gott geben in Ihrer Vorstellung. Oder etwas Göttliches.“ „Also jenes höhere Wesen, das wir verehren, nicht wahr?“ „Genau. Das muss doch irgendwo sein.“ „Warum denn? Für Stoßgebete?“ „Beispielsweise.“ „Also eine Funktionalität, wenn menschliche Erkenntnis an ihre Grenzen stößt? wenn der Mensch versagt und in seiner an sich logisch durchdachten Welt nicht mehr zurechtkommt?“ „Sie sagen das so despektierlich.“ „Durchaus nicht. Ich beschreibe nur den deus ex machina, den jedes dieser Systeme aus dem Hut zaubert.“

„Aber mal im Ernst: Sie müssen doch mit Ihrer Religion einen Zweck verfolgen. Das ist sonst Kokolores.“ „Wir haben einen ethischen Kodex. Gebote, Verbote.“ „Sie meinen, wie man sich bei einer Sicherheitskontrolle verhält?“ „Exakt. Der Zwang ist für uns ein verbindendes Element, er gibt dem Leben Struktur. Daraus entsteht dann ein Symbolsystem.“ „Lohn und Strafe?“ „Richtig. Wir sehen unser Leben als kontinuierliche Motivation, wir sind geistig durchdrungen vom Terrorismus und können daraus eine ganz neue Ordnung unseres Daseins schöpfen.“ „Das Leben als permanenter Sicherheitscheck? Sie haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ „Diese Beleidigung gilt auch dem Innenminister, wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf. Außerdem ist das der entscheidende Punkt, der eine Religion von einfacher Ideologie trennt; ein Glaubensgebäude integriert auch völlig unsinnige Ansichten oder Direktiven, wenn man sie nur als transzendente Notwendigkeit ansieht.“ „Das müssen Sie mir erklären.“ „Warum sollen Frauen bis zur Eheschließung unberührt bleiben, warum darf man keine Langusten essen?“ „Es ist nicht anständig, wenn Frauen…“ „Sehen Sie? Sie haben die symbolischen Vorschriften Ihrer Religion schon komplett als Ihre eigenen verinnerlicht.“ „Und wozu dann diese Sinngebung im Unsinn?“ „Um aus dem Zwang eine Struktur zu erzeugen. Dass der Verzehr von Langusten irgendeine negative Folge zeitigen könnte, ist irrelevant; es zählt der Glaube, dass es Gott oder wem auch immer nicht gefällt. Es geht um die Dogmen: Du darfst nicht – Du musst – das ist so. Die Ansichten sind streng auf den Glauben bezogen, so dass Faktizität entsteht und alles als wirklich gilt. Wer’s glaubt, wird selig.“

„Was steht denn im Mittelpunkt Ihrer religiösen Vorstellungen?“ „Wir sind eschatologisch. Uns ist der Terroranschlag verheißen, er komme, sein Wille geschehe. Wann, wie und wo, wissen wir nicht. Wir wissen nichts. Nicht einmal, ob er überhaupt stattfinden kann, aber das ist unwichtig. Wichtig ist, dass wir trotzdem an seine Ankunft glauben.“ „Das ist doch vollkommen widersinnig!“ „Richtig. Aber wir glauben eben daran.“ „Und bis dahin…“ „… leben wir in panischer Angst, lassen uns demütigen und erniedrigen, damit er nie passiert, und beten darum, dass er passiert und uns aus dieser Angst und Erniedrigung erlöst.“ „Und dann?“ „Sind alle vernichtet, die dagegen sind. Oder anders. Oder nicht daran geglaubt haben.“ „Und Sie selbst?“ „Wir auch. Es ist ja schließlich der Weltuntergang, nicht wahr?“ „Stimmt, ich vergaß. Welche Perspektiven haben Sie?“ „Mal sehen. Als zukünftige Staatsreligion der westlichen Welt könnte da einiges möglich sein.“





Totale Sicherheit

25 01 2010

„Und warum sollen wir uns umgewöhnen?“ „Weil es sonst nicht mehr sinnvoll ist.“ „Was heißt denn: sinnvoll?“ „Dass Sie nicht mehr verstehen, was um Sie herum geschieht. Dass Sie einfach komplett aus dem Rahmen fallen und zum Risiko werden.“ „Zum… verdammt, ich kann es nicht sagen!“ „Sagen Sie’s. Los, sagen Sie’s!“ „Sicherheitsrisiko, meinen Sie?“ „Richtig. Sicherheitsrisiko.“

„Ich verstehe es aber nicht. Können Sie es mir nicht noch einmal erklären?“ „Da gibt es nichts zu erklären.“ „Warum nicht?“ „Die Bundesregierung, der Sie Ihr ganzes Vertrauen schenken, hat es so beschlossen.“ „Warum?“ „Weil Sie ihr vertrauen.“ „Das habe ich nicht behauptet, es ist auch gar nicht…“ „Vertrauen Sie der Bundesregierung. Wir wissen besser als Sie, was für Sie richtig ist.“ „Warum?“ „Weil wir entschieden haben, auf uns zu vertrauen.“ „Warum?“ „Weil das sicher ist.“ „Absolut sicher?“ „Absolut sicher.“ „Aber Sie haben doch gesagt, dass Sicherheit eine neue…“ „Sie sind nicht befugt, darüber nachzudenken.“

„Also bitte! Sie geben hier Handzettel aus, in denen diese Botschaft ganz klar beschrieben ist. ‚Sicherheit und Krieg sind dasselbe‘, das steht da.“ „Das heißt aber nicht, dass jetzt Krieg und Sicherheit…“ „Warum steht dann auf der Rückseite: ‚Krieg und Sicherheit sind dasselbe‘?“ „Die Bundesregierung macht keine inkonsistenten Aussagen.“ „Aber Sie haben doch eben gerade der Aussage der Bundesregierung widersprochen? Wie können Sie…“ „Sie sind nicht befugt, diese Frage zu formulieren.“

„Warum müssen denn dann unsere Grundrechte ständig weiter abgebaut werden?“ „Die Sicherheit erfordert es.“ „Gibt es denn Sicherheit?“ „Wir können Sie beruhigen, die Sicherheit der Insassen der… ich meine: der Bundesbürger…“ „Wenn Sie Sicherheit und Krieg gleichsetzen, bereiten Sie denn dann nicht einen Angriffskrieg gegen die Insassen der Bundesrepublik vor?“ „Ihre Frage basiert auf einer ungerechtfertigten Gleichsetzung.“

„Das hieße doch aber, wenn es keine innere Sicherheit gäbe, dass es dann besser wäre für die Freiheit der Bürger – wäre dann nicht im Umkehrschluss auch die innere Sicherheit oder auch nur die Bestrebung, sie herzustellen, eine Bedrohung der Bürger und damit eine Bedrohung der Freiheit?“ „Sie denken zu viel.“ „Warum?“ „Das macht unsicher.“ „Das ist doch gut., wenn wir damit die Sicherheit gefährden, die uns bedroht?“ „Damit würden wir aber andere bedrohen.“ „Wenn unsere Sicherheitsbestrebungen dazu führen, dass die Bedrohungslage von uns selbst ausgeht, dann wäre es doch auch viel besser, wenn wir nicht mehr die Sicherheit anstreben würden?“ „Das beruht auf einem logischen Denkfehler.“ „Auf welchem?“ „Weiß ich nicht.“

„Und jetzt müssen die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden?“ „Das ist der einzige Weg, um der drohenden Bedrohung sicher zu begegnen.“ „Und wodurch?“ „Wir brauchen noch mehr Sicherheitstechnik.“ „Und Versicherungen?“ „Wenn wir uns versichern, dass wir im Sicherheitsfall mehr Sicherheit haben, dann haben wir jetzt, also vor dem sicheren Eintritt des Sicherheitsfalls, auch wieder Sicherheit.“ „Sie sagten doch aber, dass es keine Sicherheit geben könne?“ „Das ist etwas ganz anderes. Sie verwechseln das mit Absicht.“

„Und das Sicherheitspersonal?“ „Wir haben auch die Verpflichtung, dass wir wirtschaftlich…“ „Arbeiten Sie mit den entsprechenden Verbänden zusammen?“ „Wir als Politik haben den Auftrag, die Sicherheitswirtschaft in diesem unserem Lande zu stärken. Die Sicherheitsbranche ist ein wesentlicher Faktor für unsere uneingeschränkte Solidarität mit befreundeten Sicherheitsmächten.“ „Welche Sicherheitsstandards müssen eingehalten werden für die innere Sicherheit?“ „Wir überlassen es der Sicherheitsbranche, diese Fragen in einem sicherheitsrelevanten, lassen Sie es mich ruhig so sagen: im einzigen sicherheitsrelevanten Kontext zu betrachten, und das ist der wirtschaftliche Kontext. Deutschland soll wieder sicher sein, Deutschland muss wieder sicher werden!“

„Wie wird sich die deutsche Außenpolitik vor diesem Hintergrund positionieren?“ „Wir sind Teil internationaler Sicherheitsabkommen. Das verpflichtet uns zu Sicherheitsleistungen, die uns Sicherheit zusichern.“ „Welche anderen Sicherheiten können die Deutschen denn erwarten von der Bundesregierung?“ „Datensicherheit, Rechtssicherheit, und wir versichern Ihnen, dass wir in den kommenden Jahren der christlich-liberalen Bürgerlichkeitsmitte vor allem ein Ziel haben: die Sicherheit aller Bundesbürger. Jeder soll an dieser Sicherheit ganz direkt beteiligt sein.“

„Es bleiben noch einige soziale Fragen…“ „Da wäre natürlich einmal die Rentensicherheit – wir werden sie nicht in Frage stellen, genauso, wie wir auch die Arbeitsmarktreformen so gestalten werden, dass die Erwerbslosen mit mehr Sicherheit rechnen können.“ „Und die Versicherungsbranche?“ „Die ist auf jeden Fall ein ganz starker Partner. Für einzelne Teile der Regierungskoalition natürlich nur.“

„Und das Grundgesetz? Was werden Sie für das Grundgesetz tun?“ „Wir haben immer gesagt, dass wir die Rechtssicherheit auch auf die Verfassung ausdehnen werden, deshalb werden wir auch und gerade dem Grundgesetz mit immer neuen Sicherheitsbestrebungen begegnen, bis wir irgendwann sagen können: unsere Verfassung ist vollkommen abgesichert.“ „Warum?“ „Damit Deutschland ein Synonym ist – ein Synonym für die totale Sicherheit.“





Wie wir lernten, die Bombe zu lieben

11 01 2010

„Also bitte, meine Herren! Jetzt strengen Sie sich doch mal an! So kommen wir doch wirklich nicht voran!“ „Wenn man das jetzt von der politischen Seite aus betrachtet, da würde…“ „Ach Quatsch, was soll denn Politik – wir brauchen Ergebnisse! Fliegen muss wieder sicher werden! Wir können uns doch nicht mit Theoriegefasel aufhalten!“ „Herr Direktor, das ist aber…“ „Leißner, fangen Sie mir nicht wieder mit dem Unsinn an! Wir haben jetzt keine Zeit mehr zu verlieren. Vielleicht explodiert schon morgen die nächste Bombe, und dann stehen wir da. So geht das nicht!“

„Man könnte ja zunächst mal das Personal in den Flughäfen…“ „Hören Sie mir überhaupt zu? Was habe ich Ihnen gepredigt?“ „Aber Obama hat doch selbst gesagt, dass die amerikanischen…“ „Was Obama sagt, ist für uns nicht maßgeblich! Wir sind hier in Europa!“ „Aber wenn es für Europa nicht maßgeblich ist, was Obama sagt, warum müssen wir dann die Sicherheitskontrollen für die Interkontinentalflüge verstärken? Und warum überhaupt nur für die Interkontinentalflüge?“ „Weil es sich hier um ein Sicherheitsproblem der Vereinigten Staaten handelt.“ „Aber was haben wir denn damit zu tun? Gibt es in Europa nicht auch Terrorismus?“ „Das ist hier nebensächlich. Europa ist ein Kollateralschaden.“ „Aber warum müssen denn nur die europäischen Flughäfen die…“ „Leißner, Ihre Meinung interessiert hier nicht!“

„Wir könnten natürlich zu einer Radikallösung greifen, die Gepäckstücke generell durchsuchen und…“ „Schünemann, das ist nicht praktikabel. Wie soll das personell zu bewältigen sein?“ „Wir könnten das Gepäck auch vorab aufgeben lassen und dann mit einer Frachtmaschine schicken, die…“ „Nein, ein Frachtschiff! Dann haben wir auch sechs Wochen Zeit, um die Passagiere vor dem Flug erkennungsdienstlich zu behandeln.“ „Herr Direktor, Herr Direktor! Wir sammeln das Gepäck und bringen es in einen unterirdischen Atombunker und sprengen alles in die Luft!“ „Ja, Terwilliger, das ist der erste vernünftige Gedanke, den ich höre. Holen Sie Erkundigungen ein, wie wir das kostenneutral gestalten können, dann will ich mir das gerne durch den Kopf gehen lassen.“

„Man könnte doch diese 60-Minuten-Regel irgendwie ausweiten.“ „Welche 60-Minuten-Regel denn?“ „Sie wissen doch, dass die Passagiere 60 Minuten vor der Landung gefesselt oder eingesperrt oder…“ „Dann könnte man sie doch auch während des ganzen Fluges fesseln.“ „Oder sie werden alle in kleine Käfige gesperrt.“ „Wieso das denn, Leißner?“ „Falls sie auf die Toilette müssen, Herr Direktor.“ „Wieso muss man sie dann in Käfige sperren?“ „Damit sie auf dem Klo keine Sprengsätze zünden.“ „Und weshalb muss man sie dann in Käfige sperren?“ „Keine Ahnung. Aber ich finde, es hört sich irgendwie gut an.“ „Hm, ja. Da ist etwas dran. Guter Gedanke, Leißner.“

„Aber Herr Direktor, Sie sollten bedenken, dass das kein Weg ist, Attentate zu verhindern.“ „Wieso nicht, Schünemann?“ „Weil es Dutzende von Möglichkeiten gibt, mit Sprengstoffen…“ „Schünemann, wenn ich von Ihnen noch einmal dieses defätistische Gefasel höre, dann werde ich Sie, und zwar höchstpersönlich! darauf können Sie sich verlassen! Haben wir uns da verstanden?“ „… ein Flugzeug zu betreten, ohne dass es bei Kontrollen auffiele.“

„Lächerlich!“ „Herr Direktor, das ist…“ „Ich weigere mich, diese Ammenmärchen zu glauben! Nehmen Sie das weg!“ „Herr Direktor, es ist wirklich…“ „Dann erklären Sie mir mal, warum diese israelischen Sicherheitsbehörden die Methode noch nicht erwähnt haben? Na? Jetzt fehlen Ihnen die Argumente, was? Jetzt bricht Ihr Lügengebäude zusammen, wie? Jetzt habe ich Sie ertappt! Sie wollen mir weismachen, dass die israelischen Sicherheitsbehörden noch nie Sprengstoff in ihren Nacktscannern gefunden haben? Wollen Sie mich verarschen?“ „Herr Direktor, Israel benutzt keine Terahertzscanner.“ „Da ist ein Tippfehler in Ihrer Zusammenfassung, Leißner. Was bilden Sie sich eigentlich ein?“

„Das ist doch alles Kokolores. Schauen Sie mal, Herr Direktor, wenn einer Sprengstoff und Zünder herunterschluckt, dann…“ „Das ist doch technisch gar nicht möglich, Weber. Was erzählen Sie denn da für Schauergeschichten!“ „Herr Direktor, das geht. Das geht sehr gut sogar. Das ist alles kein Problem. Da schluckt einer Sprengstoff und Zünder, oder er lässt sich den Chip einpflanzen, absolut ungiftig, und dann wird er ferngezündet, und bums! geht das Flugzeug koppheister.“ „Weber, Sie faseln ja. Das macht doch kein normaler Mensch. Das wäre doch glatter Selbstmord.“ „Herr Direktor, Sie sollten…“ „Schluss! Ich will nichts mehr hören!“ „Aber es sind doch Selbstmordattentäter, was haben die denn zu…“ „Schnauze jetzt! Verdammt noch mal!“

„Herr Direktor, ich hätte da eine Idee.“ „Gut, dann legen Sie mal los, Terwilliger.“ „Wir teilen die Reisenden in drei Gruppen auf, und dann kriegt jedes Gepäckstück je nach Zufall einen roten oder einen grünen Punkt. Die muss man natürlich bezahlen. Und dann werden alle roten Gepäckstücke aussortiert und durchsucht, und dann kriegen die Passagiere ein Kärtchen, das müssen sie dann abstempeln, und dann müssen sie das abgestempelte Kärtchen im Flugzeug immer bereit halten, und wenn nicht alle das Kärtchen haben, kehrt das Flugzeug um.“ „Und was bringt das?“ „Nichts, aber…“ „Großartig! Hervorragend! Meine Herren, nehmen Sie sich daran ein Beispiel! So einfach kann effiziente Terrorbekämpfung sein!“